<64> stand er gerade in Pasewalk. Er hatte Werner aus Pommern an sich gezogen, wo dieser die glänzendsten Erfolge über die Russen errungen hatte. Der Seltsamkeit wegen wollen wir Werners Zug beschreiben, um den tragischen Ernst der Darstellung etwas aufzuheitern.

Mit 26 Kriegsschiffen, zu denen noch ein schwedisches Geschwader stieß, hatten die Russen den Admiral Zacharias Danielowitsch Mischukow zur Belagerung Kolbergs abgeschickt. Am 26. August eröffnete er die Laufgräben und setzte seine Operationen bis zum 18. September fort. Der Kommandant1 und die Besatzung von Kolberg verrichteten bei der Verteidigung und bei den Ausfällen Wunder der Tapferkeit. Auf die Nachricht von der Belagerung hin wurde Werner von Schlesien aus mit 4 Bataillonen und 9 Schwadronen Kolberg zu Hilfe gesandt. Er kommt an, überrascht den Feind bei Sellnow, bemächtigt sich des wichtigen Defilees bei Kautzenberg und wirft sich in die Stadt2. Noch in derselben Nacht hebt der Feind die Belagerung auf, geht an Bord der Schiffe und läßt 15 Kanonen, 7 Mörser und seine ganze Kriegsmunition im Stich. Werner macht 600 Gefangene und zeigt sich am folgenden Tage am Ostseeufer. So unglaublich es klingt, sein Erscheinen verbreitet solchen Schrecken, daß die Flotte die Anker lichtet, die Segel hißt und aufs hohe Meer fährt. So war es Werner vorbehalten, mit einigen Husarenschwadronen eine Flotte in die Flucht zu schlagen.

Nach völliger Vertreibung der Russen aus Pommern rückte der General nach Prenzlau und vereinigte sich dort mit dem Prinzen von Württemberg. Werner und Belling blieben in der Gegend zur Abwehr der Schweden. Der Prinz von Württemberg dagegen rückte in Eilmärschen nach Berlin und traf dort am 4. Oktober ein.

In Berlin hatte alles zu den Waffen gegriffen. Selbst die Invaliden und Kranken wurden zur Verteidigung herangezogen. Die Befestigungen der Stadt bestanden aus einigen vor den Toren errichteten Erdschanzen. Diese wichtigen Posten waren verwundeten oder kranken Generalen anvertraut, die sich gerade in Berlin befanden. Der Prinz von Württemberg machte mit seiner Kavallerie einen Ausfall aus dem Schlesischen Tor. Dabei stieß er auf den Feind und wurde sechs Stunden lang von Tottleben angegriffen, der ihn mit 7 000 bis 8 000 Kosaken und Dragonern umzingelte. Der Prinz warf sie aber nicht nur zurück, sondern jagte den Feind bis Köpenick. Am folgenden Tage wurde das Schlesische Tor von 2 000 Mann russischer Infanterie angegriffen. Dort leitete Seydlitz die Verteidigung, obgleich er von seiner bei Kunersdorf empfangenen Wunde noch nicht geheilt war, und schlug die Russen zurück. Inzwischen hatte Hülsen Nachricht von der Gefahr erhalten, in der die Hauptstadt schwebte, und war von Koswig herbeigeeilt.

Wären nur die Russen zu vertreiben gewesen, so wäre das wohl geglückt. Als aber auch Lacy eintraf, konnte die Stadt sich nicht länger halten. Schon hatte er Potsdam


1 Heinrich Sigismund von der Heyde (vgl. Bd. III, S. 149).

2 18. September 1760.