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In seinem Unwillen über die Schlappe, die er bei Corbach erlitten, zögerte der Erbprinz nicht, Rache zu nehmen. In aller Stille verließ er das Lager und hob bei Kirchhain1 ein ganzes Detachement von 3 000 Franzosen mit seinem Führer, dem Brigadegeneral Glaubitz, und dem Prinzen von Köthen2 auf. Andrerseits blieb aber auch Broglie nicht untätig. Er versuchte das Spörckensche Korps zu überrumpeln. Obwohl sich der hannöversche General auf Volkmarsen zurückzog und die Armee der Alliierten zu seiner Unterstützung heraneilte, wurde die Spörckensche Arrieregarde von den Franzosen übel behandelt. Nach dieser Schlappe nahm Prinz Ferdinand zur Deckung von Kassel eine Stellung bei Salden, der Erbprinz bei Ober-Vellmar, Wangenheim bei Mönchehof und Spörcken bei Westuffeln. Die französische Armee folgte den Deutschen bis über Freienhagen. Von dort rückte der Graf von der Lausitz über die Eder und du Muy auf Warburg. Da du Muy den Alliierten die Verbindung mit dem Bistum Paderborn und Lippstadt abschnitt, wurden der Erbprinz und Spörcken dorthin abgesandt, und die Armee folgte ihnen auf dem Fuße. Beim Eintreffen des Prinzen Ferdinand hatte der Erbprinz du Muy bereits umgangen, und das Gefecht nahm sofort seinen Anfang3. Nach Verlust von 20 Kanonen und 4 000 Mann zogen sich die Franzosen auf Volkmarsen zurück. Auch dort hätte man sie vielleicht nicht zufrieden gelassen, hätte nicht ein schlimmes Ereignis alle Maßnahmen der Verbündeten über den Haufen geworfen.

Sobald nämlich Prinz Ferdinand Kassel geräumt hatte, ließ Broglie die Stadt durch den Grafen von der Lausitz belagern. Kaum war dieser vor den Toren erschienen, so ergab sich die hessische Hauptstadt schon, — am selben Tage, wo du Muy bei Marburg geschlagen wurde. Nun marschierte die französische Armee sofort auf Volkmarsen an der Diemel und schob du Muy bis Stadtberge vor, während der Graf von der Lausitz über Münden ins Kurfürstentum Hannover eindrang. Prinz Ferdinand, der bei Warburg geblieben war, stellte Spörcken nun du Muy entgegen und sicherte nach Kräften seine Verbindungen hinter der Diemel. Der Erbprinz und Luckner gingen bei Holzminden über die Weser, rückten gegen den Grafen von der Lausitz vor, zwangen ihn zur Aufgabe von Einbeck, Northeim und Göttingen und machten bei diesem Zuge über 600 Gefangene. Nun marschierte der Graf von der Lausitz nach Witzenhausen und zog sich eiligst nach Münden zurück. Zur Beobachtung der Franzosen ließ der Erbprinz Wangenheim in Uslar und stieß selbst wieder zur Armee seines Oheims. Infolge all dieser erwähnten Operationen blieb den Verbündeten nur noch ein schmaler Landstrich in Hessen. Da sie von Ziegenhain gänzlich abgeschnitten waren, fiel die Festung in die Hände der Franzosen und die Besatzung in Kriegsgefangenschaft.

Broglie hatte nun den Rücken frei und sah sich im Besitz von Hessen. Er zog alle seine Detachements zusammen, rückte nach Dörnberg und machte Miene, mit allen Kräften ins Kurfürstentum Hannover einzudringen. Auf diese Demonstration hin


1 Vielmehr bei Emsdorf, 16. Juli 1760.

2 Prinz Friedrich Erdmann von Anhalt-Köthen, französischer Brigadier.

3 Gefecht bei Marburg, 31. Juli 1760.