<83> Hilfe bringen zu können. Da fiel Broglie mit der ganzen französischen Armee über das Detachement des Erbprinzen her. Es verlor bei Grünberg1 3 000 Mann. Die Trümmer vereinigten sich wieder mit dem Hauptkorps des Prinzen Ferdinand. Broglie rückte nun weiter in Hessen vor. Das Detachement der Alliierten, das Ziegenhain belagerte, zog sich zu spät und ohne rechte Ordnung im Angesicht des Feindes zurück. Es wurde völlig geschlagen und vernichtet. Um noch größeres Unglück zu verhüten, hielt es Prinz Ferdinand für das klügste, Hessen zu räumen. Er zog sich so vorsichtig zurück, daß er ohne den geringsten Verlust nach Hannover gelangte. Broglie wagte keine Verfolgung. Er begnügte sich mit der Verproviantierung und Verstärkung der Besatzungen von Kassel, Gießen, Marburg und Ziegenhain und zog sich dann wieder hinter den Main zurück.
Da die gegen die Franzosen und Sachsen verwandten Truppen nun an der Werra überflüssig wurden, so schickte der König sie gegen die Reichsarmee. Kaum hatten sie einen Feind geschlagen, so mußten sie schon einen neuen angreifen. Im März führte sie Schenckendorff2 gegen 4 000 Mann Reichstruppen, die bei Schwarza standen. Er schlug sie und brachte 1 200 Gefangene und 5 Kanonen zurück (2. April 1761)3.
Nach dieser Schilderung eines Feldzugs, in dem man dem Winter und jeder Witterung trotzte, müssen wir noch einen Blick auf die Vorgänge in den fürstlichen Kabinetten werfen.
Frankreich begann die Folgen des langen Krieges zu spüren. Es war geschwächt durch die völlige Unterbindung seines Handels, seine Verluste in Ost- und Westindien und die gewaltigen Ausgaben für den Krieg in Deutschland. Auch das Bündnis mit dem Hause Österreich hatte den Reiz der Neuheit verloren. Die erste Begeisterung war Modesache gewesen und schnell verflogen. Das Volk, dies Tier mit vielen Zungen und wenig Augen, klagte über den Krieg, dessen Lasten es trug, und den man gerade für den Erbfeind Frankreichs, das Haus Österreich, führte. Die weit gewichtigere Stimme der vernünftigen Leute erhob sich gleichsam gegen den Krieg, da er das Königreich zugrunde richtete, um zur Machterhöhung eines versöhnten Feindes beizutragen. Allmählich bekam diese Stimme die Oberhand. Aber der Hof hatte seine besonderen Absichten.
In allen Staaten gibt es eine Anzahl Bürger, die fern vom Lärm der Staatsgeschäfte leben. Sie betrachten sie leidenschaftslos und urteilen infolgedessen richtiger. Die aber, die das Staatsruder lenken, sehen alles mit leidenschaftlich voreingenommenen Blicken und urteilen nur nach den Truggestalten ihrer Einbildungskraft. So werden sie oft durch die Folgen falscher Maßnahmen in eine Verkettung unvorhergesehener Ereignisse hineingezogen. Ungefähr in dieser Lage befand sich das
1 21. März 1761.
2 Generalmajor Balthasar Rudolf von Schenckendorff.
3 Gewöhnlich Gefecht bei Saalfeld genannt.