<85> Mäßigung zu beweisen. In Wirklichkeit aber konnte ein solcher Kongreß ihren Absichten und Interessen nicht im mindesten schaden; denn es hing nur von ihr ab, die Verhandlungen nach Belieben in die Länge zu ziehen und derweilen den Krieg in dem nun anbrechenden neuen Feldzuge nachdrücklich weiterzuführen. Setzte sie doch ihre größten Hoffnungen auf dessen glücklichen Ausgang.
In London machte den Vorschlag zu jenem Kongreß der russische Gesandte beim König von Großbritannien, Fürst Galizin1. Die Könige von Preußen und England waren dazu um so bereitwilliger, als sie selbst im vergangenen Jahre die Anregung zu einem solchen Kongreß gegeben hatten. Aber damals hatten ihre Feinde sie keiner Antwort gewürdigt2.
Frankreich verbarg unter seiner friedfertigen Maske Absichten, die auf ein weit größeres Ziel hinausliefen. Es bot England einen Waffenstillstand an und wechselseitige Absendung von Bevollmächtigten zur gütlichen Beilegung ihrer Zwistigkeiten3. Insgeheim aber bezweckte der Versailler Hof damit nur, England durch Unterhandlungen hinzuhalten, um dessen gewaltige Rüstungen zur See zu verzögern, den nächsten Feldzug zu gewinnen, seine Flotte instand zu setzen und Spanien mit in den Krieg zu verwickeln. Ging indes England unter mäßigen Bedingungen auf den Frieden ein, so hoffte Frankreich, sich unter der Maske eines Vermittlers zum Schiedsrichter auf dem Augsburger Kongreß auszuwerfen und dort eine ähnliche Rolle zu spielen, wie seinerzeit beim Abschluß des Westfälischen Friedens.
Nach kurzem Meinungsaustausch willigte das englische Ministerium in die Absendung gegenseitiger Bevollmächtigter, lehnte aber gleichzeitig den Abschluß eines Waffenstillstandes ab, solange man sich nicht über die Friedenspräliminarien geeinigt hätte.
Der König kannte die Denkungsart seiner Feinde sehr wohl. Er ernannte Abgesandte für den Augsburger Kongreß, erteilte ihnen aber die Instruktion, alle Vorschläge entgegenzunehmen, ohne darauf eine Antwort zu geben, da er selbst ernsthafte Friedensverhandlungen durch seine Gesandten in London führen wollte. Dort hatte er den Vorteil, daß er sich über seine Interessen mit Frankreich direkt verständigen konnte, ohne zugleich mit einem Haufen anderer Fürsten zu tun zu haben.
Unter den obwaltenden Umständen konnte der König sich einem Separatfrieden zwischen England und Frankreich nicht widersetzen. Es galt nur, die bestmöglichen
1 Galizin überreichte am 31. März 1761 die gleichlautende Erklärung Frankreichs, Österreichs und ihrer Verbündeten vom 26. mit dem Vorschlag der Berufung eines Friedenskongresses nach Augsburg und mit der Aufforderung an England und Preußen, Bevollmächtigte für den Kongreß zu ernennen.
2 Vgl. S. 31 f.
3 In einem Schreiben Choiseuls an Pitt vom 26. März 1761, das von einer Denkschrift begleitet war, wurden der englischen Regierung Vorschläge zu einem Sonderfrieden mit Frankreich gemacht.