<86> Bedingungen zu erlangen. Deshalb wurde festgesetzt: Frankreich sollte die während des Krieges besetzten preußischen Provinzen wieder herausgeben und England den König mit Subsidiengeldern und Truppen unterstützen, damit er die noch übrig bleibenden Feinde zur Bewilligung eines ehrenhaften Vergleichs zwingen könnte. Ferner wurde bestimmt: kein Gesandter des Kaisers solle zu dem Kongreß zugelassen werden, weil man den Krieg mit der Kaiserin-Königin, nicht aber mit dem Oberhaupt des Reiches geführt habe. So unbedeutend auch im Grunde genommen diese Klausel war, so scheiterte an ihr doch das Zustandekommen des großartigen Kongresses.
Am 25. Oktober 1760 starb in England König Georg II. und beendete seine glorreiche Regierung durch einen sanften und raschen Tod. Noch vor seinem Hinscheiden erfuhr er zu seiner Genugtuung die Einnahme von Montreal, durch die sich die Engländer in den Besitz von ganz Kanada gesetzt hatten. Unter anderen guten Eigenschaften zeigte der verstorbene König stets eine heroische Beharrlichkeit, und so konnten sich seine Verbündeten immer völlig auf ihn verlassen. Ihm folgte sein kaum großjähriger Enkel, der gegenwärtig unter dem Namen Georg III. regiert.
Die in diesem Werke mehrfach erwähnten Unterhandlungen Preußens mit der Pforte1 fingen damals an, festere Gestalt zu gewinnen. Am 2. April unterzeichnete der preußische Gesandte einen Freundschafts- und Handelsvertrag mit dem Großwesir2 und ward bei ihm zur öffentlichen Audienz vorgelassen. Beide Teile hatten sich vorbehalten, ihr Verhältnis noch inniger zu gestalten und den Vertrag in ein Defensivbündnis zu verwandeln. Dies Abkommen enthielt zwar wenig Greifbares, beunruhigte aber den Wiener, ja sogar den Petersburger Hof. Dort fürchtete man, die Verbindung der beiden Mächte wäre enger, als bekannt gegeben wurde. Da sich indessen die türkischen Truppen nicht rührten, so glaubte die Kaiserin-Königin für den nächsten Feldzug vor jeder Diversion sicher zu sein.
Neben diesen Hauptverhandlungen liefen noch geheime her. Wie keine Stadt uneinnehmbar ist, in die noch ein goldbeladener Esel hineinkommen kann, so gibt es auch keine Armee ohne feige und käufliche Seelen. In diesen kritischen Zeiten war die Erlangung von Nachrichten aus sicherer Quelle wichtig. Gerade bei einer so großen Zahl von Feinden mußte man wenigstens über einen Teil ihrer Pläne unterrichtet sein. Man lenkte den Blick auf Tottleben3, einen Mann, der derartigen Vorschlägen zugänglich und wohl imstande war, zuverlässige Nachrichten zu liefern. Die Einschätzung seines Charakters erwies sich auch als richtig. Er ging auf alle Wünsche ein, ja noch darüber hinaus. Aus Leichtsinn und Unbesonnenheit ließ er sich zu diesem schändlichen Gewerbe verleiten, aber sein unkluges Benehmen ver-
1 Vgl. S. 31.
2 Raghib Pascha.
3 Graf Gottlob Kurt Heinrich Tottleben, russischer Generalleutnant.