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14. Kapitel

Feldzug des Jahres 1761.

Trotz der friedlichen Gesinnung, die die beiden kaiserlichen Höfe so geflissentlich zur Schau trugen, beschleunigten sie die Rüstungen zum neuen Feldzuge mit glühendem Eifer. Sie hatten sich vorgenommen, die größten Anstrengungen zu machen und alles aufzubieten, um den König von Preußen zugrunde zu richten. Den Oberbefehl über die Kaiserliche Armee in Sachsen übernahm Daun, während Laudon zum Führer der schlesischen Armee bestimmt wurde. Er lagerte sich bei Seitendorf, gegenüber von Goltz, dessen Truppen bei Kunzendorf standen88-1.

Im letzten Feldzuge hatte der König allerdings Siege über die Österreicher errungen, sie waren aber nicht bedeutend genug, damit die Wagschale sich ganz auf seine Seite neigte. Während des Winters hatte die Kaiserin ihre Truppen neu rekrutiert. Außerdem stand ihr die russische Armee zur Verfügung und sicherte ihr stets das numerische Übergewicht. Auch konnte sie durch die Russen bequem wirksame Diversionen machen lassen, so oft es ihr gutdünkte. Neben der russischen Hilfe standen ihr noch die Reichsarmee und die schwedischen Truppen zu Gebote. Mit geringerer Zahl von Soldaten und Bundesgenossen warf Alexander der Große das ganze Perserreich über den Haufen.

Die verschiedenen Feldzugspläne der Kriegführenden waren folgende. Frankreich beschloß die Aufstellung zweier Armeen gegen Prinz Ferdinand. Die eine am Niederrhein unter Soubise sollte sich Münsters bemächtigen, die andere am Main unter Broglie war zum Einfall ins Kurfürstentum Hannover über Göttingen bestimmt. Laudon war vom Wiener Hofe beauftragt worden, in Schlesien einen Belagerungskrieg zu führen. Dabei sollten die Russen ihn unterstützen, ihre Hauptmacht aber an der Warthe aufstellen, mit Posen als Mittelpunkt. Von dort aus sollte Buturlin88-2 nach Vereinbarung mit den österreichischen Generalen gegen Schlesien vorgehen, während Rumänzow mit einem großen Detachement, von der russischen und schwedischen Flotte unterstützt, zur Belagerung Kolbergs schreiten sollte. Daun behielt sich selbst<89> die entscheidenden Schläge vor. Seine Armee war gleichsam das Magazin, aus dem Verstärkungen nach allen Seiten, wo es irgend nötig war, abgehen sollten. In der Tat sandte er O'Donell mit 16 000 Mann nach Zittau ab; denn dort befand sich der General gleich weit von Sachsen und Schlesien.

Der König und seine Verbündeten vermochten keine hinlänglichen Maßnahmen zu treffen, um die Pläne und Anstrengungen so zahlreicher Feinde wirksam zu vereiteln. Im allgemeinen wurde indes folgendes ausgemacht. Prinz Ferdinand übertrug dem Erbprinzen von Braunschweig die Deckung des Münsterlandes gegen die Einfälle Soubises. Er selbst wählte zu seinem Stützpunkt Paderborn; denn von dort aus konnte er jederzeit dem Erbprinzen zu Hilfe kommen oder Broglie in den Rücken fallen, falls dieser über die Weser ging und einen Einbruch ins Kurfürstentum Hannover wagte. Die sächsische Armee vertraute der König seinem Bruder, Prinz Heinrich, an und empfahl ihm, Daun im Auge zu behalten. Schlug der Feldmarschall den Weg nach Schlesien ein, so sollte der Prinz ihm mit einem Teil seiner Truppen folgen, aber Hülsen mit einem Detachement in Meißen lassen, damit er sich in Sachsen so lange behauptete, als es die Umstände irgend erlaubten89-1. Sich selber behielt der König die Verteidigung Schlesiens vor. Er bestimmte Goltz mit 12 000 Mann zur Deckung Glogaus und den Prinzen von Württemberg, der in Mecklenburg überwintert hatte, mit all seinen Truppen zum Schutze Kolbergs. Eilig wurde dort an dem verschanzten Lager gearbeitet, das der Prinz rings um die Festung besetzen sollte. Es war vorauszusehen, daß sich die Russen bei einem Mißlingen der Belagerung nach der Kurmark oder nach Schlesien wenden würden. Im ersteren Fall sollte sich der Prinz von Württemberg mit Goltz zur Deckung Berlins in Frankfurt vereinigen. Von den zwei Hauptarmeen sollte ihnen dann die am wenigsten beschäftigte Hilfe schicken. Im zweiten Fall hatte Goltz Befehl, Glogau oder Breslau zu decken, je nachdem, welche von beiden Städten es am nötigsten hätte.

Zunächst wurden die Truppen an ihren Bestimmungsorten versammelt. Am 4. Mai setzte sich der König in Marsch, ging noch am selben Tage bei Hirschstein über die Elbe und traf am 10. ungehindert in Löwenberg ein. Beim Anmarsch der Preußen verließ Laudon sein Lager bei Seitendorf, zog sich nach Böhmen zurück und verschanzte sich bei Hauptmannsdorf in der Nähe von Braunau. Außerdem besetzte er die Stellungen von Silberberg und Martha mit hinreichenden Truppen zur Verteidigung der dortigen Gebirgspässe nach der Grafschaft Glatz. Der König wählte seine Stellung bei Kunzendorf. Sein rechter Flügel besetzte den Zeiskenberg und Fürstenstein, sein linker zog sich über die Hochebene von Bärsdorf. Außerdem mußte Bülow89-2 Nimptsch mit einem Kavalleriekorps besetzen, um die Verbindung mit Neiße zu sichern. Gleichzeitig brach Goltz89-3 mit einem Detachement von 10 000<90> Mann nach Glogau auf. Von dort schicke er Thadden mit 4 Bataillonen zum Prinzen von Württemberg ab, der sein verschanztes Lager bei Kolberg bereits bezogen hatte.

Während dieser Vorbereitungen in Schlesien, Pommern und Sachsen ratschlagten die Österreicher und Russen miteinander. Sie einigten sich nur schwer und änderten verschiedentlich ihren Operationsplan. Endlich kamen sie überein, Rumänzow solle Kolberg belagern und Buturlin stracks auf Breslau marschieren. Inzwischen erkrankte Goltz und ward in wenig Tagen von einem hitzigen Fieber dahingerafft. Zieten trat an seine Stelle und wurde mit einem Vorstoß gegen Polen beauftragt. Zweimal war das schon vergeblich versucht worden90-1. Auch diesmal mißlang der Plan, eine der russischen Kolonnen auf dem Marsch anzugreifen, während die anderen noch zu weit entfernt waren, um sich rasch mit ihr zu vereinigen. Die eine der feindlichen Kolonnen marschierte auf Schneidemühl, die zweite auf Schwerin90-2, die dritte auf Posen. Zieten rückte nach Fraustadt vor und schlug dort ein Kosakenkorps. Weiter vorzugehen wagte er aber nicht; denn bereits seit zwei Tagen hatten sich die drei russischen Kolonnen bei Posen vereinigt. Buturlin brach danach auf. In kleinen Tagesmärschen setzte er langsam seinen Weg durch die Woywodschaft Posen fort. Dabei näherte er sich Schlesien, und zwar nach Militsch zu, wodurch er seine Absichten auf Breslau verriet. Zieten blieb ihm zur Seite und marschierte auf Trachenberg. Sobald sich die Russen in Bewegung setzten, verließ O'Donell die Lausitz und vereinigte sich mit der Laudonschen Armee.

Die Stellung des Königs in den schlesischen Bergen war mißlich. Zwar deckte er das flache Land gegen feindliche Einfälle, soweit es die Umstände erlaubten. Seit jedoch Buturlin auf Militsch marschierte, war der Augenblick nicht fern, wo der König ein starkes feindliches Heer in den Rücken bekam, während die Österreicher schon vor ihm standen. Er mußte also die Berge verlassen und seine Truppen so aufstellen, daß sie an bestimmte defensive Aufgaben nicht gebunden waren, sondern sich je nach Bedarf rasch dorthin wenden konnten, wo es galt, dem Feinde zuvorzukommen. Zu dem Zweck eignete sich das Lager von Pilzen am besten. Der König ließ es also besetzen (6. Juli) und nahm sich vor, möglichst lange die Mittellinie zwischen der österreichischen und russischen Armee zu behaupten, um die Vereinigung beider Heere zu verhindern. Auch faßte er den Entschluß, bei sich bietender günstiger Gelegenheit den Österreichern eine Schlacht zu liefern, den Russen gegenüber sich jedoch streng auf die Defensive zu beschränken. Schlug er nämlich die Österreicher, so flohen die Russen ohnedies. Besiegte er aber die Russen, so hinderte das Laudon noch garnicht an weiteren Unternehmungen im Felde. Die Österreicher sind die natürlichen und unversöhnlichen Feinde der Preußen, die Russen aber waren nur durch besondere Umstände zu Gegnern geworden, und irgend eine Veränderung oder Umwälzung<91> konnte sie wieder zu Freunden oder gar zu Verbündeten machen. Um ganz aufrichtig zu sein, sei ferner noch bemerkt, daß die preußische Armee nicht imstande war, sich alle Tage zu schlagen. Der König war also gezwungen, die Kräfte seiner Truppen für ganz wichtige und entscheidende Schläge aufzusparen.

Kaum war er einige Tage im Lager von Pilzen, als Laudon im Angesicht der Preußen durch den Paß bei Steinkunzendorf aus den Bergen hervortrat. Das ungeschickte und grobe Manöver verriet alle seine Pläne und war gleichsam eine offene Erklärung, daß er es auf die Festung Neiße abgesehen habe. Am folgenden Tage (21. Juli) brach die Armee des Königs auf und nahm die Höhen von Siegroth ein. Da der König die Österreicher die Straße nach Frankenstein einschlagen sah, beschloß er, um ihnen zuvorzukommen, die Höhen von Münsterberg zu besetzen. Unterwegs stießen die Truppen am folgenden Tage auf Brentano in einer Stellung zwischen Frankenstein und Heinrichau. Der hatte einige Panduren nach Münsterberg geworfen. Das Courbièresche Freiregiment und die Nymschöfskyschen Grenadiere nahmen die Stadt mit Gewalt, und Brentano zog sich nach einer ziemlich lebhaften Kanonade in einige Entfernung von seiner ersten Stellung zurück. Möhring wurde mit seinem Husarenregiment auf die Höhen von Groß-Nossen vorgeschoben und bemächtigte sich dort des von nur 300 Husaren besetzten Laudonschen Lagers. Als der König seine Infanterie auf diesen Höhen aufstellte, entdeckte er nach Frankenstein zu die ganze österreichische Armee, die durch Hin- und Hermärsche und unsichere Manöver ziemlich deutlich verriet, daß ihre Pläne durchkreuzt waren.

In der Tat hatte Laudon selbst das Lager von Groß-Nossen besetzen wollen, um den König von Neiße abzuschneiden und sich dann auf den Höhen von Woitz, Giesmannsdorf und Neundorf festzusetzen. Damit hätte er die Festung von der linken Flußseite eingeschlossen. Die Russen sollten bei Oppeln über die Oder gehen und Neiße auf der oberschlesischen Seite von Bielau bis Karlau blockieren. Die Armee des Königs blieb nur kurze Zeit bei Groß-Nossen. Noch am selben Tage rückte sie bis Carlowitz vor und entfaltete sich am folgenden Tage (23. Juli) über die ganze Hügelkette von Ottmachau über Giesmannsdorf bis Schilde. Als Laudon seine Absichten vereitelt sah, lagerte er sich bei Ober-Pomsdorf. Aus natürlicher Unruhe oder weil er noch an die Führung von Detachements gewöhnt war, änderte er in acht Tagen seine Stellung sechsmal, ohne irgend einen vernünftigen Grund.

Indes rückten die Russen auf Wartenberg vor und breiteten sich von dort aus bald bis Namslau aus. Zieten, der sie beobachtete, näherte sich sofort Breslau, ging dann aber zur Deckung von Brieg zurück. Bald nach seinem Abzug von Breslau wurde die Vorstadt Polnisch-Neudorf von den Russen beunruhigt. Dadurch sah sich der König genötigt, Knobloch mit 10 Bataillonen und ebensoviel Schwadronen dorthin abzusenden.

Die österreichische Armee blieb derweil in ständiger Bewegung. Sie ging über die Neiße und wieder zurück und lagerte sich bei Baumgarten in der Nähe von Martha.<92> Diesen Augenblick benutzte der König. Er ging über die Neiße, nahm Stellung bei Oppersdorf und rückte von dort mit einem Detachement auf Neustadt vor (30. Juli). Dort lagerte Bethlen mit 6 000 Österreichern. Der Gedanke lag nahe, daß Laudon ihn nach Oppeln schicken wollte, um Buturlin die Hand zu reichen. Der König nahm an, der russische Marschall wolle dort über die Oder gehen und sich mit der österreichischen Armee vereinigen. Die aus Husaren bestehende Avantgarde des Königs griff ein feindliches Regiment an, schlug es und verfolgte es bis unter die Kanonen von Hennersdorf, wo die Österreicher Schanzen errichtet hatten. Nun rückte Zieten, der die Oder bei Brieg und die Neiße bei Schurgast überschritten hatte, von Steinau heran und umging Bethlen in der rechten Flanke. Der zog sich eilig auf Jägerndorf zurück und wurde von Lossow92-1 verfolgt, der ihn von Jägerndorf über Troppau bis jenseits der Mohra in Mähren trieb. In dem Treffen bei Neustadt und später auf dem Rückzuge verlor der Feind 400 bis 500 Mann. Nach Bethlens Verdrängung setzte sich Zieten bei Schnellewalde fest, und der König kehrte zur Armee zurück. Ihr linker Flügel stieß fast an das Zietensche Detachement, während der rechte sich über die Höhen vor Oppersdorf ausdehnte.

Nach diesem Zuge war die Vereinigung der Feinde in Oberschlesien sehr erschwert, und so war es nicht wahrscheinlich, daß Buturlin noch auf seinem Plane, bei Oppeln über die Oder zu gehen, beharrte. Die Bewegungen der Armee des Königs versetzten die Österreicher wieder in Unruhe. Laudon lagerte sich bei Weidenau und am folgenden Tage bei Johannesberg. Auch dort behagte es ihm nicht. Schließlich ging er über die Neiße zurück und blieb in der Gegend von Camenz.

Während dieser verschiedenen Märsche und Gegenmärsche der Preußen und Österreicher breiteten sich die Russen am anderen Oderufer aus und plünderten und verwüsteten das Land. Der König erfuhr von ihren Greueltaten. Im übrigen waren ihre Operationen so dunkel, daß man ihre wahren Absichten unmöglich durchschauen konnte. Es war nicht ersichtlich, ob sie in Oberschlesien oder in der Gegend von Ohlau über die Oder gehen wollten, oder ob sie einige Belagerungen planten, kurz, was sie eigentlich vorhatten. Da der König auf nichts mit Sicherheit rechnen konnte, hielt er es fürs beste, sich auf alles gefaßt zu machen und ein Korps in die Gegend zwischen Breslau und Brieg zu schicken. Von dort aus konnte es beide Festungen nach Bedarf unterstützen und gleichzeitig die Ober im Auge behalten. Zu dem Zweck marschierte Knobloch nach Grottkau, von wo aus er in wenigen Stunden beiden Festungen zu Hilfe eilen und im Notfalle sogar wieder zur Armee des Königs stoßen konnte.

Die Russen waren nach Hundsfeld, nur eine Meile von Breslau, vorgerückt. Diese Bewegung bewies, daß sie nicht mehr an einen Oderübergang in Oberschlesien dachten. So überschritten die Armee des Königs und das Zietensche Korps wieder die Neiße<93> und trafen nach einem Gewaltmarsch am nächsten Tage (5. August) in Strehlen ein. Sie wollten immer mitten zwischen den beiden feindlichen Heeren bleiben und ihre Bereinigung solange wie irgend möglich verhindern. Man hatte Buturlin Hoffnung gemacht, durch 4 000 österreichische Gefangene, die in Breslau waren, eines der Stadttore überrumpeln zu können. Die Russen brauchten dann nur gleichzeitig die Vorstadt Polnisch-Neudorf jenseits der Oder anzugreifen, um sich der Hauptstadt durch einen Handstreich zu bemächtigen. Tschernyschew übernahm die Ausführung des Planes und drang mit einigen Truppen in die offene Vorstadt ein. Aber Tauentzien93-1, der Kommandant der Festung, hatte seine Maßnahmen so richtig getroffen, daß er sowohl die Gefangenen im Zaume hielt, als auch die Russen abschlug. Knobloch eilte Tauentzien zu Hilfe und machte in Gemeinschaft mit ihm einen heftigen Ausfall. Es gelang ihnen, den Feind ganz aus der Vorstadt zu verdrängen. Doch der König ließ sich an den getroffenen Vorsichtsmaßregeln nicht genügen. Er sandte zum Überfluß noch Platen mit 11 Bataillonen und 15 Schwadronen nach Rothsyrben. Von dort konnte er Breslau und die Oder im Auge behalten und entweder Tauentzien zu Hilfe eilen oder Nachricht geben, an welcher Stelle die Russen Anstalten zum Übergang über den Fluß träfen.

Unterdessen erhielt der König durch seine Streifkorps Meldung, die österreichische Armee habe sich bei Kunzendorf gelagert, und die Russen hätten sich aus der Gegend von Breslau zurückgezogen. Daraufhin verließ die Armee ihre Stellung bei Strehlen und langte nach einem Gewaltmarsch jenseits des Schweidnitzer Wassers und des Dorfes Canth an (10. August). Dort stießen auch Platen und Knobloch zu ihr. Am folgenden Tage93-2 wechselte der König seine Stellung und ließ die Armee bei Nieder-Moys lagern. Dort verbreiteten sich unbestimmte Gerüchte, die Russen hätten die Oder bei Auras überschritten93-3. Nach einigen Nachrichten waren es nur Kosaken, nach anderen dagegen ein ganzes Detachement. Wieder andere behaupteten sogar, es handle sich um Buturlins gesamte Armee. Die Nachricht war jedenfalls von größter Wichtigkeit und bedurfte durchaus der Aufklärung. So sandte der König denn Schmettau93-4 nach Neumarkt ab. Der verjagte von dort einen Schwarm Kosaken und nahm ihnen einige Gefangene ab. Auch Möllendorff wurde nach einem Dorfe Royn auf Kundschaft geschickt und vertrieb dort ebenfalls ein feindliches Detachement. Aber die Gefangenen, die sie ins Lager mitbrachten, konnten keine klare Auskunft geben, da sie vor drei Tagen durch die Oder geschwommen waren. Dann hatte sich das barbarische Kriegsvolk derart mit Plündern beschäftigt, daß sie sich garnicht um den Verbleib Buturlins und seiner Armee gekümmert hatten.

Auf eine Bewegung Laudons gegen Striegau änderte die Armee des Königs ihre Stellung und besetzte mit dem rechten Flügel den Hügel bei Leipe, mit dem linken Eisdorf. Da es aber immer noch ungewiß blieb, ob die Russen über die Oder ge<94>gangen seien ober nicht, so war zur Erlangung bestimmter Nachrichten die Absendung eines Korps nötig, das stark genug war, sich durchzuschlagen und weit genug vorzustoßen, um sich durch den Augenschein von den tatsächlichen Vorgängen zu unterrichten. Zu dem Zweck sandte der König Platen mit 40 Schwadronen und 10 Bataillonen zur Rekognoszierung nach Parchwitz94-1. Der König begab sich zum Regiment Zieten auf den äußersten rechten Flügel des Lagers, um Platen mit den Augen zu folgen und selbst zu beurteilen, ob er Unterstützung brauchte, ob er ihn zurückziehen müßte, oder was sonst für Maßnahmen zu treffen seien. Kaum war der König dort angelangt, so stürzte eine Horde von 3 000 bis 4 000 Kosaken mit ihrem beim Angriff gewohnten Schreien und Lärmen auf das Regiment Zieten los. Eiligst sandte der König zur Armee und ließ die nächsten Regimenter des rechten Flügels herbeiholen. Bis zu ihrer Ankunft aber schickte man sich zur Verteidigung an. Die Schwadronen teilten sich in zwei Abteilungen, um ihre Front besser zu schützen und die Flanken zu decken. Vor jeder Schwadron wurde ein Unteroffizier mit 10 Husaren gestellt, mit dem Befehl, geschlossen und unbeweglich stehenzubleiben und sich nur plänkelnd mit dem Karabiner zu verteidigen. Sobald die Kosaken Miene machten, sich auf diese kleinen Abteilungen zu werfen, unterstützten die dahinterstehenden Schwadronen sie mit dem Säbel in der Faust, ohne sich sonst in ein Gefecht einzulassen. Das Scharmützel dauerte anderthalb Stunden. Sobald aber die Kosaken aus der Ferne die Hilfstruppen herankommen sahen, ergriffen sie Hals über Kopf die Flucht und zogen sich in der Richtung auf Groß-Wandris zurück. Wer Kosaken gegenüber kaltes Blut zu bewahren weiß, läuft nicht viel Gefahr. Denn trotzdem das Regiment Zieten den Barbaren an Zahl weit nachstand, vermochte es sich doch allein gegen sie zu behaupten, ohne daß ein Husar verwundet oder gefangen genommen wurde.

Kaum hatten die zur Hilfe heranrückenden Regimenter den König erreicht, so erblickte er in der Ebene von Iauer 40 österreichische Schwadronen, die in scharfem Trabe auf Wahlstatt rückten. Platen seinerseits hatte die Russen bis über Groß-Wandris zurückgetrieben. Zu seiner Unterstützung entsandte der König Zieten mit 6 Bataillonen und 10 Schwadronen und folgte ihm schließlich selbst. Kaum hatten diese Truppen die Höhe am Würcken-Teich94-2 erreicht, so sah man die Spitze der österreichischen Kavallerie bei Wahlstatt hervorkommen. Sie wurde mit starkem Kanonenfeuer empfangen und unmittelbar darauf von den Finckschen Dragonern unter Reitzenstein94-3 und zwei Czettritz-Schwadronen attackiert. Nach zwei kräftigen Angriffen hintereinander warf Reitzenstein sie in das eben von ihr verlassene Defilee zurück und machte dabei 300 Gefangene. Die feindliche Kavallerie floh aufgelöst nach Iauer, und nur ein einziges Regiment, das zuerst durch das Defilee gegangen war, vereinigte sich mit Buturlin. Der Zufall wollte, daß die Kosaken selbst zur Niederlage der Österreicher beitrugen. Die österreichischen Dragoner an der Spitze<95> der Kolonne trugen nämlich blaue Uniformen. Sie wurden von den Russen für Preußen gehalten, und während Reitzenstein sie in der Front attackierte, fielen ihnen die Kosaken in die Flanke. Nach ihrem Sieg über die Österreicher jagte die preußische Kavallerie die Russen bis an das verschanzte Lager Buturlins. Dessen Armee hielt das Gelände von Koischwitz bis Kunzendorf besetzt. Sie war bei Leubus über die Oder gegangen95-1 und hatte sich fleißig in ihrer Stellung verschanzt.

Die Gründe, weshalb der König die Russen nicht angreifen wollte, blieben stets die gleichen. Ihre Armee befand sich in einer derartigen Stellung, daß man sie nur mit großen Opfern aus diesem vorteilhaften Gelände hätte vertreiben können. Aber die Preußen hatten keine Leute übrig. Der König verfügte alles in allem nur über 24 Bataillone und 58 Schwadronen, da das Gros unter Markgraf Karl im Lager von Leipe geblieben war. Er sollte dort dem König den Rücken freihalten und gleichzeitig die Bewegungen der Österreicher aus nächster Nähe beobachten. Doch war die Entfernung nicht so groß: die Vereinigung der beiden Armeeabteilungen ließ sich in kaum zwei Stunden bewerkstelligen. Zu einem unvermuteten Angriff auf den Markgrafen Karl stand Laudon von Leipe zu weit. Was auch geschehen mochte, der Markgraf hatte immer noch Zeit, Meldung zu schicken und Hilfe abzuwarten. Was die Russen betraf, so konnte der König bei ihrer gewohnten Langsamkeit und ihrer geringen Neigung zu kräftigem Vorgehen den Markgrafen Karl im Notfall noch rechtzeitig heranziehen. Der König nahm sein Lager zwischen Klein-Wandris und Wahlstatt und ließ es sorgfältig befestigen, um gegen einen plötzlichen Überfall gesichert zu sein. Auch wurde eine alte Schanze am Würcken-Teich hergestellt, um die Verbindung zwischen den beiden preußischen Armeen noch mehr zu sichern.

Am folgenden Tage zeigte sich ein neues Lager hinter Iauer. Es genügte aber nicht, zu wissen, daß es ein österreichisches war, es galt auch festzustellen, zu welchem Zweck der Feind sich dorthin gewandt hätte. Um das zu erkunden, mußten sich ein Offizier und drei Husaren, die etwas Russisch konnten, als Kosaken verkleiden und sich am frühen Morgen ins Lager von Iauer schleichen, unter dem Vorwand, sie hätten sich aus Unkenntnis der Wege verirrt. Der österreichische Offizier, der die Wache hatte, erwies ihnen alle mögliche Aufmerksamkeit und gab an, er gehöre zu einem Detachement von 6 000 Mann unter Brentano, das zur Deckung der österreichischen Artillerie bestimmt sei. Laudon habe sie hierher vorrücken lassen, um sie im Fall eines preußischen Angriffs auf die Russen rascher bei der Hand zu haben. In diesem Fall würden sich die Österreicher sofort am Kampfe beteiligen, sodaß der König der Übermacht der beiden kaiserlichen Armeen sicher erliegen müsse.

Am folgenden Tage95-2 brach Buturlin auf. Er ging über Liegnitz und nahm Stellung beim Dorf Eichholz. Laudon wähnte, dem König Gelegenheit zum Angriff auf die Russen während ihres Marsches gegeben zu haben. Denn Buturlins Bewegung<96> ging nicht weit von der Armee und auf einem scheinbar günstigen Gelände vor sich. Aber der König wollte dem einmal gefaßten Vorsatz treu bleiben. Die Russen wurden nicht angegriffen, ja selbst ihre Arrieregarde ließ man in Ruhe. Nach dieser Bewegung der Russen war ein weiterer Widerstand gegen ihre Vereinigung mit den Österreichern unmöglich. Diese waren auf der Hut gewesen. Um sich keine Blöße zu geben, hatte Laudon im ganzen Feldzuge niemals den Fuß des Gebirges verlassen und bei jeder Gelegenheit sehr geschickt nur die Bundesgenossen Österreichs den Märschen und gewagtesten Unternehmen ausgesetzt.

Der König konnte keinen besseren Entschluß fassen, als durch einen Gewaltmarsch die Höhen von Kunzendorf zu erreichen. Denn konnte er diese Stellung vor Laudon besetzen, so wurde die österreichische Armee von ihren Magazinen abgeschnitten. Dann wäre auch den Russen, die ganz auf die von der Kaiserin-Königin gelieferten Lebensmittel angewiesen waren, das Brot ausgegangen, und sie hätten sich ihren in Polen zurückgelassenen Vorräten nähern müssen. Glückte der Plan, so hätte er für diesen Feldzug den Dingen in Schlesien ein völlig anderes Gesicht gegeben. Die Armee des Königs setzte sich auch umgehend in Marsch. Um Zeit zu gewinnen, detachierte der Markgraf sofort Knobloch zur Besetzung des Pitschenberges, über den die Armee notwendig marschieren mußte. Noch am selben Abend besetzte der Markgraf den Berg, und am folgenden Tage (20. August) trat die ganze Armee in der Gegend von Jauernick und Bunzelwitz hervor. Aber der Zweck des Unternehmens schlug fehl. Laudon war dem König zuvorgekommen, und schon tags vorher hatten sich an 20 Bataillone seiner Armee bei Kunzendorf gelagert. Truppen, die auf diesen Höhen stehen, sind unangreifbar. Auch ein Handstreich hatte keinen Zweck; denn schon war die österreichische Armee in vollem Anmarsch, um das neue Lager zu beziehen und es in seiner vollen Ausdehnung zu besetzen.

Da die Armee des Königs nicht offensiv vorgehen konnte, so entfaltete sie sich zwischen dem Würbenberg und dem Dorfe Tschechen. Hier endete der rechte Flügel, teilweise durch den Nonnenbusch gedeckt. Nichts hinderte nun die Vereinigung der Russen und Österreicher. Sie mußte aller Voraussicht nach binnen kurzem bei Schweidnitz stattfinden. Diese Umstände geboten dem König, für die Sicherheit seines Lagers und der Festung Schweidnitz zu sorgen. Er konnte eine Stellung bei Pilzen nehmen; denn dort schien die Natur schon selbst hinlänglich für ein befestigtes Lager gesorgt zu haben. Aber wenn auch das Heer dort gesichert war, so lief man doch andrerseits Gefahr, daß Laudon und Buturlin Schweidnitz vor den Augen des Königs und der ganzen Armee belagerten, ohne daß er es hindern konnte. Aus diesem Grunde zog der König das Lager bei Bunzelwitz vor, da es die Festung deckte und ihre Belagerung unmöglich machte. Bei alledem blieb aber die Absendung eines russisch-österreichischen Detachements gegen Breslau zu fürchten. Dadurch wäre der König zum Verlassen der Gegend von Schweidnitz gezwungen worden und hätte seinen Feinden die Belagerung leicht gemacht. Aber alle Pläne so überlegener Feinde<97> zu durchkreuzen war unmöglich. Einiges mußte jedenfalls dem Zufall überlassen bleiben.

Um die Stellung der preußischen Armee zu sichern, ließ der König sein Lager in der Front, auf beiden Seiten und im Rücken verschanzen. So wurde das Lager zu einer Art von Festung, als deren Zitadelle der Würbenberg gelten konnte. Von dort bis nach Bunzelwitz war das Lager durch einen Sumpf gedeckt. Die Spitzen der Dörfer Bunzelwitz und Jauernick wurden befestigt und mit starken Batterien besetzt, deren Kreuzfeuer die Front gegen jeden Laudonschen Angriff verteidigen konnte. Die Österreicher wären also zur Einnahme der beiden Dörfer genötigt gewesen, bevor sie überhaupt an die Armee herankonnten. Etwas weiter rückwärts zwischen den beiden Orten stand die Front der Infanterie, durch große, stark mit Artillerie besetzte Schanzen gedeckt. Zwischendurch waren Öffnungen gelassen, aus denen die Kavallerie im Bedarfsfalle vorbrechen konnte. Jenseits von Jauernick, hinter dem Nonnenbusch, wurden vier Hügel befestigt. Sie beherrschten das Gelände, und vor ihnen floß ein morastiger, unüberschreitbarer Bach97-1. Schon mit Kleingewehrfeuer konnte man den Feind dort am Brückenschlagen hindern. Weiter rechts durchschnitt ein großer Verhau den Nonnenbusch. Er wurde von Jägern und Freibataillonen verteidigt. Der erwähnte morastige Bach zog sich in einem Bogen hinter dem Wald entlang und um den Fuß der von der Armee besetzten Hügel. Am äußersten Ende des rechten Flügels begann die Flanke. Sie lief parallel mit dem Striegauer Wasser und endigte bei einem Gehölz, das der von Peterwitz kommende Hohlweg deckte. In diesem Gehölz, das im Rücken der Armee lag, ließ der König eine maskierte Batterie errichten.<98> Sie stand hinter einem Verhau mit einer anderen Batterie in Verbindung, die am äußersten Ende des Gehölzes nach Neudorf hin angelegt war. Dort begann eine andere Verschanzungslinie, die im Rücken der Armee an die Befestigungen auf dem Würbenberg stieß. Die Wälle waren durchweg 16 Fuß dick und die Gräben 12 Fuß tief und 16 Fuß breit. Die Front war mit starken Palisaden umgeben, und die vorspringenden Teile der Werke waren unterminiert. Vor den Minen waren Wolfsgruben angelegt, und vor diesen zog sich eine äußere Umfassungslinie von dicht aneinander in die Erde gepfählten spanischen Reitern. Die Armee des Königs bestand aus 66 Bataillonen und 143 Schwadronen. 460 Geschütze starrten von den verschiedenen Werken, und 182 gefüllte Minen waren bereit, beim ersten Signal in die Luft zu fliegen.

Noch aber waren die Arbeiten nicht ganz beendet, als Buturlin mit den Russen auftauchte und sich am Fuß der Hohenfriedberger Höhen lagerte (25. August). Zwei Tage später wechselte er seine Stellung. Das Gros seiner Truppen besetzte das Gelände von Oelse bis Striegau, während sich Tschernyschew vom Streitberg bis Niklasdorf ausdehnte. Brentano nahm Stellung links von den Russen bei Preilsdorf, Oberst Berg dagegen mit den Kosaken bei Laasan. Dort ging er über das Striegauer Wasser und kam dadurch der preußischen Armee in den Rücken. Beck, der frisch aus der Lausitz kam, bezog eine Stellung zwischen Oelse und dem Nonnenbusch, um die Verbindung zwischen den beiden kaiserlichen Armeen zu sichern. Die vom Feinde eingenommene Stellung bildete also eine Art von Einschließungslinie um zwei Drittel der preußischen Armee. Nun glaubte Laudon seine Berge ungestraft verlassen zu dürfen. Er stieg in die Ebene hinab und breitete seine Truppen von Kammerau über Arnsdorf bis Zirlau aus. Zwischen Kammerau und Arnsdorf ließ er eine Verschanzung anlegen, aus der er zum Angriff auf die preußische Armee vorbrechen wollte. Die Verschanzung eignete sich in gleicher Weise zum Angriff wie zur Verteidigung im Fall eines Rückzugs. Die Arbeit wurde aber häufig von der preußischen Artillerie unterbrochen. Indessen sahen all diese Vorkehrungen so ernsthaft aus, als ob der Feind wirklich einen Angriff auf die preußische Stellung beabsichtigte, so gewagt das auch schien. Noch am selben Tage versuchte Laudon einen Angriff auf die Spitze von Jauernick, fand aber weit stärkeren Widerstand, als er geglaubt hatte. Er ließ den dort kommandierenden Major Favrat98-1 zur Übergabe auffordern, der aber antwortete ihm wie ein wahrer Ehrenmann. So mußte denn Laudon von seinem Unternehmen abstehen.

Da all diese Vorbereitungen sehr ernst waren und der Augenblick eines feindlichen Angriffs nahe schien, so wurden alle nötigen Anstalten zu kräftiger Verteidigung getroffen. Tagsüber war bei der ungeheuren Stärke des Lagers wenig zu befürchten. Viel bedenklicher war die Lage bei Nacht wegen der großen Nähe der Heere. Wahr<99>scheinlich war es allerdings nicht, daß den Preußen ein Unglück zustieß, falls nicht etwa Laudon im Schutze der Dunkelheit einen Teil des Lagers überfiel, wo die Truppen vielleicht gerade schliefen und keine Zeit mehr fanden, zur Verteidigung herbeizueilen. Um einer solchen Katastrophe vorzubeugen, ließ der König die Zelte jeden Abend abbrechen und die Armee am Rand der Verschanzungen des Nachts biwakieren. Andrerseits stand Laudon in den Stellungen bei Kammerau, Schönbrunn und Bögendorf so dicht bei Schweidnitz, daß der König sich zur Aufstellung eines Zwischenkorps zwischen Schweidnitz und der Armee gezwungen sah, um der Festung bei einem Angriff im Notfall zu Hilfe zu kommen und die Proviantzufuhr zu decken; denn die Armee bezog ihr Brot, ihre Fourage und alle Lebensmittel allein aus der Festung. Zu diesem Zweck rückte Gablentz mit einigen Bataillonen über Tunkendorf hinaus, wo sein rechter Flügel durch die Batterien des Lagers, der linke durch die Kanonen von Schweidnitz geschützt war. Auch sicherte er seine Stellung noch durch starke Verschanzungen vor seiner Front. Am gleichen Tage erhielten die Generale die Anordnungen zur Verteidigung des Lagers und ihres Verhaltens auf den ihnen angewiesenen Punkten99-1.

Trotz der großen Ausdehnung der preußischen Stellung war es doch gelungen, die Angriffspunkte auf drei zu beschränken. Der erste lag zwischen Bunzelwitz und Jauernick. Hier wollte der König selbst die Verteidigung gegen Laudon führen, der seine Annäherungswerte oder Verschanzungen gerade auf jener Seite errichtet hatte. Unmöglich konnten die Österreicher die befestigten Dörfer im Rücken lassen und auf das Zentrum eindringen, weil sie dann mit beiden Flanken in ein starkes Artilleriefeuer geraten wären. Aller Wahrscheinlichkeit nach mußten sie sich also zunächst der beiden Dörfer zu bemächtigen suchen. Der König beschloß, sie sich dort abmühen zu lassen und erst nach beträchtlichen Verlusten ihrerseits seine Kavallerie auf sie loszulassen. Außerdem konnte er die Truppen in den Dörfern im geeigneten Augenblick stets mit frischer Infanterie verstärken, ungerechnet die 60 Geschütze, die von den Flanken aus den Angriff erschwerten. Die zweite gefährdete Stelle lag zwischen Tschechen und dem Gehölz auf der rechten Flanke. Dort führte Zieten das Kommando. Ihm gegenüber standen die Russen. Sie hätten also wahrscheinlich dort den Angriff übernommen. Um aber an die Preußen heranzukommen, mußten sie unter dem Infanterie- und Artilleriefeuer der preußischen Verschanzungen über das Striegauer Wasser gehen. Dabei hätten sie ihre beste Infanterie verloren, ungerechnet die vielfachen Hindernisse, die bei einer Annäherung an die Schanzen vorher zu überwinden waren. Einige rechtzeitige Angriffe der Zietenschen Kavallerie hätten also genügt, um sie zu zerstreuen. Der dritte Angriffspunkt befand sich bei Peterwitz und an dem Defilee, das den Rücken der preußischen Armee deckte, wo Ramin99-2 kommandierte. Allem Anschein nach hätten hier Tschernyschew und Brentano den Angriff übernommen, weil ihre Detachements<100> am nächsten standen. Der König beschloß, den Feind ruhig bis an das Defilee von Peterwitz herankommen zu lassen. Dort hätte die im Walde versteckte Batterie ihn mit Kartätschensalven in der Flanke beschossen. Darauf sollte ihm Platen mit 40 Schwadronen in den Rücken fallen. Zu diesem Zweck war quer durch den Wald ein Weg angelegt worden, auf dem er hervorbrechen konnte.

Die größte Stärke des Lagers bestand darin, daß es den Feind der drei Waffen beraubte, während die Preußen sie voll benutzen konnten. Die Angreifer konnten zunächst ihre Kanonen nicht verwerten, da die ganze Gegend rings um die Verschanzungen ungleich viel tiefer lag als die Befestigungen, sodaß das feindliche Artilleriefeuer völlig wirkungslos bleiben mußte. Ebenso konnte der Feind nichts mit seiner Kavallerie anfangen; denn kaum hätte sie sich gezeigt, so wäre sie schon vom Feuer der preußischen Batterien vernichtet worden. Und schließlich, was wollte man mit dem Kleingewehrfeuer ausrichten? Sollte man mit Flinten gegen Kanonen schießen? Oder konnte man mit Schüssen spanische Reiter herausreißen und Palisaden umhauen ? All das war unmöglich. Sicher aber hatten die Preußen in dieser Stellung alle Vorteile für sich, die ein Gelände in Verbindung mit Befestigungsanlagen einer Armee über eine andere gewähren kann. Nach diesen Anordnungen erwarteten sie also ruhig die weiteren Unternehmungen ihrer Feinde.

Bald nach Buturlins Eintreffen wurde ein russischer Offizier gefangen, der sich in der Nacht verirrt hatte und in dem Glauben, sich den eigenen Lagerwachen zu nähern, sich plötzlich inmitten der preußischen sah. Der Mann war nicht sehr schlau und sagte frei heraus, die feindlichen Generale hätten für den 1. September den Angriff auf die Verschanzungen des Königs beschlossen. Wirklich hatten sich Buturlin und Laudon über den Angriff geeinigt, und er hätte auch stattgefunden, wären nicht folgende Umstände eingetreten. Buturlin, der gern lange tafelte und kräftig zechte, hatte in einem fröhlichen Augenblick beim Glase Wein Laudons Vorschlägen zugestimmt. Die Anordnungen zu den drei Angriffen waren schriftlich aufgesetzt und den höheren Führern zugestellt worden. Zufrieden mit der Bereitwilligkeit der Russen, kehrte Laudon zurück. Nachdem aber Buturlin ausgeschlafen und beim Erwachen seinen Verstand zu Rate gezogen hatte, widerrief er die eben erteilten Befehle in der begründeten Sorge, die Österreicher würden seine Armee aufopfern und ihn nicht unterstützen. Schlug dann das Unternehmen fehl, so wäre der Vorwurf und die Schande allein auf die Russen gefallen. An Stelle der großen beim Mittagsmahl gefaßten Pläne begnügte sich Buturlin also damit, einige Bomben gegen das preußische Lager abzuschießen. Sie fielen aber mehrere hundert Schritt zu kurz. Als Laudon diese plötzliche Sinnesänderung gewahrte, war er wütend. Kuriere eilten nach Wien, die Feldherren behandelten einander mit Kälte. Dennoch blieben die Dinge beim alten, außer daß Laudon das Korps Draskovich auf Martha vorrücken ließ und es auf den Höhen von Ludwigsdorf aufstellte. Die Armeen blieben auch weiterhin Auge in Auge stehen, bis Buturlin am 10. September sein Lager abbrach und nach Iauer zog. Denn die Öster<101>reichischen Magazine waren nicht sehr groß und die Viehherden nicht zahlreich genug, um ihm Brot und Fleisch zu liefern. Nach dem Abmarsch der Russen hielt Laudon seine Stellung in der Ebene für allzu exponiert. Er ging also wieder in die Berge zurück und bezog seine frühere Stellung bei Kunzendorf.

Am selben Tage schickte der König Platen mit dem Korps, das er ständig befehligte, nach Breslau, angeblich zur Deckung eines Proviantzuges. In Wahrheit aber sollte er über die Oder gehen, in Eilmärschen das große russische Magazin in Kobylin, einer kleinen Stadt der Woywodschaft Posen, erreichen und es zerstören. Von da sollte er zum Prinzen von Württemberg stoßen; denn es war vorauszusehen, daß dieser Hilfe brauchte. Schließlich sollte das Korps nach der Beendigung des Feldzugs in Pommern sich mit dem Prinzen Heinrich in Sachsen vereinigen. Platen vernichtete auch wirklich die Vorräte in Kobylin, erbeutete dabei 5 000 Wagen nebst 7 Kanonen und nahm 5 Bataillone und 42 Offiziere gefangen101-1. Dann rückte er auf Posen, zerstörte dort alles, was den Russen gehörte, und setzte seinen Marsch nach Pommern in der Richtung auf Kolberg fort. Infolge dieser Unternehmung beschleunigte Buturlin seinen Rückzug und vergaß darüber die Möglichkeit eines Einfalls in die Kurmark. Er beeilte sich, über die Oder zurückzugehen und Polen zu erreichen. Das Korps Tschernyschew marschierte nicht mit. Es war, fast 20 000 Mann stark, bei Laudon geblieben, als ein besonderes Freundschaftszeichen der Kaiserin von Rußland für die Kaiserin-Königin.

Hätte der Proviant dem König ein längeres Verweilen im Lager von Bunzelwitz gestattet, so wäre der Feldzug in Schlesien verlaufen, ohne daß die gewaltigen Anstalten der Feinde zu bemerkenswerten Ereignissen geführt hätten. Doch das Magazin in Schweidnitz, aus dem sich die Armee während eines großen Teils des Feldzuges verproviantierte, ging zu Ende. Die übrig bleibenden Vorräte reichten nur noch für einen Monat. Seit dem Abmarsch Platens wagte der König seine Armee nicht mehr durch Absendung neuer Detachements zu schwächen. Die Hauptdepots befanden sich in Breslau, und es hätte wenigstens einer Bedeckung von 10 000 Mann bedurft, um Proviantzüge von dort sicher ins Lager zu bringen. Nach langer und reiflicher Erwägung all dieser Gründe faßte der König den Entschluß, sich der Festung Neiße zu nähern. Denn dort befanden sich Lebensmittel und Fourage im Überfluß. Auch konnte er den Feind von dort aus um die Grafschaft Glatz und Mähren besorgt machen, dadurch Laudon ablenken und die Russen und Österreicher von Schweidnitz entfernen. Diesem Plan zufolge bezog die Armee zuerst das Lager von Pilzen und blieb dort einige Tage stehen. In Schweidnitz ließ der König fünf vollzählige Bataillone, die Rekonvaleszenten und 100 Dragoner zurück. Dem Kommandanten Zastrow101-2 empfahl er die größte Vorsicht und Wachsamkeit, um während der Abwesenheit der preußischen Armee alle etwaigen Unternehmungen der Feinde zu ver<102>eiteln: Am 28. September bezog der König das Lager von Siegroth und am 29. das von Groß-Nossen bei Münsterberg. Dort blieb er, um aus den Bewegungen der Feinde über ihre Pläne klar zu werden. Sofort schickte Laudon Detachements zur Verstärkung der Stellungen von Silberberg und Martha ab. Doch war seine Armee, bei der sich auch Tschernyschew befand, so stark, daß 20 000 oder 30 000 Mann weniger ihn an der Ausführung seiner Pläne nicht hinderten.

Am 1. Oktober erfuhr der König in Groß-Nossen, daß sich die Österreicher durch einen Handstreich der Festung Schweidnitz bemächtigt hätten. So unglaublich die Nachricht klang, so traf sie dennoch zu. Der Streich war folgendermaßen angelegt und ausgeführt worden. In der Festung wurden ungefähr 500 Kriegsgefangene bewacht. Einer der wichtigsten war ein Italiener, der Freischarenführer Major Rocca. Der hatte es sich in den Kopf gesetzt, die Festung, in der er gefangen war, den Österreichern in die Hände zu spielen. Zu dem Zweck wußte er sich bei dem Kommandanten mit so viel Unterwürfigkeit und Geschick einzuschmeicheln, daß ihm mehr Freiheit gelassen ward, als einem Gefangenen zustand, besonders da die Festung rings von Feinden umgeben war. Rocca ging in den Befestigungswerken umher und kannte die Plätze aller Wachen und Detachements. Er beobachtete verschiedene Nachlässigkeiten im Garnisondienst, verkehrte nicht nur öffentlich mit jedermann, sondern sah auch oft genug die mit ihm gefangenen österreichischen Soldaten. Kurz, er intrigierte in der Stadt, sparte keine Bestechungen und unterrichtete Laudon genau von allem, was er sah und hörte und was er selbst zur Einnahme der Festung für ratsam hielt.

Auf die von Rocca erhaltenen Nachrichten hin entwarf Laudon seinen Plan zur Überrumpelung von Schweidnitz. In der Nacht vom 30. September zum 1. Oktober führte er ihn folgendermaßen aus. Er verteilte 20 Bataillone zu vier Angriffen: auf das Breslauer Tor, auf das Striegauer Tor, auf das Fort Bögendorf und auf die Wasserschanze. Zastrow war auf einem Ball. Da er aber Verdacht geschöpft hatte, ließ er am Abend die Besatzung unter Gewehr treten und verteilte sie auf die Werke. Er beging jedoch den Fehler, den Offizieren keine Verhaltungsbefehle zu erteilen und seine Kavallerie nicht zur Erkundung auszusenden. Auch versäumte er es, zur Beleuchtung des Vorgeländes Leuchtkugeln aufsteigen zu lassen. Kurz, er vernachlässigte all seine Pflichten zu sehr. Unterdes rückten die österreicher heran und gelangten unentdeckt bis an die Palisaden. Die ganze Verteidigung bestand aus zwölf Kanonenschüssen und einem so geringen Gewehrfeuer, daß der Feind nach Belieben verfahren konnte. So überrumpelten die Österreicher die Wache am Striegauer Tor und drangen von dort in die Festungswerke ein. In der allgemeinen Verwirrung warfen die österreichischen Gefangenen die Maske ab, bemächtigten sich des inneren Stadttores und öffneten es den ersten sich nähernden feindlichen Truppen. Kurz, in noch nicht einer Stunde waren die Österreicher Herren der ganzen Stadt. Nur der Kommandant der Wasserschanze, Beville, hielt sich tapfer, bis alle Mittel erschöpft waren und die weitere Verteidigung unmöglich wurde. Im Fort Bögendorf flog zufällig ein<103> Pulvermagazin in die Luft und kostete den Österreichern einige Leute. Sonst aber hatten sie bei der Einnahme der Stadt keinen Verlust zu beklagen.

Ein so unvorhergesehenes Unglück durchkreuzte alle Maßnahmen des Königs. Er mußte sein Vorhaben aufgeben, seine Pläne ändern und durfte für den Rest des Feldzuges nur noch daran denken, möglichst viel Festungen und Land gegenüber der großen Übermacht der Feinde zu behaupten. Die Armee marschierte nach Strehlen (6. Oktober) und richtete sich dort zum dauernden Verweilen ein, um Neiße, Brieg und Breslau zu decken. Zur Vorsicht hatte der König bei Breslau ein verschanztes Lager anlegen lassen. Nach seiner ursprünglichen Absicht war es für die Detachements bestimmt, die sich oft der Hauptstadt näherten und sich dort bis zum Eintreffen der Armee des Königs hätten behaupten können. Unter den obwaltenden Umständen jedoch konnte die Armee selbst das Lager gut brauchen, zumal die Preußen ihm einen Tagesmarsch näher waren als der Feind.

Von nun an beschränkte sich der König strikt auf die Verteidigung, aber Laudon durfte davon nichts merken. Denn erfuhr er dies Geheimnis, so hatte er den Preußen gegenüber gewonnenes Spiel. Zur besseren Verschleierung seiner Absichten gab der König den Truppen Befehl, sich kampfbereit zu halten, die Gewehre frisch zu laden, die Säbel zu schleifen und an die Artillerie genügend Munition zu verteilen. Kurz, es war nur von großen Zurüstungen und umfassenden Plänen die Rede. Bei der Armee befanden sich wohlbekannte österreichische Spione. Sie machten sich sofort auf, um Laudon Nachricht zu bringen. So unglaublich es der Nachwelt auch klingen mag, die vereinigte österreichisch-russische Armee, die drei Tagemärsche von den Preußen auf den Kunzendorfer Höhen lagerte, blieb acht Nächte lang im Biwak und erwartete jeden Augenblick einen Angriff.

Tschernyschew drängte den österreichischen Feldherrn sehr, auf Breslau zu marschieren. Auch die Kriegsregeln und die Staatsraison erforderten es. Denn wenn Laudon mit seiner großen Armee in die Ebene hinabrückte, so umzingelte er die Preußen von allen Seiten. Er hätte sie dann gänzlich vernichtet, und der Ruhm, den Krieg beendigt zu haben, wäre ihm zugefallen. Trotzdem entschuldigte er sich bei Tschernyschew, er könne aus Mangel an Lebensmitteln und Trainpferden nicht zu weit ins Land vorrücken. Laudon verbarg, was ihn in Wirklichkeit von jedem Unternehmen abhielt. Er fürchtete die exponierte Stellung in der Ebene, weil die Österreicher dabei schon so oft geschlagen worden waren. Da er außerdem völlig auf sich selbst gestellt war und beim Wiener Hofe keine Protektion besaß, so wollte er nichts aufs Spiel setzen. Er begnügte sich also mit dem Ruhme der Einnahme von Schweidnitz und verharrte auf seinen Bergen in völliger Untätigkeit.

Wir dürfen hier eine Tatsache nicht übergehen, die sowohl den Krieg wie den Geist der Zeit kennzeichnet. Markgraf Karl war mit der Korrespondenz mit den Feinden betraut. Die Preußen hatten ein Kartell mit den Österreichern, das jene aber, so oft sie es für vorteilhaft hielten, brachen. Seit zwei Jahren wollten sie nichts mehr von<104> der Auswechslung der Gefangenen hören. Sie bezahlten die Soldaten und Offiziere schlecht und unregelmäßig und zwangen die Kriegsgefangenen durch Bestrafungen und Strenge zum Dienst bei ihren Truppen. Wegen dieser harten Behandlung beschwerte sich der Markgraf bei Laudon und bedeutete ihm unter anderm, die Österreicher mißachteten scheinbar die unter christlichen Völkern üblichen Kriegsgebräuche und eigneten sich die Grundsätze der Ungläubigen an, die ihre Gefangenen wie Sklaven behandeln und sie niemals für Lösegeld freigeben104-1. Laudon antwortete, die Kaiserin-Königin halte sich nicht mehr an die Abmachungen mit dem König von Preußen gebunden, es gäbe kein Kartell mehr, sie würde ihm ihr Wort nicht länger halten und mit den Gefangenen nach Gutdünken verfahren. Laudon schämte sich dessen, was er schreiben mußte, und fügte mit eigener Hand am Fuß des Schreibens hinzu, er hoffe, man würde am Ton des Briefes erkennen, daß er nicht aus seiner Feder herrühre. So weit war also die Erbitterung und der Haß des Wiener Hofes gediehen. Auch seine Verbündeten waren von diesem Gift schon angesteckt. Aber so aufgebracht die Kaiserin-Königin auch gegen den König von Preußen sein mochte, sie mußte doch fühlen, daß sie durch Wortbrüchigkeit, gegen wen es auch sei, nur sich selber ins Unrecht setzte.

Gegen Ende Oktober verschlimmerte sich die Lage in Pommern derart, daß der König die Absendung neuer Hilfstruppen nicht länger aufschieben konnte. Er ließ also Schenckendorff104-2 mit 6 Bataillonen und 10 Schwadronen abrücken. Wir werden bald sehen, wozu das Detachement gebraucht wurde.

Der König behielt seine Stellung bei Strehlen bis zum 10. Dezember. Dann bezogen die Truppen Winterquartiere. Laudon hatte bereits das Detachement O'Donell nach Sachsen zurückgeschickt, und seine Truppen kantonnierten in den Bergen. Die Russen waren in die Grafschaft Glatz abgerückt. Preußischerseits wurde das Regiment Anhalt-Bernburg nach Neiße gelegt, und Wied überwinterte mit 10 Bataillonen und ebensoviel Schwadronen in der Gegend von Grottkau. 20 Bataillone und 40 Schwadronen hielten die Umgegend von Breslau besetzt, und Zeuner104-3 marschierte nach Glogau, damit die Festung wenigstens im Winter unbelästigt blieb. Außerdem ging Schmettau mit etwas Kavallerie nach Guben, um die Verbindung zwischen Berlin und der Armee in Sachsen zu sichern.

Nachdem wir so hintereinander die Ereignisse des Jahres in Schlesien aufgezählt haben, müssen wir noch einen Blick auf die Vorgänge in Pommern werfen. Am<105> 4. Juni hatte der Prinz von Württemberg das Lager bei Kolberg bezogen, und am 7. Juni stieß Thadden zu ihm. In dieser Stellung umschlossen die Preußen Kolberg derart, daß die beiden Flügel der Verschanzungen ans Meer stießen. Die Persante deckte die rechte Flanke des Lagers, während das Zentrum, die exponierteste Stelle, durch starke Verschanzungen geschützt war. Werner war sofort nach Köslin geschickt worden, zog sich aber beim Anmarsche von 12 000 Russen unter Rumänzow zurück. Zuerst wählte Rumänzow seine Stellung auf dem Gollenberg. Bis zum 20. August blieb alles ziemlich ruhig, dann aber erschien die vereinigte schwedisch-russische Flotte vor Kolberg. Sie näherte sich dem Hafen und eröffnete eine lebhafte Kanonade auf die preußischen Batterien, die den Hafen und das Ufer deckten. Rumänzow nahm den Augenblick wahr, um sich dem Prinzen von Württemberg zu nähern, und lagerte sich nur eine Viertelmeile von den Preußen. Bis dahin hatte der Prinz von Württemberg nichts zu fürchten. Nur einen Vorwurf hatte er sich zu machen, daß er die Vorratsmagazine nicht in anbefohlener Weise gefüllt hatte. Ja, er schonte sogar die Umgegend seines Lagers, trotzdem er wußte, daß die Russen dort hinkommen würden. Mit einem Wort, seine Nachlässigkeit bei der Verproviantierung wurde zur Ursache all des Unglücks, das über Pommern hereinbrach. Die erste Folge davon war, daß er Werner zur Schonung seiner eigenen Lebensmittel wegschickte, vielleicht auch, weil beide sich nicht vertragen konnten. Werner marschierte nach Treptow und ließ seine Leute dort unvorsichtigerweise kantonnieren. Die Russen überrumpelten ihn und nahmen ihn mit rund 500 Reitern gefangen (12. September). Durch diesen Erfolg ermutigt, versuchten sie in der Nacht zum 18. September ein Freibataillon vor dem linken preußischen Flügel aufzuheben. Es stand dort in einer abgelegenen Schanze, mehr als Kanonenschußweite vom Lager entfernt. Der Feind überschritt eine Stelle, die man ohne genauere Prüfung für einen unpassierbaren Sumpf gehalten hatte, griff die Schanze in der Kehle an und nahm die Besatzung von 200 Mann gefangen. Von diesen kleinen Erfolgen geschwollen, glaubte Rumänzow, die Eroberung der preußischen Verschanzungen hinge nur von ihm ab und er brauchte es bloß zu versuchen. Er näherte sich also der Grünen Bergschanze, die im Zentrum des Prinzen von Württemberg lag, eröffnete die Laufgräben und errichtete Batterien, wie bei der regelrechten Belagerung einer Festung. Am 19. griff er die Schanze in aller Form an und eroberte sie. Kaum aber wollte er sich dort festsetzen, so trieb ihn Oberst Kleist105-1 mit seinen Grenadieren wieder heraus. Dabei verloren die Russen 1 100 Mann. Gegen alle Regeln war die Schanze 3 000 Schritt von der Hauptbefestigung entfernt und überdies noch durch eine Schlucht von ihr getrennt. Aber trotz der isolierten Lage, die den Angriff erleichterte, waren die Russen durch die erlittene Schlappe so entmutigt, daß sie die Schanze fortan in Frieden ließen.

Platen war nach der Wegnahme des Magazins von Kobylin105-2 quer durch die Neumark marschiert und rückte gerade auf Körlin vor, wo er ein russisches Detachement<106> von 300 Mann gefangen nahm. Auf Rumänzow machte das aber keinen Eindruck: er rührte sich nicht in seinem Lager. Der Prinz von Württemberg wünschte, daß Platen dem Feind in den Rücken fiele, während er selbst die Russen in der Front angreifen wollte. Aber wie es leider bei allen Armeen vorkommt, wollte das Verhängnis, daß die beiden Generale in allem verschiedener Meinung waren und sich über nichts einigen konnten. Platen wandte sich gegen Spie und lagerte sich rechts vom Prinzen auf dem Kautzenberg. Aber die Nähe vermehrte nur noch ihre Mißhelligkeiten.

Indessen waren Fermor und Berg dicht hinter Platen hergerückt, und Berg nahm mit 10 000 Kosaken und Dragonern Stellung bei Greifenberg. Aber bei der täglich rauher werdenden Witterung konnte die vereinigte russisch-schwedische Flotte nicht länger auf See bleiben. Sie kehrte in ihre heimischen Häfen zurück und ließ nur zwei Fregatten auf der Reede von Kolberg zur Blockade des Hafens. Das genügte, um die der Stadt so dringend nötige Zufuhr zu hindern. Da der Prinz von Württemberg sich nun auf dem Seewege nicht mehr mit neuen Lebensmitteln versorgen konnte, wollte er sie zu Lande von Stettin kommen lassen. Zur Deckung des Proviantzuges sandte er Platen ab. Der nahm seinen Marsch über Treptow, Gülzow auf Gollnow. Dort im Lager hatte er ein Defilee vor sich, durch das er ohne ersichtlichen Grund ein Regiment Husaren und zwei Bataillone vorrücken ließ. Fermor, der dicht dabei mit seiner ganzen Division stand, griff das Detachement sofort an, schlug es und nahm es gefangen106-1. Nach diesem Unglück zog sich Platen auf Damm zurück, und der Feind vernichtete den Proviantzug, zu dessen Deckung Platen bestimmt war. Da der Prinz von Württemberg von den Vorgängen bei Gollnow nichts wußte, so sandte er noch Knobloch mit drei Bataillonen und 500 Mann Kavallerie nach Treptow, ebenfalls zur Deckung des erwarteten Proviantzuges, der aber inzwischen verloren gegangen war. Kaum in Treptow angelangt, wurde Knobloch von 9 000 Russen umzingelt und nach tapferer dreitägiger Gegenwehr gefangen genommen, da ihm die Muntion und die Lebensmittel ausgingen (25. Oktober). Hätte der Prinz von Württemberg auch 100 000 Mann zur Verfügung gehabt, er hätte es fertig gebracht, sie durch Detachements, die er aufs Spiel setzte und nicht unterstützen konnte, zu verlieren. Der Feind nutzte die Fehler und das Unglück der Preußen aus und blockierte den Prinzen von Württemberg seinerseits, sodaß Platen sich nicht mit ihm vereinigen konnte und nach Stargard zurückging, wohin ihm Berg folgte.

Auf die Kunde von der trostlosen Lage in Pommern sandte der König, wie schon erwähnt, Schenckendorff und Anhalt106-2 dorthin ab. An eine Verproviantierung der Magazine von Kolberg war indes nicht mehr zu denken. Mit dem letzten Proviantzug, der den Russen in die Hände fiel, waren alle Pferde verloren gegangen, die die Provinzen noch aufbringen konnten. Zudem waren die Russen an Zahl so überlegen und hatten<107> so viele Truppen zwischen Kolberg und Stettin stehen, daß es schlechterdings unmöglich war, einen Proviantzug hindurchzubringen. So mußte man die Festung denn verloren geben, aber wenigstens die Truppen des Prinzen von Württemberg zu retten suchen, weil unter so traurigen Umständen nichts Besseres zu tun war. Trotz aller Eile konnte Schenckendorff erst am 10. November zwischen Pyritz und Arnswalde zu Platen stoßen. Beide marschierten nun zusammen nach Greifenberg und sahen sich dort Jakoblew gegenüber, der von der Hauptarmee detachiert worden war. Während Platen ihn aufhielt, verließ der Prinz von Württemberg sein Lager in der Nacht vom 14. zum 15., gelangte am Ostseeufer entlang nach Treptow, ohne unterwegs auf den Feind zu stoßen, und vereinigte sich mit dem Korps, das ihn befreit hatte. Nach ihrer Vereinigung versuchten beide, die Russen durch einen Marsch in ihren Rücken aus der Nähe von Kolberg zu vertreiben. Als sie aber sahen, daß sie mit ihrem Manöver nicht zum Ziele kamen, rückten sie am 12. Dezember auf Spie vor, griffen die Schanze bei Drenow an, eroberten sie und nahmen die dort stehenden Truppen gefangen. Sie wären noch weiter vorgerückt, hätten sie nicht die ganze russische Armee in dem vorher von den Preußen besetzten Lager erblickt. Angesichts der Unmöglichkeit, den Feind in seinen Verschanzungen anzugreifen, zogen sie auf Greifenberg ab. Dort hörten sie, daß Kolberg durch Hunger zur Übergabe gezwungen worden sei107-1, und gingen nach Stettin zurück. Zur Deckung der Stadt zog der Prinz von Württemberg hinter der Oder eine Postenkette mit einigen dort zurückbleibenden Truppen, während er selbst nach Mecklenburg abrückte. Gleichzeitig ging Thadden nach der Lausitz und Platen nach Sachsen ab.

Die eben geschilderten Ereignisse waren so ernst, daß wir die schwedische Armee garnicht erwähnt haben. Ihr gegenüber stand Belling107-2 mit 1 500 Husaren und 2 Bataillonen. Am 19. Juli hatte Ehrensvärd mit den Schweden die Peene überschritten. Belling, der in Malchin stand, hörte, daß ein schwedisches Korps bei Bartow lagerte, griff es an und nahm ihm 100 Leute nebst 3 Kanonen ab (5. August). Dann fiel er über Hessenstein bei Röpnack her, erbeutete 6 Kanonen und nahm 600 Mann gefangen. Bei einem abermaligen Angriff wurde Hessenstein wieder geschlagen und verlor 300 Mann. Diese kleinen Erfolge der Preußen hinderten indessen die schwedische Armee nicht am Vordringen in die Uckermark. 6 000 Schweden gingen von Treptow an der Tollense zum Angriff gegen Belling vor. Der aber legte sich in einen Hinterhalt, fiel unvermutet über den Feind her und nahm ihm fast 600 Mann ab. Als der Herzog von Bevern den Feind trotz Bellings tapferem Widerstand immer weiter vorrücken sah, schickte er ihm drei Bataillone Verstärkung. Auch trafen zugleich Stutterheim107-3 und einige Truppen von der Armee des Prinzen Heinrich ein. Mit dieser Verstärkung griff Belling das schwedische Korps bei Rebelow an und nahm<108> ihm einige Leute weg. Um Rache zu nehmen, marschierte Ehrensvärd tags darauf nach Gollnow. Belling, der dort stand, hatte von den feindlichen Absichten erfahren, legte sich nochmals in einen Hinterhalt, warf sich auf die Schweden, brachte sie in Unordnung und zog sich nach Rebelow zurück. Von dort rückte er nach Kuhblank, während die Schweden auf Friedland zogen. Belling marschierte ihnen entgegen, griff die feindliche Kavallerie unter Sprengtporten, die die Vorhut bildete, an und schlug sie. Darauf rückte der unermüdliche General nach Löcknitz und wandte sich dem bei Friedland verschanzten Gros zu (9. September). Aus Mangel an Infanterie und Geschützen griff er die Verschanzungen indes nicht an und begnügte sich mit der Aufhebung einer Feldwache von 40 Dragonern. Beschreibt man Bellings Taten, wie er fortwährend kämpft und nie am gleichen Fleck zu finden ist, so meint man die Geschichte des Amadis108-1 zu erzählen. Während seine Infanterie in Pasewalk stand, hatte er sich mit der Kavallerie weiter vorwärts bei Ferdinandshof postiert. Die Schweden rückten gegen ihn an, aber Belling warf die feindliche Avantgarde auf ihre Infanterie, zwang sie zum Rückzuge (5. Oktober) und begann am folgenden Tage ein neues Gefecht. Dabei verloren die Feinde 500 Mann.

Nun aber sah sich der Herzog von Bevern zur Absendung von Proviantzügen nach Kolberg genötigt und mußte infolgedessen die zwei an Belling abgegebenen Bataillone wieder zurückziehen. Belling selbst erhielt Befehl, sich Berlin zu nähern, well ein österreichisches Korps, das sich in der Lausitz ausgebreitet hatte, einen Handstreich gegen die Hauptstadt zu planen schien. Er machte sich auf den Weg. Als sich aber in der Folge die Grundlosigkeit des Gerüchtes herausstellte, wandte er sich wieder gegen die Schweden und hoffte dort neue Lorbeeren zu ernten. Der Feldzug zog sich bis zum 6. Dezember hin. Dann verließ Ehrensvärd Demmin und näherte sich Stralsund. An den Peeneufern kam es nur noch zu unbedeutenden Scharmützeln.

Beim Anmarsch des Prinzen von Württemberg auf Mecklenburg bildete Belling die Avantgarde. In Malchin fand er eine feindliche Besatzung, schloß sie ein und hielt sie bis zum Eintreffen des Prinzen von Württemberg umzingelt. Die Preußen hätten den Ort allerdings mit blanker Waffe erstürmen können, aber die Truppen waren in zerrüttetem Zustand, die Regimenter zusammengeschmolzen und erschöpft; auch mußte man die Leute zu wichtigeren Gelegenheiten aufsparen. Aus diesen Gründen begnügten sich die Preußen mit einer heftigen Kanonade der Stadt und hätten sie auch genommen, wäre nicht Ehrensvärd auf die Kunde von der gefährdeten Lage der Seinen mit seiner ganzen Armee herangerückt. Nun zog er die Besatzung aus Malchin zurück und kehrte wieder nach Stralsund um. Auf beiden Seiten bezogen die Truppen Winterquartiere, die Schweden bei Stralsund, die Preußen im Herzogtum Mecklenburg in der Gegend von Schwerin und Rostock.

Den Feldzug gegen die Schweden haben wir nur erzählt, um ein Satyrspiel nach einer Tragödie zu geben. Ist es denn nicht erstaunlich, daß 16 000 Schweden all<109>jährlich von einer Handvoll Leute aufgehalten und zum Rückzug in ihr eigenes Gebiet gezwungen wurden? Es schien nicht mehr die unter Karl XII. so gefürchtete Nation zu sein. So heruntergekommen war sie seit der Änderung ihrer Verfassung109-1. Die schwedischen Truppen führten Krieg, ohne Magazine zu errichten, ohne Proviantwagen für ihre Lebensmittel zu besitzen. Um sich ernähren zu können, mußten sie sich in lauter kleine Abteilungen zerstückeln. Immer bot sich Gelegenheit, sie einzeln zu schlagen. Aber das war nicht der Hauptgrund ihrer Unzulänglichkeit. Die Wurzel des Übels lag bei ihrer Armee, in der Spaltung zwischen den Generalen und Offizieren und in dem Haß der Parteien gegeneinander, der stärker war als der Haß auf den Feind. Wahrscheinlich werden also ihre Mißerfolge im Kriege so lange andauern, als sie die Mißstände ihrer Regierungsform nicht beseitigen.

Platen war, wie erwähnt, in vollem Anmarsch auf Sachsen, und so ist hier der Ort, die diesjährigen Ereignisse bei der Armee des Prinzen Heinrich nachzuholen. Wir verließen den Prinzen im Lager bei Meißen und den Katzenhäusern, Daun in seinen Lagern auf dem Windberg und in Dippoldiswalde und die Reichsarmee zwischen Hof und Plauen. Prinz Heinrich sollte Daun im Auge behalten und ihm, falls er sich nach Schlesien wandte, folgen109-2. Der Prinz beschloß, sich nicht vom Elbufer zu entfernen, um den Fluß zugleich mit dem Feinde überschreiten zu können. Um inzwischen die Österreicher nicht zu Atem kommen zu lassen und sie gewissermaßen in die Defensive zu werfen, ließ der Prinz alle österreichischen Detachements, die nur ein wenig von Dauns Lager entfernt standen, beunruhigen oder angreifen. Unter anderm vertrieb Kleist109-3 aus Freiberg die vier sächsischen Dragonerregimenter, gerade als sie sich dort festsetzen wollten. Er verfolgte sie bis Dippoldiswalde und benutzte die Gelegenheit, um bei Marienberg unvermutet über das Korps Török herzufallen, das er zum Rückzug nach Böhmen zwang. Unterdes machte Seydlitz auf Ried Jagd. Ried verließ seine Stellung bei Kesselsdorf und zog sich eilig in das Lager auf dem Windberg zurück. Ruhig sahen die Österreicher diesen kleinen Reiterstückchen zu. Sie hielten sie für belanglos, ja sie dachten nicht einmal an Vergeltung.

Bis zur Eröffnung des Feldzuges in Schlesien verharrte Daun in Untätigkeit. Er beschränkte sich nur darauf, jede unmittelbare Verbindung zwischen den beiden preußischen Armeen abzuschneiden, und detachierte zu dem Zwecke Lacy, der über die Elbe ging und sich bei Großdobritz in der Nähe von Großenhain aufstellte. Das hatte für Daun den Vorteil, daß die preußischen Kuriere zur sicheren Bestellung ihrer Briefe große Umwege machen mußten. Hierdurch entstanden zwar fürs nächste keine großen Unzulänglichkeiten, aber es konnte sich etwas sehr Schlimmes daraus ergeben. Brach nämlich Daun nach Schlesien auf, so konnte Prinz Heinrich die Elbe nur weiter flußabwärts überschreiten und verlor dadurch mindestens einen Tagesmarsch. Ferner<110> fand er dann gleich nach seinem Übergang Lacy vor sich, der ihm den Durchmarsch durch die Lausitz erschwert hätte. Doch vermutete der Prinz bei Daun eine ganz andere Absicht. Er glaubte nämlich, die von Lacy ausgeführte Bewegung zielte auf die Vereinigung seines Korps mit den Russen ab oder sollte zu einem neuen Einfall in die Kurmark dienen. Unmöglich konnte der Prinz all diesen Absichten der Feinde zugleich entgegentreten. Er begnügte sich also damit, Roëll110-1 mit Husaren nach Torgau zu detachieren, wo er Lacy im Auge behalten und über dessen Bewegungen Meldung schicken sollte. Um etwaigen feindlichen Anschlägen auf Berlin zuvorzukommen, ließ Prinz Heinrich einen Teil seiner Truppen zwischen Strehla und Limbach kantonnieren. Falls die Deckung Berlins nötig wurde, war dadurch ein Tagesmarsch gewonnen. Daun wußte von diesen Truppen nichts. Sie konnten also sehr gut zu Detachements verwendet werden, von denen der Feind schwerlich etwas erfahren hätte. Die Gelegenheit ließ nicht auf sich warten. Mit einem Korps Reichstruppen war Kleefeld auf Penig gerückt. Um ihn aus seiner Stellung zu verdrängen, sandte der Prinz Kleist ab. Kaum vertrieben, kehrte Kleefeld zurück, wurde aber zum zweiten Male verjagt.

Unterdes war der König derart mit den Österreichern und Russen beschäftigt, daß er sich mit all seinen Truppen kaum gegen die feindliche Übermacht behaupten konnte. Prinz Heinrich vermutete, daß Belling Hilfe brauchte, um den Unternehmungen der Schweden mit größerem Erfolge entgegentreten zu können. Der Prinz allein war zur Absendung von Truppen imstande, da Daun sich bis jetzt noch ruhig verhielt. So ließ er denn den General Jung-Stutterheim mit 4 Bataillonen zu Belling stoßen110-2. Wir haben soeben gehört, welche Verwendung diese Truppen fanden. Zur Absendung des Detachements bestimmte den Prinzen hauptsächlich der Wunsch, für den Notfall Truppen zur Verteidigung der Hauptstadt gegen die Einfälle kleiner Korps bereit zu haben. Bestand doch die ganze Berliner Besatzung damals nur aus zwei schwachen Milizbataillonen.

Auf preußischer Seite dauerte der Kleinkrieg in Sachsen fort. Zum zweiten Male schlug Kleist bei Freiberg ein feindliches Korps, und Seydlitz vernichtete ein großes Kavalleriekorps bei Pretzschendorf. Inzwischen begann sich auch die Reichsarmee zu rühren und rückte unter Führung Serbellonis auf Ronneburg vor. Dort hätte sie die Preußen leicht in der Flanke umgehen können. Infolgedessen sandte Prinz Heinrich Seydlitz mit 5 Bataillonen und 15 Schwadronen gegen den Feind. Seydlitz manövrierte mit so viel Kunst und Geschick und machte Serbelloni so um seine Armee besorgt, daß er ihn zum Rückzug über Hof ins Reich nötigte.

Unterdessen machte die französische Armee einige Fortschritte. Das Korps des Grafen von der Lausitz war über Einbeck ins Kurfürstentum Hannover eingedrungen und bedrohte Wolfenbüttel. Bei der geringen Stärke der dortigen Besatzung war nur<111> auf schwache Verteidigung zu rechnen. Daher sandte Prinz Heinrich Oberst Bohlen111-1 mit 1 500 Mann zur Verstärkung ab. Bohlen wollte sich in die Stadt werfen, aber Stammer, der dort im Namen des Herzogs befehligte, wollte ihn nicht einlassen.

Bohlen zog sich also zurück, und zwei Tage später war der Graf von der Lausitz Herr von Wolfenbüttel (10. Oktober). Sobald die Sachsen die Stadt eingenommen hatten, schickte Serbelloni zu ihrer Verstärkung General Luszinsky mit 6 000 Mann ab. Der rückte gegen die Saale vor und bemächtigte sich Halles. Prinz Heinrich stellte ihm Seydlitz entgegen, der über Dessau und Bernburg rückte und dem Feind den Eintritt ins Herzogtum Magdeburg streitig zu machen suchte. Aber schon hatte der Graf von der Lausitz Wolfenbüttel geräumt und sich nach Hessen zurückgezogen. Auch Luszinsky war wieder zu den Reichstruppen gestoßen. So war Seydlitz in jener Gegend denn nicht mehr vonnöten und stieß wieder zum Prinzen Heinrich.

Kaum aber waren die Dinge in Niedersachsen einigermaßen in Ordnung gekommen, als Buturlins Abmarsch aus Schlesien einen unmittelbaren Angriff auf Berlin befürchten ließ. So hatten es die Russen ja schon im letzten Feldzug gemacht111-2. Zur Beobachtung der russischen Armee sandte also Prinz Heinrich Oberst Podewils111-3 mit 800 Pferden nach Fürstenwalde. Aber Platens Zug nach Kobylin vereitelte den russischen Plan, sofern sie ihn wirklich im Auge hatten. Die Hauptstadt war also gerettet.

Endlich erwachten die Österreicher aus ihrer Lethargie. Bei ernstlichem Willen hätte Daun die Preußen aus Sachsen verdrängen können. Er beschränkte seine Operationen jedoch auf Besetzung der ganzen an Böhmen grenzenden sächsischen Bergkette. Das hieß sich mit einem Dorf begnügen, während er ein Königreich hätte haben können. Hadik brach mit einem starken Korps von Dippoldswalde auf und setzte sich in Freiberg fest, indes Daun alle preußischen Truppen an der Triebisch beunruhigen ließ, um Prinz Heinrich an einem Angriff auf Hadik zu hindern. Durch die eben erwähnten Bewegungen kamen die Österreicher unmittelbar in die rechte Flanke der preußischen Truppen im Lager bei den Katzenhäusern. Zur Vermeidung dieses Beistandes änderte Prinz Heinrich seine Stellung, ließ ein befestigtes Lager beim Petersberg111-4 herrichten und betraute Seydlitz mit dessen Oberbefehl.

In Schlesien endigten die Operationen der Österreicher, wie erwähnt, mit der Einnahme von Schweidnitz. Da Laudon sich mit den russischen Hilfstruppen unter Tschernyschew stark genug fühlte, sandte er Campitelli mit dem Korps, das ihm O'Donell aus der Lausitz zugeführt hatte, nach Sachsen. Campitelli ging am 1. November über die Dresdener Elbbrücke und wurde dann zur Verstärkung Hadiks ins Gebirge nach Freiberg gesandt. Daraufhin verließ Feldmarschall Daun das Lager auf dem Windberg und rückte mit seiner ganzen Macht gegen die Front der preußischen Armee vor111-5.<112> Der Tag verging mit gegenseitiger Kanonade und einigen kleinen Infanteriegefechten. Beim Versuch, die Preußen von den von ihnen verteidigten Triebischübergängen zu vertreiben, wurden die Österreicher zurückgeschlagen. Während Daun die Preußen beunruhigte, rückte Hadik an beiden Muldeufern vor und setzte sich von Nossen und Döbeln bis Roßwein fest. An die von den Österreichern besetzte Stellung hinter der Mulde ist sehr schwer heranzukommen. Im Besitz der Höhen, beherrschten sie das Gelände in seiner ganzen Ausdehnung. Außerdem läßt sich der Fluß in seinem Felsenbett nur auf drei steinernen Brücken überschreiten. Prinz Heinrich fühlte sich nicht stark genug, um einen überlegenen Feind aus einer so vorteilhaften Stellung zu verdrängen, und beschränkte sich auf gründliche Verschanzung seiner eigenen Position, um sich den Winter über dort halten zu können. Die Preußen wußten sich beim Feind in Respekt zu setzen. Alle von Hadik über die Mulde gesandten Detachements wurden zurückgetrieben oder geschlagen.

In dem Glauben, der Feldzug der Russen in Pommern würde weder lang noch gefährlich sein, hatte der König Platen für Sachsen bestimmt. Da aber die Dinge in Pommern, wie erwähnt, eine schlimme Wendung nahmen, konnte Platen erst am 11. Januar zur Armee des Prinzen Heinrich stoßen. Kaum war er in Altenburg und Naumburg eingetroffen, wo er Winterquartiere beziehen wollte, so rückte die Reichsarmee gegen die eben von ihm besetzten Orte vor. Bei der Unmöglichkeit, sich zu verteidigen, räumte Platen das Feld. Auf dem Rückzug wurde Stojentin112-1, Oberst des Regiments Jung-Braunschweig, von 4 000 Mann angegriffen, verteidigte sich aber so tapfer, daß er Meuselwitz ohne anderen Verlust als den seiner Kranken erreichte, die er nicht aus Altenburg fortschassen konnte.

Den ganzen Winter über behaupteten die Preußen ihre Stellung. Infolge der großen Nähe der beiden Armeen kam es zwar zu häufigen Scharmützeln, aber was auch eintreten mochte, bei der schlimmen Lage der Preußen war der dauernde Besitz Sachsens so wichtig, daß Prinz Heinrich alles wagte, um sich dort zu halten. Es gelang ihm auch, und zwar weniger durch die Stärke seiner Armee, als durch seine trefflichen Anordnungen, seine Entschlossenheit und Standhaftigkeit.

Zur Vervollständigung der Schilderung dieses Jahres müssen wir noch einen Blick auf die Operationen der Alliierten gegen die französische Armee werfen. Wir verließen Prinz Ferdinand in Paderborn, den Erbprinzen in Münster, Soubise am Niederrhein, Broglie in Kassel und den Grafen von der Lausitz in der Gegend von Eisenach. Soubise eröffnete den Feldzug mit einem Vorstoß gegen Dortmund, während Broglie zur Bedrohung der Diemel verschiedene Korps zusammenzog. Prinz Ferdinand ließ Spörcken an der Diemel zurück, mit der Weisung, sich im Falle eines feindlichen Angriffs nach Lippstadt zurückzuziehen. Die Hauptarmee der Alliierten<113> marschierte gegen Soubise. Der war gegen Unna vorgerückt, während der Erbprinz sich Hamm näherte. Da aber Prinz Ferdinand hörte, daß Soubise ein Korps unter Prinz Condé vorgeschoben hätte, ließ er den Erbprinzen wieder zu sich stoßen. Dann griff er Condé an und zwang ihn zum Rückzug auf die eigene Armee. Diese fand der Prinz zu einem Angriff allzu stark verschanzt und umging sie daher durch einen Marsch auf Dortmund. Noch am Abend seiner Ankunft bei der Brücke von Werl wurde er seinerseits von den Franzosen angegriffen, warf sie jedoch mit Verlusten zurück113-1.

Die Stellung der Alliierten hätte Soubise in Verlegenheit um seine Verproviantierung gebracht, wäre nicht Broglie, der ihm zu Hilfe eilte, schon an der Diemel erschienen. Beim Anmarsch der Franzosen zog sich Spörcken unter einigen Verlusten zurück. Statt sich aber, wie ihm befohlen war, Lippstadt zu nähern, ging er nach Hameln. Nun hatte Soubise nichts Eiligeres zu tun, als sich mit Broglie zu vereinigen. Bei Paderborn trafen beide Armeen zusammen. Prinz Ferdinand folgte Soubise auf den Fersen, lieferte ihm aber nur einige belanglose Arrieregarden-Gefechte. Broglie ließ den Grafen von der Lausitz in Paderborn zur Deckung der dort errichteten Depots, und die beiden französischen Heere lagerten sich bei Soest. Während dieser Bewegungen der Franzosen und Alliierten nahm ein Feischarenführer der letzteren, Freytag113-2, zwischen Kassel und Warburg drei für die Feinde bestimmte Mehlsendungen weg. Der Verlust brachte die Franzosen derart in Verlegenheit, daß sie zehn Tage zum Heranschaffen von Proviant und zur Neuordnung ihres Verpflegungswesens brauchten.

Prinz Ferdinand benutzte ihre Untätigkeit zur starken Verschanzung seines Lagers zwischen der Aasse und Lippe. Zugleich war er auf die Sicherung von Lippstadt bedacht und schickte Wangenheim mit 6 Bataillonen dorthin ab. Bald darauf stieß auch Spörcken zu ihm. Am 15. Juli rückten die beiden französischen Marschälle gegen Prinz Ferdinand vor. Ihre Armee dehnte sich halbkreisförmig aus und umschloß den ganzen Umfang seines Lagers; denn ihre beiden Flügel reichten bis an die Lippe. Zuerst überwältigte Broglie die von englischen Grenadieren verteidigte Stellung bei Nehlen. Von diesem Erfolg aufgeblasen, ließ er ein kleines Gehölz vor dem Dorf Vellinghausen angreifen, das die britische Legion besetzt hielt. Sie verteidigte sich aber so tapfer und standhaft, daß der Feind die Stellung nicht einnehmen konnte. Gegen 6 Uhr abends schien das Gefecht allgemein zu werden. Nur der Einbruch der Nacht setzte dem Kampf ein Ende. Am nächsten Tage in aller Frühe begann das Feuer von neuem. Soubise griff die Stellung des Erbprinzen an und bestürmte ein Dorf, wurde aber durch die tapfere Verteidigung einer Schanze gehemmt. Inzwischen versuchte Broglie seine Kräfte an Prinz Ferdinand, aber der Angriff war lahm, und der Herzog bemerkte während des Kampfes ein gewisses Schwanken in der französischen Infanterie, das Unsicherheit und Entmutigung verriet. Er benutzte den<114> Umstand als großer Feldherr. Da gerade Wangenheim zu ihm gestoßen war, drang er mit 16 Bataillonen aus seiner Stellung vor, griff die Broglieschen Truppen plötzlich an, durchbrach sie und zwang sie zur Flucht. Infolge dieses unerwarteten Schlages mußten die beiden französischen Marschälle von ihrem Vorhaben abstehen (16. Juli). Sie hatten einen Verlust von 6 000 Mann, während die siegreichen Alliierten dank ihrer guten Stellung nur 2 000 Mann verloren.

Nach dem Gefecht bei Vellinghausen trennte sich Soubise von Broglie. Er rückte nach der Ruhr ab, während Broglie nach Paderborn zog. Der Erbprinz folgte Soubise und ging nach dem Haarstrang, um die Franzosen am Übergang über die Ruhr zu hindern, indes Prinz Ferdinand Broglie verfolgte. Broglie, dessen Armee sich hinter der Weser von Paderborn bis Hameln ausdehnte, begann sich bei Höxter zu verschanzen und legte dort Kriegs- und Lebensmittelvorräte an. Das ließ auf den Plan einer Belagerung von Hameln schließen. Da Prinz Ferdinand den Gegner nur durch anderweitige Beunruhigung davon abhalten konnte, detachierte er Luckner und später auch Wangenheim und Wutginau ins Fürstentum Waldeck, wo sie ein feindliches Detachement bei Stadtberge vernichteten. Infolge ihres Zuges sah sich Broglie zur Schwächung seines Zentrums genötigt. Darauf hatte Prinz Ferdinand nur gewartet, um über Delbrück und Detmold nach Reelkirchen zu rücken. Durch diese unerwartete Bewegung überrascht, brachen die Franzosen auf und langten am Fuße der durch die Niederlage des Varus so berühmten Höhen von Reelkirchen an. Dort fanden sie die Deutschen in einer festen Stellung, die sie nicht ungestraft angreifen durften, und so zogen sie sich denn auf Nieheim und Steinheim zurück. Nun rückte Luckner nach dem Solling, griff zwischen Göttingen und Höxter ein feindliches Korps unter Belsunce an und schlug es. Prinz Ferdinand wünschte eine Entscheidung herbeizuführen. Da er sich aber in seiner Stellung nicht stark genug fühlte, zog er noch den Erbprinzen heran. Der marschierte der französischen Armee in den Rücken, sodaß Broglie genötigt war, ihm Sainville entgegenzustellen. Um sich aus der Umklammerung durch die Alliierten zu befreien, griffen die Franzosen das Städtchen Horn vor der rechten Flanke des Prinzen an. Aber einige englische Brigaden rückten zur Verstärkung der Stellung heran, und so mußten die Franzosen von ihrem Vorhaben abstehen. Durch seine Mißerfolge entmutigt und von den überall aufsteigenden Hindernissen abgeschreckt, gab Broglie die Belagerung Hamelns auf und dachte nur noch an die Fortschaffung seiner Lebensmittel aus Höxter. Auf drei Brücken ging er über die Weser. Die Alliierten folgten ihm, konnten ihm aber nichts mehr anhaben.

Die Vereinigung des Erbprinzen mit der Armee der Alliierten hatte den Stand der Dinge in Niedersachsen gebessert, am Niederrhein jedoch verschlechtert. Da seine Gegenwart dort also notwendig wurde, mußte er wieder an den Niederrhein zurück kehren. Durch seinen Marsch zwang er Condé zur Aufhebung der Belagerung von Hamm. Die Franzosen zogen sich auf Münster zurück und vereinigten sich hier mit Soubise, der gerade die Stadt belagerte. Um Münster zu entsetzen, schloß der Erb<115>prinz plötzlich die Stadt Dorsten ein und eroberte sie. Die Besatzung mußte die Waffen strecken. Durch die Einnahme von Dorsten kam der Erbprinz in die Nähe von Wesel und konnte so der französischen Armee die Zufuhr abschneiden. Infolge dieses Streiches kam Soubise in Verlegenheit und mußte die Blockade von Münster aufgeben. Er zog sich über Dülmen nach Haltern zurück.

Durch den Abmarsch des Erbprinzen aus Niedersachsen hatte Broglie mehr Freiheit bekommen. Er rückte nun nach Einbeck und der Leine vor. Daraufhin teilte Prinz Ferdinand seine Armee, ließ die eine Hälfte an der Weser und zog mit der anderen an die Diemel, um dort das Korps Stainville zu überfallen. Aber der französische General durchschaute den Plan des Prinzen, zog sich eilig zurück und warf sich in das befestigte Lager bei Kassel. Durch Stainvilles Schnelligkeit war der Plan des Prinzen also vereitelt. Nun traf dieser Anstalten zur Einnahme von Münden. Darob erschrak Broglie derart, daß er mit seiner halben Armee heranzog. Bei seinem Anmarsche gingen die Alliierten auf Hofgeismar zurück. Als Broglie mit seinen Truppen bei Münden nichts mehr zu tun fand, sandte er Stainvllle Verstärkungen und kehrte mit dem Rest seiner Mannschaft nach Einbeck zurück.

Eine Belagerung von Münster durch Soubise war bei der vorgeschrittenen Jahreszeit nicht mehr zu befürchten. Das Detachement des Erbprinzen war nun in Niedersachsen nötiger als in Westfalen, und so schickte ihm Prinz Ferdinand Befehl, sich mit ihm an der Diemel zu vereinigen. Gleich nach seinem Eintreffen rückten die Alliierten gegen Stainville vor. Wieder zog er sich zurück, und abermals eilte ihm Broglie mit einem Teil seiner Leute zu Hilfe, ließ aber seine Hauptarmee auf dem Solling zwischen Holzminden und Lauenförde stehen. Als die Alliierten ihr Vorhaben durchkreuzt sahen, drangen sie in das Fürstentum Waldeck ein; denn dort waren mehr Vorräte als in Hessen zu finden. Broglie erkannte, daß der Plan der Alliierten nur darauf hinausging, ihn durch Diversionen von seinen Unternehmungen abzubringen, und so beschloß er, es ebenso zu machen. Er schickte den Grafen von der Lausitz mit 8 000 bis 9 000 Sachsen ins Herzogtum Braunschweig zur Belagerung von Wolfenbüttel. Nach schwachem Widerstand ergab sich die Stadt115-1. Dann wandte sich der Graf gegen Braunschweig und berannte es. Prinz Ferdinand hatte Luckner zum Entsatz von Wolfenbüttel geschickt, aber der kam zu spät. Als jedoch kurz darauf Prinz Friedrich von Braunschweig115-2 zu ihm stieß, vollbrachte der ehrliebende, von edlem Ruhmesdrang erfüllte Prinz sein erstes Heldenstück, indem er die feindliche Stellung in Ölper mit Sturm nahm115-3. Dann warf er sich nach Braunschweig, zwang den Feind zur Aufhebung der Belagerung und danach zur schleunigen Räumung von Wolfenbüttel. So schlug Alexander, kaum dem Knabenalter entwachsen, im Heere seines Vaters Philipp die Athener mit dem ihm unterstellten Reiterflügel115-4.

<116>

Die Unternehmungen der Detachements verhinderten indes die Hauptarmeen nicht an ihren Operationen. Broglie hatte die Stellung von Duderstadt befestigt und Stainville nach Jessen vorgeschoben. Einige Brigaden deckten Einbeck, und Chabo hielt mit 10 000 Mann die Eschershauser Pässe besetzt. Hätte Prinz Ferdinand dem Feind ein Verbleiben in dieser Stellung während des Winters gestattet, so hätte das den Franzosen zuviel Vorteile für den nächsten Feldzug gewährt. Aus diesem Grunde beschloß er, das vom Feinde besetzte Gelände mitten zu durchbrechen. Der Erbprinz und Lord Granby mußten zu dem Zweck über die Leine gehen und sich dicht an der Hufe, einer Anhöhe bei Einbeck, aufstellen. Am 4. November ging Prinz Ferdinand selbst bei Tündern über die Weser und rückte gegen Chabot vor, der ihm zu seinem Glück noch entwischte. Der Feind wurde auf allen Seiten lebhaft zurückgedrängt. Als Broglie den Erbprinzen gegenüber der Hufe erblickte, glaubte er alles verloren. Indes verging der Tag unter gegenseitiger lebhafter Kanonade. Am nächsten Tage hatten sich die Franzosen verstärkt, und zum Sturm auf sie war es zu spät. Infolgedessen marschierte die ganze Armee der Alliierten rechts ab. Die Franzosen hielten diesen Marsch für einen Rückzug und wollten die Deutschen beunruhigen, wurden jedoch überall zurückgetrieben und geschlagen. Durch diese Bewegung setzte sich Prinz Ferdinand in den Besitz der Wangelnstedter Höhen und faßte dadurch die Stellung auf der Hufe im Rücken. Das brachte Broglie völlig außer Fassung. Er konnte sich nicht länger halten, mußte Einbeck räumen und zog sich nach Hessen zurück. Mit diesem glänzenden Schlage beendigte Prinz Ferdinand ruhmvoll den Feldzug, und auf beiden Seiten bezogen die Armeen ihre Winterquartiere.

Aus den Ereignissen dieses Feldzuges haben wir ersehen, daß Prinz Ferdinand ihn allein von allen Alliierten ohne Verluste beendete. Wo aber die Preußen den Krieg führten, sie waren auf allen Schauplätzen unglücklich. Prinz Heinrich hatte das ganze sächsische Bergland aufgeben müssen und war auf dem ihm verbleibenden Gelände derart eingeengt, daß er den täglichen Unterhalt der Truppen kaum beschaffen konnte. Die Feinde hatten dank ihrer Überzahl die vorteilhaftesten Stellungen besetzen können, und für den Winter und den nächsten Feldzug stand das Schlimmste zu befürchten. So ernst aber auch die Lage des Prinzen Heinrich war, so befand sich doch die Armee des Königs in ungleich schlimmeren Umständen. Der Verlust von Schweidnitz zog auch den des Gebirges und halb Schlesiens nach sich. Von den Festungen blieben dem König nur noch Glogau, Breslau, Brieg, Neiße und Kosel. Noch war er Herr des Oderlaufes und des Gebietes am jenseitigen Ufer. Aber die Russen hatten dort bei Beginn des Felbzuges derart gehaust, daß aus jenen Gegenden keine Lebensmittel mehr zu beziehen waren. Auch aus Polen war eine Verproviantierung unmöglich, weil dort 15 000 Russen eine Postenkette längs der Grenze gezogen hatten, die den Zugang sperrte. Die Armee mußte sich vorwärts gegen die Österreicher und rückwärts gegen die Russen verteidigen. Die Verbindung<117> zwischen Berlin und Breslau war gefährdet. Vollends verzweifelt aber wurde die Lage durch den Fall von Kolberg. Ungehindert konnten nun die Russen mit Frühlingsanfang die Belagerung von Stettin beginnen oder sich Berlins und der ganzen Kurmark bemächtigen. Nur 30 000 Mann blieben dem König in Schlesien. Auch Prinz Heinrich hatte nicht mehr. Die in Pommern gegen die Russen stehenden Truppen waren furchtbar mitgenommen und bis auf einen Rest zusammengeschmolzen. Die meisten Provinzen waren erobert oder verwüstet. Woher sollte der König Rekruten nehmen, woher Pferde und Armeebedarf? Wo sollte er Lebensmittel finden und wie die Kriegsbedürfnisse sicher zur Armee befördern?

Und doch werden wir sehen, daß der Staat nur scheinbar verloren war, daß die Armee durch Fleiß wiederhergestellt wurde und ein glückliches Ereignis alle bisherigen Verluste wieder ausglich. Das möge zum Beispiel dienen, daß der Schein täuscht, und daß es bei großen Dingen nur auf Beharrlichkeit ankommt, die den Menschen über alle Not und drohenden Gefahren hinweghilft.


101-1 Treffen bei Gostyn, 15. September 1761.

101-2 Generalmajor Karl Anton Leopold von Zastrow.

104-1 Am 21. September 1761 hatte der König den Markgrafen Karl beauftragt, in diesem Sinne an Laudon zu schreiben. Dieser legte in seiner Antwort vom 5. Oktober dem König eine barbarische, allem Völkerrecht widerstreitende Kriegführung zur Last. Als im Dezember von österreichischer Seite dieser Briefwechsel veröffentlicht wurde, befahl der König am 5. Februar 1762, Markgraf Karl solle eine Abschrift der Antwort Laudons anfertigen und „zugleich jeden darin gegen uns enthaltenen Punkt durch dazu kurz, aber solide gemachte Remarques beantworten“ lassen. Darauf wurde auch preußischerseits der Briefwechsel mit den „Remarques“ zu Laudons Antwort deutsch und französisch publiziert.

104-2 Vgl. S. 83.

104-3 Generalmajor Karl Christoph von Zeuner.

105-1 Primislaus Ulrich von Kleist, Kommandeur eines Grenadierbataillons.

105-2 Vgl. S. 101.

106-1 20. Oktober 1761.

106-2 Vgl. S. 82.

107-1 Kolberg kapitulierte am 16. Dezember 1761.

107-2 Wilhelm Sebastian von Belling, Oberst und Chef eines Husarenregiments.

107-3 Generalmajor Otto Ludwig von Jung-Stutterheim.

108-1 Der Held des gleichnamigen altfranzösischen Ritterromans.

109-1 Vgl. Bd. II, S. 31.

109-2 Vgl. S. 89.

109-3 Vgl. S. 24.

110-1 Christoph Moritz von Roëll, Oberst und Kommandeur des Husarenregiments Malachowski.

110-2 Vgl. S.107.

111-1 Oberstleutnant Balthasar Ernst von Bohlen, Kommandeur des zum Kleistschen Freikorps gehörigen Frei-Dragonerregiments Kleist.

111-2 Vgl. S. 61. 63 ff.

111-3 Friedrich Wilhelm von Podewils, Oberst im Dragonerregiment Schorlemer.

111-4 Nordwestlich von Nossen.

111-5 5. November 1761.

112-1 Peter Heinrich von Stojentin.

113-1 4. Juli 1761.

113-2 Vgl. S. 8.

115-1 Vgl. S. 111.

115-2 Prinz Friedrich, der zweite Sohn Herzog Karls. Er trat 1763 als Generalleutnant in das preußische Heer.

115-3 In der Nacht zum 14. Oktober 1761.

115-4 In der Schlacht bei Chäronea (338 v. Chr.).

88-1 Vgl. S. 75.

88-2 Der Führer der russischen Hauptarmee.

89-1 Vgl. im Anhang (Nr. 9) die Instruktion für Prinz Heinrich vom 21. April 1761.

89-2 Generalleutnant Johann Albrecht von Bülow.

89-3 Generalleutnant Karl Christoph von der Goltz († 30. Juni 1761).

90-1 Vgl. S. 10 und Bd. III, S. 136.

90-2 Unweit der Mündung der Obra in die Warthe.

92-1 Oberst Daniel Friedrich von Lossow, Kommandeur des Husarenregiments Nuesch.

93-1 Vgl. S. 48.

93-2 Vielmehr am 12. August 1761.

93-3 Die Russen überschritten am 12. August 1761 die Oder bei Kloster Leubus.

93-4 Vgl. S. 38.

94-1 15. August1761.

94-2 Bei Würchwitz.

94-3 Reitzenstein (vgl. S.72) war im Dezember 1760 ins Dragonerregiment Finckenstein versetzt worden.

95-1 Am 12. August 1761.

95-2 In der Nacht zum 19. August 1761.

97-1 Die Polsnitz, die in das Striegauer Wasser fließt.

98-1 Franz Andreas Jaquin de Berney von Favrat stand im Freibataillon Salenmon.

99-1 Die „Disposition in allen Fällen, wie die Armee in diesem Lager attaquieret werden könnte.“

99-2 Generalmajor Friedrich Ehrentreich von Ramin.