16. Kapitel
Feldzug des Jahres 1762.
Wie aus unserer Darstellung hervorgeht, war der letzte Feldzug für die preußischen Waffen überall unglücklich verlaufen. Prinz Heinrich hatte das sächsische Bergland verloren, der Prinz von Württemberg die Festung Kolberg und der König Schweidnitz. Die Stellung der preußischen Truppen in Schlesien war gefährdet. Ihr Hauptstützpunkt war eine schlechte Verschanzung in der Vorstadt von Breslau, die Raum für 12 Bataillone bot. Zwei Beobachtungsposten schützten sie gegen feindliche Überfalle, der eine in Canth, wo Dalwig132-1 befehligte, der andere in Rothsyrben unter Prittwitz. Wied stand in der Gegend von Grottkau, von wo er Möhring nach Strehlen detachiert hatte. Möhring klärte nach Frankenstein hin auf, Prittwitz nach Reichenbach und Dalwig nach dem Zobten und dem Pitschenberg hin. Glogau wurde durch 6 Bataillone unter Zeuner gedeckt. Thadden besetzte Guben und ließ von der Kavallerie unter Schmettau eine Postenkette bis nach Lübben ziehen. Dadurch wurde die Verbindung mit Berlin gesichert, von wo die Armee ihren Proviant bezog. Österreichischerseits begann die Postenkette bei Jägerndorf, zog sich dann über Neustadt, Weidenau, Johannesberg, Martha, Silberberg, Bögendorf, den Zobten und Striegau nach Hohenfriedberg. Die Hauptmacht der österreichischen Infanterie kantonnierte in den Bergen, und die Russen hatten ihre Quartiere in der Grafschaft Glatz.
Wahrend des Winters fanden einige Streifzüge statt, die aber weiter keine Folgen hatten. Oberst Alton, der den Winter über in Reichenbach lag, wollte Prittwitz in seinem Quartier in Rothsyrben überrumpeln (7. Februar). Der aber bekam Wind davon, legte sich mit seiner Truppe in einen Hinterhalt an der Straße, auf der der Österreicher kommen mußte, schlug ihn und nahm ihm 100 Mann ab.
Dank der Umwälzung in Rußland und der freundschaftlichen Gesinnungen Peters III. gegen Preußen verließ das russische Hilfskorps die kaiserliche Armee. Tschernyschew rückte aus der Grafschaft Glatz ab132-2, ging bei Auras über die Oder und kehrte nach Polen zurück. Jene Umwälzung führte auch zu Friedensverhandlungen mit Schweden132-3. Da ihr glücklicher Ausgang vorherzusehen war, so bekam der König nun<133> freie Verfügung über all die Truppen, die er gegen Schweden ins Feld gestellt hatte. Belling mit 20 Schwadronen und Billerbeck133-1 mit 6 Bataillonen erhielten Befehl, zur Armee in Sachsen zu stoßen. Der Herzog von Bevern, der Prinz von Württemberg und Werner133-2 sollten zur schlesischen Armee rücken, sobald sie nach Lage der Dinge Pommern verlassen konnten.
Der König beabsichtigte den Feldzug mit einer Diversion gegen Ungarn zu eröffnen. Demzufolge sollte Werner bei Budapest133-3 zu den Tartaren stoßen und ihre Einfälle in die dortige Gegend und in Österreich selbst unterstützen. Das hätte die Operationen des Königs in Schlesien erleichtert. Galt es doch, Schweidnitz wiederzunehmen und nach erfolgter Belagerung die Armee des Prinzen Heinrich zu verstärken, damit sie zur Wiedergewinnung Dresdens schreiten konnte. Aber diese Pläne wurden alsbald verändert, da ein Allianzvertrag mit den Russen zustande kam133-4.
Seit Mitte März begannen die verschiedenen Truppen sich zur Armee heranzuziehen. Schenckendorff verließ Sachsen und löste Schmettau und Thadden in Guben ab. Ihm folgte das Platensche Korps, das damals von Krockow133-5 geführt wurde. All diese Detachements kamen nacheinander in Breslau an, und zwar Schmettau, Thadden und Zeuner am 15. April, Krockow mit 25 Bataillonen und 35 Schwadronen am 6. Mai. Lossow, der mit seinen Husaren und Bosniaken133-6 Oberschlesien gegen die Kosaken gedeckt hatte, löste Dalwig in Canth ab, und der Prinz von Württemberg stieß am 12. Mai mit 5 Bataillonen und 6 Schwadronen zur Armee.
Man wird sich gewiß wundern, daß die Österreicher die Vereinigung all dieser preußischen Korps mit solchem Phlegma und solcher Kaltblütigkeit duldeten, ohne sie irgendwie daran zu hindern. Aber ihre Bestürzung und Entmutigung war gewaltig, teils wegen des Abfalls der Russen, auf die sie so sehr gerechnet hatten, teils auch infolge der Verminderung ihrer Armee, da der Wiener Hof sehr zur Unzeit viele Truppen im Winter entlassen hatte133-7. Überdies machte ein in ihrem Heere herrschender Aussatz die Hälfte ihrer Regimenter kampfunfähig. Die Offiziere hielten ihre Sache im Grunde schon für verloren. Außerdem hatte Feldmarschall Daun den Oberbefehl über die schlesische Armee erhalten, und Laudon, der ihm in kurzem das Kommando übergeben sollte, verspürte gar keine Lust, für seinen Nachfolger zu arbeiten und seinen Ruf für einen Mann aufs Spiel zu setzen, den er aus tiefstem Herzen verabscheute. Zieht man alle diese Gründe sorgsam in Betracht, so wird man sich weniger wundern, daß der König seine zerstreuten Kräfte zusammenziehen konnte, ohne daß der Feind ihn daran hinderte.
Während die Armee sich in der Umgegend von Breslau versammelte, teilte der russische Zar dem König mit, Tschernyschew solle auf seinen Befehl Thom verlassen<134> und in Schlesien zu den preußischen Truppen stoßen. Dies glückliche Ereignis, das so tief in die Feldzugspläne einschnitt, veranlaßte ihre teilweise Abänderung. Der König beschloß, ein beträchtliches Korps bei Kosel zusammenzuziehen, entweder zur Vereinigung mit den Tartaren in Ungarn, falls sie noch kamen, oder zur Beunruhigung der mährischen Grenze, wodurch Daun zur Absendung starker Detachements nach Mähren gezwungen worden wäre. Darauf nämlich kam es vor allem an, wenn die gefaßten Pläne gelingen sollten. Denn mit 80 000 Mann konnte Daun die Gebirge und die Stellung bei Kunzendorf so völlig besetzen, daß ein Angriff ebenso unmöglich wurde wie ihre Umgehung. Gegenwärtig hatte er 70 000 Mann auf diese Weise aufgestellt, ferner standen 10 000 Mann als Besatzung in Schweidnitz, und ein Detachement von 8 000 Mann deckte die Bergpässe von Silberberg und Wartha. Er mußte also noch um 15 000 Mann geschwächt werden, damit man sicheres Spiel hatte und alle Stellungen, die er in den Bergen einnehmen konnte, zu umgehen vermochte, kurz, um einen erfolgreichen und glänzenden Feldzug zu führen.
Die Armee des Königs betrug 66 000 Streiter. Tschernyschew führte ihm noch 20 000 Russen zu. So konnte er also 20 000 Mann nach Oberschlesien detachieren und blieb den Kaiserlichen doch überlegen. Alle Operationspläne des Königs für diesen Feldzug waren auf Umgehung der feindlichen Stellungen angelegt. Vor allem aber suchte er dem Feinde seine Absicht sorgfältig zu verbergen: das war ebenso wichtig wie notwendig. Daher wurden die Kavalleriedetachements verstärkt, um den österreichischen überlegen zu sein, sie oft schlagen zu können und sie so weit einzuschüchtern, daß sie alle Rekognoszierungen einstellten und sich nicht über ihre Feldwachen hinauswagten.
Am 9. Mai traf Feldmarschall Daun in Schlesien ein. Kaum hatte er das Kommando übernommen, so ließ er die Armee ein Lager beziehen. Sein rechter Flügel stützte sich auf den Zobten, die Front zog sich nach Domanze hin, und den linken Flügel schloß Elrichshausen in seiner Stellung auf dem Pitschenberg ab. Der König hielt es nicht für ratsam, gegenüber der feindlichen Armee zu lagern. Er zog seine Truppen in Kantonnementsquartieren an den beiden Loheufern zusammen und legte das Hauptquartier nach Bettlern (16. Mai). Ferner besetzten 12 Bataillone und 20 Schwadronen das befestigte Lager bei Breslau. Reitzenstein wurde mit 1 500 Pferden nach Neumarkt detachiert, um die Straße nach Glogau zu decken und nach Striegau und Jauer hin zu beobachten. In Canth erhielt Lossow Verstärkung, sodaß er außer den 1 000 Mann vom Freiregiment Courbière im ganzen 5 400 Pferde hatte. Das an der Ohlau nicht weit von Bohrau lagernde Korps von Lentulus und Prittwitz betrug 4 500 Pferde und 1 000 Mann Freitruppen.
Die Stellung des Königs kann bei oberflächlicher Betrachtung gefährdet erscheinen. Sie war es aber nicht; denn die starken vorgeschobenen Kavalleriedetachements bildeten gleichsam eine Einschließungslinie rings um die kaiserliche Armee, und die preußischen Stellungen waren dem Feinde so nahe, daß keine seiner Bewegungen<135> dem König entgehen konnte. Außerdem stand Daun zwei Tagemärsche von der Lohe entfernt, während der König seine Armee in sechs Stunden zusammenziehen konnte. Welchen Plan hätten die Österreicher auch fassen, welchen Angriff machen können? Der König war auf keine bestimmte Stellung angewiesen. Er konnte seine Armee diesseits oder jenseits der Lohe aufmarschieren lassen und unversehens über die feindlichen Truppen herfallen, in dem Augenblick, wo sie es am wenigsten erwartet hätten. Hinzu kommt, wie gesagt, daß die Österreicher sich vor der Ebene fürchteten135-1. Wenn sie sich hinabwagten, so wußten sie, daß die Rückkehr in die Berge ihnen schwer fallen würde. Die preußische Armee war also völlig gesichert und hatte es bequem.
Während sie so in Kantonnementsquartieren stand, kehrte Schwerin mit dem russischen Friedens- und Allianzvertrag aus Petersburg zurück (20. Mai)135-2. Der Friede wurde feierlich proklamiert und das Bündnis den Österreichern keineswegs verschwiegen. Jedoch verschob der König die Operationen der Hauptarmee bis zur Ankunft Tschernyschews. Das hinderte ihn indes nicht, schon im voraus Truppen nach Oberschlesien vorzuschieben. In Kosel stand Werner bereits mit etwa 10 000 Mann. Er war von dem Plane des Königs unterrichtet, die Österreicher um Oberschlesien besorgt zu machen, um einen Teil ihrer Kräfte dorthin abzulenken. Werner rückte also auf Ratibor und schob Hordt mit 1 200 Mann nach Teschen vor. Dort hob Hordt einen Hauptmann mit 60 Mann auf und ließ seine Husaren bis über den Jablunkapaß hinaus streifen. Sobald Daun von diesem Einfall erfuhr, schickte er Beck ab, um den preußischen Unternehmungen entgegenzutreten. Beck rückte nach Ratibor. Das hatte der König gerade gewollt. Nun ging Werner über die Oder zurück und zog wieder nach Kosel. Mittlerweile traf der Herzog von Bevern mit 4 Bataillonen und 1 000 Provinzialhusaren bei Breslau ein. Er wurde durch die Möhring-Husaren und 10 Schwadronen Dragoner verstärkt und drang dann bis Kosel vor, wo er alle seine Streitkräfte zusammenzog.<136> Trotz der Detachierungen nach Oberschlesien erlangte die preußische Kavallerie allmählich das Übergewicht über die feindliche. Auf dem Johannesberg bei Panthenau überfiel Prittwitz ein österreichisches Detachement und nahm ihm 100 Mann weg. In Neumarkt schlug Reitzenstein den General Gourcy, der ihn überrumpeln wollte, und nahm ihm drei Offiziere und 70 Dragoner ab. Kurz darauf (21. Juni) wurden die vom Herzog von Bevern herbeigeführten 1 000 Provinzialhusaren, die vor Neiße aufgestellt waren, in Heidersdorf von Draskovich angegriffen. Der hatte in Patschkau Meldung von ihrer Ankunft erhalten und versuchte sie zu überrumpeln. Doch der Erfolg entsprach seiner Erwartung nicht. Sein Detachement wurde geschlagen, und er selbst fiel mit 170 Dragonern und Husaren in Kriegsgefangenschaft. Diese dicht aufeinander folgenden Schläge begannen die kaiserliche Kavallerie vorsichtig zu machen. Bald wurde sie auch ängstlich.
Tschernyschews Avantgarde, aus 2 000 Kosaken bestehend, erreichte den König einige Tage vor dem russischen Gros136-1. Er verteilte die beiden Pulks auf Lossow und Reitzenstein. Der letztere rückte von Neumarkt an den Fuß des Pitschenbergs vor, sodaß Dauns Armee nun fast eingeschlossen war. Nach vorn konnte er seine Kavallerie nicht mehr schicken. Nur den Rücken ließ man ihm frei, weil man seine Maske noch nicht lüften und die Pläne, die man gegen ihn hatte, nicht verraten wollte. Immerhin verging seit der Ankunft der Kosaken fast kein Tag, wo nicht irgend eine feindliche Feldwache angesichts des ganzen Lagers aufgehoben wurde. Schließlich wagte der Feind überhaupt keine Rekognoszierungen mehr. Kein Mensch hatte mehr den Mut zu Patrouillenritten angesichts der Postenketten. Die Kavallerie blieb im Lager und getraute sich nicht mehr in die Ebene herab.
Verlassen wir indes für einen Augenblick den schlesischen Kriegsschauplatz, um uns den Vorgängen in Sachsen zuzuwenden; denn in diesem Jahre eröffnete Prinz Heinrich den Feldzug. Von Sachsen wollen wir nach Westfalen und zum Niederrhein gehen, um die Operationen des Prinzen Ferdinand von Braunschweig zu berichten. Danach können wir die Ereignisse in Schlesien der Reihe nach ohne Unterbrechung weiter verfolgen.
Den Befehl über das Kaiserliche Heer in Sachsen führte in diesem Jahre Serbelloni. Er hielt nicht allein den Plauenschen Grund, den Windberg und Dippoldiswalde besetzt, sondern dehnte sich von dort auch noch über die ganzen Höhenzüge aus, die von Freiberg über Chemnitz nach Waldheim verlaufen. Alle Muldeübergänge vor seiner Front hatte er sorgfältig verschanzt und verließ sich ganz auf diese Maßnahmen. Er hielt es für unmöglich, daß man ihn aus einer so starken und gutverteidigten Stellung vertreiben könnte. Indes ließ sich Prinz Heinrich durch solche Schwierigkeiten nicht aufhalten. Er beschloß die feindliche Stellung im Zentrum zu durch<137>brechen, sowohl um Terrain zu gewinnen wie den Feind um Böhmen besorgt zu machen. Denn die Wiedereinnahme Dresdens war nur möglich, wenn das Gros der österreichischen Armee nach Böhmen abgelenkt wurde. Die Ausführung des Planes schob der Prinz bis zur Ankunft des Generals Billerbeck auf, der aus Pommern zu ihm stoßen sollte137-1. Um aber derweilen beim Feinde nicht den Schatten einer Ahnung über die eigenen Absichten aufkommen zu lassen, führte der Prinz mehrere Scheinbewegungen aus. Er unternahm einige Demonstrationen nach dem Herzogtum Altenburg und nach Penig, um den Feind glauben zu machen, daß er etwas gegen diesen Teil Sachsens vorhätte.
Mittlerweile stieß Billerbeck in Lommatzsch zu Jung-Stutterheim. Das war das Signal für alle Truppen, die die Mulde überschreiten sollten, sich in Marsch zu setzen. Sie versammelten sich am 11. Mai abends, jedes Korps an dem ihm zugewiesenen Orte. Alles in allem betrug diese Streitmacht 21 Bataillone und 35 Schwadronen. Sie wurde in vier Kolonnen geteilt. Die eine unter Seydlitz zog sich hinter Möckwitz zusammen, die zweite unter Kanitz hinter dem Dorfe Zschörnewitz. Alt-Stutterheim, der auf dem Petersberge kampiert hatte, rückte nach Zschackwitz, während die Husaren und die leichten Truppen unter Kleist zwischen Zweinig und Haßlau aufmarschierten. In der Nacht näherten sich die vier Kolonnen in verdecktem Marsche den Muldeufern und verbargen sich hinter einer Schlucht, die dem Feinde ihre Nähe und ihre Absichten verbarg. Prinz Heinrich hatte die Batteriestellungen selbst ausgesucht. Das Geschütz wurde aufgefahren und mit Strauchwerk maskiert, sodaß es beim ersten Signal gegen die Schanzen der Kaiserlichen feuern konnte.
Das feindliche Detachement, das der Prinz angreifen wollte, wurde von dem österreichischen General Zedtwitz kommandiert. Es konnte Hilfe von den in Freiberg, Chemnitz und Waldheim kantonnierenden Truppen erhalten, war 4 000 Mann stark und hatte die Schanzen in den Schluchten und auf den Bergen mit Infanterie und Artillerie besetzt. Unter ihrem Schutze hatten sich die Kroaten und Panduren in verschiedenen Detachements längs der Mulde ausgebreitet. Allnächtlich sah man die Truppen im Biwak. Auch hatte man beobachtet, daß sie jeden Morgen bei Tagesgrauen, etwa um 4 Uhr, in ihre Zelte rückten. Auf Grund dieser Wahrnehmungen hatte der Prinz den Angriff auf 7 Uhr morgens festgesetzt.
Die preußischen Jäger, die in Zeschwitz standen, begannen jedoch, sei es aus Zufall, sei es aus Ungeduld, schon vor der bestimmten Zeit zu scharmützeln. Es war erst 6 Uhr morgens (12. Mai). Prinz Heinrich entschloß sich nunmehr, früher anzugreifen137-2. Auf das Signal hin, das ihnen gegeben wurde, gingen die vier Kolonnen unter dem Schutze von 40 Geschützen sofort über die Mulde. Seydlitz führte die Kavallerie durch die Furt von Technitz und stieß unterwegs im Dorfe Masten auf Kroaten, die sich in eine nahe Schanze retteten. Gleichzeitig packte Kleist, der die Mulde weiter unter<138>halb überschritten hatte, den Feind im Rücken, und die Infanteriekolonnen rückten gegen die Höhen an. Diese zusammenhängenden Bewegungen verblüfften die Österreicher, und sie räumten ihre Befestigungen. Unterdessen griff Kleist mit seinen Husaren die Ville-Kürassiere an und trieb sie in die Flucht. Bei der Verfolgung bot sich günstige Gelegenheit zum Angriff auf die feindliche Infanterie, die sich in vollem Rückzuge befand. Er attackierte sie in der Front, während die preußische Infanterie nachdrängte. So entstand Unordnung und Verwirrung unter den Kaiserlichen. Von dem ganzen Korps entkamen nur die Truppen, die so klug gewesen waren, sich frühzeitig nach Waldheim zu retten. Zedtwitz und 2 000 Mann von seinem Detachement fielen in die Hände des Siegers.
Am selben Tage ließ Prinz Heinrich bei Knobelsdorf ein Lager für seine Truppen abstecken und schob Hülsen und Forcade in die Stellung von Schlettau und bei den Katzenhäusern vor. Am 13. marschierte die Armee des Prinzen auf Öderan. Unterwegs sah sie in einigem Abstande österreichische Truppen von Waldheim anrücken, zu denen die Flüchtlinge vom letzten Tage gestoßen waren. Kleist griff ihre Nachhut an und zersprengte sie. Dann warf er sich auf das Regiment Luzan und nahm ihm 500 Mann ab.
Als Macquire, der in Freiberg kommandierte, von dem Gefecht bei Döbeln erfuhr, wollte er sich nicht einem gleichen Schicksal aussetzen. Er räumte den Zinnwald, Rossen und Freiberg und zog sich auf Dippoldiswalde zurück (14. Mai). Sofort bezog Prinz Heinrich das Lager von Freiberg, schob seine Avantgarde bis Niederbobritzsch vor, und Seydlitz säuberte die Ufer der Wilden Weißeritz. Am 16. bezog der Prinz das Lager von Pretzschendorf, von wo er ein Detachement bis Reichstädt vorschickte. Auch stellte er Posten von Satisdorf bis Frauenstein auf, um alle Übergänge zu bewachen, auf denen der Feind gegen ihn hätte vordringen können. Gleichzeitig gingen auch Hülsen und Forcade vor, nahmen Stellung zwischen Wilsdruff und Constappel und besetzten die Dörfer Braunsdorf, Hartha und Weistropp mit leichten Truppen, um die Verbindung zwischen den Lagern am Landsberg und bei Pretzschendorf zu sichern.
Während die Preußen so ihre Erfolge über die Kaiserlichen ausnutzten, rückte die Reichsarmee unter Prinz Stolberg nach Zschopau vor. Da Prinz Heinrich einen Gegner so dicht in seinem Rücken nicht dulden konnte, sah er sich zur Absendung eines Detachements nach jener Seite gezwungen. Er schickte Bandemer138-1 mit 1 000 Pferden und 4 Bataillonen gegen die Reichstruppen. Bandemer besetzte die Ufer der Flöha und schickte Röder138-2 zur Rekognoszierung vor. Der wurde von der ganzen Kavallerie der Reichstruppen angegriffen, hätte sich aber doch ohne beträchtliche Verluste zurückgezogen, wäre Bandemer nicht auf den sehr unklugen Einfall gekommen, zu seiner Unterstützung durch das Flöha-Defilee vorzugehen. Nun verstopfte er den<139> Durchgang und vermehrte dadurch die Verwirrung und Bedrängnis der Röderschen Truppe, die eben im Zurückgehen war. Die Preußen hatten gegen eine vierfache Überzahl zu kämpfen, und diesmal siegte die Zahl über die Tapferkeit. Sie verloren beim Rückzuge 4 Kanonen und gegen 500 Mann (21. Mai). Dies Mißgeschick zwang den Prinzen Heinrich zur Änderung seiner Maßnahmen. Er ließ Kanitz von Pretzschendorf mit frischen Truppen anrücken und nahm Stellung bei Öderan, nur zwei Meilen vom Feinde, der bei Chemnitz lagerte. Die Armee des Prinzen Heinrich hatte eine sehr breite Front. Um den Unzuträglichkeiten vorzubeugen, die aus den häufigen, unvermeidlichen Detachierungen entsprangen, ließ er die ganze Stellung befestigen. Überall, wo es möglich war, wurden Überschwemmungen hergestellt. In den Wäldern wurden Verhaue errichtet, und wo weder Sümpfe noch Bäche noch Wälder benutzt werden konnten, wurde das Gelände verschanzt.
Serbelloni war der Untätigkeit müde, in der er bisher geschmachtet hatte. Er beschloß einen Plan auszuführen, der ihn mit Ruhm bedecken sollte. Zunächst zog er Stampach an sich, der bisher mit 7 000 Mann an dem Passe bei Zittau gestanden hatte. Mit dieser Verstärkung brach Serbelloni am 1. Juni von Dippoldiswalde auf, um die leichten Truppen des Prinzen Heinrich in ihrem Lager bei Reichstädt zu überrumpeln. Aber Kleist und Egloffstein139-1 zogen sich bei seinem Anmarsch auf das Lager von Pretzschendorf zurück, wobei das neu ausgehobene Freibataillon Heer einige Leute verlor. Das große Unternehmen Serbellonis endete mit einer Kanonade, die den ganzen Tag lang währte. Am nächsten Tag schickte Prinz Heinrich Kleist und Egloffstein wieder in ihre alte Stellung. Da das Detachement aber bei Reichstädt weder notwendig noch wesentlich war, so wurde es nach einigen Tagen von dort zurückgezogen.
Belling war durch die Unterzeichnung des Friedens mit Schweden bisher in Mecklenburg zurückgehalten worden und konnte die sächsische Armee nicht vor dem 18. Juni erreichen. Nach seinem Eintreffen war Prinz Heinrich stark genug, etwas gegen die Reichsarmee zu unternehmen. Für das Heer in Sachsen war es notwendig, ja unerläßlich, sich von dem Gegner im Rücken zu befreien, zumal dessen Nähe unter mißlichen Umständen verhängnisvoll werden konnte. Seydlitz wurde mit der Unternehmung beauftragt. Er rückte auf Penig. Darauf zog sich Prinz Stolberg mit seinen 21 Bataillonen und 31 Schwadronen nach Annaberg zurück. Nachdem dieser Chemnitz verlassen hatte, konnte Kanitz sich in Zwickau ungehindert mit Seydlitz vereinigen. Die Reichstruppen räumten Sachsen und verloren auf ihrem Rückzug nach Bayreuth viele Leute. Mittlerweile ging Kleist gegen Marienberg vor, verdrängte von dort Oberst Török und warf ihn nach Böhmen zurück. Dann stieß er wieder zur Armee.
Während Prinz Stolberg in den Schoß des Reiches flüchtete, faßte Serbelloni einen noch weiter ausschauenden Plan als den vorhergehenden. Er wollte an der Elbe<140> entlang Hülsens Stellung umgehen und ihn schlagen. Zur besseren Verhüllung seiner Absichten ließ er eines Morgens (27. Juni) alle Vorposten des Lagers bei Pretzschendorf beunruhigen. Rechts von Hennersdorf tauchte eine Kolonne von 7 000 Mann auf und machte Miene, über die Steinbrückmühle zu gehen. Eine andere Kolonne marschierte gegenüber von Frauenstein in Schlachtordnung auf.
Ried, der ein Detachement von 12 Bataillonen in Pennrich kommandierte, war in der vorhergehenden Nacht durch 16 Bataillone und 25 Grenadierkompagnien verstärkt worden. Er stellte sich am Morgen während der eben genannten Demonstrationen in drei Abteilungen auf den Höhen von Pennrich auf. Seine erste Kolonne ging gegen das Dorf Grumbach vor und vertrieb dort ein Freibataillon, das sich in die Schanze im Pfarrholz warf. Aber die Batterien auf dem Landsberg dämpften die Kampflust der Österreicher. Die zweite Kolonne rückte gegen Kaufbach vor, und die dritte, am meisten rechts stehende, vertrieb ein preußisches Bataillon aus Weistropp, wurde aber in ihrem Vordringen durch das Feuer der Schanze von Constappel gehemmt, die das Bataillon Carlowitz verteidigte. Nach kräftigem Widerstand der Preußen mußte der Feind weichen. Die Verstärkungen, die Prinz Heinrich aus Pretzschendorf nach dem Landsberg schickte, trafen erst nach Schluß des Gefechtes ein. Der Feind hatte sich mit schwachen und schlecht unterstützten Angriffen begnügt und unnötig Leute geopfert, die er besser hätte benutzen können, hätte er sie tapferer drangesetzt.
Während in Sachsen das Kriegsglück der Preußen und Kaiserlichen hin und her schwankte, hatten im Reiche die Alliierten unter Prinz Ferdinand einen vollen Erfolg. Die Franzosen hatten sich in diesem Jahre auf eine einzige Armee in Deutschland beschränkt, nebst einer Reserve, die den Niederrhein deckte. Die Reserve, 46 Bataillone und 38 Schwadronen stark, wurde von Prinz Condé geführt. Die Armee unter dem Kommando von Soubise und d'Estrées betrug 111 Bataillone und 121 Schwadronen. Die beiden Marschälle planten einen Einfall ins Kurfürstentum Hannover. Prinz Ferdinand hatte genau die entgegengesetzten Absichten; denn er traf Zurüstungen zur Vertreibung der Franzosen aus Hessen. Sofort teilte er sein Heer nach dem Vorbild der Franzosen. Er detachierte 20 Bataillone und 21 Schwadronen unter dem Erbprinzen gegen Prinz Condé. Mit den übrigen 62 Bataillonen, 61 Schwadronen und 5 000 Mann leichter Truppen schritt er zur Ausführung seines Planes.
Prinz Condé eröffnete den Feldzug am Niederrhein. Am 10. Juni überschritt er den Fluß, zog seine Truppen bei Bochum zusammen und machte Miene, auf Dortmund zu marschieren. Alle Bewegungen der Franzosen und der Alliierten in diesem Teil Deutschlands drehten sich stets um den Lippeübergang, den beide Teile sich abwechselnd streitig machten. Während dieses Vorspiels zog Prinz Ferdinand sein Heer auf der Höhe von Brakel zusammen. Dann rückte er gegen die Diemel vor,<141> nahm das Schloß Sababurg und besetzte zugleich die Wälder von Hofgeismar und Liebenau, um die Diemelübergänge zu beherrschen. Die französische Armee hatte sich bei Kassel versammelt. Sie marschierte am 22. nach Grebenstein und detachierte von dort den Grafen von der Lausitz nach Göttingen. Sofort schickte Prinz Ferdinand Luckner an die Leine, um die Bewegungen der Sachsen zu beobachten. Daraufhin beschloß er, die Franzosen selbst anzugreifen, um sie von Beginn des Feldzugs an in die Defensive zu werfen. Zu diesem Zweck mußte Luckner sich mit einem Teil seiner Leute Sababurg nähern. Er sollte den rechten Flügel des Feindes und Lord Granby den linken angreifen, während Prinz Ferdinand mit dem Gros der Armee gleichzeitig gegen die Front der Franzosen vorgehen wollte.
Am 24. Juni überschritten alle Truppen der Alliierten die Diemel, um sich zu den verschiedenen Angriffen zu formieren. Ihre Bewegung hielten die Franzosen für ein allgemeines Fouragieren und zeigten daher keinerlei Unruhe. Indes wurde Castries, der den rechten Flügel Soubises deckte, sofort zurückgeworfen, und die Alliierten gingen auf das Lager selbst los. Sobald Soubise sich in Front, Flanken und Rücken zugleich angegriffen sah, beschloß er den Rückzug. Stainville warf sich mit den besten französischen Truppen in den Wald von Wilhelmsthal, um den Rückzug zu decken. Dort entspann sich zwischen ihm und Lord Granby ein Kampf, der die Schlacht141-1 entschied. Das ganze Stainvillesche Korps wurde umzingelt und niedergemacht. Indes erleichterten Spörcken und Luckner dem Marschall Soubise seinen Rückzug auf Hohenkirchen durch ihre Untätigkeit. Dadurch schlug Prinz Ferdinands Handstreich gegen Kassel fehl.
Noch in der Nacht ging der Feind über die Fulda und bezog ein Lager auf den Höhen zwischen Münden und Kassel. Die Alliierten lagerten den Franzosen gegenüber und ließen einige vorteilhaft gelegene Schlösser durch Detachements besetzen. Soubise war besorgt um Ziegenhain und schickte Guerchy und Rochambeau dorthin. Sie sollten zwischen der Festung und Melsungen hin und her marschieren und die Alliierten im Rücken durch Streifkorps beunruhigen. Prinz Ferdinand schickte Lord Granby gegen sie. Der schlug sie beim Schlosse von Homberg.
In dem Maße, wie die Alliierten ihren rechten Flügel ausdehnten, verlängerten die Franzosen den linken. Indes sahen beide Marschälle wohl ein, daß sie dadurch ihre Stellung zu sehr schwächten. Sie riefen den Grafen von der Lausitz aus Göttingen ab, um die Lücken ihres Lagers auszufüllen, und stellten ihn mit seinem Korps bei Lutterberg auf. Prinz Ferdinand sah, daß die Sachsen dort fast ganz isoliert standen, und ließ sie durch Gilsa angreifen (23. Juli). Gilsa ging mit 16 Bataillonen durch eine Furt über die Fulda. Bei Beginn des Kampfes setzten sich die Sachsen zur Wehr. Als sie aber sahen, daß eine ihrer Schanzen erobert war, nahmen sie Reißaus und flohen Hals über Kopf. Marschall d'Estrées eilte ihnen zu Hilfe und ver<142>hinderte ihre völlige Vernichtung. Darauf ging Gilsa klüglich über die Fulda zurück, um nicht der Überzahl der Feinde zu erliegen, die mit jedem Augenblick zunahm. Nach seinen bisherigen Erfahrungen glaubte Prinz Ferdinand die Franzosen am leichtesten und sichersten besiegen zu können, indem er sie zu noch weiterer Ausdehnung ihrer Stellung zwang. Zu dem Zweck detachierte er Luckner nach Hersfeld. Der nahm Fulda, Amöneburg und zahlreiche kleine Schlösser auf der Heerstraße von Kassel nach Frankfurt ein. Die üblen Folgen dieses raschen Zuges wurden den französischen Marschällen bald fühlbar. Da sie ihre Lebensmittel großenteils vom Main bezogen, wurde ihre Lage jetzt schwierig.
Soubise hoffte, sich wieder herauszuhelfen, indem er 40 Bataillone zur Besetzung der Stellung an der Schwalm über die Eder vorschob. Aber Luckner, von Lord Granby unterstützt, zwang den Feind zum Rückzug über die Fulda. Nun rückte Soubise selbst vor, überschritt die Eder und lagerte sich auf dem Heiligenberg. Da die Franzosen in dieser Stellung unangreifbar waren, ließ Prinz Ferdinand Lord Granby auf dem Falkenberg und marschierte selbst nach der Mündung der Eder in die Fulda. Durch diesen Zug kamen die französischen Marschälle in große Bedrängnis, aus der sie keinen anderen Ausweg wußten, als ihre Reserve vom Niederrhein heranzuziehen. Auf Grund der von den Marschällen erteilten Befehle ließ Prinz Condé Vogué mit einem Detachement an der unteren Lippe, machte unterwegs den vergeblichen Versuch, Hamm zu nehmen, und rückte dann durch die Wetterau und über Gießen nach der Ohm. Sein Ziel war die obere Oder, wo er den Soubise mißlungenen Plan wieder aufnehmen wollte. Zugleich mit ihm brach der Erbprinz auf, der bisher Condé beobachtet hatte. Er ließ einige Truppen zur Beobachtung Vogués zurück, marschierte durch das Fürstentum Waldeck und erreichte das Ohmufer noch vor der französischen Reserve.
Während dieser Märsche der Reservetruppen hätte Prinz Ferdinand gern Soubise noch vor Condés Ankunft angegriffen. Er beabsichtigte, den Feind in der Front zu beunruhigen, sich aber mit seinen Hauptkräften gegen Guerchy zu wenden, der jenseits der Fulda bei Melsungen lagerte. Prinz Friedrich von Braunschweig wurde mit 6 Bataillonen und 12 Schwadronen abgeschickt, um die Werra zu umgehen und Wanfried und Eschwege zu besetzen, wodurch er sich im Rücken des Feindes befand. Der allgemeine Angriff war auf den 8. August festgesetzt. Aber infolge starker Regengüsse schwoll die Fulda an, die Truppen konnten weder die Furten durchwaten noch alle rechtzeitig an ihren Bestimmungsorten eintreffen. Das ganze Unternehmen endigte mit einer dreitägigen Kanonade. Inzwischen hatte Condé Schloß Ulrichstein genommen. Nach mehreren vergeblichen Versuchen, die Ohm zu überschreiten, wollte er ein Detachement bis Hersfeld vorschieben, um den beiden Marschällen die Hand zu reichen. Zur Unterstützung von Condés Absichten ließ Soubise Schloß Friedewald von Stainville bombardieren. Durch die Einnahme des Schlosses wurde die bisher unterbrochene Verbindung zwischen der französischen Armee und dem Main wieder<143>hergestellt. Die Stellung der Franzosen in Hessen beschrieb nun einen großen Halbkreis, der von Marburg und Gießen an der Lahn entlang, dann über Hersfeld, Melsungen und Kassel bis zur Fulda reichte.
Prinz Ferdinand brannte darauf, eine Entscheidung herbeizuführen. Er wollte sich durch einen einzigen Streich die Überlegenheit über die Franzosen für den Rest des Feldzuges verschaffen. Zu dem Zweck verstärkte et den Erbprinzen mit 15 Bataillonen und 20 Schwadronen, um das Lévissche Korps aufzuheben. Das wäre dem Erbprinzen völlig gelungen, wäre Luckner zur Zeit eingetroffen, aber auch jetzt entgingen ihm nur wenig Franzosen. Nach diesem Zuge trieb er den Prinzen Condé vom Ohmufer bis über Gießen hinaus nach einer alten Römerschanze, dem sogenannten Polgraben. Doch kam es bloß noch zu einer Kanonade. Immerhin konnte sich Soubise in Hessen nicht länger behaupten, ohne sich den größten Gefahren auszusetzen. Er räumte Göttingen, warf 14 Bataillone nach Kassel und zog sich über Hersfeld nach Fulda zurück. Prinz Ferdinand blieb ihm dicht zur Seite und detachierte zugleich Prinz Friedrich von Braunschweig nach rückwärts zur Blockade von Kassel. Die Franzosen wichen bis zum Main zurück, weil die Hauptarmee sich nur auf diesem Wege mit der Reserve des Prinzen Condé vereinigen konnte.
Condé war über Butzbach und Friedberg nach Frankfurt zurückgegangen, wobei ihm der Erbprinz stets auf den Fersen blieb. Nachdem die Alliierten ein Lager bei Schotten an der Nidda bezogen hatten, wurde der Erbprinz zur Einnahme von Fritzlar abgeschickt. Auf dem Marsche nach Assenheim (30. August) erhielt er von Luckner Meldung, daß Friedberg und die Höhen von Nauheim vom Feinde besetzt seien. Nun beschleunigte er seinen Marsch, griff die Franzosen an143-1 und vertrieb sie von den Höhen, mußte aber bald erkennen, daß er es nicht mit einem Detachement, sondern mit Soubises Avantgarde zu tun hatte. Die französische Armee rückte in mehreren Kolonnen vor und griff ihn ihrerseits an. Er verteidigte sich tapfer, wurde aber unglücklicherweise schwer verwundet. Seine Truppen wichen und waren nicht mehr zum Stehen zu bringen.
Dies Unglück zwang Prinz Ferdinand zur Änderung seiner Pläne und seiner Stellung. Er verlegte sein Lager an die Horlof gegenüber von Friedberg, wo er bis zum 7. September stehen blieb. Als er aber erfuhr, daß die Franzosen heimlich nach Butzbach rückten, glaubte er, um seinen Hauptplan, die Wiedereroberung Kassels, ausführen zu können, ein Vordringen der Feinde durch Oberhessen und Waldeck nach Niederhessen um jeden Preis verhindern zu müssen. Zu dem Zweck brach er mit der Armee auf, um die Höhen hinter der Ohm und Lahn vor dem Feinde zu erreichen. Die französischen Generale beunruhigten ihn auf seinem Marsche, um Condé Zeit zum Überschreiten der Lahn bei Marburg und zum Erreichen der Höhen bei Wetter zu verschaffen. Jedoch langte Prinz Ferdinand trotz der Regengüsse und der häufigen<144> Nachhutgefechte zuerst in Wetter an. Als Condé sich überholt sah, vermied er jeden Kampf und ging über die Lahn zurück. Die Alliierten setzten sich dort fest und schoben ihren linken Flügel über Kirchhain nach Homberg an der Ohm vor. Soubise wollte Ziegenhain und Kassel entsetzen und versuchte den Weg nach Ziegenhain zu erzwingen. Zu dem Zweck begann er ein Gefecht an der Brückermühle (21. September). Der Kampf wurde sehr hartnäckig, und Soubise verlor viele Leute, da er mehrmals kräftig zurückgeschlagen wurde.
In dieser Stellung blieben beide Heere für den Rest des Feldzuges untätig stehen. Inzwischen hatte Prinz Friedrich von Braunschweig die Laufgräben vor Kassel eröffnet. Die Belagerung dauerte vom 15. Oktober bis 1. November, wo die Stadt kapitulierte. Mit dieser Ruhmestat endete der Feldzug der Alliierten, in dem Prinz Ferdinand alle seine Talente entwickelt und den Beweis geführt hatte, daß ein guter Feldherr mehr wert ist als ein zahlreiches Heer.
Wir haben uns beeilt, die Operationen der Alliierten kurz darzustellen, zumal der Krieg im Reiche sich diesmal weiter als sonst von der sächsischen und preußischen Grenze abgespielt hatte und daher die Operationen des Prinzen Ferdinand mit denen der Preußen nicht mehr in Zusammenhang standen. Nun wollen wir den Faden des schlesischen Feldzuges wieder aufnehmen. Die Verkettung der Ereignisse wird uns von selbst nach Sachsen führen, und wir werden unsere Darstellung mit den Taten des Prinzen Heinrich beschließen.
Wie man sich wohl erinnert, hatte sich der König nach Kräften bemüht, die kaiserliche Kavallerie einzuschüchtern. Das war ihm auch weidlich gelungen. Diese Einschüchterung war die eine Vorbedingung für den ganzen Feldzug. Die andere, ebenso wichtige, war nicht verabsäumt worden. Denn der Herzog von Bevern war bereits auf Troppau gerückt und hatte von dort Werner bis Grätz vorgeschoben, wo er 150 Gefangene gemacht hatte. Daraufhin mußte Beck über die Mohra gehen und sich auf Freudenthal zurückziehen.
Aber lassen wir diese Diversion und wenden wir uns den Russen zu. Sie waren am 30. Juni über die Oder gegangen und am selben Tage bis Lissa gerückt. Schon im voraus hatte der König Wied mit 24 Bataillonen über das Schweidnitzer Wasser geschickt, angeblich zur Deckung des russischen Anmarsches, in Wahrheit aber zur Mitwirkung an dem Unternehmen, das der König gegen den Feind plante. Das Detachement bezog sehr eng gelegte Kantonnementsquartiere, damit die Kaiserlichen keinen Verdacht schöpften.
Am 1. Juli begann die Armee des Königs ihre Operationen. Das Gros bezog ein Lager bei Sagschütz. Wied blieb ihm bei Nacht zur Seite und bezog selbst eng gelegte Kantonnements jenseits des Striegauer Wassers. Von den Österreichern hatte er nichts zu fürchten, konnte auch von ihnen nicht entdeckt werden, da Reitzenstein mit 4 000 Pferden vor ihm stand und Elrichshausen in seiner Stellung auf<145> dem Pitschenberg einschloß. Wollte Daun sein Lager bei Domanze nun durchaus halten, so konnte Wied ihn umgehen. Er brauchte nur das Striegauer Wasser bei Peterwitz zu überschreiten und am Nonnenbusch entlang nach dem Lager von Kunzendorf zu marschieren. Dann stand er Daun im Rücken und zwang ihn zum Rückzug über Bögendorf in die Berge, sei es nach Hohengiersdorf oder nach Leutmannsdorf. Aber Daun war zu klug, um es aufs Äußerste ankommen zu lassen. Noch in der Nacht verließ er den Zobten und den Pitschenberg und bezog ein Lager auf den Bergen zwischen Bögendorf, Kunzendorf und dem Zeiskenberg. Die Armee des Königs folgte ihm auf dem Fuße und bezog ihr altes Lager bei Bunzelwitz wieder. Die leichten Truppen näherten sich den kaiserlichen Feldwachen bis auf Pistolenschußweite. Reitzenstein besetzte die Striegauer Höhen, und unter seiner Deckung legte Wied seine Truppen in Kantonnementsquartiere nach Striegau und in die nächsten Dörfer.
Dauns Stellung war in der Front unangreifbar, aber rechts oder links zu umfassen. Bei einer Umgehung zwischen Silberberg und Bögendorf hätte man indes dem Zufall zuviel überlassen; denn in Martha stand Hadik, und die Berge sind in dieser Gegend viel schroffer und unwegsamer. Deshalb wollte der König ihm lieber durch Umfassung seiner linken Flanke über Hohenfriedberg, Reichenau und den Engelsberg in den Rücken kommen. Der Plan wurde folgendermaßen ausgeführt. Zieten besetzte das Lager von Bunzelwitz mit dem zweiten Treffen und behielt, um den Feind in Respekt zu halten, alle Kürassiere der Armee bei sich, da sie in den Bergen ja doch zu nichts zu brauchen waren. Mit dem ersten Treffen brach der König am Abend auf und stieß zu Reitzenstein und Wied, die ihm als Avantgarde dienten. Bei Tagesanbruch griff die Vorhut bei Reichenau Brentanos Vorposten an und trieb sie flugs bis an den Fuß des Engelsberges, wo Brentano lagerte. Er hatte seine Infanterie auf drei Felsgipfeln aufgestellt, die durch ein gutes Defilee gedeckt waren. Kampfmutig, aber vielleicht zu hitzig, griff Wied ihn an. Die Felsen erwiesen sich als unersteiglich. Nach vergeblichen Anstrengungen wurden die Preußen zurückgeschlagen und verloren 1 200 Mann an Toten, Gefangenen und Verwundeten145-1. Das Gros der Truppen lagerte bei Reichenau, indes Wied seinen Marsch durch die Landeshuter Pässe fortsetzte. Der Zweck seines Zuges war die Wegnahme des großen österreichischen Magazins in Braunau. Brentano, der sein Vorhaben durchschaute, verließ den Engelsberg und marschierte in Eilmärschen noch in der Nacht nach Friedland.
Nach Abmarsch dieses Detachements, das ihm den Rücken gedeckt hatte, fürchtete Daun, von den Preußen umgangen zu werden. Infolgedessen räumte er seine Stellung bei Kunzendorf und zog sich nach Dittmannsdorf zurück, von wo er seinen linken Flügel bis Bärsdorf ausdehnte. Auch legte er ein Korps nach Tannhausen zur<146> Deckung seiner Flanke und ein anderes auf seinen rechten Flügel nach Burkersdorf, wodurch er seine Verbindung mit der Festung Schweidnitz aufrecht erhielt. Zieten drängte nach und besetzte die Höhen von Kunzendorf und Fürstenstein. Das vom König geführte Korps stieß zu ihm und nahm Stellung von Seitendorf bis Bögendorf in demselben Lager, das Daun 1760 besetzt hatte146-1. Die Pässe von Waldenburg und Gottesberg wurden von Detachements besetzt, und Manteuffel nahm mit 6 000 Mann Stellung auf dem Plateau von Hohengiersdorf. Am Fuß des Plateaus nach dem Schweidnitzer Tal zu wurde Knobloch mit seiner Brigade postiert.
Wied setzte indes seinen Marsch fort, stieß bei Friedland auf Brentano und bewillkommnete ihn mit einer lebhaften Kanonade; dann griff Reitzenstein den Feind an. Hierbei erwarb sich das Dragonerregiment Finckenstein den Ruhm, drei kaiserliche Kürassierregimenter zu schlagen und ihnen 180 Gefangene abzunehmen. Brentano rettete sich nach Böhmen und bezog zwischen Dittersbach und Hauptmannsdorf ein Lager, das schon im voraus zur Sicherung der österreichischen Magazine angelegt und befestigt war.
Tags darauf wurde Wied durch vier Bataillone und drei Kavallerieregimenter verstärkt. Aber wäre auch die ganze Armee auf Braunau marschiert, sie hätte doch nichts ausrichten können; denn die unwegsamen Gebirgsschluchten sind mit einer Handvoll Leute zu verteidigen und nicht zu umgehen. Daun hatte Hadik mit 10 000 Mann Hilfstruppen von Martha dorthin geschickt. Da der Feind in diesen Bergen nicht zu fassen war, richtete Wied seinen Marsch auf Trautenau. Von dort ließ er alle seine Kosaken nebst einigen Dragonern in Böhmen einfallen. Die russischen Barbaren überfluteten das ganze Land und verbreiteten überall Schrecken. Schon am zweiten Tage nach ihrem Einfall erschien eine ihrer Horden vor den Toren von Prag. Das Auftreten der Kosaken flößte solches Entsetzen ein, daß Serbelloni im Begriff war, Sachsen zu verlassen, um den Greueltaten der Kosaken persönlich entgegenzutreten. Sie hausten allerdings entsetzlich, plünderten und brandschatzten alles auf ihrem Wege.
Bei längerer Dauer wäre ihr Einfall nicht ohne Folgen gewesen. Aber diese undisziplinierten Horden dachten nur daran, Beute zu machen und sie in Sicherheit zu bringen. So kam es, daß sie truppweise, ohne Befehl ihres Führers, mit ihrem Raube zurückkehrten, um ihn nach Polen zu verkaufen, sodaß Böhmen binnen acht Tagen ohne Schwertstreich von dieser abscheulichen Brut befreit ward. Man hätte sie zwar zu einem zweiten Einfall verwenden können, aber die Dinge hatten plötzlich eine andere Gestalt angenommen. Wied, der den Rückzug der Kosaken deckte, sicherte auch ihre Verbindung mit der Hauptarmee durch staffelweise in den Bergschluchten aufgestellte Detachements. Hinter ihm deckte Gablentz das Defilee von Schatzlar. Näher der Armee hielt Prinz Franz von Bernburg146-2 das Defilee von Liebau besetzt<147> und blieb in Verbindung mit Salenmon, der in Konradswaldau eine Zwischenstellung behauptete. Alle diese Detachements hatten vom Feinde um so weniger zu besorgen, als seine Aufmerksamkeit durch die Furcht vor dem Verluste des Magazins von Braunau gefesselt war. Ja, er ließ das Magazin sogar zur größeren Sicherheit nach Scharfeneck in die Grafschaft Glatz überführen.
Wie wir sahen, war der Einfall der Kosaken in Böhmen wirkungslos geblieben. Man mußte also weitere Anschläge auf das Magazin in Braunau aufgeben, zumal die Österreicher es fortschafften. Auf der linken Flanke des Feindes blieb somit nichts weiter zu tun. Der Hauptzweck des Feldzuges war nach wie vor die Wiedereinnahme von Schweidnitz. Der König beschloß daher, etwas gegen den rechten Flügel der Österreicher zu unternehmen und ihre Detachements aus Burkersdorf und Leutmannsdorf zu vertreiben, um ihnen jede Verbindung mit Schweidnitz abzuschneiden.
Der Plan hatte alle Wahrscheinlichkeit des Gelingens für sich. Doch am nächsten Tage wurde er unsicher und fast chimärisch durch den Eintritt eines jener plötzlichen und unerwarteten Ereignisse, die alle Maßregeln der Menschen umwerfen. Eine Revolution hatte die Gestalt der Dinge in Rußland völlig verändert. Tschernyschew brachte dem König zuerst die Nachricht. Eines Nachmittags machte er ihm tränenden Auges die Mitteilung, Peter III. sei soeben von seiner kaiserlichen Gemahlin entthront worden147-1. Er, Tschernyschew, habe vom Senat Befehl erhalten, seine Truppen auf die neue Herrscherin zu vereidigen und die preußische Armee sofort zu verlassen, um sich nach Polen zurückzuziehen. Den König traf diese Nachricht in seiner jetzigen Lage, mitten in den Operationen des Feldzuges, wie ein Blitzschlag. Alle seine Unternehmungen waren auf den Beistand der Russen berechnet gewesen. Aber so grausam der Schlag auch war, ein Entschluß mußte gefaßt werden; denn es gab keine Abhilfe. Da die fremden Kräfte versagten, mußte man seine Zuflucht zu den eigenen nehmen.
Jene unglückselige Revolution spielte sich folgendermaßen ab. Schon lange herrschte zwischen dem Zaren und seiner Gemahlin ein gespanntes Verhältnis, das seinen Ursprung in einem Liebesabenteuer der damaligen Großfürstin mit dem Grafen Poniatowski147-2 hatte. Nach der Thronbesteigung Peters III. drohte aus dieser Erkaltung ein offener Bruch zu entstehen. Die Zarin hatte sich verschiedene Vorrechte in der griechischen Kirche angemaßt, die allein der Person des Monarchen zukamen. Der Zar, der eifersüchtig über seine Autorität wachte, erfuhr davon und war wütend. Im ersten Zorn wollte er seine Gemahlin in ein Kloster sperren und eröffnete diesen Plan seinem Großonkel, dem Prinzen von Holstein147-3. In seiner Torheit und Beschränktheit suchte der Prinz dem Zaren jedoch sein Vorhaben auszureden. Er riet ihm, sich auf<148> einen strengen Verweis der Zarin zu beschränken. Peter III. war unklug genug, ihr mit dem Kloster zu drohen. Er hätte sie ohne vorherige Drohung gleich einsperren oder sie mehr schonen müssen. Die Zarin verbarg ihren Zorn und ihr Rachegelüst unter dem Schein der Unterwürfigkeit und unter geheuchelten Tränen, faßte aber von nun an den Plan, den Thron an sich zu reißen und sich ihres Gemahls zu entledigen.
Als ersten Bundesgenossen gewann sie den Gouverneur ihres Sohnes Paul, den Grafen Panin. In seinem grenzenlosen Ehrgeiz wollte Panin die erste Rolle im Staate spielen. Aus Groll, daß der Kaiser ihm keine seinen Verdiensten angemessene Stellung anvertraut hatte, sah er in der Verschwörung gleichsam den Weg zu den höchsten Würden und trat ihr mit Begeisterung bei. Panin entdeckte sich der Fürstin Daschkow, zu der er Beziehungen hatte148-1. Bei ihrem romantischen Charakter ging die Fürstin leicht auf den Plan ein. Außerdem war sie auf den Zaren eifersüchtig, weil er ihre Schwester, die Gräfin Woronzow148-2, ihr selbst vorzog und diese zu seiner Geliebten gemacht hatte. Die eingebildete Beleidigung entflammte sie zu tatsächlicher Rache. Emsig war sie bemüht, die Partei der Verschwörer zu stärken. Bald gewann sie einige untüchtige, vermögenslose Gardeoffiziere, die in den Staatswirren ihren persönlichen Vorteil zu finden hofften. Sie griffen mit Eifer zu und waren zu allem bereit. Auch gelang es ihnen, einige Gardesoldaten durch Bestechung auf ihre Seite zu ziehen.
Noch aber war die Verschwörung nicht zum Ausbruch reif; denn um sicher zu gehen, wollten die Verschwörer ihre Zahl noch vermehren. Ein Zufall beschleunigte die Ausführung. Der Zar war im Begriff abzureisen, um persönlich die Führung im Kriege gegen Dänemark zu übernehmen. Seit einigen Wochen befand er sich auf seinem Schlosse Oranienbaum, wo er dem Adel vor seinem Aufbruch aus Rußland noch einige Feste geben wollte. Er hatte die Kaiserin zu einer Oper mit nachfolgendem Hofball eingeladen, und schon waren die glänzendsten Vorbereitungen dazu getroffen.
Am selben Tage entdeckte ein Gardesoldat, den die Verschworenen ebenfalls zu gewinnen getrachtet hatten, dem General-Polizeimeister von Petersburg, Korff, das ganze Komplott. Sofort sandte dieser das Protokoll an den Zaren, fand aber keine Beachtung. Am Abend kehrte die Kaiserin nach Peterhof zurück. Sie hatte den Kaiser für den folgenden Tag dorthin eingeladen148-3. Bei ihrer Rückkehr fand sie die Fürstin<149> Daschkow vor, die ihr eröffnete, das Geheimnis sei verraten. Sie fügte hinzu: „Majestät, es ist keine Zeit mehr zu verlieren. Entweder müssen Sie den Thron besteigen oder das Schafott.“ Die Wahl war entsetzlich, aber die Zarin zögerte keinen Augenblick. Sogleich fuhr sie inkognito nach Petersburg und begab sich in die Gardekasernen. Alle Mitverschworenen, Offiziere und Soldaten, scharten sich um sie. Sofort wurden die anderen Soldaten zusammengerufen und auf dem Platz bei der Kasankirche versammelt. Dort versicherte ihnen die Zarin unter Tränen, der Zar habe sie und ihren Sohn verstoßen und wolle sie in ein Kloster sperren, um seine ehebrecherische Geliebte zu heiraten. Sie wäre eine Fremde und ohne Rückhalt und flehe um Schutz für eine verzweifelte Mutter und ein verstoßenes Kind, das sich in ihre Arme werfe. Dann fuhr sie folgendermaßen fort: „Soldaten! Meine Sache ist auch die eure. Es handelt sich nicht bloß um meine Einkerkerung, sondern ebensogut um die Auflösung und Zerstreuung all der Braven, die mich umgeben. Fremde sollen ihren Platz einnehmen, Holsteiner, die der Kaiser schon immerfort um sich hat. Die zieht er euch vor, sie genießen sein Vertrauen, ja, was sage ich: sind sie nicht schon seine eigentlichen Garden? Soldaten, nehmt euch in acht, oder ihr verliert eure Rechte, eure Ehren und eure Privilegien, wie sie euch der große Peter bewilligt hat, der Tapferkeit und Verdienst richtig zu würdigen wußte. Aber das ist nicht alles. Schon sehe ich noch viel schlimmere Umwälzungen. Bald werdet ihr gezwungen werden, eure Altäre zu verlassen und eurem Gottesdienst zu entsagen. Man wird euch zur Annahme einer neuen, fremden Religion zwingen. Mit Gewalt wird man euch in die neue Kirche treiben, die der Kaiser zum Heiligtum eines profanen Gottesdienstes und neuer Lehren einweihen läßt. Freunde, hier ist keine Zeit mehr zu verlieren. Schließt euch unverzüglich euren Gefährten an! Rettet eure Kaiserin und des Kaisers Sohn, eure Privilegien und die Religion eurer Väter, auf daß dies blühende Reich euch nicht dereinst vorwerfen könne, ihr hättet es im Stiche gelassen. Niemand soll sagen dürfen, umsonst hätte ich euren Beistand erfleht.“ Diese Ansprache wurde unterstützt durch freigebige, ja verschwenderische Geschenke, besonders aber durch eine überreiche Verteilung von Branntwein an die Truppen. Bei einem so rohen und wilden Volke war das besonders angebracht und half am stärksten zur Überredung. Dennoch begannen die Preobrashenskischen Garden zu murren. Aber schon lärmte die Menge in ihrem Branntweinrausch und riß die anderen mit sich fort. Alle schworen der Kaiserin den Treueid und riefen sie zur Selbstherrscherin aller Reußen aus.
In Oranienbaum wußte man noch nichts von diesen Vorgängen in Petersburg. Ahnungslos begab sich der Kaiser am folgenden Tage zum Feste der Kaiserin nach Peterhof. Aber wie groß war sein Erstaunen, als er weder seine Gemahlin vorfand noch von dem Hofpersonal irgend etwas über das Verbleiben der Monarchin erfahren konnte! Bald verbreitete sich das Gerücht von der Revolution. Aber das Unheil war nicht mehr zu beschwören. Feldmarschall Münnich, der sich in der Begleitung des Kaisers befand, riet ihm zu schnellster Entscheidung. Zu Erwägungen<150> sei jetzt keine Zeit mehr, man müsse rasch und entschlossen handeln. „Nur zwei Wege stehen Ihnen offen“, rief der ehrwürdige Greis. „Setzen Sie sich an die Spitze Ihrer russischen und holsteinischen Leibwache! Marschieren Sie mit ihr stracks auf Petersburg! Das bißchen Blut, das mir noch geblieben ist, will ich gern opfern, um Sie wieder auf den Thron zu setzen. Glauben Sie denn, die Rebellen werden ihrem rechtmäßigen Herrscher widerstehen, wenn er auf sie losgeht? Verbrecher sind furchtsam. Mühelos werden wir sie vertreiben, und Sie werden über die Thronräuber siegen. Dünkt Ihnen dieser Entschluß jedoch zu kühn, so gehen Sie unverzüglich nach Kronstadt. Schiffen Sie sich von da nach Preußen ein, sammeln Sie dort die Armee und kehren Sie an ihrer Spitze zurück, um die Rebellen und Verschwörer aufs strengste zu strafen.“
So weise Münnichs Ratschläge waren, sie wurden doch nicht befolgt. Der Kaiser hatte nie zu kühnen Entschlüssen Gelegenheit gehabt. Er war überrascht und bestürzt ob der ihn bedrohenden Revolution. Immerfort wechselte er seine Pläne und konnte doch zu keinem Entschluß kommen. Er hätte fliehen oder kämpfen müssen, war aber so schwach, sich auf Verhandlungen einzulassen. So verlor er Zeit und damit alle Hoffnung. Am nächsten Tage150-1 befolgte er, freilich zu spät, den einen Ratschlag des Marschalls Münnich und schiffte sich mit seinem Hofstaat nach Kronstadt ein. Aber der Kommandant150-2, den die Verschworenen inzwischen gewonnen hatten, drohte auf die kaiserliche Barke zu schießen, falls sie sich zu nähern wagte. Der unglückliche Monarch sah sich also zur Rückkehr nach Peterhof gezwungen. Damit war sein Schicksal besiegelt. Die Kaiserin kam, um ihn zu belagern. Sie ritt an der Spitze der Garden, von zahlreicher Artillerie gefolgt. Sie schickte ihrem unglücklichen Gatten eine Abdankungsurkunde, die er unterzeichnen mußte. Angeblich soll eine Zusammenkunft zwischen Zar und Zarin stattgefunden haben, deren nähere Umstände aber kein Mensch kennt. Fest steht, daß der Kaiser nach einem Landgute des Grafen Rasumowsky gebracht wurde, wo einer der Verschworenen, Orlow, ihm Gift beibrachte. Als der Barbar merkte, daß der Kaiser sich zu erbrechen versuchte, erstickte er ihn zwischen zwei Matratzen150-3. So tragisch endete dieser Fürst, der wohl Bürgertugenden besaß, aber nicht alle Eigenschaften eines Monarchen.
Peters III. Sturz war für den König ein schwerer und schmerzlicher Schlag. Er schätzte seinen bewundernswerten Charakter und hing an ihm mit dankbarer Liebe. Sein Untergang ging ihm um so näher, als er jedermann Gutes getan und ein so jämmerliches Schicksal nicht verdient hatte. Außerdem durfte er bei der Kaiserin nicht auf so günstige Gesinnung rechnen wie bei ihrem Gatten. Im Gegenteil! Alle Nach<151>richten aus Preußen oder Pommern besagten, daß die russischen Truppen sich zur Wiedereröffnung der Feindseligkeiten anschickten. In einem Ukas wurde der König als unversöhnlicher Erbfeind Rußlands erklärt151-1. Schon bemächtigten sich die russischen Kommissare wiederum der Einkünfte der Provinz Preußen. Kurz, allem Anschein nach stand man am Vorabend eines neuen Bruches. Aber wie so oft, trog der Schein auch hier. Die Maßregeln der Kaiserin beruhten auf falschen Voraussetzungen. Sie fürchtete, der König möchte auf die Nachricht von Peters III. Gefangensetzung das Tschernyschewsche Korps zwingen, sich für den Zaren zu erklären oder, falls es sich weigerte, es entwaffnen. Um für alle Fälle gesichert zu sein und ein Pfand für das Benehmen des Königs in der Hand zu haben, bemächtigte sie sich Ostpreußens und gab den Heerführern Befehl, sich zur Eröffnung der Feindseligkeiten bereit zu halten, sobald sie es für gut hielte. Aber ihre Voraussetzungen waren aus folgendem Grunde falsch. Hätte der König die Partei des Zaren ergriffen, während seine grausamste Feindin ihn gefangen hielt, so beschleunigte er nur dessen Tod. Aber noch schwerer fiel der Umstand ins Gewicht, daß das Verbrechen bereits geschehen, der Zar schon tot war. Ihm konnte daher nicht mehr geholfen werden. Der König widersetzte sich dem Abmarsch Tschernyschews also nicht und bat ihn nur um die Gefälligkeit, ihn um drei Tage zu verschieben. Darauf ging der russische General gern ein.
Die drei Tage waren kostbar. Sie mußten zu einem entscheidenden Schlage benutzt werden. Die Anwesenheit der Russen machte den Österreichern Eindruck, und von dem Staatsstreich hatten sie noch keine Nachricht. Entweder mußte man Schweidnitz zurückerobern oder sich damit begnügen, die Winterquartiere wie im letzten Jahre längs der Oder zu beziehen. Verlief der Feldzug erfolglos, so waren die Anstrengungen zur Wiedereroberung von halb Schlesien vergebens gewesen und die Friedensaussichten zerrannen vollkommen. Diese Gründe bestimmten den König zu einem Wagnis. Er wollte kühner und verwegener handeln, als er es unter günstigeren Umständen getan hätte.
Alles, was die Preußen unternehmen konnten, beschränkte sich auf den Angriff der beiden furchtgebietenden und schwer zu erobernden Stellungen von Burkersdorf und Leutmannsdorf. Die erstere deckte einen Gebirgspaß, der von Königsberg kommt und nach Ohmsdorf in die Ebene führt. Zu beiden Seiten des Defilees ragen steile und schroffe Felsen, die durch Schanzen mit eingebauten Kasematten und einem Kranz von Palisaden und Verhauen befestigt waren. Die drei nächsten bei Hohengiersdorf waren durch Befestigungslinien verbunden. Dort begann eine andere Verschanzung, die den Paß in der Tiefe abschloß und sich weiter bis auf einen Berg<152>gipfel bei Leutmannsdorf zog. Diese Stellung verteidigte O'Kelly mit 4 000 Mann. Die zweite, bei Leutmannsdorf, war weniger kunstvoll befestigt, aber in der Front schwer zugänglich, von lauter Schluchten und Hohlwegen durchschnitten und mit allen Hindernissen versehen, durch die ein Gelände von Natur aus verteidigungsfähig ist. Auch sie wurde von 4 000 Österreichern verteidigt.
Damit die Preußen diese Stellung angreifen konnten, bedurfte es zuvor großer Truppenverschiebungen. Gablentz bezog ein Lager bei Trautliebersdorf, um Wieds Rückmarsch aus Böhmen zu verschleiern. Möllendorff152-1 räumte das Lager von Seitendorf und marschierte hinter Wied her. Beide stiegen aus den Bergen herab in die Ebene von Freiburg und umgingen Schweidnitz, das von der preußischen Kavallerie blockiert wurde. Nachts rückte Wied nach Faulbrück, wo er Kantonnementsquartiere bezog. Ihn deckte Roëll152-2, den der König während des ganzen Feldzuges mit 1 000 Pferden zur Beobachtung des Feindes in dieser Gegend aufgestellt hatte. Die Österreicher konnten den Anmarsch der Preußen also in keiner Weise gewahr werden. Möllendorff rückte in der Nacht durch Bunzelwitz und Kreisau und am nächsten Morgen früh bis links von Polnisch-Weistritz, indes Knobloch mit seiner Brigade und 10 Schwadronen den Fuß der Berge von Hohengiersdorf verließ und sich rechts von Polnisch-Weistritz aufstellte. Durch die Vereinigung der beiden Generale schnitt der König den Österreichern in Burkersdorf und folglich ihrer ganzen Armee die Verbindung mit Schweidnitz ab. Wied sollte Leutmannsdorf angreifen, während Knobloch und Möllendorff zum Angriff auf Burkersdorf bestimmt waren.
Um keine der zu dieser Unternehmung getroffenen Maßregeln unerwähnt zu lassen, sei noch bemerkt, daß Manteuffel im voraus Stellung auf dem Plateau von Hohengiersdorf genommen hatte, und daß die dort errichteten Batterien die nächsten Verschanzungen der Stellung O'Kellys im Rücken faßten. Zur größeren Sicherheit war außerdem der Prinz von Württemberg mit 20 Schwadronen abgeschickt worden, um während der Schlacht die österreichischen Stellungen in Silberberg und Martha zu beobachten und zu verhindern, daß Wied bei seinem Sturm auf die Stellung von Leutmannsdorf im Rücken angegriffen wurde. Auch Feldmarschall Daun verdiente Aufmerksamkeit. Er mußte während des Angriffs in Schach gehalten werden, damit er den angegriffenen Stellungen keine Hilfe schicken konnte. Zu dem Zweck sollte Gablentz einige Demonstrationen auf Braunau machen, um die Aufmerksamkeit des Feindes abzulenken, und Ramin sollte mit den Kaiserlichen in den Stellungen bei Tannhausen herumplänkeln. Die Hauptarmee sollte ihre Zelte abbrechen und sich in Schlachtordnung aufstellen, während Manteuffel Befehl erhielt, die Panduren zwischen seinem Lager und dem rechten österreichischen Flügel zu beunruhigen. Diese verschiedenen Aufmerksamkeiten, die man Daun erwies, verhüllten ihm das Vorhaben der Preußen und erleichterten ihnen die Ausführung.<153> Was die Angriffe selbst betraf, so mußte Wied den seinen eher beginnen als Möllendorff, weil dieser beim Umgehen der Stellung von Burkersdorf den Österreichern in Leutmannsdorf seine Flanke Notwendig darbieten mußte und sich völliger Vernichtung ausgesetzt hätte, wenn Wied das Unglück hatte, zurückgeschlagen zu werden.
In der Nacht vom 20. zum 21. Juli bemächtigte sich Möllendorff des Schlosses von Ohmsdorf, wo er 50 Feinde gefangen nahm. Der Besitz des Schlosses war nötig, um dem Fuß der Berge näher zu sein. Noch am selben Abend wurden dort die Laufgräben eröffnet und Batterien für 40 Haubitzen und 12 Zwölfpfünder errichtet. Mit den Haubitzen sollten die Schanzen beschossen werden, während die Kanonen zur Bestreichung der Bergschlucht bestimmt waren, durch die O'Kelly Verstärkungen von der österreichischen Hauptarmee erhalten konnte. O'Kelly hielt sich in seiner Stellung für unangreifbar und fühlte sich völlig sicher. In den Bewegungen der Preußen sah er nur Vorbereitungen zur Belagerung von Schweidnitz und betrachtete alle ihre Operationen aus diesem Gesichtspunkt.
Am 21. bei Tagesanbruch nahm Wied Stellung auf einem Hügel dicht gegenüber von Leutmannsdorf und errichtete dort eine Batterie von 30 schweren Geschützen, die von einem Treffen von 14 Bataillonen gedeckt wurde. Im Schutze dieses Feuers zog sich Lottum153-1 mit seiner Brigade unvermerkt nach rechts durch einen Hohlweg, der in den Rücken des Feindes führte. Sein Vorgehen wurde durch eine entsprechende Bewegung vom linken Flügel unterstützt: durch Schluchten und Gesträuch gedeckt, ging der Prinz von Bernburg153-2 gegen die rechte Flanke der Kaiserlichen vor. Derart im Rücken und in der Flanke umfaßt, leistete der Feind nur schwachen Widerstand. Zugleich drang Wied gegen seine Front vor, und die Verschanzung wurde beim ersten Anlauf genommen. Dann drängten die Preußen die besiegten Feinde bis nach Heinrichau, Heidelberg und Hausdorf zurück. Allerdings hatte Daun, trotz aller Ablenkungsversuche, Brentano nach der angegriffenen Stellung zu Hilfe geschickt, aber der kam zu spät und wurde von den bei Leutmannsdorf geschlagenen Truppen mit in die Flucht fortgerissen.
Sobald Wied im Besitz der Höhen war, eröffneten die preußischen Batterien bei Ohmsdorf ihr Feuer auf den Feind. O'Kelly hatte 1 500 Pferde vor seine Infanterie in einen Talgrund gestellt. Sie waren auf keinen Angriff gefaßt und daher abgesessen. Nun wurden sie überraschend von Batterien, die sie garnicht sehen konnten, mit Feuer überschüttet, warfen sich Hals über Kopf auf ihre eigene Infanterie, brachten sie in Verwirrung und rissen sie in wildem Getümmel mit sich fort bis zur Daunschen Armee. Infolge ihrer Flucht blieb in den dortigen Verschanzungen nur eine schwache Besatzung zurück. Sofort warf Möllendorff sich linkerhand in den Wald, der mit dem Walde bei Leutmannsdorf in Verbindung steht, umging O'Kelly in den Bergen und vertrieb den Feind nach mäßigem Widerstand. Die preußische Infanterie legte Feuer<154> an die Palisaden einer Schanze, in der die Österreicher sich noch behaupteten, und zwang sie so endlich zum Rückzug. Ungeachtet dieser Angriffe hielt sich O'Kelly noch auf der Hochfläche rechts von der Straße von Polnisch-Weistritz nach Königsberg. Um ihn zum völligen Verlassen seiner Stellung zu zwingen, errichtete Möllendorff auf dem von ihm eroberten Berg eine Batterie und rückte die 40 Haubitzen an den Fuß des Berges, auf dem der Feind sich noch behauptete. Zugleich beschoß Manteuffel die seiner Stellung bei Hohengiersdorf zunächst liegenden Verschanzungen im Rücken. So waren die Österreicher dem feindlichen Feuer in der Front, in der Flanke und im Rücken ausgesetzt und mußten sich schließlich zurückziehen. All diese Angriffe brachten den Preußen 2 000 Gefangene ein. Zwar machte die Besatzung von Schweidnitz einen Ausfall, aber die ihr entgegengestellte Kavallerie und einige Kanonenschüsse trieben sie ziemlich rasch in die Festung zurück.
Durch Wieds Vorstoß bis Heidelberg war die kaiserliche Armee von der Grafschaft Glatz so gut wie abgeschnitten. Feldmarschall Daun sah die Notwendigkeit ein, seine<155> Stellung zu ändern, und brach noch am selben Abend auf. Er lehnte seinen rechten Flügel an die Hohe Eule, den höchsten Berg in der Gegend, von wo seine Front sich über Wüstewaltersdorf und Tannhausen bis Jauernick ausdehnte. Die Reserve unter Laudon deckte die linke Flanke der Armee in einer Stellung zwischen Wüstegiersdorf und Braunau.
Wied lagerte sich gegenüber dem rechten Flügel der Österreicher und besetzte die Bergkette von Taschendorf bis Heidelberg. Manteuffel wurde mit seinem Korps bis Bärsdorf vorgeschoben, sodaß er links an Wied und rechts an Ramin stieß. Der letztere blieb mit seiner Brigade noch immer auf dem Berge bei Seitendorf stehen. Außer diesen verschiedenen Lagern behielt die Armee Stellungen bei Gottesberg und Waldenburg, und Salenmon deckte mit einer vorgeschobenen Abteilung die Landeshuter Pässe und beobachtete von dort die etwaigen Bewegungen des Feindes in jener Gegend. Obwohl alle diese Abteilungen auf steilen Höhen lagerten, erhielten sie Befehl, sich zu verschanzen. Feldwerke wurden angelegt und mit Palisaden umgeben. An geeigneten Stellen wurden Verhaue errichtet; kurz, alle befestigten sich so stark, daß keine einen feindlichen Angriff oder Überfall zu befürchten hatte. Solche Vorsichtsmaßregeln wären unter anderen Umständen überflüssig gewesen. Jetzt aber waren sie nötig, da der König sich um 24 Bataillone schwächen mußte, um Schweidnitz belagern zu können, und außerdem die Absendung zahlreicher Detachements notwendig werden konnte. Das aber wäre mit Gefahr für die Armee verknüpft gewesen, hätte man ihre Stellung nicht unangreifbar gemacht.
Bemerkenswert ist bei all diesen Ereignissen, daß die Russen am selben Tage aufbrachen und nach Polen marschierten, wo Feldmarschall Daun sein Lager bei Dittmannsdorf räumte und zwischen der Hohen Eule und Wüstewaltersdorf Stellung nahm (22. Juli). Auf diese Weise erfuhren die Österreicher nicht das geringste vom Aufbruch der Russen.
Inzwischen versammelten sich die zur Belagerung von Schweidnitz bestimmten 24 Bataillone und 30 Schwadronen am Fuße der Kunzendorfer Höhen. Der größte Teil der Kavallerie, die man in den Bergen und bei der Belagerung doch nicht verwenden konnte, wurde zum Prinzen von Württemberg geschickt, der noch auf dem Kleutschberg stand. Dann traf man ernstliche Vorbereitungen zur Belagerung der Festung, die von 11 000 Mann und einem der ersten Ingenieure Europas155-1 verteidigt wurde.
Auf die Diversion der Tartaren war nun nicht mehr zu hoffen. Allerdings streifte der Khan der Krim mit 5 000 bis 6 000 Mann an der polnischen Grenze; allein die plötzlichen Umwälzungen in Rußland hatten die Tartaren und Türken derart außer Fassung gebracht, daß sie nicht wußten, wozu sie sich entschließen sollten. Diese Gründe bewogen den König vollends zur Rückberufung des Herzogs von Bevern aus Mähren.<156> Um bei der Eroberung von Schweidnitz einigermaßen sicher zu gehen, mußten alle Anstrengungen sich darauf konzentrieren. Der König hatte für dies Unternehmen nicht einen Mann zuviel. Sobald aber Schweidnitz erobert war, konnte er seine Truppen nach Gutdünken anderweitig verwenden. Um sich von der Notwendigkeit einer Zusammenziehung der Armee zu überzeugen, braucht man nur die Zahl der verschiedenen feindlichen Korps zu berechnen, gegen die die Preußen zu kämpfen hatten. Da findet man die Armee des Feldmarschalls Daun, die Korps von Laudon, Hadik, Brentano, Beck und Elrichshausen, außerdem die Detachements in Silberberg und Martha, insgesamt 70 000 Mann. Die Armee des Königs war zwar ebenso stark, man mußte aber die Belagerungstruppen von Schweidnitz abrechnen und vor allem die bedeutend größere Ausdehnung des von den Preußen besetzten Geländes bedenken. Außerdem mußte der König sich auf Entsatzversuche von Schweidnitz durch die Kaiserlichen gefaßt machen und imstande sein, sie rasch abzuweisen. Infolgedessen mußte Werner trotz seiner zahlreichen Erfolge über Beck aus Mähren abrücken. Er traf am 1. August im Lager von Peterswaldau beim Prinzen von Württemberg ein. Gleichzeitig kam der Herzog von Bevern, der ihm folgte, in Neiße an und deckte von dort aus den Munitionstransport, der zur Belagerung von Schweidnitz abging.
Auch Tauentzien, dem die Leitung der Belagerung übertragen wurde, rückte mit einem Munitionstransport von Breslau in die Gegend von Schweidnitz. Er schloß die Festung am 4. August ein und eröffnete die Laufgräben am 7. Sie begannen an der Ziegelei und zogen sich gegen Würben, um das Fort Jauernick, auf das er seinen Angriff richtete, einzuschließen. Am selben Tage machte der Kommandant156-1 einen Ausfall, der aber seinen Erwartungen nicht entsprach. Reitzenstein attackierte die feindliche Infanterie mit seinen Dragonern und trieb sie bis an die Wälle von Schweidnitz zurück. Der König glaubte nun, wenn Feldmarschall Daun der Festung zu Hilfe kommen wollte, so werde er bestimmt über Silberberg, Martha und Langenbielau vordringen. Das war die bequemste Straße. Der Marsch über Landeshut wäre mit allerlei Schwierigkeiten verbunden gewesen. Da das Magazin aus Braunau fortgeschafft war, wäre der Transport der Lebensmittel auf dieser Seite schwierig gewesen. Außerdem war die Landeshuter Straße der größte Umweg, sodaß der König dem Gegner leicht zuvorkommen konnte. Rückte aber Daun über Silberberg, so deckte er zugleich Glatz, konnte die an den Pässen stehenden Detachements benutzen und war stets seines Rückzuges gewiß, da er zwei wohlbefestigte Stellungen im Rücken hatte. Diese Schlußfolgerung schien dem König so einleuchtend, daß er sein Hauptquartier nach Peterswaldau verlegte, wo Möllendorff mit seiner Brigade zu ihm stieß.
Das Lager, das der König bezog (12. August), stieß sozusagen an Wieds linken Flügel. Die Brigade Nymschöfsky wurde auf einem Berge bei den Schluchten von Steinseifersdorf aufgestellt und deckte von dort die Brigade Knobloch, die am<157> äußersten Ende des Lagers von Taschendorf stand. Die Infanterie des Königs dehnte sich hinter der Schlucht von Peterswaldau aus, und die Kavallerie besetzte das Gelände von Peiskersdorf bis nach Faulbrück. Am folgenden Tage traf der Herzog von Bevern in Eilmärschen von Neiße her ein. Sein Lager wurde ihm jenseits von Reichenbach auf den Höhen von Mittel-Peilau unweit Gnadenfrei angewiesen.
Die Stellung dieser kleinen Armee bildete einen Winkel, dessen einer Schenkel von Steinseifersdorf in der Richtung auf Reichenbach verlief. Dort begann der andere Schenkel, der sich über die Hügel von Peilau bis zu einer ziemlich steilen Höhe erstreckte. Reichenbach selbst lag zwischen beiden Lagern und bildete genau die Spitze des Winkels. Die Stellung bot alle wünschenswerten Vorteile. Durch das Lager von Peterswaldau deckte sie Wied, den der Feind sonst hätte umgehen können, und das Korps des Herzogs von Bevern verlegte den Österreichern, wenn sie aus den Bergen hervortraten, den Weg nach dem Zobten. Denn von diesem Berg aus hätten sie Schweidnitz unterstützen und die Aufhebung der Belagerung erzwingen können. Nun aber mußte der Feind auf dieser Seite entweder einen Umweg über Nimptsch machen, was den Preußen Zeit gab, ihm bei Költschen zuvorzukommen, oder er mußte die gute Stellung bei Peilau angreifen, wo der Herzog von Bevern sich mit Ehren behaupten konnte. Außerdem konnten die Österreicher, wenn sie der Festung wirklich auf dem Wege über Landeshut zu Hilfe kommen wollten, erst nach zwei starken Tagesmärschen in die Ebene gelangen, während die Preußen in sechs Stunden von Peterswaldau nach Freiburg zu marschieren vermochten, wo man ein Lager angelegt hatte, um die Belagerung von Schweidnitz im Notfall auch von dieser Seite zu decken. Den Hutberg und Kleutschberg besetzte der König nicht, weil diese beiden Punkte nicht seiner doppelten Absicht entsprachen, Wieds Flanke und die Belagerung zu decken. Der Hutberg und Kleutschberg liegen vor der Bielauer Schlucht, wo der Feind eine befestigte Stellung hatte, die bis zur Hohen Ecke reichte. Von dort aus hätte er leicht mit der ganzen Armee hinter den beiden Bergen hervortreten können, und das hätte, wenn sie von den Preußen besetzt waren, die schlimmsten Folgen haben können. Außerdem lagen die Berge von der Stellung der Preußen zu weit entfernt, um ihnen schaden zu können, und so gewannen die Österreicher bei ihrer Besetzung nichts.
Kaum war der Herzog von Bevern zum König gestoßen, so besetzte Beck, der ihm zur Beobachtung nachzog, den Kleutschberg, fand aber ein längeres Verweilen dort nicht ratsam und zog sich auf Silberberg zurück. Die Möhring-Husaren griffen seine Nachhut an und nahmen ihm einen Oberstleutnant, einige Leute und Gepäck ab. Wie schon gesagt, hatten die Österreicher eine befestigte Stellung in der Bergschlucht, die sich nach Langenbielau öffnet. Das Dorf war zu zwei Dritteln im Besitz der Preußen und von dem Freiregiment Hordt besetzt. Es diente als Beobachtungsposten. Von dort aus waren noch Husarenabteilungen auf den Hutberg und Spitzberg vorgeschoben. Indes war vorauszusehen, daß der Feind beim Hervortreten aus<158> den Bergen dort sein Lager aufschlagen würde. Da man ihm jedoch das Gelände überlassen wollte, so hatte man nur leichte Detachements dort hingestellt, die bereit waren, sich beim ersten Zeichen zurückzuziehen.
Diesmal traf alles ein, wie man es vorausgesehen hatte. Am 16. August trat Feldmarschall Daun in verschiedenen Kolonnen in die Ebene heraus. Seine Avantgarde plänkelte mit dem Detachement bei Langenbielau, das sich in guter Ordnung auf die Hauptarmee zurückzog. Daun bezog mit 40 Bataillonen und 40 Schwadronen ein Lager vom Hutberg bis nach Heidersdorf. Zugleich besetzte Beck den Kleutschberg mit 12 Bataillonen und 20 Schwadronen. Um diese Armee zusammenzubringen, hatten die Kaiserlichen ihre Stellungen in den Bergen sehr schwächen müssen. Die Preußen liefen also keine Gefahr, wenn sie es ebenso machten. Infolgedessen zog der König die Brigaden Ramin und Saldern an sich, sodaß seine Armee einschließlich des Herzogs von Bevern 28 Bataillone und 80 Schwadronen betrug. Doch erfordert die Wahrheit, hinzuzufügen, daß die beiden Brigaden erst am Abend nach Beendigung des Treffens anlangten.
Der König hatte seine Dispositionen zur gegenseitigen Verteidigung der beiden Lager im voraus getroffen und mit dem Herzog von Bevern verabredet, einander zu unterstützen. Die Wege waren verbreitert, andere angelegt worden. Dem Plane zufolge sollte sich das zuerst angegriffene Korps auf Verteidigung seines Lagers beschränken, während das andere ihm zu Hilfe eilen und offensiv vorgehen sollte. Dazu war das Gelände wie geschaffen. Denn wurde das Korps in Peterswaldau angegriffen, so fiel natürlich der Herzog von Bevern dem Feind in die rechte Flanke und in den Rücken. Erfolgte aber der Angriff auf Peilau, so konnte der König den linken Flügel der Österreicher umfassen. Gegen Mittag wurde es klar, daß Daun den Herzog von Bevern angreifen wollte. Alle seine Kräfte rückten nach rechts gegenüber dem Lager von Peilau, wogegen er bei einem Angriff auf die Stellung bei Peterswaldau seinen linken Flügel hätte verstärken und sich nach den Gebirgspässen ausdehnen müssen. Aber dort stand gar keine Infanterie. Am rechten Flügel der Preußen zeigten sich nur einige Husarenschwadronen, die keinerlei Beachtung verdienten.
Der König war sicher, daß es noch am selben Tage oder in der folgenden Nacht zum Gefecht kommen würde. Die Infanterie blieb unter Gewehr, die Kavalleriepferde gezäumt und gesattelt und die leichte Artillerie neben der Reiterei. Er selbst ritt zur Rekognoszierung nach den Vorposten. Kaum war er da, so sah er beim Herzog von Bevern die Zelte abbrechen und hörte Kanonendonner. Der König schickte Oberstleutnant Owstien158-1, der mit 500 Husaren gerade bei der Hand war, sofort zum Korps bei Peilau, und der Prinz von Württemberg setzte sich an die Spitze von 5 Kavallerieregimentern mit der leichten Artilleriebrigade. Möllendorff erhielt<159> Befehl, mit seiner Brigade aufs Schlachtfeld zu rücken. Der König selbst nahm das Regiment Werner mit, um schneller dorthin zu gelangen. Inzwischen übernahm Zieten den Befehl über das Korps bei Peterswaldau, damit auf dieser Seite kein Unglück geschähe.
Als der König durch Reichenbach gekommen war, übersah er die ganze Anlage des feindlichen Angriffs auf den Herzog von Bevern159-1. Lacy war mit 6 Bataillonen an Peilau vorbeigerückt und hielt sie hinter einem Hügel gedeckt, auf dem er eine Batterie von 20 Geschützen errichtet hatte. 10 andere Bataillone zeigten sich bei Gnadenfrei; auch sie hatten eine große Batterie vor sich errichtet. Sie sollten die Aufmerksamkeit des Herzogs von Bevern von Becks Vorgehen ablenken, der sich durch den Wald zog, um ihm in den Rücken zu fallen. Gleichzeitig war O'Donell mit 46 Schwadronen aus Peilau hervorgetreten, um Lacys linke Flanke zu decken. Dort hatte die Lentulussche Kavallerie, die zum Korps des Herzogs von Bevern gehörte, im Verein mit den Owstienschen Husaren schon dreimal die österreichischen Kürassiere zurückgeworfen. Inzwischen kam der Prinz von Württemberg an und formierte sich sofort gegen die feindliche Flanke. O'Donell konnte keine günstige Stellung finden. Machte er gegen den Herzog von Bevern Front, so bot er seine Flanke dem Prinzen von Württemberg dar. Trat er aber diesem entgegen, so setzte er seine rechte Flanke dem Angriff von Lentulus aus und hatte noch dazu das Feuer der Bevernschen Geschütze im Rücken. In dieser Verlegenheit, die O'Donell ergriff und die seine Kürassiere mitempfanden, bekam er eine Ladung von 15 Sechspfündern der leichten Artillerie, die in aller Eile aufgefahren waren. Dadurch wurde die Verwirrung allgemein. Zugleich attackierte das Regiment Werner, von den Czettritz-Dragonern unterstützt, die österreichische Kavallerie und warf sie nach kräftigem Anlauf über Peilau hinaus. Durch ihre Flucht wurde Lacys Flanke entblößt. Er fürchtete für seine Infanterie und zog sich schleunig zurück. Auch Beck, der schon mit dem Herzog von Bevern ins Gefecht geraten war, ließ ab. Nun traf die Brigade Möllendorff ein, aber zu spät; denn der Feind war schon überall im Rückmarsch.
Das Treffen kostete den Österreichern 1 500 Reiter. Die Preußen verloren nur 400 Mann vom Regiment Markgraf Heinrich, das sich im Kampfe besonders auszeichnete, da es allein dem ganzen Beckschen Korps die Spitze bot. Über den mißlungenen Anschlag verdrossen, hielt Daun ein längeres Verweilen auf dem Hutberg nicht für zweckmäßig, vielleicht weil er um seine entblößten Gebirgsstellungen besorgt war. Er zog sich am nächsten Abend (17. August) über Martha und Glatz nach Scharfeneck zurück, wo er bis zum Schluß des Feldzuges verblieb, ohne ein weiteres Lebenszeichen von sich zu geben.
Der König zog den Österreichern nach. Da sich aber das Bergland mit seinen Schluchten und Bachläufen zur Verfolgung nicht eignet, so tat man dem Feinde bei<160> seinem Rückzug keinen Abbruch. Nur Werner wurde bis Habendorf vorgeschoben, um die Stellungen von Silberberg und Martha zu beobachten. All diese Truppenbewegungen hatten der Belagerung von Schweidnitz geschadet. Sie war nicht in erwünschtem Maße vorgeschritten. Indes begann der Kommandant Guasco seit der Niederlage des Feldmarschalls Daun sich von seiner Verteidigung nichts Gutes zu versprechen. Er machte also den Versuch, eine vorteilhafte Kapitulation mit freiem Abzug der Besatzung zu erlangen. Während der Unterhandlungen spielte Laudon geschickt Boten mit Briefen an den Kommandanten in die Hände der Preußen. In allen diesen Briefen war von großen Plänen der Österreicher zum Entsatz der Festung die Rede. Dem König lag zwar viel an der baldigen Eroberung von Schweidnitz, er konnte aber aus zwei Gründen die von Guasco angebotene Kapitulation nicht annehmen. Der erste bezog sich auf Laudons letztjährige Korrespondenz mit Markgraf Karl über die Ausführung des Kartells. Damals hatte Laudon ausdrücklich geschrieben, der Wiener Hof glaube sich nicht verpflichtet, dem König von Preußen gegenüber sein Wort zu halten, sei es in betreff der Auswechslung der Gefangenen oder in anderer Hinsicht160-1. Diese Antwort machte man gegen Guasco geltend und erklärte sein Versprechen, er und seine Besatzung werde ein Jahr lang nicht gegen Preußen fechten, nach der formellen Erklärung des Wiener Hofes für unannehmbar. Der wahre Grund, den man nicht aussprach, war der, daß es ein großer Fehler gewesen wäre, 10 000 Mann aus einer Festung abziehen zu lassen, die sich mit einiger Geduld wohl erobern ließ. Kehrte diese Besatzung zu den Österreichern zurück, so wurde ihre Armee um 10 000 Mann verstärkt, die Preußen aber um mindestens 4 000 Mann geschwächt, die man als Besatzung nach Schweidnitz hätte legen müssen. Auf diese Weise wäre die preußische Armee um 14 000 Mann schwächer geworden als die feindliche. Die Unterhandlung wurde also abgebrochen und die Belagerung fortgesetzt.
Der König begab sich am 20. September persönlich nach Schweidnitz, um den Belagerungsarbeiten mehr Nachdruck zu geben. Sie wurden auf preußischer Seite von Lefebvre160-2 geleitet. Ihm stand einer der ersten Ingenieure der Zeit, Gribeauval, als Verteidiger gegenüber. Lefebvre wollte die Minen der Belagerten mit Hilfe der neuerfundenen Druckkugeln sprengen, aber Gribeauval blies ihm zwei Minen aus. Darüber verlor er den Kopf. Der König mußte sich persönlich mit den Einzelheiten der Belagerung befassen und die Arbeiten selbst leiten. Sofort wurde die dritte Parallele verlängert, eine Breschbatterie eingebaut und Rikoschettbatterien an der Ziegelei errichtet. Auch auf dem Kuhberg wurde eine Batterie angelegt, die die angegriffenen Werke von hinten beschoß. Einige Minenäste der Belagerten wurden gesprengt. Die Besatzung machte zwei Ausfälle und vertrieb die Preußen von einem befestigten Minentrichter, aus dem sie mit neuen Minen vordringen wollten. Diese Verdrießlichkeiten zogen<161> die Belagerung in die Länge, da man einen unterirdischen Krieg führen mußte. Doch waren die meisten Geschütze der Verteidiger ausgeschossen oder zum Schweigen gebracht. Auch die Lebensmittel gingen auf die Neige, und der Feind hätte sich schon aus Erschöpfung ergeben, hätte nicht noch eine Bombe, die vor dem Pulvermagazin des Forts Jauernick einschlug, als die Tür zufällig aufstand, das Pulver entzündet, einen Teil des Forts zerstört und 300 österreichische Grenadiere getötet. Dieser Unfall öffnete die Festung, und der Kommandant mußte Schamade schlagen. Schweidnitz kapitulierte am 9. Oktober. Guasco ergab sich mit seiner Besatzung von 9 000 Mann kriegsgefangen. Sie wurde nach Preußen abgeführt. Knobloch wurde zum Kommandanten der Festung eingesetzt, und Wied rückte mit einem großen Detachement zur Verstärkung des Prinzen Heinrich nach Sachsen.
So endigte der schlesische Feldzug minder gut, als man anfangs erwartet hatte, aber noch besser, als man nach der letzten Umwälzung in Rußland hoffen durfte. Der König übergab dem Herzog von Bevern den Oberbefehl über die schlesischen Truppen und schickte Ramin, Möllendorff und Lentulus mit ihren Brigaden nach der Lausitz, um die Umgegend von Görlitz zu besetzen, die Österreicher um Zittau und Böhmen besorgt zu machen und die Operationen des Prinzen Heinrich zu erleichtern. Die schlesische Armee bezog Kantonnementsquartiere bei dem verschanzten Lager, das sie während des ganzen Feldzuges innegehabt hatte und das nun im Winter von Detachements mit achttägiger Ablösung bewacht wurde. Dann ging der König selbst nach Sachsen. Inzwischen lassen wir Wied durch die Lausitz ziehen und nehmen den Faden des sächsischen Feldzuges wieder auf, um ihn bis zur Ankunft dieser Hilfstruppen zu verfolgen.
Wir verließen Prinz Heinrich, als er sich Serbellonis Pläne zu durchkreuzen bemühte, während Seydlitz die Reichstruppen vom Vogtland bis in die Markgrafschaft Bayreuth trieb. Prinz Heinrich wollte die Feinde für ihre Angriffe auf seine Stellungen strafen. Da er aber gegen ihre festen und furchtgebietenden Verschanzungen nichts ausrichten konnte, so gedachte er sich durch Diversionen nach Böhmen schadlos zu halten. Zu dem Zweck ging Kleist über Sebastiansberg und verbreitete Schrecken im Saazer Kreise. Bald erfuhr Serbelloni von dieser Beunruhigung und schickte Blonquet mit 4 000 Mann zur Hilfe nach Böhmen. Blonquet ließ die Straße nach Einsiedel verschanzen, stellte dort einige Truppen auf und rückte mit seiner Hauptmacht nach Dux. Andrerseits hatte die Reichsarmee sich Ölsnitz genähert. Von da wollte sie die Straße nach Schneeberg einschlagen und an der sächsischen Grenze entlang ziehen, um sich mit Blonquet zu vereinigen. Kaum war Kleist aus Böhmen zurück, so mußte er wieder dorthin, um diesen Plan zu vereiteln. Er zog das ihm unterstellte Detachement bei Purschenstein zusammen, eroberte die Schanze bei Einsiedel und nahm 400 Mann und eine Kanone weg (18. Juli). Von da warf er sich auf die Batthyanyi-Dragoner, die dem eben geschlagenen Feinde zu Hilfe eilten, und<162> warf sie in die Flucht. Dann verfolgte er Blonquet, der sich bei seinem Anmarsch von Dux auf Teplitz zurückzog. Dort ließ er ihn, eilte nach Sebastiansberg und kam den Reichstruppen in die Flanke. Sie zogen sich sofort auf Annaberg, dann auf Hof und schließlich auf Bayreuth zurück.
Nun beschloß Prinz Heinrich, ein stärkeres Korps nach Böhmen zu senden und die Abwesenheit der Reichstruppen zur Ausführung eines glänzenden Streichs zu benutzen. Er wollte den Feind von Teplitz vertreiben, Altenberg besetzen und die Kaiserlichen aus ihrer Stellung von Dippoldiswalde durch Umgehung verdrängen. Seydlitz wurde mit der Ausführung des Planes beauftragt, ließ aber nach seinem Abmarsch nur Schulenburg162-1 mit 500 Pferden zur Beobachtung des Prinzen Stolberg und der Reichsarmee zurück. Er selbst fiel mit seinem Detachement in Böhmen ein und langte nach einem Eilmarsch am 31. Juli in Komotau an. Kleist drang am 1. August über Göhren in Böhmen ein. Alle feindlichen Beobachtungsposten wurden zurückgeworfen. Am selben Tage erkundete Seydlitz das Lager bei Teplitz und traf seine Vorbereitungen zum Angriff. Am nächsten Tage wollte er sich einer Höhe bemächtigen, die die Kaiserlichen zu besetzen versäumt hatten. Ein merkwürdiger Zufall fügte es, daß die Preußen den Hügel von der einen und die Feinde von der anderen Seite erstiegen. Die Österreicher erreichten die Höhe zuerst und hatten damit das Gelände für sich. Löwenstein, der sie befehligte, erhielt während des Treffens Verstärkung, und die Preußen wurden mit einem Verlust von 400 Mann und 2 Kanonen zurückgeworfen. Seydlitz hatte zum Angriff nur 4 Bataillone verwandt, die Feinde aber hatten 12, und so mußte er der Überzahl weichen. Nachdem dies Korps seinen Zweck verfehlt hatte, kehrte es nach Sachsen zurück und verschanzte sich bei Purschenstein. Obwohl die Erwartung des Prinzen Heinrich nicht in Erfüllung ging und der Anschlag mißglückte, wurde durch jene Folge von Unternehmungen doch die Verbindung der Reichstruppen mit den Kaiserlichen während des ganzen August verhindert.
Prinz Stolberg, der nur 500 Pferde vor sich hatte und sich durch nichts mehr gehindert sah, marschierte mit seiner Armee von Bayreuth nach Kaaden, wo Oberst Török sich mit ihm vereinigte. Auf preußischer Seite war Belling eben zur sächsischen Armee gestoßen. Er wurde sogleich verwandt und ins Vogtland geschickt, von wo er, die Abwesenheit des Prinzen Stolberg benutzend, einen Einfall nach Böhmen machte, um den Prinzen wieder zurückzulocken. Unvermutet erscheint er vor Eger, läßt einige Kanonenschüsse gegen die Festung abfeuern, und die schwache Besatzung ergibt sich auf ein Haar seinen Husaren. Indes hatte Prinz Heinrich sein Korps bald anderswo nötig. Belling mußte nach der Lausitz rücken und Luszinsky entgegentreten, der bei Elsterwerda und Senftenberg umherstreifte und dem man die schlimmsten Absichten zutraute.<163> So gering auch die Fortschritte der Preußen bisher gewesen waren, so hatten sie den Wiener Hof doch schon gereizt. Man war dort über die Einfälle in Böhmen äußerst aufgebracht und schob alle Schuld auf die Generale. Besonders erzürnt war die Kaiserin auf Serbelloni, weil er mit seiner großen Armee nichts unternahm. Ihm wurde Mangel an Geschicklichkeit und Wachsamkeit bei der Deckung Böhmens vorgeworfen. Aus Unzufriedenheit über sein Verhalten wurde er also abberufen und vom Hofe auf Dauns Empfehlung durch Hadik abgelöst.
Prinz Stolberg setzte unterdes seinen Marsch fort, ging über Teplitz und Berggießhübel und vereinigte sich bei Dresden mit der kaiserlichen Armee, ungefähr zur selben Zeit, als Hadik deren Oberbefehl übernahm. Der neue Heerführer wollte sein Eintreffen durch einen glänzenden Schlag kundtun und befahl für den 27. September einen allgemeinen Angriff auf alle Vorposten des Lagers bei Pretzschendorf. Wirklich gelang Buttler die Einnahme einiger von Freibataillonen verteidigten Schanzen im Tharandter Walde. Ebenso zwang Löwenstein, der eben mit seinem Korps aus Böhmen eintraf, Kleist zum Rückzug auf Sayda. Doch am folgenden Tage ließ Prinz Heinrich Buttler wieder aus der eben eroberten Stellung vertreiben, und Seydlitz zwang 3 000 Österreicher zum Verlassen des tags zuvor eingenommenen Frauensteiner Grundes.
Ungeachtet der hier errungenen Vorteile trieb Löwenstein Kleist noch weiter zurück und setzte sich bei Sayda fest. Dadurch war die preußische Bäckerei in Freiberg gefährdet, und Prinz Heinrich hatte zugleich ein feindliches Korps im Rücken. Außerdem hatte der Prinz ein so ausgedehntes Gelände zu verteidigen, daß ein kräftiger feindlicher Angriff an jeder beliebigen Stelle erfolgreich gewesen wäre. Daher verließ er die Gegend von Pretzschendorf und wählte am 30. September sein Lager bei Freiberg hinter der Mulde. Am gleichen Tage bezogen Forcade und Hülsen wieder die Lager bei Meißen und den Katzenhäusern. Belling, der aus der Lausitz herbeigerufen war, wurde mit Mist nach Groß-Hartmannsdorf detachiert. Von dort drangen beide bis Groß-Schirma vor, um die Furt gegen Löwenstein zu verteidigen, der hinter der Mulde und Dorf Chemnitz stand.
Aber das Lager bei Freiberg erwies sich als zu ausgedehnt, oder, besser gesagt, die Armee des Prinzen Heinrich war zu seiner Besetzung nicht stark genug. Ferner mußten auch alle Muldefurten und besonders die rechte, gegen Brand und den Ratswald gerichtete Flanke verteidigt werden. Schließlich war nicht nur die lange Verteidigungslinie, sondern auch die Verbindung mit den Lagern bei Meißen und den Katzenhäusern durch Besetzung der Stellung bei Vossen zu sichern. Zur Behauptung der Triebischufer hatten Hülsen und Forcade zusammen nur 14 Bataillone. Sie durften also nicht einen einzigen Mann detachieren, ohne sich völlig zu schwächen. Der Prinz entschloß sich zur Verschanzung seines Lagers. Aber er konnte weder Arbeiter noch Werkzeuge genug zur Ausführung einer so ausgedehnten Arbeit auftreiben. So waren denn die geplanten Werke kaum erst angefangen.<164> So standen die Dinge, als am 14. Oktober morgens Ried mit 18 Bataillonen auf den Seligstädter Höhen gegenüber von Hülsen erschien. Gleichzeitig rückte das Zentrum der Hadikschen Armee auf Niederschöne. Die Reichstruppen lagerten bei Dorf Chemnitz, und Campitelli stellte sich bei Weißenborn am äußersten rechten Flügel des Prinzen Heinrich auf. Außerdem rückte Kleefeld mit 5 000 Pferden gegen Belling, um ihn aus Groß-Hartmannsdorf zu vertreiben. Belling machte Miene, sich zurückzuziehen. Aber plötzlich schwenkte er um, griff den Feind ungestüm an, schlug ihn in die Flucht und nahm seine Stellung wieder ein. Beide Armeen brachten die Nacht im Biwak zu.
Am nächsten Tage griff der Feind ernsthaft alle Muldeübergänge an, wurde aber überall von den Preußen zurückgeworfen. Unmittelbar nach dem Rückzug der Angreifer begab sich Prinz Heinrich auf den rechten Flügel. Es war Abend und schon sehr dunkel, dennoch gewahrte er mit Erstaunen die dort herrschende Verwirrung. Belling war von seinem Posten vertrieben worden, und Bandemer, der ihm beistehen sollte, hatte ihn mangelhaft unterstützt. Prinz Stolberg hatte den Augenblick zur Besetzung des Ratswalds benutzt und stand dort den Preußen in der Flanke und im Rücken. Der schlimme Zwischenfall nötigte Prinz Heinrich zur Aufgabe seiner Stellung, die unter den obwaltenden Umständen nicht länger zu halten war. Um Mitternacht brach er mit der Armee in drei Kolonnen auf und erreichte den Zelleschen Wald, ohne daß der Feind etwas merkte oder Miene machte, ihn zu beunruhigen. Die Truppen schlugen im Walde Baracken zum Schutz gegen die Kälte auf und besetzten am folgenden Tage eine vorteilhaftere Stellung zwischen Riechberg und Voigtsberg. Hadik blieb mit dem Gros seiner Armee auf dem Landsberg, und die durch Campitelli verstärkten Reichstruppen verschanzten sich rings um Freiberg. Dort sollte auch Macquire in kurzem zu ihnen stoßen.
Von der anderen Seite war Wied in vollem Anmarsch. Er näherte sich Bautzen und sollte die Höhen von Weißig besetzen, um bis auf den Weißen Hirsch vorzugehen. Dort befand er sich im Rücken der Stellung von Boxdorf und konnte die Dresdener Neustadt bombardieren. Diese Diversion war ihm vom König vorgeschrieben worden, um Hadik zur Absendung eines starken Detachements über die Elbe zu nötigen. Dann hätte Prinz Heinrich Luft schöpfen und die Dinge wieder in Ordnung bringen können. Daun jedoch durchschaute die Absicht des Königs und wollte Hadik das dauernde Übergewicht in Sachsen sichern. Er ließ also Prinz Albert von Sachsen164-1 mit einem Detachement von 12 Bataillonen und 15 Schwadronen Wied stets zur Seite bleiben. Der Prinz marschierte durchZittau und erreichte die Höhen bei Weißig vor den Preußen. Wied sah seine Absicht vereitelt und zog sich nach Radeburg zurück. Von dort wandte er sich nach Großdobritz, um an die Elbe zu gelangen und sich nach überschreiten des Flusses mit der Armee des Prinzen Heinrich zu vereinigen.<165> Während dieser Ereignisse in der Lausitz sann der Prinz auf einen Streich, um sich an den Feinden zu rächen. Er mußte die Kaiserlichen und die Reichstruppen von den sächsischen Bergen vertreiben, teils um seinen Truppen während des Winters Unterhalt zu verschaffen, teils um bei dem nahenden Friedensschluß kein Terrain zu verlieren. Mußte er außerdem nicht die Ehre der preußischen Waffen rächen und mit Recht fürchten, daß Prinz Stolberg, wenn man ihm Zeit ließ, Verstärkungen abzuwarten, selbst etwas gegen die Preußen unternahm? Klugheit, Ehre, Nutzen und politische Rücksichten zwangen den Prinzen also, den Feinden zuvorzukommen.
Prinz Heinrich zögerte nicht mit der Ausführung seines Planes und setzte sich am 28. Oktober in Marsch. Sein rechter Flügel ging über Bräunsdorf und Lang-Hennersdorf, der linke zog durch das Defilee von Gruna und teilte sich dann in zwei Korps, deren eines bei Lang-Hennersdorf, das andere bei Groß-Schirma stehen blieb. Am 29. setzten sich die Truppen wieder in Bewegung. Der äußerste linke Flügel sollte die feindliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen und wurde von Forcade auf den Höhen von Groß-Schirma aufgestellt. Belling vertrieb die Kaiserlichen aus dem sogenannten Struth-Walde und setzte sich dort mit 2 Bataillonen und 10 Schwadronen fest. Diese Stellung erleichterte Alt-Stutterheim165-1 die Errichtung von Batterien gegen die Schanzen der Reichstruppen bei Waltersdorf. Der rechte Flügel des Prinzen setzte seinen Marsch fort und ließ die erwähnte Batterie und den Struth-Wald links liegen. Kleist mußte mit seiner Avantgarde zwei von Kroaten verteidigte Verhaue wegräumen, um den Weg für die Kolonne des Prinzen zu bahnen. Inzwischen hatten sich Stolberg und Campitelli um Freiberg in Schlachtordnung gestellt. Ihr rechter Flügel lehnte sich an Tuttendorf, der linke zog sich hinter dem Defilee von Waltersdorf bis zum Spittelwald. Außerdem hatten die Gegner auf dem Kuhberg Schanzen errichtet und mit Verhauen umgeben. Prinz Heinrich marschierte gerade im Rücken dieser Stellung heran. Sobald Prinz Stolberg das bemerkte, füllte er den leeren Raum zwischen seinem linken Flügel und der Höhe Drei-Kreuze mit dem zweiten Treffen aus. Dreitausend Schritt von seiner Armee, zwischen Brand und Erbisdorf, erschien noch ein Korps von etwa 6 000 Mann unter General Meyer165-2 auf den Höhen.
Die Preußen hatten bereits den Spittelwald erreicht. Sie griffen ihn herzhaft an und nahmen ein ganzes Bataillon des kaiserlichen Regiments Wied gefangen. In dem Gehölz zwischen dem Dorfe St. Michael und dem Spittelwald wurden Diringshofen165-3 und Manstein165-4 mit 4 Bataillonen und 6 Schwadronen aufgestellt, um das Korps des Generals Meyer in Schach zu halten. Nach diesen Vorsichtsmaßregeln zogen die preußischen Grenadiere durch den St. Michael zunächst liegenden Teil des Waldes und stellten sich gegenüber der Höhe Drei-Kreuze in Schlachtordnung.<166> Dann gingen sie, von Kürassieren und Dragonern unterstützt, zum Angriff vor und errangen nach anderthalbstündigem Feuer den Sieg. Nun warf sich Seydlitz mit seiner Kavallerie auf die Fliehenden und machte noch bis vor die Tore von Freiberg Gefangene. Daraufhin verließen die Reichstruppen die Schanzen bei Waltersdorf. Alt-Stutterheim benutzte den Augenblick zum Durchschreiten des Defilees und eilte mit seiner Kavallerie hinter den Flüchtigen her, was die Verwirrung und die Niederlage der Besiegten noch vermehrte. Buttler, der bisher noch nicht über die Mulde gegangen war und dem Gefecht nur als Zuschauer beigewohnt hatte, wollte nun auch etwas leisten. Er schickte den Reichstruppen das Regiment Nikolaus Esterhazy zu Hilfe, aber zu spät. Das ganze Regiment wurde gefangen genommen. Kurz, Prinz Stolberg, Campitelli, Meyer, selbst Buttler, alle flohen bis nach Frauenstein und hielten sich selbst da kaum für sicher.
Die Feinde verloren bei Freiberg 30 Kanonen, 66 Offiziere und fast 8 000 Mann, darunter 4 000 Gefangene. Der Verlust der Preußen betrug keine tausend Mann, weil sie auf keinen sehr hartnäckigen Widerstand stießen. Sie waren nur 29 Bataillone und 60 Schwadronen stark. Der Feind, den sie zu bekämpfen hatten, besaß 49 Bataillone und 78 Schwadronen. Außerdem hatte er das Gelände für sich, wenn er es zu verteidigen gewußt hätte. Allein der Erfolg im Felde hängt mehr von der Geschicklichkeit des Führers als von der Truppenzahl ab. Eine Lobrede auf Prinz Heinrich wäre hier überflüssig. Das schönste Lob, das man ihm spenden kann, ist die Erzählung seiner Taten. Kenner werden darin leicht die glückliche Mischung von Klugheit und Kühnheit finden, die so selten und doch so wünschenswert ist. Denn in dieser Vereinigung liegt eben der höchste Grad von Vollkommenheit, den die Natur bei Erschaffung eines großen Kriegshelden erreichen kann.
Nach dem Siege bei Freiberg ließ Prinz Heinrich die Ufer der Wilden Weißeritz von den wenigen sich noch zeigenden Feinden säubern. Das erschreckte Hadik so sehr, daß er die Truppen des Prinzen Albert über die Elbe gehen ließ und dem Prinzen von Stolberg beträchtliche Verstärkungen schickte, damit er sich in seiner Stellung bei Frauenstein halten konnte.
Wied kam am 1. November im Lager bei Schlettau an und löste Hülsen ab, dessen Korps zum Prinzen Heinrich stieß. Platen wurde vorgeschoben und ging mit 9 000 Mann über die Mulde. Belling rückte zwischen Sasselbach und Burkersdorf vor und unterhielt nachts so viele Lagerfeuer wie bei einer großen Armee. Zugleich sandte Wied ein Detachement nach Neukirch zur Beunruhigung des Lagers von Plauen. Diese zweckmäßigen Maßnahmen hatten den gewünschten Erfolg; denn Prinz Stolberg zog sich noch in der Nacht auf Altenberg gegen die böhmische Grenze zurück. Nun besetzte Belling die Gegend bei Frauenstein, und Platen lagerte sich bei Purschenstein zur Deckung des Kleistschen Korps, das über Einsiedel in Böhmen einrückte. Kleist zerstörte das ansehnliche österreichische Magazin in Saaz, machte Streifzüge bis nach Leitmeritz und kehrte über Sebastiansberg nach Sachsen zurück. Um diese Zeit traf<167> der König in Meißen ein167-1 und schob Wied nach Kesselsdorf vor. Der stieß dort auf einen Beobachtungsposten Rieds auf dem Landsberg. Anhalt und Prittwitz griffen ihn an, machten 500 Gefangene und erbeuteten 4 Kanonen (7. November). Derselbe Anhalt hatte sich schon im Treffen bei Langensalza und beim Angriff auf Leutmannsdorf hervorgetan167-2. Mit dieser schönen Waffentat schloß der Feldzug ab. Die sehr rauhe Witterung nötigte zum Beziehen von Kantonnementsquartieren.
Um diese Zeit wurden zu Versailles die Friedenspräliminarien zwischen Frankreich und England unterzeichnet167-3. Im Laufe der Unterhandlungen hatten die Engländer die Interessen des Königs völlig preisgegeben. Seit Bute die Geschäfte leitete, war ihr Benehmen schmachvoll. Sie willigten sogar ein, daß die Franzosen im Besitz von Kleve und Geldern blieben.
Dieser feige Abfall zwang den König, auf Mittel zu sinnen, um den Wiener Hof zu einem billigen Frieden zu bestimmen. Die Reichsfürsten waren des Krieges müde, und die französische Armee schickte sich zum Rückmarsch über den Rhein an. Das schien der rechte Augenblick, um die deutschen Fürsten zur Neutralität zu bewegen und dadurch die Kaiserin-Königin völlig zu isolieren. Zu dem Zweck wurde Kleist mit seinem Korps ins Reich geschickt. Er bemächtigte sich Bambergs. Dann rückte er auf Nürnberg, das er zur Kapitulation zwang. Seine Husaren streiften bis unter die Tore von Regensburg und störten den Reichstag in seinen Beratungen. Mehrere Reichsdeputierte ergriffen vor Schreck die Flucht. Der Herzog von Württemberg, obwohl noch weit vom Schuß, war im Begriff, sich ins Elsaß zu retten. Kurz, der Einfall tat solche Wirkung, daß die Kurfürsten von Bayern und Mainz167-4, der Bischof von Bamberg und von Würzburg167-5 um Frieden baten und sofortige Zurückziehung ihrer Kontingente bei der Reichsarmee versprachen. Das einzige Mittel zur Erstickung der Feuersbrunst in Deutschland bestand in der Beseitigung alles Zündstoffes. Nach diesem schönen Zuge kehrte Kleist Anfang Januar nach Sachsen zurück. Dort wurde längs der Triebisch und Mulde eine Postenkette von Sayda bis Meißen gezogen. Andere Korps wurden längs der böhmischen Grenze bei Chemnitz, Zwickau und Gera aufgestellt und die Hauptarmee von Sorau bis tief nach Thüringen verteilt.
Wir haben in der Darstellung dieses Feldzuges wohl keine erwähnenswerte Operation fortgelassen. Allerdings haben wir nichts vom Kriege in Portugal167-6 gesagt, aber ein Historiker ist stets in Verlegenheit, wenn er nichts zu berichten hat. Die portugiesischen Bauern hatten von allem, was geschah, die Ehre. Ihre Tatkraft<168> siegte über die bedächtige Langsamkeit der Spanier, die mit allen ihren Kräften keine Fortschritte machten. Der Friede zwischen Frankreich und England, für Europa so nötig und nützlich, brachte jedenfalls den portugiesischen und spanischen Generalen mehr Vorteil als manchen Ländern. Denn er ließ der Phantasie freien Spielraum zur Annahme von Heldentaten, die die Feldherren bei längerer Dauer des Krieges hätten vollbringen können.
132-1 Oberst Georg Ludwig von Dalwig.
132-2 Vgl. S. 124.
132-3 Vgl. S. 128.
133-1 Oberst Hans Christoph von Billerbeck.
133-2 Peter III. hatte Werner sofort aus der Gefangenschaft (vgl. S. 105) entlassen.
133-3 Vielmehr bei Kaschau.
133-4 Vgl. S. 128.
133-5 Generalleutnant Anton von Krockow.
133-6 Ein Korps Bosniaken (Ulanen) war dem Husarenregiment Lossow angegliedert. Es war 1745, eine Schwadron stark, errichtet und im Frühjahr 1762 auf 10 vermehrt worden.
133-7 Vgl. S. 129.
135-1 Vgl. S. 103.
135-2 Der Friede war am 5. Mai 1762 geschlossen. Das Bündnis dagegen wurde erst am 19. Juni unterzeichnet (vgl. S. 128).
136-1 Am 30. Juni 1762 ging Tschernyschew bei Auras über die Oder und stieß zum König.
137-1 Vgl. S. 133.
137-2 Gefecht bei Döbeln, 12. Mai 1762.
138-1 Generalmajor Joachim Christian von Bandemer.
138-2 Oberstleutnant Friedrich Wilhelm von Röder, Kommandeur des Kürassierregiments Schmettau.
139-1 Albrecht Dietrich Gottfried von Egloffstein, Major im Infanterieregiment Goltz.
141-1 Schlacht bei Wilhelmsthal, 24. Juni 1762.
143-1 Am Johannisberg bei Friedberg.
145-1 Gefecht bei Adelsbach, 6. Juli 1762.
146-1 Vgl. S. 61.
146-2 Generalmajor Franz Adolf Prinz von Anhalt-Bernburg-Schaumburg-Hoym, Chef des Infanterieregiments Anhalt-Bernburg.
147-1 Am 18. Juli 1762 zeigte Tschernyschew dem Könige die am 9. erfolgte Absetzung Peters III. an.
147-2 Graf Stanislaus August Poniatowski, der spätere polnische König, hatte von 1755 bis 1759 in Petersburg geweilt, seit 1757 als polnischer Gesandter.
147-3 Prinz Georg Ludwig, bis März 1761 preußischer Generalleutnant, war von Zar Peter III. nach Rußland berufen und zum Generalfeldmarschall und Generalgouverneur von Holstein ernannt worden.
148-1 Graf Nikita Panin war der Oheim der Fürstin Katharina Nomanowna Daschkow, der Staatsdame und Freundin der Kaiserin Katharina.
148-2 Gräfin Elisabeth Nomanowna Woronzow.
148-3 Der Gang der Ereignisse war kurz folgender: Am 19./30. Juni 1762 sah die Kaiserin Katharina den Zaren anläßlich einer Theateraufführung in Oranienbaum zum letzten Male und begab sich von dort nach Peterhof. Am 28. Juni (9. Juli), am Vorabend des Namenstages Peters III., sollte bei ihr eine Festtafel stattfinden. Doch die Verhaftung eines Kapitänleutnants der Preobrashenskischen Garde, eines Freundes der Orlows, wurde der Anlaß, daß Katharina sich in der Frühe des 28. Juni nach Petersburg begab, um sich zur Selbstherrscherin proklamieren zu lassen. Am Tage darauf dankte Peter III. ab.
150-1 Vielmehr in der Nacht zum 29. Juni (10. Juli) 1762.
150-2 Generalmajor Gustav Nummers.
150-3 Zar Peter III. starb am 17. Juli 1762 auf dem Krongut Nopscha. Die Behauptung, daß er vergiftet worden sei, ist nicht erwiesen. Er wurde vielmehr ohne Vorwissen Katharinas beim Gelage, als es nach einem Wortstreit zu Tätlichkeiten kam, von Alexej Orlow und Fürst Feodor Baratinski in der Trunkenheit erwürgt.
151-1 Tatsächlich steht nur in dem gedruckten Manifest Katharinas II., das am Morgen des 9. Juli 1762 unter das Volk verteilt wurde, der Ausdruck „Todfeind“. Aber schon in dem am Abend desselben Tages den fremden Gesandten zugestellten Text war nur von den „Feinden Rußlands“ die Rede. Ebensowenig findet sich im Konzept des Manifestes jene gehässige Wendung. So bestätigte Katharina II. denn auch den Friedensschluß mit Preußen vom 5. Mai, lehnte jedoch ab, das von Peter III. geschlossene Bündnis vom 19. Juni (vgl. S. 128) zu ratifizieren.
152-1 Vgl. S. 53.
152-2 Vgl. S. 110.
153-1 Oberst Reichsgraf Friedrich Wilhelm von Wylich und Lottum.
153-2 Vgl. S. 146.
155-1 Generalfeldwachtmeister Johann Baptista Vaquette de Gribeauval.
156-1 Feldmarschalleutnant Graf Franz Guasco.
158-1 Karl Christoph von Owstien, Kommandeur des Husarenregiments Werner.
159-1 Gefecht bei Reichenbach, 16. August 1762.
160-1 Vgl. S. 103 f.
160-2 Simon Deobat Lefebvre, Major im Ingenieurkorps.
162-1 August Ferdinand von der Schulenburg, Major und Kommandeur des Husarenregiments Belling.
164-1 Prinz Albert, der vierte Sohn König Augusts III., war österreichischer Feldmarschalleutnant.
165-1 Generalmajor Johann Friedrich von Alt-Stutterheim.
165-2 Feldmarschalleutnant Graf Johann Friedrich Meyer.
165-3 Oberst Bernhard Alexander von Diringshofen.
165-4 Oberst Leopold Sebastian von Manstein, Chef eines Kürassierregiments.
167-1 9. November 1762.
167-2 Für das Treffen bei Langensalza vgl. S. 82; bezüglich des Angriffs auf Leutmannsdorf (vgl. S. 153 f.) scheint eine Verwechslung mit dem Prinzen Franz von Anhalt-Bernburg vorzuliegen.
167-3 Die Zeichnung der Friedenspräliminarien erfolgte am 3. November 1762 in Fontainebleau.
167-4 Maximilian Joseph und Johann Friedrich Karl.
167-5 Adam Friedrich.
167-6 Vgl. S. 121.