<17>ihre Kanonen waren ausgeschossen, sodaß neue gegossen werden mußten: so sehr lag das Heerwesen seit dem letzten Kriege danieder!
Die nun ausbrechenden Unruhen brachten den Berliner Hof in große Verlegenheit. Der König war kaum aus einem langen und verderblichen Kriege heimgekehrt. Seine Provinzen konnten sich nur im Schutz eines dauerhaften Friedens erholen; es bedurfte der Zeit, um die alten Wunden zu heilen. Die Armee war ergänzt und wurde wieder diszipliniert, aber sie war noch nicht zu solcher Vollkommenheit gediehen, daß man völliges Vertrauen in sie hätte setzen können. Der eben ausgebrochene Türkenkrieg konnte sich leicht über ganz Europa verbreiten; denn es fehlte nicht an Zündstoff, der durch den kleinsten Funken aufflammen konnte.
Zu diesen äußeren Besorgnissen trat häuslicher Kummer. Wir erwähnten vorhin die Vermählung des Prinzen von Preußen mit Prinzessin Elisabeth von Braunschweig1. Diese Ehe, von der man sich glückliche Folgen erhofft hatte, entsprach den Wünschen des königlichen Hauses durchaus nicht. Der junge, sittenlose Gatte gab sich einem ausschweifenden Leben hin, von dem seine Verwandten ihn nicht abzubringen vermochten, und brach seiner Gemahlin täglich die Treue. Die Prinzessin, die in der Blüte ihrer Schönheit stand, fühlte sich aufs tiefste gekränkt durch die geringe Rücksicht auf ihren Liebreiz. Ihre Lebhaftigkeit und die hohe Meinung, die sie von sich selbst hegte, spornten sie zur Rache für die ihr erwiesene Zurücksetzung an. Bald gab sie sich Ausschweifungen hin, die denen ihres Gemahls um nichts nachstanden. Das Ärgernis wurde bald allgemein ruchbar. Die daraus entstehende Abneigung zwischen dem Prinzen und der Prinzessin von Preußen vernichtete jede Hoffnung auf einen Thronerben. Prinz Heinrich, der Bruder des Prinzen von Preußen, begabt mit allen Eigenschaften, die man einem jungen Manne wünschen kann, war an den Blattern gestorben2. Die Brüder des Königs, Prinz Heinrich und Prinz Ferdinand, sagten unverhohlen, sie würden sich das Recht auf die Thronfolge nicht durch irgend einen Bastard nehmen lassen. Alle diese gleich gewichtigen Gründe machten zuletzt die Scheidung der beiden Gatten nötig. Der Akt wurde nach reiflicher Überlegung vollzogen3, und das Haus Braunschweig willigte darein, nachdem die traurigen Beweise des Wandels der Prinzessin Elisabeth ihm mitgeteilt waren. Nach dieser Scheidung mußte man daran denken, den Prinzen von Preußen von neuem zu vermählen. Die Wahl war schwer. Sie fiel nach einigem Suchen auf Prinzessin Friederike, Tochter des Landgrafen von Hessen-Darmstadt. Die neue Hochzeit wurde zu Charlottenburg gefeiert4, und die Thronfolge war bald danach durch die Geburt eines Prinzen gesichert, dem die Prinzessin das Leben gab5.
Andrerseits nötigte der zwischen der Pforte und Rußland ausgebrochene Krieg den König zur Erfüllung seiner Verpflichtungen gegen die Zarin. Er mußte die im
1 Vgl. S. 11.
2 Vgl. S. 11.
3 21. April 1769.
4 14. Juli 3769.
5 Der spätere König Friedrich Wilhelm III., geboren am 3. August 1770.