<200> ganzes System, nur den Zweck, Schlesien zurückzuerobern. Schlesien rundete unser Gebiet ab, lieferte uns Truppen, Geld und Versorgungen für viele vornehme Herren, die die Kaiserin jetzt nicht zufriedenstellen kann. Unser Plan beschränke sich nie auf die Eroberung Schlesiens, sondern ging stets auf die völlige Zerschmetterung des Königs von Preußen aus, damit keine Macht in Deutschland dem Kaiserhofe mehr Einhalt gebieten und er seine Herrschaft fest begründen kann. Alle geistlichen Fürsten sind unsere Kreaturen; auch die weltlichen müßte man dahin bringen, und zur Ausführung der kaiserlichen Befehle müßte die Absendung eines Kommissars genügen, sodaß wir auf Rosen gebettet waren.

Die Sache der Augsburger Konfession verlöre dadurch um so mehr, als der König von Preußen ihre einzige Stütze ist; da aber diese Sekte ihrem Verfall entgegengeht, verdient sie keine besondere Aufmerksamkeit von unserer Seite. Immerhin muß ich Ihnen gestehen, daß der Protestantismus uns bessere Dienste geleistet hat als der Katholizismus. Wir haben in Rom davon gesprochen, die Ketzerei zu unterdrücken, und diese Perspektive allen Geistlichen eröffnet; schon allein dies Vorhaben hat uns soviel eingebracht wie ein Peru. Wie Sie wissen, fehlt es uns manchmal an Geld. Aber der Protestantismus ward für uns eine reichere Einnahmequelle als die Wiener Bank für Kaiser Karl VI.

Fünfzig Jahre lang hat unser Hof an der Erniedrigung des Hauses Bayern gearbeitet. Wie Sie sehen, ist es uns schließlich geglückt. Sollte es uns auch mehr Mühe und Zeit kosten, die Macht Preußens zu brechen, so müßten wir das doch mit Geduld ertragen. Einer der größten Vorteile, den wir vor den anderen Mächten Europas HOen, ist der, daß die Weisheit unseres Ministeriums stets das gleiche System verfolgt. Was uns im ersten Anlauf nicht gelingt, das bringt die Zeit zur Reife. Deswegen, lieber Freund, verzweifle ich an nichts. Wie? Zu einer Zeit, da alle unsere Verbündeten sich in Bewegung setzen, da unsere Heere im Begriff sind, den schönsten Feldzugsplan auszuführen, der je ersonnen ward, da unsere Übermacht und das große Geschick unserer Heerführer uns die größten Erfolge versprechen, wie? zu einer Zeit, da sich alles zu unserem Ruhme verbindet, finden Sie es seltsam, daß der Reichstag sich mit Würde ausspricht, und wollen nicht, daß er seinen Blitz gegen die Rebellen schleudert? Es ist aufs höchste zu beklagen, daß die Ereignisse unsere Hoffnung betrogen haben, sonst wären die Dekrete veröffentlicht worden, kraft deren zwei Könige samt ihren Anhängern in die Reichsacht erklärt werden sollten1. Welch schöner Tag wäre das für Wien gewesen! Und was konnte danach die Größe, den Ruhm und die Macht unserer unvergleichlichen Gebieterin noch erhöhen!

So viel zur Rechtfertigung unseres Verhaltens gegenüber demKönig vonPreußen! Noch leichter hoffe ich die Bedenken zu zerstreuen, die Sie hinsichtlich unseres Bündnisses mit Frankreich hegen.


1 Vgl. Bd. IV, S. 59 f.