<208> so war dieser Schimpf durch ihr schmachvolles Benehmen und ihre maßlose Grausamleiten vollauf verdient. Wo aber sind in unseren Tagen die Ungeheuer, die ihnen gleichen? In den letzten Jahrhunderten zählen wir einen Ludwig XI. und Karl IX. von Frankreich, einen Philipp II. von Spanien, einen Papst Alexander VI. zu denen, die des öffentlichen Hasses wert waren. Mithin hat auch die Geschichte, die der lauteren Wahrheit huldigen und die Tatsachen sorgfältig buchen soll, sie nicht geschont. Sie sind von denen, die uns ihre Regierung geschildert haben, mit denkbar größter Strenge behandelt worden.
In unserem Zeitalter erhalten Beamte, Minister, Günstlinge, ja selbst die Herrscher ungefähr die gleiche Erziehung. Die Sitten haben sich gemildert, der philosophische Geist hat zugenommen und macht täglich neue Fortschritte. Wissenschaften und Künste verbreiten einen Firnis von Bildung und Anstand, der die Gemüter fügsamer und zugänglicher macht. Das Äußere der wohlerzogenen Menschen ist in Europa fast überall das gleiche.
Trifft es auch zu, daß wir weniger hervorragende und außergewöhnliche Geister besitzen, die ihresgleichen weit überlegen sind, als das Altertum, so haben wir wenigstens den Vorzug, daß die höchste Macht nicht in Händen von Ungeheuern an Grausamkeit ist, die die Welt verabscheuen muß. Allerdings tun die Großen nicht so viel Gutes, als sie könnten; die Höflinge haben Leidenschaften, und die Könige Schwächen, aber wenn sie ganz vollkommen wären, so wären sie keine Menschen. Was für ein Wahnwitz ist es also, in Iuvenals Spuren zu treten, wenn es an entsprechenden Gegenständen fehlt, an denen man das elende Talent der Satire üben kann! Gibt es etwas Erbärmlicheres, als berufsmäßig den guten Ruf anzuschwärzen, grobe Verleumdungen zu erfinden, ins Blaue hinein zu lästern, Lärm zu schlagen und Lügen zu verbreiten, nur um seine Bosheit zu befriedigen? Bei solchem blinden Lärm glaubt man schier, die ganze Welt sei in Gefahr. Untersucht man aber die Sache, so ist es nur ein Hund, der den Mond anbellt.
Diese Art von Schwätzern, die die Machthaber mit schamloser Frechheit angreifen, sind größtenteils obskure, elende Wichte. Sie werden zu feilen Söldlingen irgend eines Großen, der einen Nebenbuhler beneidet, oder sie folgen ihrem verderbten Herzen, ihrer verhängnisvollen Neigung, wie tolle Hunde um sich zu beißen, einerlei, wen der Zufall ihnen in den Weg führt. Liest man ihre Machwerke, man möchte glauben, sie hätten an den Höfen besoldete Spione, die ihnen Nachricht von den M. ringsten dortigen Vorgängen geben. Tatsächlich aber füllt ihre Einbildungskraft nur die Läsen ihrer Unwissenheit aus, und die von ihrer Feder Mißhandelten sind ihnen so unbekannt wie die Tugend, die sie so über die Maßen beleidigen. Was ist leichter, als. die Großen zu lästern? Man braucht nur ihre Fehler zu vergröbern, ihre Schwächen zu übertreiben, die üble Nachrede ihrer Feinde breitzutreten, und in Ermanglung solcher schönen Hilfsmittel gibt es ja ein Nepertorium alter Schmähschriften, die man abschreibt und der Zeit, den Personen anpaßt.