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Totengespräch
zwischen
Prinz Eugen, Lord Marlborough und Fürst Liechtenstein
(1773)

Marlborough: Sharon wird nächstens verhungern; kein Mensch setzt mehr auf seinem Kahn über. Seit einigen Tagen haben wir keine Post mehr von der anderen Welt bekommen. Wenn das so weiter geht, wissen wir nicht mehr, was dort vorgeht: das wäre sehr schade.

Eugen: Nicht alle Verstorbenen kommen in die seligen Gefilde, die wir bewohnen; viele gehen in den Tartarus. Und dann wird die Erde nicht immer von Seuchen, Pest und Hungersnot heimgesucht. Gedulden Sie sich, es werden schon noch welche kommen.

Marlborough: Die Engländer erhängen sich mit Vorliebe in der späten Jahreszeit, trotzdem sehe ich keinen nahen. Vielleicht ist unseren Landsleuten durch Parlamentsbill verboten, sich aufzuknüpfen.

Eugen: Sie haben kürzlich Lord Chesterfield1 bekommen, dürfen sich also nicht beklagen. Und ich meinen Verwandten, den König von Sardinien2. Man stirbt nicht alle Tage. Lassen wir die Leute leben, damit sie Zeit finden, das Knäuel der Torheiten abzuhaspeln, das sie vor ihrem Tode beendet haben müssen. Doch mir ist, als sähe ich einen Schatten.

Marlborough: Ja, es ist ein Ankömmling; er schreitet auf uns zu.

Eugen: Ich glaube ihn zu erkennen. Sind Sie nicht Fürst Wenzel Liechtenstein?3

Liechtenstein: Ja, ich bin's. Ein recht schmerzhafter Tod entriß mich soeben meiner Familie, meinen großen Besitzungen, meinen Ehren und Würden.


1 Philipp Dormer Stanhope Lord Chesterfield, geb. 1694, starb am 24. März 1773 (vgl. Bd. VIII, S. 292).

2 Karl Emanuel III., König von Sardinien, Herzog von Savoyen, starb am 21. Februar 1773.

3 Füst Wenzel von Liechtenstein, geb. 1696, starb am 10. Februar 1772.