<247> den Ursprung der Vorurteile1; bald erscheint ein Buch über den Geist2, bald eins über das System der Natur3 und so weiter ad infinitum. Eine Rotte von Gassenjungen zählt sich, aus Tuerei oder Mode, zu ihren Schülern, äfft sie geflissentlich nach und tritt als Hilfslehrer des Menschengeschlechts auf. Und da es leichter ist, zu schimpfen, als Gründe anzuführen, so ist es bei ihren Schülern Brauch, bei jeder Gelegenheit unanständig über das Militär herzuziehen.
Eugen: Ein Geck findet stets einen größeren Gecken, der ihn bewundert. Aber stecken die Militärs diese Schmähungen ruhig ein? Liechtenstein: Sie lassen die Köter blaffen und gehen ihres Weges. Marlborough: Warum aber solche Erbitterung gegen den edelsten Beruf, unter dessen Schirm die anderen friedlich gedeihen?
Liechtenstein: Da sie in der Kriegskunst sämtlich sehr unwissend sind, glauben sie, sie könnten sie verächtlich machen, indem sie sie herabsetzen. Aber, wie gesagt, sie reißen alle Künste und Wissenschaften durchweg herunter, und auf der Trümmerstätte richten sie die Mathematik auf, um jeden anderen Ruhm zu vernichten und allen Glanz auf ihre Person zu lenken.
Marlborough: Aber wir haben doch weder Philosophie, noch Mathematik, noch die schöne Literatur verachtet und uns nur damit begnügt, in unserem Beruf Gutes zu leisten.
Eugen: Ich tat mehr. In Wien beschützte ich alle Gelehrten und zeichnete sie aus, selbst wenn niemand von ihnen ein Aufhebens machte. Liechtenstein: Das glaub' ich gern; denn Sie waren große Männer, und jene Afterphilosophen sind nur eitle Schelme, die eine Rolle spielen möchten. Das hindert freilich nicht, daß ihre Schmähungen durch ewige Wiederholung das Andenken der Großen schänden. Zieht man dreist Schlüsse, wenn sie auch falsch sind, so hält man sich für einen Philosophen, und wenn man Paradoxe vorbringt, meint man, die Palme davonzutragen. Wie oft hörte ich nicht Ihre größten Taten durch lächerliches Geschwätz herabzerren und Sie als Männer hinstellen, die den Nuhm widerrechtlich an sich rissen in einem Zeitalter der Unwissenheit, dem es an wahren Kennern des Verdienstes gebrach!
Marlborough: Unser Zeitalter ein Zeitalter der Unwissenheit! Ha, ich ertrag' es nicht länger!
Liechtenstein: Das jetzige Zeltalter ist das der Philosophen. Eugen: Wo man geschlagen wird, Provinzen verliert und sich dem Altertum über-legen wähnt. Mögen Ihre Philosophen sagen, was sie wollen, ich ziehe unser Zeitalter der Unwissenheit dem ihren vor.
1 Vgl. S.244, Anm.3.
2 Anspielung auf die Schrift „De l'esprit“ von Claude Adrien Helvétius (1715—1771).
3 Vgl. S. 244, Anm. 3.