<5> ganz Polen. Die Großen des Reiches suchten Hilfe bei den Türken. Bald danach brach der Krieg aus, und die russischen Heere brauchten sich nur im Felde zu zeigen, um die Muselmanen bei jedem Gefecht zu schlagen.
Dieser Krieg veränderte das ganze politische System Europas. Neue Perspektiven eröffneten sich, und man hätte schon ganz ungeschickt oder in dumpfe Starre versunken sein müssen, um die günstige Gelegenheit nicht zu benutzen. Ich hatte das schöne Gleichnis von Bojardo1 gelesen. Ich ergriff also die Gelegenheit, die sich darbot, beim Schöpfe, und durch Unterhandlungen und Intrigen gelang es mir, unsere Monarchie durch die Einverleibung Westpreußens für ihre früheren Verluste zu entschädigen. Diese Erwerbung war eine der wichtigsten, die wir machen konnten; denn dadurch erhielt Pommern Verbindung mit Ostpreußen, und als Herren der Weichsel erlangten wir den doppelten Vorteil, daß wir Ostpreußen verteidigen konnten und die bedeutenden Weichselzölle erhielten, da der ganze polnische Handel über diesen Fluß geht.
Diese Erwerbung schien mir in den preußischen Annalen Epoche zu machen und bedeutsam genug zu sein, um ihre Einzelheiten der Nachwelt zu überliefern, zumal ich bei jenem Ereignis Augenzeuge und Mitwirkender zugleich war.
Die Originalakten der Unterhandlungen, über die ich in diesem Werke berichte, befinden sich sämtlich im Staatsarchiv. Ich habe diese Denkwürdigkeiten in drei Kapitel eingeteilt. Das erste umfaßt die Unterhandlungen und die politischen Vorgänge vom Hubertusburger Frieden bis zur Pazifizierung Polens, das zweite die Finanzwirtschaft, die neuen Handelszweige, die eingeführt wurden, die Urbarmachungen in verschiedenen Provinzen, die Erträge Westpreußens und die Verbesserungen, die dort möglich sind. Das dritte enthält alles auf die Armee Bezügliche: ihre Reorganisation und Vermehrung, die seit der Erwerbung Westpreußens aufgestellten neuen Truppenteile, den Präsenzstand der Armee, der im Frieden auf 186 000 Mann festgesetzt ist, die Artillerie, alle Vorkehrungen, die zur Mobilmachung dieser Massen nötig sind, endlich einen defensiven Feldzugsplan, der lediglich zur Verteidigung von Ost- und Westpreußen gegen den Einfall jedwedes Feindes bestimmt ist.
Zugleich muß ich den Leser darauf hinweisen, daß es mir widerstrebte, in einer so langen Darstellung stets von mir selber zu reden. Solch Egoismus stößt mich ab, und so zog ich es vor, in der dritten Person zu sprechen. Ich beschränke mich also einfach auf das Amt eines Historikers, der die Ereignisse seiner Zeit wahr und klar beschreiben will, ohne das Geringste zu übertreiben oder zu fälschen. Ich habe zeitlebens keinen Menschen betrogen; noch weniger will ich die Nachwelt betrügen.
1 Orlando innamorato, I. Buch, 12. Gesang, Stanze 14 und 15. Es handelt sich um die Fee Morgana, die den Helden Roland mit seinen Gefährten in einem kristallenen Schlosse gefangen hielt. Nur wer sie an ihren Haaren ergriff, konnte sie bezwingen.