<70> die Zahl der Landeskinder willkürlich gewesen; jetzt wurde sie auf 720 Mann pro Regiment festgesetzt. Was zum vollen Bestände der Kompagnien fehlte, wurde im Ausland angeworben. Die Kantonnisten erhielten Erlaubnis, sich ohne Genehmigung ihres Hauptmanns zu verheiraten. Wenige blieben Junggesellen; die große Mehrzahl trug lieber zur Vermehrung der Bevölkerung bei. Die Wirkungen dieser weisen Maßnahmen entsprachen den Erwartungen der Regierung. Schon 1773 überstieg die Zahl der Enrollierten1 die der von 1756 beträchtlich.

Früher hatten die Hauptleute sich von dem zurückbehaltenen Sold der Urlauber ihren Ersatz selbst angeworben. Diese Methode hatte allzu viele Mißbräuche gezeitigt. Die Offiziere hoben gewaltsam aus, um Geld zu sparen; alle Welt beschwerte sich; kein Fürst wollte dergleichen Gewalttaten in seinem Lande dulden. Die ganze Einrichtung wurde also geändert. General Wartenberg2 zog allein den Sold der Veurlaubten ein; davon bekamen die Hauptleute, außer ihrem Gehalt, 30 Taler monatlich. Der Überschuß wurde für die Werbung im Ausland verwandt3. Sie lieferte jährlich 7 bis 8 000 fremde Rekruten, die mit Weib und Kind, die sie mitbrachten, eine Kolonie von etwa 10 000 Menschen ausmachten. Obwohl einzige Söhne von Bauern von der Aushebung befreit waren, hob sich das Größenmaß der Kantonnisien von Jahr zu Jahr. Im Jahre 1773 war in den Infanterieregimentern keine Kompagnie mehr, die Leute unter 5 Fuß 5 Zoll hatte.

Die Infanterie- wie Kavallerieregimenter wurden in mehrere Inspektionen eingeteilt4, damit wieder Ordnung, Genauigkeit und strenge Disziplin hineinkam, im ganzen Heere völlige Gleichmäßigkeit herrschte und Offiziere wie Soldaten in jedem Regiment die gleiche Ausbildung erhielten. Die Regimenter am Rhein und an der Weser erhielten zum Inspekteur den General Diringshofen, die magdeburgischen Saldern, die kurmärkischen wurden zwischen Namin, Steinkeller und Oberst Buttlar verteilt, die pommerschen erhielten Möllendorff, die ostpreußischen Stutterheim und die schlesischen den General der Infanterie Tauentzien zum Inspekteur5. Generalleutnant Bülow bekam die Kavallerieinspektion in Ostpreußen, Seydlitz in Schlesien, General Lölhöffel in Pommern und der Neumark, während die Kavallerie in der Kurmark und im Magdeburgischen unter General Krusemarck6 stand.

Die Wiederherstellung der Ordnung und Disziplin in der so heruntergekommenen Infanterie machte unsägliche Mühe. Es bedurfte der Strenge, um den Soldaten


1 Die in die Stammrolle Eingetragenen. Für die Einrichtung der Kantons vgl. Bd. l, S. 186; VI, S. 225 ff.; VII, S. 169 f.

2 Generalmajor Friedrich Wilhelm von Wartenberg leitete die Bekleidungs-, Ausrüstungs- und Ersatzangelegenheiten (vgl. Bd.VI, S.224).

3 Vgl. Bd. VI, S.224 und 226.

4 Vgl. Bb. VI, S. 234 und 239.

5 Die Generalmajore Bernhard Alexander von Diringshofen, Friedrich Christoph von Saldern, Friedrich Ehrentreich von Namin; die Obersten Anton Abraham von Steinkeller, Julius Treusch von Buttlar; die Generalmajore Wicharb Joachim Heinrich von Möllendorff, Joachim Friedrich von Alt-Stutterheim; Generalleutnant Bogislav Friedrich von Tauentzien.

6 Die Generalleutnants Christoph Karl von Bülow, Friedrich Wilhelm von Seydlitz die Generalmajore Friedrich Wilhelm von Lölhöffel, Hans Friedrich von Krusemarck.