Der Bayrische Erbfolgekrieg
Die Teilung Polens zwischen Rußland, Österreich und Preußen, deren Umstände wir dargestellt haben, schien nach unserer Meinung das letzte bemerkenswerte Ereignis der Regierung des Königs gewesen zu sein. Allein das Schicksal, das der menschlichen Voraussicht spottet, hatte es anders beschlossen. Der plötzliche Tod eines Fürsten, der weder bald zu erwarten noch wahrscheinlich war, siörte unvermittelt die Ruhe Europas. Der Kurfürst von Bayern erkrankt an den Blattern, und sein Tod99-1 überrascht alle, denen an seiner Wiederherstellung lag, in dem Augenblick, da die Nachricht von seiner Genesung sie mit neuer Hoffnung erfüllte.
Seitdem wurde der Krieg fast unvermeidlich; denn wie man wußte, hatte der schrankenlose Ehrgeiz des Wiener Hofes und der junge Kaiser Joseph II. in seiner Begehrlichkeit es darauf abgesehen, Bayern beim Tode des Kurfürsten an sich zu reißen. Der Plan stammte von Kaiser Franz, der, um ihm einen Schein von Recht zu geben, seinen Sohn mit der Schwester des bayrischen Kurfürsten verheiratet hatte99-2, damit er Anspruch auf dessen Allodialerbe erwürbe. Da aber die bayrische Prinzessin ohne Nachkommen gestorben war, wurde dieser Vorwand hinfällig. Dem Kaiserhofe<100> blieb nun kein Rechtsanspruch, noch selbst der Schein eines solchen auf Bayern; er behalf sich daher mit gefälschten Dokumenten und vermeintlichen Hoheitsrechten, die der Kaiser als König von Böhmen auf die bayrischen Lehen zu haben glaubte. Alle Minister des Kurfürsten von der Pfalz100-1, ja dieser selbst, waren von Österreich im voraus bestochen. Man hatte ihm vorteilhafte Versorgungen für seine illegitimen Söhne versprochen, falls er ihnen die Rechte seiner legitimen Nachfolger opferte, an deren Spitze der Herzog von Zweibrücken100-2 stand.
Kaum traf in Wien die Kunde vom Ableben des Kurfürsten von Bayern ein, so trat der Staatsrat zusammen. Der Kaiser schlug vor, Bayern zu besetzen. Die Kaiseritt willigte mit Widerstreben in diesen gewaltsamen Schritt, oder besser: sie ließ sich hinreißen durch die Überredungskunst des Fürsten Kaunitz, der ihr versicherte, er würde keine üblen Folgen haben, und Europa würde in seiner Verblüffung oder Lethargie das kühne und entschiedene Vorgehen des Kaisers nicht hindern. Sofort rücken 16 Bataillone, 20 Schwadronen und 80 Geschütze ab. Bei dieser Nachricht erbleicht der Kurfürst von der Pfalz, der sich in München befand; ein panischer Schreck trübt sein bißchen Verstand; seine Feigheit gibt den Ausschlag, und er unterzeichnet zu seiner Schande ein Abkommen100-3, durch das er zwei Drittel von Bayern der österreichischen Ländergier abtritt.
Diese ebenso gewaltsame wie ungerechte Tat wurde allgemein ruchbar. Der Kaiser hatte seine Maske hinreichend gelüftet, um ganz Europa darüber aufzuklären, was für Folgen ein so zügelloser Ehrgeiz verhieße. In diesem kritischen Augenblick galt es, Partei zu nehmen. Entweder mußte man dem Gießbach, der, wenn ihn nichts hemmte, alles zu überschwemmen drohte, einen starken Damm entgegensetzen, oder jeder Reichsfürst mußte auf sein Freiheitsprivileg verzichten. Denn blieben die Reichsstände untätig, so schienen sie damit dem Kaiser stillschweigend das Recht zu geben, das er sich anmaßen wollte, über die erledigten Reichslehen despotisch zu verfügen. Das aber mußte zum allgemeinen Umsturz der Reichsgesetze, Verträge, ErbVerbrüderungen und Privilegien führen, die den Reichsfürsten ihr Besitztum sicherten.
Alle diese verhängnisvollen Folgen waren dem Scharfblick des Königs nicht entgangen. Bevor man aber zu gewaltsamen Mitteln griff, galt es erst andere Maßnahmen zu treffen. Der Herzog von Zweibrücken mußte gegen den Münchener Vertrag protestieren; Sachsen mußte den König für sein Allodialerbe um Hilfe angehen100-4. Vor allem aber mußte die Anschauung des Versailler und Petersburger Hofes ergründet werden; denn man mußte bestimmt wissen, was von ihrer Seite zu erwarten war.
Der Kurfürst von Sachsen war der erste, der sich an den König wandte, nachdem er. in Wien vergebens vorstellig geworden war. In seinem anmaßlichen Hochmut hatte<101> der Wiener Hof ihn nicht einmal einer Antwort gewürdigt. Denn der Kurfürst von der Pfalz, der fast seines ganzen Erbes beraubt war, vermochte Sachsens Allodialanspräche garnicht zu befriedigen. Andrerseits hatte der Wiener Hof, der mehr übereilt als besonnen handelte, sich des Herzogs von Zweibrücken nicht versichert, der als rechtmäßiger Nachfolger des Kurfürsten von der Pfalz dem Münchener Vertrag unbedingt zustimmen mußte, sollte dieser rechtsgültig werden. Außerdem hatte der Wiener Hof die ganze Sache mit so wenig Verschwiegenheit und Zurückhaltung betrieben, daß alle seine Schritte seit den zehn Jahren, wo er jenen Plan hegte, bekannt waren.
Das bewog den König, den Grafen Görtz101-1 inkognito nach München zu schicken. Er traf dort just im rechten Augenblick ein, um den Herzog von Zweibrücken von dem Abgrund zurückzureißen, in den er eben stürzen wollte. Graf Görtz stellte ihm vor, daß er durch Ratifikation des Vertrags seines Oheims garnichts gewänne; wenn er aber gegen dies rechtswidrige Abkommen protestierte, so bliebe ihm wenigstens die Aussicht auf Rückerstattung eines Teils des bayrischen Kreises, den der Kurfürst von der Pfalz den Österreichern so gewissenlos abgetreten hatte. Diese Wahrheit wirkte mächtig auf den jungen Fürsten; kurz darauf erschien sein Protest101-2. Gleichzeitig schrieb er an den König und bat um dessen Schutz und Beistand101-3.
Damit begann die Angelegenheit regelrechte Formen anzunehmen. Da der Kur-fürst von Sachsen und der Herzog von Zweibrücken den Berliner Hof mit der Vertretung ihrer Interessen betraut hatten, bot sich Anlaß genug, um mit dem Wiener Hofe Unterhandlungen über die bayrische Erbfolge anzuknüpfen. Das führte zu politischen Scharmützeln, während deren sich Zeit genug fand, zu ergründen, welche Partei Frankreich ergreifen würde und wie man in Petersburg dächte. Unter dem Vorwand völliger Unkenntnis ersuchte man in Wien um Aufklärung über die Rechte, die Österreich auf Bayern zu haben glaubte. Man bezweifelte sie, berief sich auf das Völkerrecht, führte alles an, was nach Recht und Brauch jenen Ansprüchen entgegenstand, zitierte die Artikel des Westfälischen Friedens, die in aller Form die bayrische Erbfolge regelten, kurz, man setzte den Kaiserhof um so mehr in Verlegenheit, als er bei dem unvermuteten Tode des bayrischen Kurfürsten keine Zeit gehabt hatte, seine Gewalttat durch plausible Scheingründe zu beschönigen. Und so war denn auch seine Verteidigung so lahm und schlecht, daß sie sich leicht widerlegen ließ: so schwer fällt es der Arglist und Bosheit, gegen Augenschein und Wahrheit zu kämpfen.
In diesem großen Interessenkonftikt fühlte sich der König mehr durch die Ungewißheit behindert, welche Stellung die Großmächte einnahmen, als durch die Haltung Österreichs. Frankreich war durch den Versailler Vertrag mit Österreich verbündet: hatte es sich mit dem Kaiser ins Einvernehmen gesetzt oder nicht? Hatte dieser<102> den Franzosen Abtretungen in Flandern versprochen, falls sie seiner widerrechtlichen Besitznahme von Bayern zustimmten? Zogen sie der Garantie des Westfälischen Friedens den Versailler Vertrag vor? Kurz, würden sie in den bevorstehenden Wirren neutral bleiben oder Österreich beistehen? Es war von äußerster Wichtigkeit, über all diese Punkte genau Bescheid zu wissen, um sich nicht in ein Unternehmen zu stürzen, dessen Folgen man nicht voraussehen konnte.
Alle diese Fragen wurden nach und nach in Versailles geklärt. Wie man erfuhr, mißbilligte das Ministerium innerlich das Vorgehen der Österreicher, wollte sich aber aus Rücksicht auf die Königin von Frankreich, Maria Theresias Tochter102-1, nicht gegen den Kaiser erklären, doch auch die Garantie des Westfälischen Friedens nicht fallen lassen. Mit anderen Worten: Frankreich wollte neutral bleiben — offenbar eine recht bescheidne Rolle für eine Großmacht, auf die zu Ludwigs XIV. Zeiten das erstaunte Europa die Augen geheftet hatte. Allein diese Haltung war durch vielerlei Gründe gerechtfertigt. Frankreich seufzte unter der ungeheuren Schuldenlast, die, wenn sie noch vergrößert wurde, den Staatsbankrott herbeiführen mußte; Maurepas war alt und dem sechzehnten Lustrum nahe102-2; der französischen Nation widerstrebte ein Krieg in Deutschland um so mehr, als sich die französischen Waffen in ihren letzten Feldzügen gegen die Alliierten unter Prinz Ferdinand von Braunschweig wenig mit Ruhm bedeckt hatten. Schließlich war Frankreich durch sein Bündnis mit den englischen Kolonien in Amerika102-3 gezwungen, deren Unabhängigkeit zu wahren, und das in einem Augenblick, wo es beschlossen hatte, England zur See zu bekriegen102-4. Zur Ausrüstung so vieler Schisse wurde auf allen Werften gearbeitet; hatte doch England durch einen Geheimartikel des letzten Friedens von 1763 die französische Flotte auf zwölf Linienschiffe beschränkt. Nun waren sechzig neue im Bau. Alles Geld, das man mit Mühe und Not aufbringen konnte, wurde für die Flotte bestimmt, und für andere Zwecke blieb nichts übrig.
Trotz dieses Zustands der Ohnmacht sah das französische Ministerium den kecken und verwegenen Anlauf des jungen Kaisers zum Despotismus mit Verdruß. Er schuf sich in Bayern einen Zugangsweg zu Elsaß und Lothringen; zugleich bahnte er sich einen Weg nach der Lombardei, ein Anschlag, dessen böse Folgen der König von Sardinien befürchtete, weshalb dieser denn auch in Frankreich laute Klagen erhob. Alle diese verschiedenen Perspektiven, alle diese Motive zusammen stimmten das Versailler Ministerium für den König von Preußen günstig: war es ihm doch sehr erwünscht, daß irgend eine Macht dem schrankenlosen Ehrgeiz des jungen Kaisers entgegentrat. Wurde ihm nicht im Beginn seines Unternehmens Einhalt geboten, so konnte er in seinen Vergrößerungsplänen sehr weit gehen. Frankreich verblieb also in einer Art von Apathie und sah zugleich die beiden mächtigsten Fürsten Deutschlands sich gegenseitig Abbruch tun.
<103>Das war die Haltung des Versailler Hofes, auf die man rechnen konnte. Nun galt es noch, die Absichten und die Gesinnung des Petersburger Hofes zu ergründen. Die Zarin war mit dem König von Preußen verbündet, stand aber dicht vor einem neuen Krieg mit der Pforte103-1, der ihr die Hände binden mußte, da er ihr die Mittel nahm, ihren Verpflichtungen gegen Preußen nachzukommen. Es war leicht vorauszusehen, daß die Österreicher List und Trug und Bestechung anwenden würden, um den Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen Russen und Türken zu beschleunigen. Durch diese Diversion beschäftigten sie den Petersburger Hof anderswo und hinderten ihn, Preußen Hilfe zu leisten. Dadurch erhielten also die weitschauenden Pläne des Kaisers freie Bahn.
Für Preußen lag viel daran, dem Wiener Hofe zuvorzukommen und das österreichische Ränkespiel in Konstantinopel zu durchkreuzen. Zu diesem Zweck bat der König Frankreich, sich bei der Pforte zu verwenden. Der Versailler Hof ging darauf ein, und man wird im folgenden sehen, daß seine Bemühungen nicht vergeblich waren. Die französischen Verhandlungen wurden durch eine schreckliche Epidemie unterstützt: die Pest brach bösartiger denn je in Konsiantinopel aus und richtete dort furchtbare Verheerungen an. Sie drang sogar in den Serail ein und nötigte den Großherrn103-2, in eins seiner Lustschlösser in der Nähe der Hauptstadt zu flüchten. Diese allgemeine Not flößte den Türken friedlichere Gesinnungen ein und dämpfte den unruhigen, abenteuerlustigen Geist des Großadmirals der Flotte, Ghasi Hassan Pascha, der am heftigsten zum Kriege gegen Rußland drängte. Dadurch wurde der Weg für die Friedensvorstellungen der Franzosen geebnet.
Diese verschiedenen Maßregeln beseitigten zwar viele Hindernisse, es blieben aber noch andere hinwegzuräumen, um sich völlig freie Bahn zu schaffen. Diese Schwierigleiten kamen von den russischen Ministern, die über die deutschen Verhältnisse wenig oder garnicht Bescheid wußten. So sehr sich auch Peter der Große und seine Nachfolgerinnen bemüht haben, das weite russische Reich zu kultivieren, die Aufklärung hatte sich dort doch bei weitem nicht so verbreitet wie im übrigen Europa. Die bayerische Erbfolgefrage bedurfte der Kommentierung. Bei der Austragung des Streites handelte es sich um Grundsätze des Völkerrechtes, des Lehnsrechtes, des Gewohnheitsrechtes und um Verträge, die das Recht der Erbfolge feststellten. Die russischen Minister verstanden wenig von diesen Dingen und befanden sich im Zustand hoffnungsloser Unwissenheit, wie der Schulausdruck lautet. Um ihnen die Sachlage begreiflicher zu machen, mußte man also auf die geringfügigsten Einzelheiten eingehen, mußte ihnen klarmachen, worin das Agnatenrecht besieht und weshalb der Vertrag des Kurfürsten von der Pfalz mit dem Kaiser nicht rechtsgültig war: weil nämlich die Zustimmung des Herzogs von Zweibrücken fehlte, ohne die der Kurfürst von der Pfalz kein Recht hatte, den größten Teil seines Erbes derart abzutreten und<104> preiszugeben. Bei all diesen Schriftstücken mußte man auf unendliche Einzelheiten eingehen, wozu dann noch die weite Entfernung trat; beides verschlang Zeit. Gleichwohl ließ sich der Petersburger Hof von dem widerrechtlichen Vorgehen des Kaisers überzeugen und sah ein, daß der, welcher nur das Oberhaupt des Reiches sein sollte, sich anschickte, sein Tyrann zu werden.
Während derart an allen Höfen Europas verhandelt wurde, ersah man in Wien aus den Denkschriften, die Freiherr von Riedesel104-1 im Namen Preußens überreichte, daß die Anschauungen des. Berliner Hofes in der bayrischen Erbfolgefrage den eigenen strikt zuwiderliefen. Nun schöpfte man in Wien Verdacht, und da man mit der Möglichkeit eines offenen Bruches rechnete, beschloß man Anfang März, seine Truppen in Böhmen zusammenzuziehen. Die italienischen, ungarischen und flandrischen Regimenter erhielten Befehl, schleunigst nach Böhmen zu rücken.
Sobald eine so ansehnliche Truppenmacht an der Grenze einer Provinz sich versammelt, gebietet das Staatswohl, sich gleichfalls zu rüsten, will man sich von seinem Nachbarn nicht Gesetze vorschreiben lassen. Aus diesem Grunde machte der König seine Truppen mobil, um zwei Armeen von je 80 000 Mann aufzustellen. Die eine unter Prinz Heinrich sollte sich bei Berlin versammeln, um sich rasch mit den Sachsen vereinigen zu können104-2, falls der Kaiser einen Einfall in Sachsen versuchte. Die andere, die der König selbst führen wollte, hatte ihren Sammelpunkt in Schlesien.
Der König verließ Berlin am 6. April und begab sich über Breslau nach Frankem stein, wo die schlesischen Truppen am selben Tage eintrafen. Es waren 30 000 Mann, die zur Defensive dienen sollten, bis die Truppen aus Preußen, Pommern und der Kurmark heran waren. Zu dem Zweck ward ein verschanztes Lager in der Grafschaft Glatz auf den Höhen von Pischkowitz bezogen. Die Linke wurde von den Geschützen der Festung Glatz flankiert und durch das Flüßchen Steine gedeckt, durch das mit Hilft einer Schleuse eine Überschwemmung hergestellt war.
Während dieser Vorbereitungen traf ein kaiserlicher Kurier mit einem Schreiben für den König ein. Es enthielt allerlei Gemeinplätze über den Wunsch, Frieden zu halten und sich besser zu verständigen. Der König beantwortete es mit aller gebührenden Höflichkeit und stellte dem Kaiser vor, es läge nur an ihm, den Frieden zu erhalten, indem er seine Ansprüche auf Bayern einschränke. Seine Mäßigung werde ihm mehr Ehre machen als die glänzendsten Eroberungen. Bald kehrte der Kurier mit einem zweiten Schreiben zurück, worin der Kaiser seine Ansprüche zu rechtfertigen suchte. Man widerlegte ihn mit Beweisgründen aus dem Lehnsrecht, Familienverträgen und dem Westfälischen Frieden. Schließlich kam noch ein dritter Kurier. Der Kaiser schien zum Nachgeben gewillt und schlug eine Unterhandlung vor, die dem Wiener Gesandten in Berlin, Graf Cobenzl, übertragen werden sollte. Der<105> König begriff, daß der Kaiser Zeit gewinnen wollte, um alle seine Truppen in Böhmen zusammenzuziehen, alle Stellungen zu befestigen, die er besetzen wollte, und die Artillerie-, Bagage- und Trainpferde aufzubringen, die seiner Armee noch fehlten. Da es jedoch darauf ankam, sich maßvoll zu zeigen, um Frankreich und Rußland nicht vor den Kopf zu stoßen, willigte der König in diese Unterhandlung105-1, obgleich ihr Ausgang leicht vorauszusehen war.
Die Österreicher brachten alle ihre schlechten Beweise vor, die von öen preußischen Ministern siegreich widerlegt wurden. Trotzdem wollte der Wiener Hof nicht im mindesten von seinen Eroberungsplänen abstehen. Um schließlich diesem unfruchtbaren Wortgefecht ein Ende zu machen, stellte man den Österreichern ein. Ultimatum: falls sie sich nicht bereit erklärten, den größten Teil Bayerns an den Kurfürsten von der Pfalz zurückzugeben, sollte diese Weigerung als Kriegserklärung aufgefaßt werden.
Das gerade wünschte der Kaiser. Er wollte sich von seiner Mutter, der Kaiserin, unabhängig machen durch den Oberbefehl über die Heere und den Glanz seiner Ruhmestaten, die er sich versprach. Indessen hat sich im Verlauf der Ereignisse gezeigt, daß seine Kombinationen keineswegs zutrafen. Er war verhaßt beim Adel, der ihm Unterdrückungsgelüste zuschrieb, und gefürchtet von den Geistlichen, die mehr an ihren Gütern hängen als an der Religion, die sie lehren, und die ihre beträchtlichen Einkünfte zu verlieren fürchteten. Auch die Armee liebte ihn nicht. Er hatte sich das Herz der Offiziere und Soldaten durch seine übermäßige Lebhaftigkeit und Heftigkeit entfremdet, die ihm mehr das Wesen eines Wahnwitzigen als eines vernünftigen Menschen gab. Solcher Art war der Fürst, dem der König den Krieg erklärte.
Seit dem 4. Mai waren die Armeen in Schlesien und Sachsen schlagfertig. Die Verhandlungen in Berlin wurden am 4. Juli abgebrochen, und am 5. setzten sich alle Truppen in Marsch. Zur besseren Verschleierung ihrer Absichten kantonnierte die schlesische Armee in winkelförmiger Stellung zwischen Reichenbach, Frankenstein und Neiße. Aus dieser Stellung konnte der Feind unmöglich erraten, ob die Truppen des Königs sich nach Mähren oder Böhmen wenden würden. Von der kaiserlichen Armee standen 30 000 Mann in Mähren unter dem Prinzen von Teschen105-2. Dies Korps hatte sich an der Mohra bei Heidenpiltsch verschanzt, um Olmütz zu decken. Die Armee des Kaisers stand hinter der Elbe in uneinnehmbaren Verschanzungen von Königgrätz bis zu dem Städtchen Arnau. Feldmarschall Laudon hatte mit 40 bis 50 000 Mann die Stellungen bei Reichenberg, Gabel und Schluckenau nach der Lausitz hin besetzt. Sein Gros stand zwischen Leitmeritz, Lobositz, Dux und Teplitz.
Der Feldzugsplan, den der König entworfen hatte105-3, war grundverschieden von dem, den er ausführen mußte. Er wollte den Krieg nach Mähren tragen, etwa 20 000 Mann<106> zur Deckung der Grafschaft Glatz und der Landeshuter Pässe zurücklassen, die Stellung bei Heidenpiltsch umgehen, was wohl ausführbar war, den Österreichern eine Schlacht liefern und, wenn er gesiegt hatte, ein Detachement von 20 000 Mann jenseits der March geradenwegs aufPreßburg schicken, das die dortige Donaubrücke besetzen, den Kaiserlichen jede Zufuhr aus Ungarn abschneiden und von Preßburg aus Streift züge gegen Wien unternehmen sollte. Dadurch hätte man den Hof gezwungen, zur Deckung der Hauptstadt und zur eigenen Sicherung einen Teil seiner Truppen über die Donau zurückzuziehen. Diese Schwächung der Armeen in Böhmen hätte dem Prinzen Heinrich freie Hand gegeben und alle Operationen seiner Armee erleichtert.
So aussichtsreich der Plan aber auch war, der König mußte ihn fallen lassen, und zwar aus folgenden Gründen. Erstens ließen die Österreicher nur gegen 10 000 Mann in Währen. Der Rest unter dem Prinzen von Teschen stieß zum Kaiser bei Jaromircz. Daraus ergab sich: fiel der König mit 60 000 Mann in Mähren ein, so hätte die ganze Armee des Kaisers, die sich auf 80 000 Mann belief, eine Diversion nach Niederschlesien versucht, gegen die die Truppen unter General Wunsch106-1 bei ihrer viel zu geringen Zahl machtlos gewesen wären. Die Folge wäre gewesen, daß der König die Offensive in Oberschlesien hätte aufgeben und zur Verteidigung der Grafschaft Glatz oder der Landeshuter Berge herbeieilen müssen.
Der zweite und der Hauptgrund für den Einmarsch in Böhmen war dieser: Der Kurfürst von Sachsen fürchtete, die Österreicher möchten in seine Staaten einfallen und Dresden nehmen, bevor die Preußen ihm zu Hilfe eilen konnten. Auch Prinz Heinrich dachte fast ebenso. An der Ausführung dieses Planes mußte man den Kaiser hindern, falls er ihn wirklich vorhatte; denn sonst wäre der Kurfürst von Sachsen niedergeworfen und vielleicht gezwungen worden, zur Gegenpartei überzutreten. Mindestens aber hätte man den Kriegsschauplatz, statt nach Böhmen, ungeschickterweise nach Sachsen verlegt.
Der König mußte also mit seinen Hauptkräften in Böhmen eindringen, um dem Kaiser entgegenzutreten und ihn zu hindern, Verstärkungen an Feldmarschall Laudon zu schicken, der ohne sie zu schwach war, den Unternehmungen des Prinzen Heinrich Widerstand zu leisten. Andrerseits jedoch konnte man Oberschlesien nicht entblößen und mußte auch General Elrichshausen, der im Lager von Heidenpiltsch hinter der Mohra stand, Truppen entgegenstellen. Dazu wurden Stutterheim106-2 und Werner106-3 mit etwa 10 000 Mann bestimmt.
Folgendermaßen wurde der Plan gegen Böhmen ausgeführt. Die schlesische Armee rückte in die Grafschaft Glatz ein; die Avantgarde besetzte die wichtige Stellung auf dem Ratschenberg, von wo sie auf Nachod marschierte; die Armee folgte der Avantgarde. Am 7. Juli unternahm der König eine Rekognoszierung mit 50 Schwadronen Dragoner und Husaren.
<107>Um sich von der Stellung des Feindes einen deutlichen Begriff zu machen, muß man wissen, daß die Österreicher die Stadt Königgrätz so weit befestigt hatten, daß sie sich im Fall einer Belagerung wenigstens einige Wochen lang halten konnte. Am meisten trug dazu der Zusammenfluß der Elbe und Adler bei, mit dessen Hilfe schwer abzulassende Überschwemmungen hergestellt waren. Die Stadt bildete den Stützpunkt für den rechten Flügel der Lagerstellung. Aufdem anderen Elbufer bei Königgrätz lagerte ein Grenadierkorps nebst Kavallerie in Verschanzungen, die mehr einer Festung als einer Feldbefestigung glichen. Von Semonitz bis Schurz zog sich ein anderes Korps von etwa 30 000 Mann, gedeckt durch 8 Fuß tiefe und 16 Fuß breite Gräben, die stark verpalisadiert und mit Sturmpfählen versehen, außerdem noch mit spanischen Reitern umgeben waren, die die einzelnen Verschanzungen verbanden. Weiterhin erhoben sich die Höhenzüge von Kukus, die das diesseitige Elbufer beherrschen und sich in langer Flucht über Königinhof bis nach Arnau hindehnen. Dort endet die Bergkette bei Hohenelbe und geht in das Riesengebirge über. Alle Elbübergänge waren durch dreifache Redouten verteidigt. Auf den bewaldeten Berggipfeln hatte der Feind Baumverhaue angelegt; dahinter kampierte eine Reserve von 40 Bataillonen, die rasch zur Hilfe eilen konnte, wo immer die Preußen.so verwegen gewesen wären, einen Angriff zu wagen, vorausgesetzt, daß es ihnen gelungen wäre, nach und nach die zahlreichen Redouten und Befestigungen mit ihren 1500 Geschützen zu stürmen. Die Hauptschwierigkeit aber, die zu allen anderen hinzutrat und<108> den Elbübergang völlig unmöglich machte, war diese: das Flußbett ist von Jaromircz bis zum Hochgebirge auf beiden Ufern von 12 und mehr Fuß hohen Felsrändern eingefaßt, die man nur auf den vorhandenen Brücken überschreiten kann. Und gerade dort verbot eine verschwenderische Fülle von Befestigungen jedes Vordringen.
So gewaltig der Eindruck dieser furchtgebietenden Lagersiellung war, in den ersten Tagen hoffte man doch, durch Geschicklichkeit zu erreichen, was mit Gewalt nicht auszurichten war. Der Plan ging dahin, den zwischen Iaromircz und Schurz lagernden Heeresteilen ein Korps entgegenzustellen, das sie in Schach zu halten vermochte und zugleich Scheinangriffe einerseits auf das Dorf Hermanitz, andrerseits auf Königinhof machen sollte. Unterdes sollte das Gros der Armee sich unbemerkt durch das Silvatal ziehen, nachts bei dem Dorfe Werdet über die Elbe gehen und die Straße nach Prausnitz einschlagen, um die Höhen von Switschin zu erreichen, die die ganze Gegend, ja selbst die feindliche Lagersiellung beherrschten. Hätten die Preußen sich dort festzusetzen vermocht, so schnitten sie den rechten Flügel der Kaiserlichen vom linken ab und zwangen sie zur Schlacht unter ungünstigen Verhältnissen oder zu einem noch schimpflicheren Rückzuge. Auf Grund dieses Planes lagerte der König bei Wölsdorf mit nur 25 Bataillonen und so Schwadronen, die die Bewegungen der Hauptarmee verschleiern sollten. Diese blieb in der Stellung bei Nachod, von wo es leichter war, sie nach rechts oder links von dieser Avantgarde zu dirigieren.
Um sicher zu sein, ob der genannte Plan auch ausführbar war oder ob er verworfen werden mußte, bedurfte es genauesier Erkundung der feindlichen Stellung. Diese Rekognoszierung fand unter allerhand Scheingründen statt. Bald wurde eines der feindlichen Quartiere beunruhigt, bald plänkelte man mit den österreichischen Vorposten; am Häufigsten fouragierte man unter ihren Kanonen. Dank den verschiedenen Gelegenheiten, die dieser Kleinkrieg bot, entdeckte man, als man sich KöniginHof und dem Dorfe Werdet näherte, bei Prausnitz ein festes Lager von etwa 7 Bataillonen und dahinter, auf dem Gipfel des Switschinberges, eine Abteilung von etwa 4 Bataillonen. Diese Vorsichtsmaßregeln des Feindes bildeten unüberwindliche Hindernisse für das geplante Unternehmen. Der König mußte also darauf verzichten und sich etwas anderes ausdenken.
Die Verteilung der Truppen war gut, solange der erste Plan sich ausführen ließ. Auf die Dauer konnte sie falsch werden, wenn man sich damit begnügte, den gesamten Kräften des Kaisers ein so schwaches Korps entgegenzustellen. Die Aufstellung der Armee wurde also verändert: 40 Bataillone bezogen das Lager bei Wölsdorf; Generalleutnant Bülow108-1 wurde mit einigen Bataillonen und 30 Schwadronen nach Smirschitz geschickt, General Falkenhayn108-2 in das Defilee von Chwalkowitz hinter die Armee, General Wunsch mit 20 Bataillonen nach Nachod zur Deckung der<109> Zufuhr und General Anhalt109-1 mit 12 Bataillonen und 20 Schwadronen ganz rechts von der Armee nach Pilnikau, gegenüber von Arnau und Neuschloß.: Doch war seine Verbindung mit dem Gros durch den Silvawald gesichert, wo die Preußen Postierungen stehen hatten.
Während dieser Truppenbewegungen in Böhmen war die Armee des Kaisers völlig mit sich selbst beschäftigt. Die Furcht, von Stunde zu Stunde angegriffen zu werden, ließ garnicht den Gedanken aufkommen, Verstärkungen an Feldmarschall Laudon zu schicken; So erreichte Prinz Heinrich Dresden ohne jeden Widerstand. Von dort trieb er Detachements nach Böhmen vor, und zwar am linken Elbufer, rückte aber selbst ziemlich schnell, wenn auch unter großen Schwierigkeiten, nach der Lausitz, während General Platen109-2 mit etwa 20 000 Mann zur Deckung Dresdens zurückblieb. Nachdem 18 000 Sachsen zu seinen Truppen gestoßen waren, drang Prinz Heinrich in mehreren Kolonnen in Böhmen ein. Diese umgingen und attackierten die feindlichen Detachements in Schluckenau, Numburg und Gabel, vertrieben sie und nahmen ihnen 1 500 Mann nebst 6 Kanonen ab. Prinz Heinrich ließ rings um Gabel Verschanzungen aufwerfen, mit deren Verteidigung die Sachsen betraut wurden. Mit dem Gros der Armee rückte er nach Niemes, wo er eine starke Lagerstellung bezog (9. August).
Die Kaiserlichen waren auf diesen Streich nicht gefaßt: er warf alle ihre Verteidigungspläne über den Haufen. Überstürzt verließ Feldmarschall Laudon die Stellung bei Aussig und Dux und, was noch mehr überraschen muß, seine Befestigungen von Leitmeritz nebst dem dortigen Magazin. Flugs benutzte General Platen diesen Fehler. Er nahm Leitmeritz, rückte auf Budin an die Eger und schob seine Avantgarde bis Welwarn vor, das nur 3 Meilen von Prag entfernt liegt. Schrecken und Bestürzung verbreiteten sich in der ganzen Stadt; der hohe Adel, der sich dort hinbegeben hatte, ergriff die Flucht, und Prag blieb tagelang wie verödet. Nachdem Feldmarschall Laudon, wie berichtet, das ganze linke Elbufer aufgegeben hatte, fühlte er sich erst in Münchengrätz, bei Junng-Bunzlau, wieder sicher. Da die Feinde alles für die Armee des Kaisers befürchten mußten, über die Prinz Heinrich herfallen konnte, wenn er gewollt hätte, so besetzte Laudon den ganzen Lauf der Iser, die zwischen Felsen oder zwischen Sümpfen dahinfließt, mit starken Detachements. In Oberschlesien hatten die Preußen zwei kaiserliche Dragonerregimenter in ihrem Lager bei Heidenpiltsch überrumpelt und fast gänzlich vernichtet.
Unter diesen Umständen, wo der Krieg entschieden war, wo die Preußen schon einige Erfolge errungen hatten und in Böhmen vier große Armeen gegeneinander operierten, trifft in Wölsdorf ein Fremder ein, der sich als Sekretär des russischen Gesandten in Wien, Prinz Galizin, ausgibt und den König sprechen will (16. Juli).<110> Dieser angebliche Sekretär war Thugut, der frühere österreichische Gesandte in Konstantinopel. Er überbrachte einen Brief der Kaiserin-Königin an den König110-1. Wir geben nur seinen Inhalt wieder. Die Kaiserin drückte ihren Kummer über die entstandenen Zwistigkeiten und Wirren aus, ihre Besorgnis um die Person des Kaisers, den Wunsch, einen Mittelweg zur gegenseitigen Versöhnung zu finden, und bat den König um eine Aussprache über diese verschiedenen Punkte. Daraufhin ergriff Thugut das Wort und sagte zum König, eine Verständigung wäre leicht, wenn man ehrlich zu Werke ginge. Die Absicht der Österreicher war, den König durch vorteilhafte Angebote zu bestechen, damit er von der Unterstützung des Kurfürsten von der Pfalz Abstand nahm. Zu dem Zwecke versicherte Thugut, sein Hof würde sich nicht nur der etwaigen Erbfolge des Königs in den Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth110-2 nicht widersetzen, sondern böte Preußen auch seinen Beistand zum Austausch dieser Markgrafschaften gegen Grenzländer Brandenburgs, wie die Lausitz oder Mecklenburg, an, falls er glaube, daß dies in seinem Vorteil liege.
Der König entgegnete Thugut, sein Hof vermische Dinge miteinander, die in keinem Zusammenhang stünden, nämlich sein rechtmäßiges und unbestreitbares Erbfolgerecht auf Ansbach und Bayreuth mit der widerrechtlichen Eroberung Bayerns und den Vorteil seiner Staaten mit dem Reichsinteresse, das er verträte. Wolle man sich verständigen, so müßte der Wiener Hof unbedingt auf einen Teil von Bayern verzichten, und es müßten Vorkehrungen dagegen getroffen werden, damit nicht in Zukunft Akte eines so gewalttätigen Despotismus die Ruhe des Deutschen Reiches und seine Grundfesten erschütterten. Was aber jene Erbfolge beträfe, so sei er weit entfernt, irgend einen Fürsten zum Austausch seiner Staaten gegen Ansbach und Bayreuth zu zwingen; wenn ein solcher Tausch stattfände, müßte es aus freien Stücken geschehen.
Der König fügte hinzu: Da diese Verhandlungen nur mündlich stattfänden, st wolle er der Kaiserin offenbare Beweise seiner friedlichen Gesinnung geben, indem er einige Hauptartikel aufsetze, die als Grundlage zu dem beabsichtigten Vertrage dienen könnten. Thugut erbot sich zum Sekretär, aber der König, der weder seinem Stil noch seinen Absichten traute, brachte sie selbst zu Papier. Sicherlich hätte die Kaiserin-Königin mit ihrer Annahme viel gewonnen. Der russische Hof hatte sie noch nicht erklärt; Frankreich riet Österreich zum Frieden; allein seine Ratschläge machten wenig Eindruck auf den feurigen, heftigen Charakter des jungen Kaisers und den. herrischen Fürsten Kaunitz.
Nachfolgend der Inhalt dieses Vorschlages. Die Kaiserin sollte Bayern an den Kurfürsten von der Pfalz herausgeben, mit Ausnahme von Burghausen, den Sati-nen110-3 und einem Teil der Oberpfalz. Die Donau sollte frei bleiben und die Blockade von Regensburg, die durch die Besetzung von Stadtamhof110-4 erfolgt sei, aufgehoben<111> werden. Die Erbfolge in Bayern sollte den rechtmäßigen Erben gesichert werden. Der Kurfürst von Sachsen sollte vom Pfälzer eine Geldentschädigung für den Allodialbesitz erhalten und der Wiener Hof ihm seine vorgeblichen Rechte auf alle in Sachsen liegenden Lehen abtreten. Der Herzog von Mecklenburg sollte als Entschädigung für seine Ansprüche in Bayern irgend ein erledigtes Reichslehen erhalten. Der Wiener Hof sollte dem König von Preußen keine Schwierigkeiten wegen seiner Erbfolge in Ansbach und Bayreuth mehr machen; Frankreich und Rußland und das Reich sollten den Vertrag garantieren.
Mit diesem Schriftstücke reiste Thugut nach Wien und kehrte danach mit einem Haufen heimtückischer Vorschläge zurück, mit denen Fürst Kaunitz ihn ausgestattet hatte (10. August), An der Gestalt, die die Verhandlung annahm, merkte der König, daß sie nicht zum Ziele führen konnte. Außerdem paßte es ihm nicht, mit einem Manne vom Schlage Thuguts zu verhandeln. Infolgedessen sandte er ihn nach Braunau, wo er seine Arglist vor seinen Ministern Graf Finckenstein und Hertzberg zum besten geben konnte. Sie schickten ihn nach einigen Tagen unverrichteter Dinge nach Wien zurück (15. August). Der ganze Inhalt dieser Unterhandlungen wurde den Ministern in Frankreich und Rußland mitgeteilt, damit sie sich von der selbstlosen Haltung Preußens überzeugten und sich nicht durch die falsche Darstellung irreführen ließen, die ihnen die Wiener Minister geben würden.
Die Kaiserin-Königin wünschte ehrlich den Frieden. Sie kannte den kriegerischen Ehrgeiz ihres Sohnes, des Kaisers, und fürchtete den Verlust oder die Schwächung ihrer Autorität. Allein ihr Minister, Fürst Kaunitz, stand ihr schlecht bei. Mit dem Instinkt eines Höflings schloß er sich lieber an den Kaiser an, dessen Jugend ihm eine glänzendere Perspektive für seine Familie eröffnete, als an die alternde Kaiserin, von der er keine Gnadenbeweise mehr zu erwarten hatte. Es ist nun einmal das Los aller menschlichen Dinge, daß kleine Interessen die größten Fragen entscheiden!
Als der Kaiser von der Unterhandlung Thuguts erfuhr, schäumte er. Er schrieb an seine Mutter, wenn sie Frieden schließen wolle, so kehre er nie nach Wien zurück, sondern werde lieber in Aachen oder sonstwo regieren, als ihr je wieder unter die Augen treten. Die Kaiserin ließ den Großherzog von Toskana111-1 kommen und schicke ihn sofort zur Armee, um seinen Bruder, den Kaiser, zu beschwichtigen und ihm friedlichere Gesinnungen einzuflößen. Der Erfolg dieser Zusammenkunft war ein Bruch zwischen beiden Brüdern, die bis dahin im besten Einvernehmen gelebt hatten.
Die Kriegsbegeisterung des jungen Kaisers kam von den falschen Begriffen, die er sich vom Ruhme gemacht hatte. Er wähnte, es genüge, Lärm in der Well zu machen, Provinzen an sich zu reißen, seine Herrschaft auszudehnen und Heere zu befehligen, um Rühm zu erwerben. Den Wert der Gerechtigkeit, Billigkeit und Be<112>sonnenheit empfand er nicht. So nötig ist es, daß die Herrscher sich von allen Dingen klare Begriffe machen! Ebenso falsch waren seine militärischen Anschauungen. Er meinte, die bloße Anwesenheit des Kaisers beim Heere genüge, damit es reiche Lorbeeren ernte. Die Erfahrung hatte ihn noch nicht lehren können, wieviel Arbeit und Mühe man auf sich nehmen muß, um nur ein kleines Lorbeerreis zu pflücken. Er hatte oft sagen hören, saß ein Heerführer wachsam sein müsse, und so sah er seine Aufgabe darin, fortwährend vom rechten bis zum linken Flügel durch sein Lager zu reiten, ohne je die Verschanzungen zu verlassen, selbst wenn Scharmützel oder Fouragierungen unter seinen Kanonen stattfanden.
Nachdem wir jene Verhandlung und alles, was darauf Bezug hat, berichtet haben, ist es Feit, die Kriegsoperationen der vier Heere wieder aufzunehmen, die einander in Böhmen beobachteten. Die Stellung der kaiserlichen Armee dem König gegenüber von Königgrätz bis Arnau war genau rekognosziert worden. Es blieb nur noch festzustellen, ob jenseits noch Truppen bei Hohenelbe und nach dem Hochgebirge zu standen. General Anhalt, der, wie gesagt112-1, rechts vom preußischen Lager nach den Dörfern Pilnikau und Kottwitz detachiert war, erhielt Befehl, Streifkorps nach Lattgenau vorzuschieben und selbst dorthin zu reiten, um genauen Bericht von den dortigen Verhältnissen zu geben. Er sah zunächst ein befestigtes Lager hinter Neuschloß. Weiterhin fand er nur zwei Bataillone auf den Höhen gelagert, die die Stadt Hohenelbe beherrschen.
Diese genau festgestellte Tatsache diente zur Grundlage für den neuen Plan, den der König faßte, als er die Armee kräftig nach dieser Seite warf. Dort konnte.der Elbübergang erzwungen werden: zwei Bataillone vermochten ihn nicht zu verteidigen. Gelang das Unternehmen, so konnte man sich die glänzendsten Erfolge versprechen, besonders wenn Prinz Heinrich von Niemes über die Iser vorstieß. Reichten sich die beiden preußischen Heere die Hand, so standen sie in Flanke und Rücken der Armee des Kaisers, die sich nur durch eine Schlacht behaupten, oder falls sie ihre weitgedehnten Verschanzungen verlassen mußte, erst hinter den Gitschiner Teichen eine sichere Stellung finden konnte. Ja, selbst diese Stellung war zu umgehen, und dann war sie gezwungen, sich nach Pardubitz zu flüchten, wo sie durch die Bohdanetscher Teiche und den Ablauf gesichert war.
So schön dieser Plan war, seine Ausführung bot große Schwierigkeiten. Erstens konnte man nur durch Hohlwege und Defileen an die Elbe gelangen und mußte auf diesen Wegen eine zahlreiche Artillerie mitschleppen, was äußerst schwer war. Das zweite war die Verproviantierung der Armee. Ging man über die Elbe, so konnte man das Brot nur bis auf 5 Meilen vom Flusse mitführen; ein weiterer Transport hätte sich durch den Pferdemangel verboten. Drittens war es schwer, <113>Prinz Heinrich zum Vormarsch zu bestimmen. Ihm widerstrebte jedes herzhafte Draufgehen, und zudem war seine Gesundheit ziemlich schwach. Alle diese Hindernisse, die sich der König klar machte, bewogen ihn, möglichst sicher zu gehen und seinen Plan sorgfältig geheimzuhalten, ohne ihn indes aufzugeben. Er wollte also sein Lager bei Wölsdorf nicht abbrechen, bevor die ganze Gegend von der Elbe bis zur schlesischen Grenze rein ausfouragiert war, zumal die Österreicher die Einwohner gezwungen hatten, mit ihrem sämtlichen Vieh über die Elbe zu flüchten. Auf diese Weise machte er es den Österreichern wenigstens unmöglich, während des Winters eine bedeutende Heeresmacht an seinen Grenzen zu halten und seine Truppen in ihren Quartieren zu beunruhigen.
Sobald all die Fouragierungen beendet waren, brach der König mit der Armee auf und bezog das Lager von Burkersdorf bei Soor (15. August), wo er vor 33 Jahren einen Sieg über dieselben Feinde davongetragen hatte. Auf österreichischer Seite kam nicht ein Mann aus den Verschanzungen hervor, um seine Armee zu verfolgen. Der Kaiser blieb unbeweglich in seiner alten Stellung hinter der Elbe, sogar ohne die Arrieregarde in dem scheußlichen Defilee von Chwalkowitz zu beunruhigen, durch das ihr Weg führte. Wunsch bezog wieder seine Stellung auf dem Ratschenberg hinter Nachod. Der Prinz von Preußen113-1 besetzte die Stellung bei Soor unfern der bei Pilnikau, wo der Erbprinz von Braunschweig113-2 befehligte. Ein paar Bataillone wurden nach Trautenau, Schatzlar und Landeshut geschickt, um die Zufuhr zu sichern, die von dort den kürzesten Weg zur Armee hatte.
Alle diese Bewegungen riefen keinerlei Veränderung in der Stellung des Feindes hervor, und so glaubte man, den Plan des Königs ausführen zu können. Zu dem Zwecke besetzte der Erbprinz mit seinem Korps die Höhe von Dreihäuser, und der Prinz von Preußen bezog statt dessen mit seinem Detachement die Stellung von Pilnikau, während der König mit 40 Bataillonen beim Dorfe Leopold lagerte (22. August). Derart konnten alle drei Korps, die Verbindung miteinander hielten, sich gegenseitig die Hand reichen, falls eins von ihnen angegriffen wurde. Doch es war Zeit, vorzurücken, um Hohenelbe näherzukommen. Zu dem Zweck besetzte der Erbprinz die Bergkuppen von Schwarzenthal bis Langenau; der König schloß sich links an ihn an und nahm mit seinen Truppen das Gelände von Lauterwasser bis zu einer Höhe zur Linken ein, die gleichfalls besetzt wurde (26. August). Der Prinz von Preußen behielt seine Stellung bei Pilnikau, von wo er einen Scheinangriff auf das feindliche Korps bei Neuschloß machen konnte, indes die Armee den Elbübergang erzwang. Der Prinz zeichnete sich bei verschiedenen Gelegenheiten durch Wachsamkeit und gute Anordnungen aus. Die Reserve wurde nach Wildschütz geschickt, um die Stellung des Prinzen von Preußen zu unterstützen, und die Brigade Luck113-3 erhielt Befehl, die schwer passierbaren Defileen von Hermannseifen, Mohren und Drei<114>Häuser zu besetzen. Sie hatte den Auftrag, das schwere Geschütz und die Haubitzen zur Armee zu schassen, brauchte aber drei Tage, um sie die drei Meilen von Trautenau bis Hermannseifen zu bringen. Die Geschütze mit ihrer großen Spurbreite konnten nicht durch die engen Felspfade hindurch. Sie wurden mit Ungeduld erwartet, kamen aber nicht an.
Der Verlust dieser kostbaren Zeit, die mit fruchtlosen Bemühungen vergeudet wurde, war für die Österreicher so vorteilhaft, daß sie sich mit ihrer ganzen Armee und ihren Geschützen auf den Bergen jenseits von Hohenelbe aufstellen konnten. Damit wurde der ganze Plan hinfällig; denn alles, was man gegen ein schwaches Korps wagen kann, wird tollkühn, wenn man es gegen eine zahlreiche Armee versucht, be-sonders wenn sie sich in einer fast uneinnehmbaren Stellung befindet. Zum Zurück werfen dieser Truppenmacht bedurfte es der Haubitzen, der einzigen Geschützart, die man gegen eine feindliche Höhenstellung gebrauchen kann, und die Haubitzen waren nicht zur Stelle. Ferner mußte man auf Brücken über die Elbe gehen und vor einer breiten Front aufmarschieren, die die Truppen vernichtet hätte, bevor sie sich in Schlachtordnung aufstellen konnten. Dazu kam, daß das Korps Siskovich vorher von den Hängen des Riesengebirges vertrieben werden mußte, sonst wäre es den Angreifern in die Flanke gefallen. Es stand auf dem Wachuraberge; seine Vertreibung war also eine Vorbedingung. Auch mußte Prinz Heinrich bei der Operation mitwirken, indem er im Rücken der kaiserlichen Armee irgend ein Lebenszeichen von sich gab und gegen die nahe Iser vorging; aber er wollte sich zu nichts entschließen.
Wären nicht alle die Hindernisse eingetreten, so ging der Plan, wie gesagt, dahin, Siskovich aus seiner Stellung zu vertreiben, dann 45 schwere Haubitzen Hinter Hohenelbe aufzustellen und von daden Teil des feindlichen Heeres, der unserer Rechten gegenüberstand, zu bombardieren. Hierauf wollte man die Elbe auf einer Furt überschreiten, die man bei einem Mönchskloster entdeckt hatte, und nachdem man den Feind zum Verlassen seiner Stellung genötigt hatte, sich selbst zwischen Branna und Starkenbach aufstellen, in der Flanke der bei Neuschloß lagernden Truppen. Dann aber blieb den Österreichern nur die Wahl: sich dort eilig zusammenzuziehen, um die Preußen in guter Stellung anzugreifen, was jedoch Zeit erforderte, oder den ganzen Ablauf unseren siegreichen Truppen zu überlassen.
Da aber aus allen angeführten Gründen auf diesen kühnen Plan verzichtet werden mußte, so blieb nichts weiter übrig, als die ganze, von den Einwohnern verlassene Gegend rein auszufouragieren und in eine Art von Wüstenei zu verwandeln. Dadurch sicherte man sich ruhige Winterquartiere, die man nur in Schlesien beziehen konnte. Es wurde also wie gewöhnlich fouragiert, stets an den Elbufern und unter den feindlichen Kanonen, ohne daß der Kaiser und seine Truppen das Geringste unternahmen, ja ohne daß ein Mann sich über die Elbe wagte, um zu verhindern, daß vor ihrer Nase den unglücklichen Bauern die Fourage weggenommen wurde.
<115>Das Land war zwar reich, aber bei der großen Truppenzahl, die es ernähren mußte, waren die Erzeugnisse des Bodens sehr bald aufgezehrt. Prinz Heinrich, der mit seiner Fourage sparsam umgehen mußte, meldete dem König, daß sie nur bis Mitte September ausreichte. Beide Heere rückten also ungefähr am gleichen Tage ab. Der König brach sein Lager bei Langenau und Lauterwasser am 8. September ab, Prinz Heinrich das seine bei Niemes zwei Tage später. Dieser ging bei Leitmeritz über die Elbe. Die große Bagage überschritt den Fluß bei Aussig und verlor die Hälfte ihrer Pferde, nicht durch den Feind, sondern aus Mangel an Umsicht und aus Nachlässigkeit. Der Prinz von Bernburg115-1, der die Sachsen unter sich hatte, zog sich auf Mau zurück und bezog eine Stellung auf dem Eckartsberg. Bei der Arrieregarde des Prinzen Heinrich kam es zu einigen Scharmützeln, bei denen die Usedom-Husaren115-2 sich hervortaten. Der Leser wird uns Dank wissen, wenn wir ihm diese kleinen Einzelheiten ersparen. Sie sind ohne Einfluß auf den Gang der großen Ereignisse.
Vorsichtshalber hatte der König zur Erleichterung seines Rückzuges sein schweres Geschütz und die Haubitzen von Hermannseifen nach Wildschütz vorausgesandt. Alle Maßregeln waren so gut getroffen, daß der Feind umsonst versuchte, den Erbprinzen bei Schwarzenthal anzugreifen; er mußte ihn ruhig in sein altes Lager bei Dreihäuser abziehen lassen. Die vom König geführte Kolonne stieß unterwegs auf etwa 20 Kanonen, die in den Defileen von Leopold steckengeblieben waren. Dadurch erfuhr der Marsch der Armee eine Verzögerung. Sofort besetzten die an der Spitze marschierenden Truppen die Höhen und verjagten ohne Mühe ein paar Pandurenund Husarenabteilungen, die von Neuschloß über Arnsdorf gekommen waren, um die Nachhut des Königs zu beunruhigen. Die Geschütze wurden von den Mannschaften bergauf gezogen; ein paar Kanonenschüsse verscheuchten den Feind, und die Armee bezog das Lager bei Wildschütz (8. September). Wie gesagt, besetzte die Reserve die Höhen, und der Prinz von Preußen nahm linkerhand Stellung, sodaß die Armee von Dreihäuser bis Pilnikau und Kottwitz eine fast ununterbrochene Linie bildete.
Alle diese verschiedenen Bewegungen der Preußen machten auf die kaiserliche Armee keinerlei Eindruck. Sie blieb unbeweglich hinter der Elbe stehen, gleich als wäre sie versteinert. Nachdem die ganze Gegend ausfouragiert war, zog sich der König auf Trautenau zurück, und zwar in drei Kolonnen. Nur die eine, die der Erbprinz von Braunschweig führte, wurde auf dem Marsche belästigt. Er machte kehrt und griff den Feind seinerseits an. Dieser befürchtete ein ernstliches Gefecht und zog sich unter Verlust von ein paar Hundert Toten und einigen Gefangenen zurück. Danach bezogen die Preußen ihr Lager, das Korps des Erbprinzen rechts auf den Höhen bei Freyheit, das des Prinzen von Preußen links auf den Hügeln der Trautenauer Kapelle. Wurmser, der mit einem Haufen leichter Truppen bei Prausnitz stand, ver<116>suchte verschiedentlich, die Stellung des Prinzen von Preußen anzugreifen, wurde aber jedesmal zurückgeschlagen, dank den guten Anordnungen und der Tatkraft des Prinzen. Sein Benehmen hätte jedem anderen Offizier, der es ebenso gemacht hätte, zur Ehre gereicht.
Da die Preußen gegen die Kaiserlichen nichts auszurichten vermochten, blieb ihnen nichts übrig, als die Lebensmittel in allen erreichbaren Gegenden zu verzehren und weiterzuziehen, sobald alles aufgegessen war. Zur Sicherung ihrer Bewegungen wurde alle Vorsicht und nötige Klugheit angewandt. Die Höhen hinter der Aupa wurden mit Infanterie und Kanonen besetzt; die vorgeschobenen Abteilungen zogen sich auf die Armee zurück, und der Rückzug fand in solcher Ordnung statt, daß der Feind der Arrieregarde nichts anhaben konnte. Mit Ausnahme eines leichten Pandurengefechts wurden die Truppen auf ihrem Marsche nirgends behelligt. Sie rückten bis Trautenau, wo ein paar Tage Rast gemacht wurde. Von da zog sich die Armee auf Schatzlar zurück (21. September), eine Stellung, die ganz Niederschlesien deckt. Wurmser wollte an jenem Tage ein Arrieregardengefecht herbeiführen. Sei es nun Übereilung oder Unwissenheit, er wartete mit seinem Angriff nicht, bis die Preußen sich in Marsch gesetzt hatten, sondern begann mit unserem linken Flügel einen Stellungskampf. Die Brigade Keller116-1, die eine Anhöhe auf der äußersten Linken<117> besetzt hielt, wehrte sich tapfer und wies den Feind mit einem Verluste von 400 Mann zurück. Darauf rückten die Truppen nach ihrem Bestimmungsort ab.
Der Erbprinz verließ Schatzlar mit 10 Bataillonen; in Münsterberg fließen dronen von der Armee des Königs zu ihm, mit denen er nach Oberschlesien marschierte. Dort übernahm er den Befehl über sämtliche schlesische Truppen. Gegen Ende September langte er in Troppau an. Die Verstärkung, die er nach Oberschlesien führte, war so berechnet, daß sie ein etwa gleich starkes Detachement aufwog, das der Kaiser Elrichshausen zuschickte. Dieses hätte den Österreichern ein allzu großes Übergewicht über Stutterheim gegeben, wäre dem nicht rechtzeitig vorgebeugt worden.
Der Feldzug hatte einen raschen Abschluß gefunden. Es war erst Ende September und die Jahreszeit für die militärischen Operationen keineswegs abgelaufen. Man mußte also voraussetzen, daß der Feind es dabei nicht bewenden lassen würde, sondern daß er nach der strikten Defensive, die er während des Feldzuges beobachtet hatte, noch irgend etwas im Schilde führte und wohl gar einen Winterfeldzug plante. Für einen österreichischen Einfall kamen zwei Hauptangriffspunkte in Betracht, erstens ein kraftvoller Angriff gegen den Erbprinzen und zweitens ein Vorstoß durch die Lausitzer Pässe. Der Umstand, daß an der Spitze der Heere ein junger, ehrgeiziger Kaiser stand, der darauf brannte, sich durch irgend einen glänzenden Schlag hervorzutun, schien die ihm zugemuteten Pläne zu rechtfertigen und erforderte jedenfalls reifliche Überlegung. Die etwaigen Pläne des Feindes gegen Oberschlesien schienen am leichtesten durchführbar. Er hatte große Magazine in Olmütz und konnte seinen Proviant bequem transportieren. Außerdem brauchte er die Preußen nur aus Troppau zu vertreiben, um sie zum Verlassen der Oppa und zum Rückzug auf Kosel und Neiße zu zwingen. Schwieriger war es, in die Lausitz einzudringen. Dort standen 20 000 Mann unter dem Prinzen von Bernburg; die Kaiserlichen hatten in der Nähe der Lausitz keine Magazine; in der Gegend von Schluckenau, Gabel, Rumburg und Friedland waren die Lebensmittel spärlich, sodaß es dem Feinde schwergefallen wäre, Vorräte genug zur Verpflegung einer größeren Truppenmacht aufzuspeichern. Immerhin konnte er, da ihm alles Fuhrwerk in Böhmen zur Verfügung stand, mit derzeit und mit großen Kosten Magazine in jener Gegend errichten, um sich auf einen Einfall vorzubereiten, der jedoch wegen der befestigten Stellung auf dem Eckartsberge große Schwierigkeiten gehabt hätte.
Je weniger klar man sich über die Absichten des Feindes war, um so mehr mußte man für alle Fälle gerüstet sein. Daher wurde Bosse117-1 mit 10 Schwadronen und 5 Bataillonen nach Löwenberg und Greiffenberg detachiert, mit dem Befehl, General d'Alton zu beobachten, der Friedland und Gabel besetzt hielt, und falls der Feind mit dem Prinzen von Bernburg anbinden wollte, ihm in den Rücken zu fallen, über<118>dies in allem mit dem Prinzen gemeinsam zu handeln. Andrerseits schickte Prinz Heinrich, der bei Nollendorf lagerte, ein Qetachement unter General Möllendorff118-1 nach Bautzen, das zum Prinzen von Bernburg stoßen sollte, falls die Österreicher ihn umgingen. Machte der Feind dabei ernstliche Anstrengungen und versuchte er, mit einem Teil seiner Armee in die Lausitz einzudringen, so sollte Möllendorff mit 20 Bataillonen und 30 Schwadronen auf Lauban marschieren, um den Angreifern die Zufuhr abzuschneiden. Als Möllendorff Böhmen verließ, um nach Bautzen zu marschieren, wurde er von den Österreichern angegriffen, warf sie aber mit beträchtlichen Verlusten zurück. Major Anhalt118-2, der unter Möllendorff diente, zeichnete sich bei diesem kleinen Gefecht sehr aus.
Solange es unbestimmt war, was die Feinde beginnen würden, blieb der König in Schatzlar. Sobald sich aber zeigte, daß sie nach der Lausitzer Grenze hin keinerlei Vorbereitungen zur Anlage von Magazinen trafen, ja daß die kaiserlichen Truppen dort schwächer waren als die preußischen, war es sehr wahrscheinlich, daß auf dieser Seite im Winter Ruhe herrschen würde. Nun konnte der König seine ganze Aufmerksamkeit ungestört auf Oberschlesien richten. Übrigens begann es im böhmischen Gebirge schon empfindlich kalt zu werden, und es fror alle Nächte. Die Österreicher hatten keine größeren Streitkräfte in der Gegend. Alle diese Gründe schienen hinreichend, um das Lager abzubrechen und die zur Verteidigung der Grenze bestimmten Truppen in Kantonnementsquartiere zu legen. Sie wurden in einer Stärke von 20 Bataillonen und 30 Schwadronen unter General Ramin118-3 zwischen Landeshut, Grüssau, Hirschberg, Schmiedeberg und Friedland verteilt, in den gleichen Stellungen, die der König 1759 besetzt hatte118-4.
Außerdem rückten 16 Bataillone und 15 Schwadronen nach Oberschlesien. Der König stieß in Neiße zu ihnen (18. Oktober), setzte sich an ihre Spitze und marschierte nach Neustadt, und zwar aus folgenden Gründen:
1. um den Krieg nach Mähren zu tragen, wie er stets gewollt hatte;
2. weil der Erbprinz Troppau besetzt hielt;
3. weil die Feinde Iägerndorf hatten und ihn von dort aus von Neiße und Kosel abschneiden konnten.
Man mußte also notwendig Jägerndorf besetzen, um durch die dortige Stellung die Postenkette der Winterquartiere hinter der Oppa zu sichern. Ferner mußte man in Oberschlesien festen Fuß fassen, um im nächsten Frühjahr mit Nachdruck gegen Mähren operieren zu können. Die Truppen des Königs vertrieben die Österreicher ohne Mühe aus Jägerndorf; dann wurden die Stadt, der Kapellenberg und die feindlichen Angriffen am meisten ausgesetzten Dörfer sorgfältig befestigt. Ein Gleiches tat der Erbprinz in Troppau. So wurden beide Städte durch die neuen Verschan<119>zungen zu festen, vor jedem Angriff geschützten Plätzen. Als die Befestigungsarbeiten gegen Mitte November fast vollendet waren, begab sich der König nach Breslau, teils um die Vorbereitungen für den nächsten Feldzug zu treffen, teils um über die Unterhandlungen zu wachen, die eine recht interessante Wendung anzunehmen begannen.
Wir wollten die Darstellung des an großen Ereignissen armen Feldzuges nicht unterbrechen, glauben nun aber den Faden der politischen Geschäfte wieder aufnehmen zu müssen.
Das größte Interesse beanspruchte der Petersburger Hof; denn von ihm allein war wirkliche Hilfe zu erwarten. Katharina II. hatte sich verpflichtet, dem König Beistand zu leisten, sobald ihre Zwistigkeiten mit der Pforte beigelegt wären. Da der König die Zarin in die Lage bringen wollte, ihre Zusage zu erfüllen, so hatte er sich, dank dem guten Einvernehmen, das sich zwischen Frankreich und Preußen anbahnte, an das Versailler Ministerium gewandt und um Vermittlung zwischen den Russen und Türken gebeten119-1. Es war den Franzosen auch gelungen, die Pforte zum Vergleich mit ihren Feinden zu bewegen. Sie willigte darein, die russischen Schiffe freizugeben, die sie in den Dardanellen beschlagnahmt hatte, und den von Katharina begünstigten Tartaren-Khan anzuerkennen. Kaum war diese Nachricht in Petersburg eingetroffen, so war die Zarin über den Frieden in ihrem Reiche beruhigt. Vom Ehrgeiz verlockt, in die deutschen Wirren unmittelbar einzugreifen, trat sie offen für Preußen ein. Ihre Gesandten in Wien und Regensburg119-2 erklärten kurz gefaßt; „Sie bäte die Kaiserin-Königin, den Reichsfürsten volle Genugtuung für ihre Beschwerden zu geben, insbesondere betreffs der gerechten Klagen, die über die widerrechtliche Besetzung Bayerns erhoben würden. Geschähe das nicht, so müßte die Zarin ihren Verpflichtungen gegen den König von Preußen nachkommen und ihm das Hilfskorps schicken, das sie ihm vertragsmäßig zu stellen hätte.“
Diese Erklärung wirkte in Wien wie ein Donnerschlag. Das unerwartete Ereignis störte und verwirrte Fürst Kaunitz, der nichts vorhergesehen hatte, schämte sich, überrascht zusein, und wußte nicht, auf wen er die Schuld abwälzen sollte. Sein Sohn119-3, Gesandter in Petersburg, war jung und unerfahren und hatte mehr dem Vergnügen, als seinen Pflichten obgelegen. Er hatte seinen Hof weder vom Stande der Verhandlungen mit Konsiantinopel noch von der Gesinnung der Zarin gegen den König von Preußen benachrichtigt. Joseph II., der auf die Fortsetzung des Krieges brannte, benutzte die Verwirrung und Bestürzung seiner kaiserlichen Mutter, um ihr die Unterschrift zur Aushebung von 80 000 Rekruten abzupressen. Man müsse, rief er aus, alles ins Werk setzen, alle Hilfsquellen erschöpfen, um das Haus Hsierreich in dieser Entscheidungsstunde furchtgebietender denn je zu<120> machen. Er meinte, wenn die Ausgaben einmal gemacht seien, könnte nichts die Fortdauer des Krieges hemmen; aber die Kaiserin war ganz entgegengesetzter Meinung. Sie sehnte das Ende der Wirren herbei und setzte alle Hoffnung auf Frankreichs Vermittlung, die sie angerufen hatte. Ihre von Steuerlasten erdrückten Völker konnten die ungeheuren Kriegskosten nicht aufbringen; die Anleihen im Ausland entsprachen den Erwartungen des Hofes nicht; kurz, es herrschte solcher Geldmangel, daß die Soldaten oft ihre Löhnung nicht bekamen und die täglichen Bedürfnisse nicht befriedigen konnten. Aufgeklärte Leute sahen mit Schmerz den allgemeinen Zusammenbruch der Monarchie voraus, falls man ihm nicht vorbeugte, indem man den Vorschlägen zu einem billigen Frieden die Hand bot.
Schon hatte die Kaiserin, wie bereits erwähnt, Frankreichs Vermittlung angerufen. Ebenso hatte sie die guten Diensie des russischen Hofes in Anspruch genommen. Ein merkwürdiger Zufall wollte, daß das Schreiben aus Wien und die russische Erklärung, die zur gleichen Zeit abgegangen waren120-1, fast am selben Tag an ihrem Bestimmungsort eintrafen. Den Vorteil davon hatte der König; denn wäre das österreichische Ansuchen vor dem Abgang der russischen Erklärung eingetroffen, so hätte die Zarin diese wahrscheinlich unterdrückt. Andrerseits wünschte der König, der durch seine Sendboten alles erfuhr, nichts sehnlicher, als sich mit dem Wiener Hofe zu vergleichen, vorausgesetzt, daß die Reichsverfassung unangetastet blieb, daß weder die Interessen des Kurfürsten von Sachsen noch des Herzogs von Zweibrücken verletzt wurden, und daß er selber sicher war, wegen der Erbfolge in Ansbach und Bayreuth, auf die er unbestreitbare Rechte hatte, keinerlei Schwierigkeiten zu erfahren.
Weit entfernt, Frankreichs Vermittlung abzulehnen, betrachtete der König den Versailler Hof vielmehr als Bürgen des Westfälischen Friedens. Es mußte Frankreich ebenso sehr wie Preußen daran liegen, daß der Kaiser durch die widerrechtliche Besitzergreifung von Bayern sich keinen Weg bahnte, um entweder über den König von Sardinien in Italien herzufallen, was man in Turin sehr befürchtete, oder um noch leichter ins Elsaß und Lothringen einzubrechen. Der Kurfürst von Sachsen war ein Vetter Ludwigs XVI.120-2 und der Herzog von Zweibrücken sein Schützling. Nichtsdestoweniger hätte man gegen alle Klugheit verstoßen, wenn man Preußens und Deutschlands Interessen ganz in die Hände eines kraftlosen Ministeriums legte, das keinen festen Willen besaß und sich womöglich durch die Ränke und tückischen Einflüsterungen des Wiener Hofes gefangen nehmen ließ. Um Maurepas gegen alle österreichischen Vorschläge zu wappnen, die der Wiederherstellung des Friedens und der Ruhe in Deutschland direkt zuwiderliefen, schickte ihm der König eine Denkschrift mit Darlegung der Gründe, warum die und die Friedensbedingung annehmbar sei und warum man eine entgegengesetzte nicht annehmen könne, ferner eine Zusammen<121>fassung der hauptsächlichsten und unerläßlichen Bedingungen für öen allgemeinen Frieden. Dies Schriftstück rief einen so günstigen Eindruck hervor, daß Frankreich es zur Grundlage seiner Unterhandlungen in Wien machte. Breteuil, der französische Botschafter am Wiener Hofe, begegnete beim Kaiser fortwährenden Schwierigkeiten bei jedem Vorschlag, den er machte. Dessenungeachtet nahm die Kaiserin-Königin das Medensprojekt in der Form an, in der Frankreich es entworfen hatte.
Mittlerweile traf von seiten der Zarin Fürst Nepnin in Breslau ein121-1, und zwar trat er mehr als bevollmächtigter Gesandter auf, der im Auftrag seines Hofes Deutschland Gesetze vorschrieb, als wie ein General, der der preußischen Armee ein Hilfskorps zuführen sollte. Die russische Zarin war stolz darauf, daß die Kaiserin-Königin<122> sie um ihre guten Dienste zur Wiederherstellung des Friedens gebeten hatte. Sie fühlte sich den homerischen Göttern gleich, die durch ihre Machtsprüche das Los der armen Sterblichen bestimmten.
Der König hatte dem Petersburger Hofe vorgeschlagen, das russische Hilfskorps im nächsten Frühjahr in Lodomirien und Galizien zu verwenden, wo sich nur wenige Truppen befanden. Von da sollte es nach Ungarn vordringen, wo der Anmarsch der Russen alle Griechisch-Katholischen in Aufruhr gebracht hätte, die in Ungarn, Kroatien, im Temesvarer Banat und in Siebenbürgen wohnten122-1. Der König hatte sich sogar erboten, ein Korps von seinen Truppen dazustoßen zu lassen und alle Reichtümer jener Provinzen der Habgier der russischen Generale preiszugeben.
Dieser Vorschlag wurde aus Unwissenheit und aus einem noch unersättlicheren Bereicherungsdrang abgelehnt. Die Russen hatten vertragsmäßig ein Hilfskorps von 16 000 Mann zu stellen. Sie forderten dafür einen übermäßigen Preis, der in gar keinem Verhältnis zu den Diensten stand, die man von ihnen erwarten konnte. Das hätte dem König jährlich 3½ Millionen Taler gekostet, außerdem Subsidien in Höhe von einer halben Million für einen Krieg gegen die Türken, den Rußland garmcht führte. Ja, als wären das noch nicht genug drückende und maßlose Bedingungen gewesen, bestand Fürst Repnin auch noch darauf, der König solle sich für den Fall, daß der Türkenkrieg ihn mit seinem Hilfskorps nach Polen zurückriefe, verpflichten, ihn durch 16 000 Preußen zurückzugeleiten, damit er unterwegs nicht von den österreichischen Truppen in Lodomirien beunruhigt würde. Der Gipfel des Lächerlichen aber war seine Forderung, die Preußen sollten selbst für ihre Verpflegung sorgen und überall ihre Bedürfnisse bar bezahlen. Aus solchen Bedingungen ging deutlich hervor, daß die Zarin den Preußen nicht ernstlich beistehen wollte; sie erstickten das Gefühl der Dankbarkeit, das man für ihre Hilft hätte haben müssen. So mußte man solche Freundschaftsbeweise denn auch nur dem Wunsch Katharinas zuschreiben, sich unter diesem Vorwand in die deutschen Angelegenheiten einzumischen, um ihren Einfluß in Europa auszudehnen. Sie handelte aus eitler Ruhmbegier und nicht im Interesse ihres Verbündeten, noch nach den Verpflichtungen, die sie durch ihr Bündnis übernommen hatte.
Der schwindelnde Preis für die russischen Hilfstruppen erklärte sich großenteils daraus, daß sie den König auf diese Weise von dem Kriege abbringen wollte. Alle Briefe aus Petersburg enthielten eindringliche Friedensmahnungen. Das gefährlichste und ärgerlichste unter all diesen unangenehmen Dingen war die Ungeschicklichkeit und geringe Einsicht der russischen Minister. Graf Panin war keineswegs in den tückischen Kniffen der österreichischen Diplomatie bewandert. Immerfort mußte man<123> ihn auf die ihm gestellten Fallen hinweisen. Hätte man nicht stets ein Auge auf ihn gehabt, Fürst Kaunitz hätte nach Belieben sein Spiel mit ihm getrieben.
Die Schwäche des Versailler Ministeriums einerseits und die Unwissenheit des Petersburger andrerseits brachten den König in große Verlegenheit und vermehrten seine Besorgnis. Da indes die französische Klugheit der russischen Dummheit weit voraus war, mußte man von jener den glücklichen Ausgang der Unterhandlungen erhoffen.
Der Marquis von Breteuil, Frankreichs Gesandter am Kaiserhofe, fühlte sich geschmeichelt, den Friedensstifter in Deutschland zu spielen. Er wiegte sich in der Hoffnung, wenn er in die Spuren von Claude d'Avaux, dem Bevollmächtigten beim Westfälischen Frieden, träte, würde er sich dadurch den Weg zu den höchsten Würden seines Landes bahnen, insbesondere zum Ministerium des Auswärtigen, nach dem er brennend begehrte. Er bot alle seine Tatkraft auf und arbeitete so beharrlich, daß er Ende Januar an den Fürsten Nepnin nach Breslau den Plan des allgemeinen Friedens senden konnte, so wie der König ihn entworfen und wie die KaiserinKönigin ihn gutgeheißen hatte. Die Bedingungen waren die gleichen wie die schon genannten123-1, mit Ausnahme eines einzigen Artikels, den der König bewilligt hatte, nämlich, daß er seinen Ansprüchen auf die Herzogtümer Jülich und Berg zugunsten des Herzogs von Zweibrücken entsagte. Das war weiter nichts als eine Erneuerung des 1741 mit Frankreich abgeschlossenen Vertrages123-2, der dem König die Garantie für ganz Schlesien von selten Frankreichs verschaffte.
Dies Friedensprojekt wurde Preußens Verbündeten mitgeteilt. Die Sachsen zeterten gewaltig, schraubten ihre Ansprüche auf den bayrischen Allodialbesitz auf 7O Millionen Gulden herauf und sahen mit Schmerz voraus, daß es viel wäre, wenn sie 6 Millionen bekämen. Ferner verlangten sie vom Kaiser den Verzicht auf die Oberlehnshoheit, die er als König von Böhmen für Sachsen und die Lausitz in Anspruch nahm. Besonders aber hatten sie auf einige Gebietsentschädigungen zur Abrundung ihres Länderbesitzes gerechnet. Der Herzog von Zweibrücken bestand seinerseits hartnäckig darauf, daß Bayern kein Stück seines Territoriums verlieren dürfe, und erbot sich zur Abtretung eines Teiles der Oberpfalz, um das Rentamt Burg-Hausen zu behalten. Außerdem willigte er nur mit größtem Widerstreben in die Entschädigungen, die der Kurfürst von Sachsen zu beanspruchen hatte.
Um den Wünschen seiner Verbündeten nachzukommen, machte der König von Preußen einen neuen Versuch, der sich lediglich auf Bayern und das Rentamt Burg-Hausen bezog, um für sie womöglich günstigere Bedingungen beim Wiener Hofe herauszuschlagen. Statt aber darauf einzugehen, erklärte Fürst Kaunitz, über die neuen Forderungen der Preußen empört, mit dem ganzen österreichischen Hochmut: das Friedensprojekt, das der französische Botschafter dem Fürsten Repnin mitgeteilt<124> habe, sei das Ultimatum des Wiener Hofes, und die Kaiserin sei entschlossen, lieber den letzten Mann zu opfern, als auf diese neuen, ebenso demütigenden wie ihrer Würde Hohn sprechenden Bedingungen einzugehen.
Obwohl nichts natürlicher war, als die restlose Herausgabe einer widerrechtlich besetzten Provinz zu fordern, wollten Frankreich und Rußland weiter nichts als den Frieden, jenes, um den Kaiser loszuwerden, der Unterstützung verlangte, dieses, um den Preußen kein Hilfskorps stellen zu müssen. Demgemäß handelten sie und drängten die preußischen Minister, dem allgemeinen Friedensschluß nicht neue Hindernisse zu bereiten. Durch zwei vermittelnde Mächte behindert, die beide die größte Rücksichtnahme verdienten, vermochte der König von Preußen seinen Verbündeten nicht mit dem ganzen Eifer zu dienen, den er für sie empfand. Er konnte nicht Österreich, Frankreich und Rußland zugleich vor den Kopf stoßen, wollte aber mit letzterem doch die Maßregeln vereinbaren, die noch zu ergreifen waren. Dadurch wurde der Zusammentritt des Friedenskongresses um einen Monat verzögert; denn so viel Zeit war nötig, um die Antwort aus Petersburg zu erhalten.
Diese Frist wollen wir benutzen, um dem Leser einen Überblick über die Operationen zu geben, die während des Winters die Truppen in Atem hielten. Wie man sich erinnern wird, hatten wir den Erbprinzen in Oberschlesien verlassen, wo er damit beschäftigt war, seine Stellung bei Troppau und Iägerndorf zu halten und die Feinde bald nach Grätz, bald nach Mährisch-Ostrau, bald nach Achten hin zu treiben. Die Österreicher hielten es ihrerseits für eine Demütigung, wenn sie die Preußen im ungestörten Besitz eines ihnen gehörenden Gebietes ließen. Sie hätten gern alles versucht, um sie daraus zu vertreiben, sahen aber voraus, daß sie Troppau und Iägern-dorf nur zurückerobern könnten, wenn sie beide Städte von Grund aus zerstörten und verbrannten. Da dies Mittel der Kaiserin-Königin aber zu kostspielig und hart erschien, dachten sich die österreichischen Generale ein anderes aus. Durch Abschneidung des Erbprinzen von Neiße, von wo er nach ihrer irrtümlichen Annahme seinen Proviant bezog, glaubten sie ihn zur Räumung von ganz Oberschlesien zwingen zu können.
Zur Ausführung dieses Planes verlegte General Elrichshausen, durch 10 000 Mann verstärkt, die er aus Böhmen erhielt, sein Quartier nach Engelsberg, einem Städtchen in den Bergpässen, deren einer bei Branitz, unfern von Jägerndorf, mündet, ein zweiter bei Hof und ein dritter, der über Zuckmantel und Ziegenhals führt, in der Ebene, die sich zwischen Weidenau und Patschkau, Neiße und Neustadt dehnt. Dies etwa 15 000 Mann starke und vorteilhaft aufgestellte Korps beunruhigte unsere Quartiere verschiedentlich. Bald fouragierte es bei Neiße, wenn es auch stets zurückgetrieben wurde; bald alarmierte es die Gegend von Jägerndorf, von wo es aber Stutterheim, der dort kommandierte, gründlich geschlagen zurückwarf. Schließlich hatte der Erbprinz von Braunschwelg diese Scharmützel satt, die seine Truppen<125> ermüdeten, und beschloß, den Feind seinerseits zu beunruhigen. Er zog seine Quartiere zusammen und überfiel mit drei getrennten Korps die Stellungen bei Branitz, Achten und Engelsberg. Sobald die Preußen sich zeigten, ergriffen die Kaiserlichen die Flucht. Der Prinz nahm ihnen 4 Kanonen und 50 Gefangene ab; aber der Schrecken der Feinde war so groß, daß sie von den preußischen Kantonnements ab-zogen und die Truppen bei Troppau und Jägerndorf ungestört ließen. Nun richtete Elrichshausen seine ganze Aufmerksamkeit auf Zuckmantel und Ziegenhals, von wo er täglich Streifzüge ins flache Land unternahm.
Die preußischen Truppen in Neustadt und Neiße widersetzten sich immerfort den Beutezügen, die der Feind unternehmen wollte. Das führte zu verschiedenen Scharmützeln, bei denen sich die preußische Infanterie und Kavallerie gleichermaßen hervortaten. Aber diese Art von Kleinkrieg gehört nicht in die Denkwürdigkeiten, die wir schreiben wollen. Immerhin beschloß man, solchen dreisten Unternehmungen ein Ziel zu setzen. Die Truppen brauchten Ruhe während des Winters und hatten während des Feldkrieges Zeit genug zum Kämpfen. Um das zu erreichen und das Übel mit der Wurzel auszurotten, beschloß man, die Österreicher, wenn möglich, aus ihrer Stellung bei Zuckmantel zu vertreiben.
Wunsch, der mit 10 Bataillonen in der Grafschaft Glatz bisher müßig gestanden hatte, glaubte von dort für einige Zeit abrücken zu können, ohne durch sein kurzes Fernsein zuviel aufs Spiel zu setzen. Er ließ den Prinzen von Philippsthal125-1 mit zwei schwachen Bataillonen in Habelschwert, rückte auf Ziegenhals, von wo er die Feinde vertrieb, und verfolgte sie in die Bergschluchten bis nach Zuckmantel125-2. Aber diese Stellung war für die Preußen wegen der sie beherrschenden Höhen unhaltbar geworden. Die Österreicher hatten sie nicht nur mit Kanonen besetzt, sondern sie auch durch beträchtliche Verschanzungen befestigt, aus denen sie nicht zu vertreiben waren. Auch eine Umgehung war unmöglich; denn diese allzu hohen, steilen und abschüssigen Berge ließen sich nicht erklimmen. Nachdem Wunsch sich durch den Augenschein überzeugt hatte, daß auf dieser Seite nichts gegen die Feinde auszurichten sei, und daß ein längeres Verweilen bloßen Zeitverlust bedeute, kehrte er nach seiner alten Stellung bei Glatz zurück. Beim Marsche durch Landeck hörte er eine ziemlich lebhafte Kanonade in der Richtung auf Habelschwert. Sofort schlug er die Richtung dorthin ein; kaum aber war er ein Stück Wegs marschiert, so traf er auf 250 Mann vom Regiment Luck, die sich durchgeschlagen hatten. Von ihnen erfuhr er, daß der Prinz von Philippschal sich mit dem Rest des Regiments von den Österreichern hatte überrumpeln lassen, da er keinerlei Sicherungsmaßregeln getroffen hatte125-3. Diese schmachvolle Katastrophe darf man nur der Unwissenheit des jungen Prinzen zuschreiben, der seinen ersten Feldzug mitmachte und dem man kein selbständiges Kommando hätte anvertrauen dürfen.
<126>Bald darauf hörte Wunsch eine andere Kanonade. Der Feind griff eine Art von Mahlwerk oder Redoute126-1 an, in der der preußische General hundert Mann zur Verteidigung zurückgelassen hatte. Die österreichischen Haubitzen schossen sie in Brand, und Hauptmann Capeller126-2, der sich durch seinen tapferen Widerstand hervortat, mußte sich vor Ankunft der Hilfe ergeben, sodaß Wunsch sich mit seinem ganzen Korps in die Festung Glatz warf. Wurmser und die Kaiserlichen, die keine Ahnung von jener Redoute besaßen, hatten stracks auf Glatz marschieren und die Festung überrumpeln wollen. Ihre Absicht war indes ganz unausführbar. Die Werke von Glatz sind derart, daß sie allen Angriffen Trotz bieten, wofern der Feind nicht zur förmlichen Belagerung schreitet. Immerhin gelang es Wurmser, ein paar Quartiere im Glatzischen aufzuheben. Er hoffte sogar, der König würde, um ihn aus preußischem Gebiet zu vertreiben, Truppen aus Oberschlesien herbeiziehen und dadurch die Postenkette von Troppau und Iägerndorf und die Armee des Erbprinzen entblößen. Dadurch hätte Elrichshausen freie Hand bekommen, um mit Erfolg etwas gegen die Preußen zu unternehmen und die Oppa-Ufer zu säubern, die bei den Kaiserlichen solche Besorgnis erregten. Aber die Sache fiel anders aus, als die feindlichen Generale sich dachten und wünschten.
Der König nahm ein paar Bataillone aus der Reserve, die in Breslau überwinterten, sowie die Gardes du Corps, die Gensdarmen und das Regiment Anhalt und marschierte mit ihnen nach Reichenbach (4. Februar). Ferner schickte Ramin 4 Bataillone an General Anhalt, der schon 4 befehligte. Das ganze Korps besetzte Friedland und die dort angelegten Befestigungen. Zur Vertreibung des Feindes aus Waldenburg marschierte General Lestwitz126-3 auf Scharfeneck und General Anhalt auf Braunau. Die Kaiserlichen ergriffen überall die Flucht; Anhalt konnte kaum 50 Panduren abfangen. Während beide Korps vorrückten, besetzte der König Silberberg (16. Februar), um von dort aus Hilfe bringen zu können, wo es nötig werden sollte. Diese Bewegung machte solchen Eindruck auf die Feinde, daß sie Habelschwert räumten und sich nach Böhmen retteten.
Für alles war gesorgt worden. Hätte man die Kaiserlichen in Böhmen an der sächsischen Grenze ruhig gelassen, so wären alle ihre Truppen nach Schlesien zurückgeflutet und Wurmser hätte beträchtliche Verstärkung erhalten: Um daher die Aufmerksamkeit des Feindes zu teilen und ihn wehr an seine Sicherheit als an die Beunruhigung Schlesiens denken zu lassen, raffte Möllendorf einige Truppen zusammen, verließ Sachsen, marschierte nach Brix, schlug mit seiner Kavallerie die ihm entgegengestellte Streifschar, eroberte 3 Kanonen, machte 350 Gefangene und nahm das Magazin in dem Städtchen Brix weg (5. Februar).
Während der Nacht zum 7. geschah es, daß ein Unteroffizier vom Regiment Wunsch desertierte und, um sich an seinem Major zu rächen, die österreichischen Husaren<127> flugs in das Dorf führte, wo er den Major samt fünf Fahnen aufhob127-1. So sehr trifft es zu, daß ein Offizier nie genug auf seiner Hut sein kann, um sich vor Überfällen zu sichern. Etwas ähnliches passierte wenige Monate vorher127-2 dem Regiment Thadden in Schlesien, als es im Dorfe Dittersbach bei Schmiedeberg kantonnierte. Die Husaren machten einen Scheinangriff auf einen Vorposten des Regiments, während ein anderer Trupp durch einen Garten und eine Scheune in das Haus des Kommandeurs drang und drei Fahnen raubte. Er wurde jedoch vertrieben, bevor er der anderen habhaft wurde. Solche Vorkommnisse gereichen dem preußischen Dienst nicht zur Ehre, aber bei der großen Menge von Offizieren, die zu einer Armee gehören, können nicht alle gleich tüchtig und wachsam sein.
Während der Krieg ohne Rücksicht auf die Jahreszeit weiterging, kehrte der Kurier, den der König mit seinem Ultimatum abgesandt hatte, aus Petersburg zurück, und da beide Höfe über die darin aufgestellten Artikel einig waren, schickte Fürst Repnin es an Breteuil nach Wien. Der Botschafter meldete, das Schriftstück habe bei der Kaiserin-Königin großen Beifall gefunden, und man gedenke einen Kongreß zu veranstalten, um die letzte Hand an das Friedenswerk zu legen.
Sollte die Nachwelt es für möglich halten, daß unter diesen Umständen, wo selbst der Wiener Hof offenbar ernstlich an die Beendigung des Krieges dachte, ein General Wallis127-3 mit 8 000 bis 10 000 Mann plötzlich vor Neustadt erschien, wo das Regiment Prinz von Preußen und das Grenadierbataillon Preuß im Quartier lagen? Da der Feind die Stadt nicht nehmen konnte, beschoß er sie mit etwa 20 Haubitzen, die er mit sich führte, und warf so viel Granaten hinein, daß die Schindeln, womit die meisten Dächer gedeckt waren, Feuer fingen und 240 Häuser in Flammen aufgingen. Doch die Besatzung hielt stand. Als General Stutterheim von dem Vordringen der Feinde erfuhr, packte er sie bei Branitz im Rücken; die bei Roßwalde kantonnierenden Truppen fielen den Österreichern in die eine Flanke, Detachements aus Neiße in die andere. Da Wallis bei längerem Verweilen sein ganzes Korps aufs Spiel gesetzt hätte, zog er sich nach Zuckmantel zurück (28. Februar). Er wurde verfolgt und bis in seinen Schlupfwinkel zurückbegleitet. Diese Unternehmung war vom Kaiser ausgedacht und Wallis übertragen worden. Da der Kaiser den König von Preußen für leidenschaftlich und aufbrausend hielt, wähnte er ihn durch die Einäscherung einer seiner Städte so zu reizen, daß er bei den bevorstehenden Unterhandlungen widerspenstiger sein und größere Schwierigkeiten machen, ja sie womöglich aus schlechter Laune ganz abbrechen würde. Aber dies schmachvolle Unternehmen der Österreicher schlug nur zu ihrer eigenen Schande aus.
<128>Kurz darauf erhielt Fürst Repnin ein Schreiben von Breteuil des Inhalts, daß die Kaiserin-Königin sehnlichst einen Waffenstillstand wünschte. Der König empfing die Nachricht am 4. März in Silberberg und gab seinen Generalen Befehl, sich mit den feindlichen Generalen über den vorgeschlagenen Waffenstillstand zu vereinbaren. Für Böhmen wurde der Termin auf den 7. festgesetzt, für Oberschlesien und Mähren auf den 8., zwischen Sachsen und Böhmen auf den 10. Nachdem dieser Zeitpunkt herangekommen war, wurden die Truppen in weitere Quartiere gelegt, um ihnen mehr Bequemlichkeit zu gönnen und vor allem die ansteckenden Krankheiten zu verhüten, die an den Grenzen schon auszubrechen begannen. Am 6. begab sich der König nach Breslau, um mit Fürst Repnin zu konferieren. Die Stadt Teschen wurde von allen Seiten als Ort der Verhandlungen angenommen. Der König ernannte Riedesel128-1 zu seinem Bevollmächtigten bei diesem Kongreß. Inzwischen traf in Breslau Törring-Seefeld als Gesandter des Kurfürsten von der Pfalz ein. Er, Fürst Repnin, Riedesel, der sächsische Gesandte Zinzendorf und Hofenfels als Bevollmächtiger von Zweibrücken, kurz, der ganze Schwarm der Unterhändler begab sich nach Teschen, wo sich auch der französische Botschafter und Bevollmächtigte Frankreichs, Breteuil, und Cobenzl128-2 als Gesandter der Kaiserin-Königin einfanden (10. März).
Die Kaiserin wollte ehrlich den Frieden. Aber so eilig sie es hatte, ihn bald hergestellt zu sehen, sie vermochte ihrem Sohne, dem Kaiser, nicht die gleiche Gesinnung einzuflößen. Wie schon betont, glaubte er seine Ehre verletzt, wenn er nicht fest bei einer Sache blieb, die er tolldreist unternommen hatte. Infolge der Differenzen zwischen Mutter und Sohn waren in Wien zwei Parteien entstanden, die sich natürlich immerfort entgegenarbeiteten. Dadurch entstanden viele Schwierigkeiten für die vermittelnden Mächte, obgleich der Kaiser wohl einsah, daß, wenn er offen eine Unterhandlung durchkreuzte, an der Rußland und Frankreich beteiligt waren, er es mit starken Gegnern zu tun bekäme. Durch verhüllten Widerstand hoffte er zum gleichen Ziele zu kommen, besonders wenn er nicht selbst hervortrat, sondern einen anderen vorschob, den er nach seinem Gutdünken dirigieren konnte. Seine Wahl fiel auf den Kurfürsten von der Pfalz, der samt seinen Ministern dem Kaiserhofe blind ergeben war. Aber diese neue List wurde bald aufgedeckt.
Sobald die Gesandten in Teschen ihre Konferenzen begannen, trat Graf Cobenzl schlecht und recht dem von Frankreich gemachten Friedensvorschlag bei, erhob keinerlei Schwierigkeiten und schien so zufrieden, wie man es nur wünschen konnte. Man hoffte schon auf baldiges Zustandekommen des Friedens. Da erhielt Fürst Repnin einen Kurier von Asseburg, dem Gesandten der Zarin in Regensburg, mit der Nachricht, der Kurfürst von der Pfalz habe ihm erklärt, er könne und wolle dem Kurfürsten von Sachsen keinerlei Entschädigung geben und zöge es vor, sich an <129>seinen früheren, mit dem Wiener Hofe geschlossenen Vertrag zu halten, statt die Erörterung seiner Interessen dem Kongreß zu Teschen anheimzugeben129-1. Allerdings spielte der Kurfürst von der Pfalz die ihm vom Kaiser soufflierte Rolle recht linkisch. Breteuil und Fürst Repnin entdeckten ohne Mühe den wahren Urheber dieses neuen Kunstgriffes. Sie schlugen beide einen gebieterischen Ton an und erklärten mit der ganzen Würde von Bevollmächtigten großer Reiche, alle kontrahierenden Mächte hätten das ihnen vorgeschlagene Friedensprojekt bereits angenommen, und sie würden somit jeden als Feind betrachten, der seiner ersten Verpflichtung zuwiderhandelte. Bei diesen Worten erbleichte Cobenzl, der Pfälzer beugte sich, und nach Wien gingen eiligst Kuriere ab.
Dessenungeachtet entstanden bald andere Schwierigkeiten, die den Weg der Vermittlung in einemfort sperrten. Einmal waren es die Sachsen, deren Habgier unersättlich war, ein andermal verlangte der Gesandte von Zweibrücken, um seinen Eifer zu bekunden, eine unmäßige Erhöhung der Apanage für seinen Herrn und verteidigte sein Lieblingsargument, wonach Bayern ein unteilbares Herzogtum sei. Der König mußte dazwischenfahren, damit es nicht so weiterging. Mit Hilfe der Vermittler gelang es ihm, wenn auch nur mit Mühe und Not, die unangebrachte Hitzigkeit der beiden Gesandten zu dämpfen. Er bewies dem Sachsen, daß sein Kurfürst ohne Frankreich, Rußland und Preußen nicht einen Pfennig von Österreich bekäme, so berechtigt seine Ansprüche auch wären, daß er also vernünftig handeln und mit den Summen fürlieb nehmen solle, die man mit großer Mühe für ihn durchgesetzt habe. Ungefähr das gleiche wurde dem Gesandten von Zweibrücken gesagt. Man hielt ihm vor, sein Fürst könne nach dem Verlust von Dreiviertel von Bayern froh sein, wenn er zwei Drittel davon zurückerhielte, ganz zu geschweigen, daß der König zu seinen Gunsten die brandenburgischen Erbansprüche auf Jülich und Berg fallen ließe. Kaum hatte man die beiden Gesandten beschwichtigt, so trat die Marionette des Kaisers, der Kurfürst von der Pfalz, wieder auf und erhob neue Einwendungen. Frankreich war empört darüber, und der Gesandte Ludwigs XVI. in München129-2 schlug einen Ton an, wie ihn sich Ludwig XIV. inmitten seiner Siege erlaubt hatte. Nichtsdestoweniger dauerten die Streitereien in Teschen fort, und die Bevollmächtigten begannen selbst am Erfolg ihrer Unterhandlungen zu verzweifeln.
Schott waren sechs Wochen fruchtlos verlaufen; man schrieb den 20. April. Da kam in Wien ein Kurier aus Konstantinopel mit der Nachricht an, daß der Friede zwischen der Pforte und Rußland geschlossen sei129-3. Nur ein so weittragendes Ereignis<130> konnte das unruhige und ehrgeizige Gemüt des jungen Kaisers niederbeugen. Solange die Wahrscheinlichkeit eines russisch-türkischen Krieges auf einen baldigen Bruch zwischen beiden Mächten hoffen ließ, hatte Joseph II. die Erklärung des Petersburger Hofes zugunsten Preußens und des Deutschen Reiches nur für eine Demonstration, eine eitle Prahlerei angesehen, kurz, für bloßes Gerede, das mehr Lärm als Wirkung hervorrief. Denn Rußland war zur Genüge in der Krim beschäftigt, um den Khan, seinen Schützling, gegen die Pforte zu verteidigen, die ihn absetzen wollte. Es hätte somit weder die Kraft noch die Mittel gehabt, den König von Preußen wirksam zu unterstützen. Aber die Wiederherstellung des Friedens zerstörte alle Hoffnungen, in denen der Kaiser sich gewiegt hatte. Er konnte sich nicht verhehlen, daß Rußland, nun es die Arme frei hatte, seine Kräfte nach Gutdünken verwenden konnte. Mithin war es in der Lage, dem König von Preußen ein so starkes Hilfskorps zu schicken, daß Preußen dadurch eine bedeutende numerische Überlegenheit gewann, gegen die sich die Kaiserlichen nicht ein Kriegsjahr hindurch mit Ehren zu behaupten vermochten, und noch weniger, wenn sich der Krieg in die Länge zog.
Der russisch-türkische Friedensschluß ist also eigentlich der Zeitpunkt, wo der Kongreß zu Teschen begann. Sofort blieben die Uhrwerke, die der Kaiser heimlich in Bewegung setzte, stehen, als wären sie entzwei gegangen. Der Kurfürst von der Pfalz und sein Bevollmächtigter hüllten sich in ehrfürchtiges Schweigen; Graf Cobenzl wurde verbindlicher, ließ seine arglistigen Vorschläge fallen und sprach sich offen und ehrlich über das aus, was den Gegenstand der Verhandlungen bildete. Alle diese günstigen Umstände förderten das Werk so rasch, daß binnen vierzehn Tagen allgemeine Übereinstimmung herrschte und der Friede am 13. Mai, dem Geburtstag der Kaiserin-Königin, geschlossen und unterzeichnet wurde.
Wir begnügen uns mit der Aufzählung seiner wichtigsten Artikel. Der Kaiser gab ganz Bayern und die Oberpfalz an den Kurfürsten von der Pfalz zurück, mit Ausnahme des Rentamtes Burghausen130-1. Die Erbfolge in beiden Staaten wurde dem Herzog von Zweibrücken zugesichert, desgleichen allen Seitenlinien, die die nämlichen Rechte hatten. Der Kurfürst von Sachsen erhielt eine Entschädigung von 6 Millionen Gulden, die ihm in jährlichen Raten von 500 000 Gulden ausgezahlt werden sollte. Der Kaiser verzichtete zugunsten des Kurfürsten von Sachsen auf die Oberlehnsherrlichkeit über die Grafschaft Schönburg, eine Enklave im Kurfürstentum. Er erkannte ferner die Rechtmäßigkeit der Erbansprüche auf Ansbach und Bayreuth an, die an Preußen zurückfallen mußten, und versprach, wegen dieser Erbfolge keine Schwierigkeiten mehr zu machen. Andrerseits ließ der König von Preußen seine Ansprüche auf Jülich und Berg zugunsten der Linie Sulzbach fallen, wofür Frankreich ihm die Garantie auf Schlesien erneuerte, die es im Vertrage von 1741 übernommen hatte130-2. Der Herzog von Mecklenburg erhielt das Recht de non apellando<131> als Entschädigung für seine Ansprüche. Schließlich wurde der vorstehende Vertrag von Rußland, Frankreich und dem ganzen Deutschen Reich garantiert.
Kaum war der Vertrag unterzeichnet, so räumten die Preußen ohne weiteres alle österreichischen Gebiete, die sie besetzt hielten. Der Kurfürst von der Pfalz, der in allem, was er tat, so plump und ungeschickt war, ließ es sich beikommen, den Österreichern Scherereien wegen der herauszugebenden oder auszutauschenden Gebiete in Bayern zu machen; aber diese kleinen Reibereien hatten keinerlei Folgen. Denn die Garantiemächte imponierten den kontrahierenden Fürsten zu sehr, als daß diese gewagt hätten, sie offenbar vor den Kopf zu stoßen und die Artikel eines feierlichen Vertrages, der durch ihre Vermittlung geschlossen war, nicht zu erfüllen.
So endeten die deutschen Wirren. Alle Welt war, bevor sie beigelegt wurden, auf einen mehrjährigen Krieg gefaßt. Aber es kam nur zu einem wunderlichen Gemisch von diplomatischen Verhandlungen und militärischen Operationen. Der Grund dafür lag in den beiden Parteien, die den Kaiserhof spalteten und von denen die eine bald die Oberhand gewann, bald von der anderen unterdrückt wurde. Die Offiziere waren in steter Unsicherheit; kein Mensch wußte, ob Friede oder Krieg war, und diese peinliche Lage währte bis zu dem Tage, wo der Friede in Teschen unterzeichnet ward. Die preußischen Truppen errangen anscheinend überall Erfolge über ihre Gegner, wo sie regelrecht kämpfen konnten, wogegen die Kaiserlichen in allem, was List, Überfall und Verschlagenheit heißt, kurz, in allem, was zum Kleinkrieg gehört, die Oberhand behielten.
Es gebührt einem Zeitgenossen vielleicht nicht, über die Hauptsächlichsten Fehler zu richten, die auf beiden Seiten begangen wurden. Trotzdem können wir als Augenzeugen wohl unsere Meinung über das Verhalten der Höfe und ihrer Heerführer aussprechen, sowohl vor wie bei dieser wichtigen Begebenheit. Offenbar ließ sich der Kaiserhof ohne große Überlegung in das Unternehmen gegen Bayern ein. Hätte er seinen Plan reiflich erwogen, so hätte er einen Mittelweg gefunden, auf dem er zum Ziele gelangt wäre, ohne sich mit irgendwem zu überwerfen. Dazu wäre vorerst nötig gewesen, sich mit Frankreich zu verständigen, indem er ihm für die ErWerbungen in Bayern Abtretungen in Flandern als Kompensation angeboten hätte, oder sich mit Preußen ins Einvernehmen zu setzen, indem er seine Interessen auf anderen Gebieten begünstigte. Was der Kaiser dann auch getan hätte, er brauchte keine Feinde mehr zu fürchten. Denn war er mit Frankreich einig, so war seine Partei zu stark, als daß Preußen sich hätte widersetzen können, und ebenso vermochte Frank-reich, wenn er mit Preußen im Einvernehmen war, ihm nicht die geringste Schwierigkeit zu bereiten.
Der zweite Vorwurf, den man den Wiener Ministern machen kann, war der, daß sie das Manifest, das sie bei der Besitzergreifung von Bayern veröffentlichten, nicht besser motiviert hatten. So rechtswidrig ihr Vorgehen war, sie hätten doch Argu<132>mente benutzen können, die, wenn auch nicht zwingend, so doch besiechend wirkten und, einmal im Publikum verbreitet, schwerer auszurotten waren als die angeblichen Rechtsansprüche, auf die sie sich beriefen, die sich leicht widerlegen ließen und auch rasch widerlegt wurden.
Der dritte Vorwurf trifft vor allem den österreichischen General, der den Feldzugsplatt ausgearbeitet hat. Dieser Plan stimmte in keiner Weise zu der politischen Lage des Hofes; denn der Kaiser hatte keinen Bundesgenossen, von dem er Hilfe erwarten konnte. Dagegen durste der König von Preußen auf den Beistand der Russen, auf die Truppen von Hannover und anderen Reichsfürsten rechnen. Es lag also ganz und garnicht im Interesse des kaiserlichen Heeres, seinem Verteidigungplan so enge Grenzen wie die Elbufer zu ziehen. Die Defensive gegen Sachsen und die Lausitz war ebenso unklug wie die des Kaisers gegen Schlesien; denn es ist unmöglich, so ausgedehnte Grenzen gegen einen Feind zu verteidigen, der, wenn er mit seiner ganzen Macht an einem einzigen Punkte durchstößt, alle gegen ihn getroffenen Maßnahmen über den Haufen wirft und alle Abteilungen, denen der Grenzschutz übertragen ist, in Verwirrung setzt, da sie überstürzt abziehen müssen. Das ist oft in den Alpen passiert, wenn die Könige von Sardinien den Übergang verwehren wollten: die Franzosen haben ihn allemal erzwungen. Konnten sie an einer Stelle nicht durchdringen, so fanden sie Mittel und Wege, anderswo bis nach Piemont und Turin vorzustoßen. Das Interesse des Kaisers gebot also, daß er mit einem Offensivkrieg begann und die Preußen in dem Augenblick angriff, wo sie aus den schlesischen Bergen hervortraten; denn schlug er sie, so war vorauszusehen, daß ein so entscheidender Schlag ihre Bundesgenossen einschüchterte und jede Hilfeleistung von ihrer Seite verhinderte. Wurde er aber geschlagen, so fand er allemal seine befestigten Stellungen hinter der Elbe, in denen er sich zu halten vermochte, dem weiteren Vordringen des Feindes Einhalt gebieten und einen Defensivkrieg führen konnte, der dann allen Regeln der Kunst entsprochen hätte.
Den Preußen hingegen kann man vorwerfen, daß ihre sächsische Armee es an Nerv und Tatkraft fehlen ließ; denn sie versäumte eine ganz einzige Gelegenheit, die sich bot, als Prinz Heinrich bei Niemes und der König bei Hohenelbe stand. Ein Marsch über die Iser genügte, um den Kaiser zum Abzug zu zwingen. Dann fand der Kaiser für seine Armee nicht eher eine gute Stellung als hinter den Teichen von Bohdanetsch oder vielleicht bei Kuttenberg. In diesem Falle aber war halb Böhmen für ihn verloren, und die Preußen erlangten in diesem Feldzug ein entscheidendes Übergewicht über ihre Feinde.
Aber es ist das Schicksal aller menschlichen Dinge, daß nichts vollkommen gelingt. Es ist der Menschheit verhängt, sich mit dem Ungefähr zu begnügen. Was war also das Ergebnis dieses Krieges, der beinahe ganz Europa in Bewegung setzte? Für diesmal war Deutschland vor dem kaiserlichen Despotismus gerettet. Der Kaiser hatte eine Art von Schlappe erlitten; denn er mußte das zurückgeben, was er an<133> sich gerissen hatte. Aber welche Wirkungen wird dieser Krieg für die Zukunft haben? Wird der Kaiser vorsichtiger werden? Wird jeder sein Feld in Ruhe bestellen können? Wird der Friede dadurch besser gesichert werden? Wir können auf diese Fragen nur skeptisch antworten. In der Zukunft ist kein Ding unmöglich. Unsere Augen sind zu kurzsichtig, um die künftigen Zufälle zu durchschauen. Es bleibt uns nichts, als uns in die Vorsehung oder besser in das Schicksal zu fügen. Sie werden die Zukunft bestimmen, so gut wie sie die Vergangenheit und den unendlichen Zeitraum bestimmt Haben, der vor unserer Geburt liegt.
<134>Anhang
1. Feldzugsplan134-1
(1778)
Wir werden zwei Armeen haben, die gegen die Österreicher operieren sollen. Wie wir wissen, gehen ihre Dispositionen dahin, daß sie einKorps von 76 000 Mann zwischen Olmütz und Königgrätz versammeln, daß sie 15 000 Kroaten bei Gabel haben und daß ein Korps von 32 000 Mann bei Teschen formiert wird.
Die eine unserer Armeen soll durch Sachsen nach Böhmen marschieren. Es ist unumgänglich nötig, daß sie nach Mttau ein Korps von 15 000 Mann, sowohl Preußen wie Sachsen, vorschiebt, um die Lausitz vor Einfällen zu sichern, die sich sogar bis Berlin erstrecken könnten. Ebenso notwendig ist es, daß einige aus Preußen und Sachsen gemischte Truppen gegen Peterswald und Dux hin stehen bleiben, um die rückwärtigen Verbindungen zu sichern und die Magazine zu decken.
Die beiden Armeen, die operieren sollen, haben zu beachten, daß diejenige, die der österreichischen Hauptarmee gegenüber steht, sich gewissermaßen in der Defensive halten muß, damit die andere die Zwischenzeit benutzen kann, um so weit vorzustoßen, wie die Umstände es gestatten.
Die Armee in Sachsen kann erst, wenn sie über Leitmeritz hinaus ist, mit Erfolg operieren und die Kroaten zur Räumung von Gabel zwingen. Danach ist ihre wichtigste Operation, gegen Prag vorzurücken und es zu belagern, falls die österreichische Hauptarmee sich dem nicht widersetzt. Die Armee in Oberschlesien muß über Hultschin auf Weißkirchen und Prerau operieren. Stößt sie dort auf die gesamte österreichische Streitmacht, so wird sie sich damit begnügen, sie zu beobachten und hinzuhalten, um der aus Sachsen vordringenden Armee die Eroberung Böhmens zu erleichtern. Entsendet die österreichische Hauptarmee ein starkes Detachement nach Böhmen, so muß man den Augenblick benutzen und eine Schlacht zu liefern suchen;<135> denn werden diese Truppen so nahe bei Wien geschlagen, so muß der Feind fiugs das Korps aus Böhmen herbeirufen, um Wien zu decken.
Nun bleibt noch die Frage offen, ob auf Unterstützung von den Russen zu rechnen ist. Dadurch würde alles verändert, und wir wären bald von der Armee bei Teschen befreit, die sich entweder nach Ungarn oder nach Lodomirien zurückziehen müßte.
Die größte Schwierigkeit für die Armee in Böhmen würde nach der Einnahme von Prag darin bestehen, Fuhrwerk genug aufzutreiben, um sich entweder über Budweis oder besser noch über Neuhaus und Wittingau der Donau zu nähern. Was die Truppen in Mähren betrifft, so werden sie, falls sie einen Sieg über den Feind davontragen, Brünn belagern und nach dessen Einnahme — die Hilfe der Russen vorausgesetzt — ein Detachement von etwa 30 000 gegen Hradisch abschicken, das auf Preßburg marschiert. Der Rest der Armee muß dann soweit wie möglich gegen die Donau vorgehen.
Alle diese Operationen sind großen Schwierigkeiten ausgesetzt. Trotzdem ist es bei etwas Glück wohl möglich, sie zu einem glücklichen Ende zu führen.
<136>2. Feldzugsplan für 1779136-1
(Dezember 1778)
Um Österreich zu bekriegen, den Krieg rasch zu beenden und den Feind zum Frieden zu zwingen, gibt es kein sichereres und schnelleres Mittel, als den Krieg an die Donau zu tragen. Das ist aber nur möglich, wenn man die Österreicher von Mähren her angreift.
Da die Kaiserin von Rußland bereit ist, die deutsche Freiheit aufrecht zu erhalten, und zu diesem Zweck ein Hilfskorps bestimmt hat, das dementsprechend operieren soll, entsteht die Frage, auf welche Weise dies Hilfskorps in ihrem eigenen Sinne am nutzbringendsten verwandt werden kann.
Fürst Repnin hat in einer Note den Vorschlag gemacht, das Korps im Verein mit preußischen Truppen in Lodomirien und Galizien operieren zu lassen. Daraus scheint sich für Rußland der Vorteil zu ergeben, daß es dies Korps stets bei der Hand hat, um es im Notfall gegen die Türken zu verwenden, falls diese über den Dnjester gehen wollen; auch kann es zu Einfällen in Ungarn benutzt werden. Andrerseits hätte dieser Vorschlag folgende Unzuträglichkeiten. Offenbar haben die Kaiserin von Rußland und der König von Preußen das gleiche Interesse an einer möglichst raschen Beendigung des Krieges. Nun liegt es auf der Hand, daß der Wiener Hof weder in Galizien noch in Lodomirien, noch selbst in Böhmen so empfindlich zu treffen ist wie in Mähren.
Die preußischen Truppen in Schlesien sind 80 000 Mann stark. Davon müßten notwendig 10 000 Mann nach Landeshut und 10 000 Mann nach Glatz, Neurode und Wünschelburg detachiert werden. Es blieben also nur 60 000 Mann zur VerWendung gegen Mähren übrig. Müßten davon noch 20 000 Mann nach Lodomirien geschickt werden, so wären nur noch 40 000 Mann verfügbar. Dadurch würde der König zu einem Verteidigungskriege gegen die Österreicher gezwungen, und das zöge die Sache sehr in die Länge. Stieße hingegen das russische Hilfskorps bei<137> Troppau zu den Preußen, so könnte man doch mit überlegenen Kräften operieren, und nach einer gewonnenen Schlacht könnte man hoffen, den Krieg an die Donau zu tragen, wodurch der Wiener Hof notwendig zum Frieden gezwungen würde. Dann hätte Rußland also nicht nur keinerlei Angriff von selten des Wiener Hofes zu befürchten, sondern es könnte sein Hilfskorps sogar nach Gutdünken gegen die Türken verwenden, falls es zum Kriege käme, und die ganze Arbeit wäre in einem Jahre getan.
Mir scheint also dieser Vorschlag den Vorzug vor dem anderen zu verdienen. Sein Hauptvorteil bestände darin, daß der Krieg möglichst bald beendet wird.
<138>3. Instruktion für den Erbprinzen von Braunschweig138-1
(16. Januar 1779)
Der nächste Feldzug wird wahrscheinlich über das Schicksal Deutschlands entscheiden. Man kann bei seiner Anlage also nicht Vorsicht genug anwenden. Der König beabsichtigt, mit Hilfe der Russen in Mähren offensiv vorzugehen und den Krieg soweit wie möglich nach der Donau zu tragen138-2. Andrerseits muß er 20 Bataillone teils in Landeshut, teils in der Grafschaft Glatz zurücklassen, um die dortige Grenze vor Einfällen oder selbst vor etwaigen Einmarschplänen des Feindes zu schützen. Vielleicht wird außerdem noch ein Korps in der Gegend von Teschen oder im Fürstentum Pleß zurückbleiben müssen, um die rückwärtigen Verbindungen gegen die Unternehmungen der Österreicher zu decken; sonst könnten diese von Galizien her alles bis Ratibor verwüsten und der in Mähren operierenden Armee in den Rücken kommen.
Die Armee in Sachsen kann die Operationen dieser Truppen in jenen entfernten Gegenden zwar nicht hindern, wohl aber etwaige Diversionen der österreichischen Elbarmee nach Schlesien vereiteln. Hieraus ergibt sich, daß diese Armee in Böhmen eindringen muß, zum größten Teil durch die Lausitz, der Nest durch Sachsen. Der Zweck ihrer Operation muß sein, die Elbe bis Leitmeritz vom Feinde zu säubern, um den Transport der Lebensmittel zu sichern; wenn der Feind ein starkes Korps bei Königgrätz oder Jaromircz hat, ihm in den Rücken zu kommen, seine Magazine wegzunehmen und ihn an offensivem Vorgehen gegen Schlesien zu hindern, dann aber mit allen Kräften gegen Prag vorzugehen. Kann man sich irgend einen Vorteil verschaffen, so muß man, wenn angängig, den Feind angreifen. Nach einem Siege fallen Prag und Eger bestimmt; dann ist es Zeit, an Königgrätz zu denken. Hat die Armee des Königs in Mähren einen ausgesprochenen Erfolg errungen, so muß Hadik unverzüglich Detachierungen nach Österreich machen, und die preußische Armee kann dann in Böhmen jede Unternehmung ausführen, die sie will, ohne vom Feinde<139> etwas befürchten zu müssen. Von dem Augenblick an legen wir, wenn wir unsere Operationen nach der Donau hinlenken, den Österreichern die Schlinge um den Hals.
Da die sächsischen Truppen für große Schläge nicht geeignet sind, so muß man sie mehr als Aushängeschild und als Aushilfe betrachten, statt sie zu ernstlichen Operationen zu verwenden. Benutzt man sie für die rückwärtigen Verbindungen, sozieht man Nutzen aus ihnen, ohne etwas aufs Spiel zu setzen.
Bei diesem ganzen Plane liegt die Hauptschwierigkeit im Lebensmitteltransport. Ich glaube, die Armee wird erst jenseits der Eger und Iser Pferde zu ihrer Verfügung finden. Gelingt es, eine hinreichende Zahl davon aufzutreiben, so wird der Rest der Operation leicht sein. Dieser Gegenstand wird die meiste Berechnung und Voraussicht erfordern.
Der Zeitpunkt der Eröffnung des Feldzuges läßt sich jetzt schon unmöglich bestimmen, aber soweit man zu urteilen vermag, wird es nicht vor Mitte Mai sein können, da man vorher keine Fourage findet.
<140>4. Betrachtungen über die Maßnahmen für einen neuen Krieg mit Österreich, falls dieses wie 1778 streng defensiv bleibt
(28. September 1779)
Es ist sehr schwierig, Pläne für die Zukunft zu machen. Die geringste Änderung in den Zeitverhältnissen nötigt auch zur Änderung der Dispositionen. Immerhin behalten die Grenzen und Grenzgebiete der Staaten ihre Beschaffenheit. Sie weisen vorteilhafte und ungünstige Gegenden auf, sodaß ein Feldherr sich vor den einen hüten und die anderen benutzen soll.
Schlesien, Böhmen, Oberschlesien und Mähren sind Länder, von denen wir genaue Kenntnis haben. Das ist für uns von Vorteil in allen Feldzügen, deren Kriegsschauplatz diese Provinzen bilden können. Die Politik muß allen Feldzugsplänen vorausgreifen; denn an ihr ist es, sie zu entwerfen, wobei sie sich stets nach der Natur öes Landes und nach den Mitteln zu richten hat, mit denen sich der Unterhalt der Truppen beschaffen läßt.
Würde Preußen in einen neuen Krieg mit Österreich verwickelt, so muß man zunächst wissen, welche Bundesgenossen die kriegführenden Parteien haben werden; denn ohne diese Kenntnis wäre jeder Feldzugsplan fehlerhaft und falsch berechnet. Der maßlose Ehrgeiz, den der Kaiser im letzten Kriege so unklug zur Schau trug, hat ihm in ganz Europa geschadet. Man betrachtet ihn als einen gefährlichen Fürsten, vor dem man auf seiner Hut sein muß. Mit dem russischen Hofe steht er sich schlecht, mit Frankreich schon fast auf Kriegsfuß. Er kann keine Verbündeten außer England haben, das aber durch den gegenwärtigen Krieg140-1 derart erschöpft ist, daß es auf lange Zeit außerstande sein wird, irgend einer Macht Subsidien zu zahlen. Andrerseits<141> haben die Türken sich zu einem Bündnis mit Rußland und Preußen erboten141-1. Tritt noch Frankreich hinzu, so ist die Übermacht ganz auf unserer Seite. Da das alles aber noch nicht zum Abschluß gebracht ist, wäre es leichtsinnig, mit etwas Unfern tigem wie mit einer vollendeten Tatsache zu rechnen.
Prüfen wir also lediglich, was im ungünstigsten Falle geschehen muß. Denn auf je weniger Schwierigkeiten man stößt, um so leichter werden die Operationen.
Die erste Versammlung der österreichischen Armee wird wahrscheinlich in denselben Gegenden stattfinden wie im Jahre 1778141-2. Da jedoch die österreichischen Truppen um 80000 Mann vermehrt worden sind und der Kaiser sich vorgenommen hat, sofort nach dem Bruche mit Nachdruck zu handeln, so wollen wir zunächst die Verteilung betrachten, die er vornehmen wird. In Galizien wird er ein Korps von 40 000 Mann haben, bei Bielitz 15 000, bei Heidenpiltsch ohne Zweifel 20 000, insgesamt 75 000 Mann. In seinem Lager zwischen Königgrätz und Arnau wird er nicht weniger als 100 000 Mann, 40 000 bei Neuschloß und an der Lausitzer Grenze und 25 000 bei Eger haben, insgesamt 240 000 Mann, auf die seine Armee sich beläuft.
Preußen kann 166 000 Mann ins Feld stellen, Sachsen 20 000, und Rußland wird wohl ebensoviel hinzufügen, sodaß man den Österreichern 206 000 Kombattanten entgegenstellen kann. Somit hätten sie eine Übermacht von 34 000 Mann. Dieser Umstand darf uns jedoch nicht einschüchtern. Denn da die österreichischen Korps getrennt stehen, kann man sie einzeln vernichten und braucht nicht mit allen zugleich zu kämpfen.
Nun bleibt noch die Frage offen, welche Rücksichten man auf die Stellung der Österreicher nehmen muß und zu welchen Vorsichtsmaßregeln sie uns nötigt. Denn es wäre töricht, auf der einen Seite Großes zu leisten, während man auf der anderen das Doppelte verliert.
Die Aufstellung von 100 000 Österreichern hinter der Elbe zwingt uns wohl oder übel, ihnen in der Front erhebliche Kräfte entgegenzustellen, um sie in Respekt zu halten. Denn findet diese Armee die Grenzen von Schlesien und der Grafschaft Glatz unbesetzt, so könnte es geschehen, daß sie sowohl bei Landeshut wie bei Friedland und Glatz sich in den Bergen festsetzt und dort uneinnehmbare Stellungen bezieht. Dem aber darf sich ein kluger Feldherr nicht aussetzen. Durch solche Achtlosigkeit kann er Schlesien verlieren, während er es bei reiflicher Überlegung der Sachlage hätte decken können. Ferner ist zu bedenken: wenn nicht gleich zu Beginn des Feldzuges eine beträchtliche preußische Streitmacht den Stellungen des Kaisers hinter der Elbe entgegentritt, so kann er sich Dresdens bemächtigen und so den Hauptkriegsschauplatz nach Sachsen verlegen, um Böhmen zu entlasten. Infolgedessen würden wir gezwungen, das Land unserer Verbündeten zugrunde zu richten, um ihnen bei<142>zustehen, was doch eine traurige Hilfeleistung wäre. Klüger ist es, solchen Mißständen vorzubeugen, als ihnen nachträglich abhelfen zu müssen.
Die schlesischen Truppen können mit zwei Märschen über Nachod in Böhmen einbringen, die märkischen erst binnen acht Tagen in Eilmärschen über Dresden. Man muß daher seine Anordnungen so richtig treffen und alle Truppenbewegungen so genau berechnen, daß die märkische Armee fast zur selben Zeit in Dresden anlangt, wie in Böhmen eingerückt wird.
Soweit ich es übersehen kann, muß die Armee in Sachsen ebenso stark sein wie im letzten Kriege. Sie belief sich mit den Sachsen auf 80 000 Mann. Den Grund dafür werde ich im Verlauf dieser „Betrachtungen“ angeben.
Für die schlesische Armee genügen 60 000 Mann. Hiervon müssen unbedingt 20 000 Mann für Oberschlesien bestimmt werden, zunächst, um die Verbindung mit den Russen zu erleichtern, die bei Krakau vorbei müssen und dort unüberwindliche Hindernisse finden könnten, wenn sie von diesseits nicht unterstützt würden. Aber Nimmt man bei der staunenswerten Langsamkeit der Russen auch an, daß sie nicht so rasch auf die Beine zu bringen wären, so dürste man doch nicht weniger als 20 000 Mann in Oberschlesien haben, und wäre es nur, um sich gegenüber den Korps bei Heidenpiltsch und bei Bielitz in der Defensive zu halten. Das oberschlesische Detachement könnte anfangs bei Leobschütz Stellung nehmen und seinen Proviant aus Mosel beziehen.
Die schlesische Armee, die zur Operation in Böhmen bestimmt ist, müßte, wie schon gesagt, ungefähr so verfahren wie im Jahre 1778. Wäre zuviel von der Überlegenheit des Feindes zu befürchten, so könnte sie vielleicht ein Lager bei Chwalkowitz beziehen, mit den Defileen vor der Front und einer Flanke nach Nimmersatt; denn man darf sich nie der Hoffnung hingeben, das Lager des Kaisers hinter der Elbe angreifen zu können. Das ist erwiesenermaßen unmöglich, da man vor einer ungleich überlegenen, beherrschenden und auf beiden Seiten überflügelnden Front aufmarschieren müßte, wo man nach allen Regeln der Kunst geschlagen würde.
Aber, wird man fragen, was kann man sonst unternehmen? Soll man einen ganzen Feldzug lang mit verschränkten Armen stehen bleiben und nach Böhmen mehr auf Weide als in den Krieg ziehen? Keineswegs! Hier beginnt meine Darlegung, durch welche Mittel sich die Überlegenheit über den Feind erlangen läßt.
Die nach Sachsen bestimmte Armee muß ohne Zweifel auf Dresden als auf ihr Hauptziel losmarschieren. Dessen ungeachtet aber kann sie gleich ein Detachement von 10 000 Mann durch die Lausitz nach Schlesien in der Richtung auf Greiffenberg abschicken. Alle diese Märsche müssen genau berechnet sein und übereinstimmen, damit die Armee nach ihrer Ankunft in Dresden, wo sie ein Detachement von 20 000 Mann läßt, über die Elbe gehen und in die Lausitz eindringen kann. Diese Armee hat den Feldzug zu entscheiden. Die Straßen nach Schluckenau, Rumburg und Gabel werden wahrscheinlich von feindlichen Truppen besetzt sein, die sich dort verschanzt haben.<143> Ihre Stellungen lassen sich in der Front nicht überwältigen, man muß sie also umgehen, und zwar von Schlesien her. Darum soll das oben genannte Detachement sich gegen Greiffenberg wenden, während die Armee in Mttau eintrifft. In jener Gegend führt eine Straße durchs Gebirge — allerdings müßte sie ausgebessert werden —, auf der man hinter Gabel herauskommt. Auf ihr würde die von Mttau her vordringende Armee freien Einmarsch nach Böhmen haben.
Damit wäre die preußische Armee also in Böhmen. Sie muß sich jetzt mit jenem Detachement vereinigen und dann sofort den Brückenkopf von Leitmeritz im Rücken angreifen, damit das Mehl von Dresden dorthin geschafft werden kann. Damit wäre eine Bäckerei eingerichtet. Dann beziehen die bei Dresden zurückgebliebenen 20 000 Mann das Lager bei Leitmeritz. Bei Mttau braucht man durchaus nicht viel Truppen zu lassen; denn wenn möglich muß man das österreichische Korps, das dort die Grenze verteidigt hat, angreifen und auseinandersprengen, und die Armee muß mit einigen elbaufwärts transportierten Magazinen gegen Melnik vorrücken. Sobald man einen Brotvorrat hat, beginnen die eigentlichen Kriegsoperationen in der Richtung auf Gitschin. Diese Bewegung genügt, um die kaiserliche Armee zum Verlassen ihres Lagers an der Elbe zu zwingen. Dies ist der Augenblick, wo die schlesische Armee bei der Hand sein muß, um dem Feind unverzüglich zu folgen, gleich hinter ihm über die Elbe zu gehen und ihm derart auf den Hacken zu bleiben, daß er, statt gegen die sächsische Armee zu marschieren, wodurch er zwischen zwei große Armeen geriete, sich hinter die Bohdanetscher Teiche auf Pardubitz zurückziehen muß.
Nun kann man, falls man es für geraten hält, Prag durch Handstreich nehmen, sofern die Armee bei Eger sich nicht beeilt, uns zuvorzukommen. Dann aber kann die Armee 30 000 Mann in Böhmen zurücklassen und sich selbst nach Oberschlesien wenden. Zwei Wege stehen zur Verfügung, aber es ist unmöglich, ohne Kenntnis der augenblicklichen Lage den geeignetsten anzugeben. Der eine führt über Patschkau nach Neustadt, der andere über Habelschwert, Leitomischl und Schönhengst nach New stadt. Es fragt sich, ob bei Benutzung des letzteren Weges Brot genug aus Glatz ge-liefert werden kann. Ferner müßte bei diesem Marsche das Korps in Leobschütz zum Gelingen des Unternehmens beitragen, aber die Vereinigung mit diesem Korps herbeizuführen, wäre sehr schwer. Wahrscheinlich würden die Österreicher bei Heidenpiltsch, sobald sie sich im Rücken gefaßt sehen, auf Olmütz zurückgehen. Dann hätte man gewonnenes Spiel. Andernfalls aber bliebe noch immer der Weg über Altstadt zur Vereinigung mit dem Korps bei Leobschütz übrig.
Es fragte sich dann nur noch, wo sich die Russen befinden, ob sie im Marsch sind, ob sie bei Krakau stehen oder ob sie ihre Grenzen noch nicht verlassen haben. Denn danach hätten sich die weiteren Operationen zu richten.
Nehmen wir einmal alle diese verschiedenen Fälle an!
Stehen die Russen noch an ihren Grenzen, so wäre es gut, zu versuchen, ob man die Österreicher nicht aus Bielitz vertreiben kann. Anscheinend könnte man sie durch ein<144> detachiertes Korps zur Räumung jener Gegend zwingen. Sie haben zwei Rückzugslinien, entweder nach dem Jablunkapaß in das ungarische Hochgebirge oder nach Polen in die Karpathen. Doch kaum hätte man sie vertrieben, so würden sie wieder auftauchen. Der einzige Vorteil dieser Operation bestände in der Zerstörung ihrer Magazine in Bielitz, die sie nicht so schnell wieder erneuern könnten. Während dieser Operation müßte das Gros der mährischen Armee zwischen Jägerndorf und Troppau ein gutes Lager beziehen, um die Österreicher in ihrer Stellung bei Heidenpiltsch in Schach zu halten.
Nehmen wir nun den zweiten Fall an, daß die russischen Hilfstruppen sich bereits in Marsch gesetzt haben, so müßte man den gleichen Plan befolgen. Wenn sie sich jedoch schon Krakau nähern, so gäbe das Anlaß zu anderen Kombinationen. Wie stark ihr Hilfskorps auch sein möge, so ist es bei den Russen doch nicht Brauch, irgend etwas aufs Spiel zu setzen. Sie treiben die Vorsicht bis zum äußersten. Man wird sie daher nie zum Überschreiten der Weichsel bewegen, wenn ihnen nicht an die 20 000 Mann die Hand reichen. Die wird man ihnen also entgegenschicken müssen, will man auf die Vereinigung mit ihnen nicht ganz verzichten. Ich kann hier jedoch nicht angeben, auf welchem Wege man ihnen entgegengehen müßte; denn dazu müßte man im voraus wissen:
1. welche Stellung die österreichische Armee in Lodomirien einnehmen wird;
2. wie stark sie sein wird;
3. ob sie sich in der Defensive halten oder die Russen an der polnischen Grenze am greifen wird.
Das sind Einzelheiten, über die man seinerzeit Bescheid wissen muß und nach denen die Operationen im Verein mit den Russen zu regeln sind. Soweit ich die Russen kenne, wird ihr Hilfskorps erst gegen Ende des ersten Feldzuges eintreffen; denn sie ziehen die Winterquartiere den Strapazen des Krieges vor. Da dem so ist, scheint es einleuchtend, daß das Resultat des ersten Feldzuges sich auf das oben Angegebene beschränken wird, vorausgesetzt, daß alles nach Wunsch von statten geht.
Daran knüpfen sich folgende schwer zu lösende Fragen:
1. Soll man Winterquartiere in Böhmen beziehen?
2. Wie soll man sie einteilen?
Meine Antwort lautet: Hat man Prag genommen, so kann man ohne Schwierigkeit Winterquartiere in Böhmen beziehen; denn in die Hauptstadt lassen sich zur Not 30 Bataillone legen. Man hätte hier also einen guten Stützpunkt, zumal man der Umgegend bequem 40 bis 60 Schwadronen bei der Hand halten könnte. Der Rest der Truppen könnte zwischen Melnik und Leitmeritz verteilt werden, damit man im Besitz der Elbe und Moldau bleibt. Ist man jedoch nicht Herr von Prag, so wird die Schwierigkeit ungeheuer; denn die österreichische Armee bei Bohdanetsch wird die Elbe besetzen und hat auf dem jenseitigen Ufer eine große Zahl von Städten zur Verfügung, wie Chrudim, Czaslau, Kuttenberg usw., in denen sie sich eng zusammen<145>ziehen kann, während es diesseits nur elende Dörfer gibt, in denen die zerstreuten Truppen keinen Widerstand leisten können. Ihre Quartiere würden also den ganzen Winter hindurch beunruhigt werden, und die Aufhebung einzelner Posten wäre unvermeidlich. Gesetzt selbst, wir wären im Besitz von Königgrätz, so wäre es trotzdem unmöglich, sich auf dem diesseitigen Elbufer zu halten; denn das Land ist ausfouragiert, und jedes Bund Stroh müßte man aus Schlesien heranschaffen. Wo fände man in Schlesien alle für diesen Transport nötigen Pferde? Und welche Unsummen würde das kosten, ganz abgesehen davon, daß die Truppen, die während des ganzen Winters beunruhigt worden sind, im nächsten Frühjahr bei Eröffnung des Feldzuges völlig verbraucht wären!
Aber, wird man sagen, ist es ehrenvoll, sich zurückzuziehen, nachdem man so viel Land gewonnen hat? Ich gestehe, daß es wünschenswert wäre, sich in Böhmen halten zu können, aber das ist nur möglich, wenn die feindliche Armee in einer entscheidenden Schlacht so viel Verluste erlitten hat, daß sie sich nicht mehr im Felde zu zeigen wagt. Dann hat man freie Hand und kann sich nach Gutdünken einrichten, dem eroberten Lande Kontributionen auflegen und alle feine Vorteile ausnutzen.
Kommen wir nun zum zweiten Feldzuge. Hat man sich in Böhmen behaupten können oder nicht? Das ist die Frage, nach der sich die Operationen zu richten haben. Ist man im Besitz von Böhmen geblieben, so muß die Hauptarmee sich bei Prag versammeln. Kann sie sich vor Beginn der Operationen Egers bemächtigen, so wäre das ein glücklicher Streich, nicht um die Festung zu halten, sondern um sie zu schleifen. Die andere, schlesische Armee versammelt sich in Stärke von 40 000 Mann bei Königgrätz auf der Höhe von Pleß.
Damit sind wir bei den großen Operationen angelangt, die nur in Mähren stattfinden können. Die dortige preußische Armee ist 40 000 bis 50 000 Mann stark. Die Russen sind entweder schon zu ihr gestoßen oder die Vereinigung steht bevor. Wie dem aber auch sei, stets entstehen daraus die gleichen Verlegenheiten. Denn angenommen, die Russen ständen mit 15 000 Preußen in der Gegend von Krakau, so halten sie die Truppen in Lodomirien in Schach. Von dem Augenblick an hat die Armeeabteilung in Oberschlesien zwar nicht mehr zu fürchten, von den Österreichern im Rücken gefaßt zu werden, aber diese würden, von Wieliczka anrückend, durch niemand gehindert werden, über Tarnowitz stracks in Oberschlesien einzudringen und sich gegen Kosel zu wenden. Kosel jedoch ist in Oberschlesien der einzige Platz, wo sich Magazine für die Armee errichten lassen. Würde die Stadt auch nur blockiert, so würde es sofort an Proviant und an allem Armeebedarf fehlen. Das österreichische Korps bei Heidenpiltsch würde vorrücken, und ohne eine gewonnene Schlacht wären wir nicht imstande, Oberschlesien zu halten.
Ferner ist zu bedenken, daß auch das österreichische Korps in Bielitz unzweifelhaft in Tätigkeit treten würde und nach Pleß und Ratibor vordringen könnte, was sicher<146>lich geschehen würde, wenn man die einzigen in solchen Fällen zweckmäßigen Maßnahmen außer acht läßt (sie bestehen in der Ausnutzung des einzigen Vorteils, den der Feind uns bietet, nämlich daß er in getrennten Korps operiert).
Dann ist das einzig Vernünftige, mit der ganzen Armee, 70 000 Mann stark, eins der drei feindlichen Korps anzugreifen und es gründlich zu schlagen. Und zwar, wenn das österreichische Korps in Lodomirien den Russen folgt, muß die ganze preußisch russische Armee ihm auf den Leib rücken, sei es an der Grenze, sei es auf polnischem oder schlesischem Gebiet. Bleibt das Korps aber bei Wieliczka stehen, so muß man nach Vereinigung aller Kräfte aufdie Stellung von Heidenpiltsch losmarschieren, aus der man die Österreicher mit Sicherheit vertreiben kann, wenn man durch Troppau auf Bautsch marschiert und sie zu umgehen droht. Hat man die Mohra bei Hof überschritten, so wird der Feind diese Stellung gewiß verlassen. Es hängt dann nur von der Geschicklichkeit des Heerführers ab, ihn auf dem Rückzuge lebhaft anzugreifen und ihn, wenn irgend möglich, zu vernichten. Dann muß man aber von der anderen Seite schnell bei der Hand sein und das Korps bei Wieliczka nicht ganz aus den Augen verlieren. Denn was würden Eroberungen in Mähren nützen, wenn man derweilen Kosel verlöre und der Feind die rückwärtigen Verbindungen der Armee abschnitte? Um solchen peinlichen Zwischenfällen vorzubeugen, müßte man nach Vertreibung des Gegners aus Heidenpiltsch sofort mindestens 20 000 Mann detachieren, die sich in geschickter Defensive den Österreichern entgegenzustellen hätten, die über Bielitz oder Wieliczka in die preußischen Lande einfallen wollten.
Wir sind hier an einem Wendepunkt angekommen, von dem mit Sicherheit nur der sprechen kann, der die künftigen Zufälligkeiten kennt. Um bestimmte Regeln aufzustellen, was sich dann unternehmen ließe, müßte man ganz genau die Ereignisse kennen, die in dem hier angenommenen Kriege eintreten würden. Ich bin ein unwissender Mensch und besitze keine Prophetengabe. Noch weniger weiß ich, ob die Armeen, die ich als operierend annehme, Glück haben oder eine Niederlage erleiden würden. Setzen wir jedoch sicherheitshalber beides voraus. Träfe die beiden preußischen Armeen in Böhmen—die bei Prag und die bei Königgrätz im Lager von Pleß— ein Unglück, so fände die bei Prag gute Lager in der Nähe der Hauptstadt, in denen sie sich lange halten könnte, und die bei Königgrätz hätte einen sicheren Rückzug nach dem Ratschenberg, ja selbst nach Wünschelburg und der Heuscheuer, besonders wenn man die Straßen von Politz und aus Böhmen nach der Heuscheuer sprengen ließe. Geht in Böhmen aber alles gut und hat man weder von Chrudim noch von Czaslau her etwas zu befürchten, so muß die Armee bei Pleß und Königgrätz 20 000 Mann zur Verstärkung der oberschlesischen Armee detachieren. Dann kann sie 25 000 Mann zur Deckung der Provinz und Kosels zurücklassen und immer noch mit entschiedenem Übergewicht gegen das Heer operieren, das sie auf seinem Rückzuge von Heidenpiltsch geschlagen hat. Denn die stets wieder auftauchenden Schwierigkeiten sind folgende.
<147>Wie man weiß, haben die Österreicher bei Olmütz ein Lager vorbereitet, dessen Rechte sich an die Festung lehnt. Vor der Front fließt die March, und der linke Flügel zieht sich nach Li'ttau hin. Gestatten die Lebensmittel den Preußen, so weit vorzudringen, so müssen sie bis Kloster Hradisch diesseits der March gehen, wo sie eine sehr starke Stellung finden und die feindliche Armee unter Augen haben. Die Österreicher haben ihr Lager aus folgenden Gründen gewählt. Es ist diesseits der March unangreifbar, und sie wissen recht gut, daß die Preußen nur über die March gehen würden, um sie zu überwältigen. Der Muß läßt sich nur bei Neustadt, wo er klein ist, oder links bei Kremsier passieren. Wo man also auch den Übergang bewerkstelligt, sie können auf der anderen Seite über die March zurückgehen, dann ihr Lager bei Kloster Hradisch beziehen und so die preußische Armee von ihren Depots und Lebens-Mitteln abschneiden. Man darf somit nicht über die March gehen, bevor man die österreichische Armee zwischen Heidenpiltsch und Olmütz tüchtig geschlagen hat. Sonst würde man sich durch eigene Schuld den größten Unglücksfällen aussetzen.
Was bleibt da also zu tun übrig? wird man fragen. Ich antworte: eine Menge Unternehmungen, die aber alle mit großen Schwierigkeiten verknüpft sind; denn man muß gestehen, daß die Kriegführung der Österreicher, die Zahl ihrer Truppen und die Stärke ihrer Stellungen schwer zu überwindende Hindernisse sind. Aber nichts darf einen tapferen Mann zurückschrecken! Wenn er nur mit Umsicht handelt, wird er Mittel finden, sich die Überlegenheit über die Feinde zu sichern.
Um meinen Gedankengang ausführlich zu entwickeln, will ich Euch zunächst den allgemeinen Plan darlegen, dessen Ausführung man sich vornehmen muß. In allen Kriegen gegen das Haus Österreich muß das Hauptziel sein, den Kriegsschauplatz soviel wie möglich an die Donau zu verlegen, und zwar aus zwei Gründen: erstens um der österreichischen Armee ihre Lebensmittel und Rekruten zu nehmen, und zweitens um die Hauptstadt zu beunruhigen, in die sich alle vornehmen Herren mit ihren Schätzen geflüchtet haben. Wenn Wien ruft, muß alles ihm zu Hilfe eilen. Dann hat man freie Hand in Böhmen wie in Mähren. Die festen Plätze fallen, und einmal im Besitz des Landes, kann man sich Lebensmittel, Fourage und allen Armeebedarf auf Kosten des Feindes verschaffen, — die einzige Methode, um den Krieg auszuhallen und ihn mit Vorteil fortsetzen zu können.
Doch es genügt nicht, diesen allgemeinen Gedankengang anzugeben. Man muß auch zeigen, wie ein solcher Plan gelingen kann. Das erste, was die preußische Armee in Mähren ermitteln muß, ist, was die Truppen bei Bielitz und Wieliczka tun. Sie dürfen nie aus den Augen gelassen werden, da sie durch ihre unbequeme Stellung alles vereiteln können, was man unter sonst günstigen Umständen zu unternehmen vermöchte. Soviel sich beurteilen läßt, ist es nicht wahrscheinlich, daß jene Truppen, wenn sie nicht geschlagen worden sind, ruhig in ihrer Stellung verharren, besonders wenn sie sich keinem Feind gegenüber sehen, der sich ihren Bewegungen widersetzt. Die 20 000 Mann, die die Grenze gegen sie decken sollen, reichen keineswegs aus, um<148> ihnen Halt zu gebieten, besonders wenn jene vom Hofe Befehl haben, offensiv vorzugehen, was man mit ziemlicher Sicherheit annehmen kann. Man müßte also mim bestens 20 000 Mann zu ihrer Verstärkung detachieren, damit das Gleichgewicht zwischen ihnen und den feindlichen Kräften einigermaßen hergestellt wird.
Es blieben also etwa 55 000 Mann für die Operationen in Mähren übrig. Das erste, was in diesem Falle zu tun wäre, ist, die Magazine bis Weißkirchen, Leipnik oder Prerau vorzuschieben, je nachdem, welche von diesen Städten man am Verteidigungsfähigsten fände. Ist dies geschehen und die Feldbäckerei für die Armee gut eingerichtet, so muß ein Detachement aus Kosaken, Husaren und etwa 10 Bataillonen nebst einigen Dragonern zusammengestellt und mit Lebensmitteln für einen Monat und der Feldbäckerei versehen werden. Dies Detachement marschiert längs der March über Hradisch, Ungarisch-Brod auf der Straße nach Preßburg, das sein Bestimmungsort ist. Dort würde es ankommen, ohne auf den Feind zu stoßen. Es müßte sich unverzüglich des Donauübergangs versichern, erstens, um die Magazintransporte aus Ungarn nach Wien zu stören, und zweitens, um mit den Husaren und Kosaken Streifzüge bis ans Weichbild von Wien zu machen. Besitzt der Führer dieses De-tachements einige Umsicht, so ist es ziemlich sicher, daß er sich aus der bestangebauten und reichsten Gegend Ungarns Lebensmittel in Fülle verschaffen kann.
Bedenken wir nun aber, wozu dieser Zug die Österreicher veranlassen wird. Erstens ist es mehr als wahrscheinlich, daß die Armee in Lodomirien und das Korps bei Bielitz sich in Marsch setzen und den Preußen folgen, die sich Preßburgs bemächtigt haben. Das ist der Moment, wo die 35 000 Preußen, die Oberschlesien decken, sich gleichfalls in Marsch setzen müssen. Sie finden ihre Magazine in Weißkirchen völlig bereit, versorgen sich dort reichlich und folgen den Österreichern, die ihre Maßnahmen nicht im voraus getroffen haben und darum nicht so schnell marschieren können wie jene. Daraus erhellt, daß es in Ungarn zweifellos zu einer Schlacht kommen wird, und zwar zu einer Schlacht in der Ebene, bei der hundert gegen eins zu wetten ist, daß die Preußen den Sieg davontragen werden, wenn ihr Führer geschickt und entschlossen ist.
Doch das genügt noch nicht. Das Hilfegeschrei der Hauptstadt wird, wie gesagt, von allen Seiten Detachements herbeiziehen. Man wird Olmütz und Böhmen verlassen, um Wien zu retten. Das ist die Schäferstunde, die man wahrnehmen muß, um einen weiten Vorstoß zu machen, über die March zu gehen, die Umgegend von Olmütz zu verwüsten, auf Brünn zu rücken und es zu belagern, was eine Operation von acht Tagen ist.
Die Folgen davon werden diese sein. Die Armeen in Böhmen können nach Österreich hin operieren, und gewinnen sie eine Schlacht, so kann nichts sie hindern, gegen die Donau vorzudringen. Dann gehen dem Kaiserhof alle Hilfsquellen aus, und es ist anzunehmen, daß er, um der völligen Niederwerfung vorzubeugen, nachgeben und sich in sein Schicksal fügen wird, indem er sich zu einem vernünftigen Frieden versteht. Soweit der allgemeine Plan dessen, was zu unternehmen ist, den ich hier angeben wollte.<149> Zweifellos wird die Ausführung viele Schwierigkeiten bieten. Aber angenommen, es gelänge auch nur die Hälfte dieses Planes, so wäre die Wirkung für Preußen doch sehr günstig. Man wird gewiß fragen, wie die Armee bei Prag vorgehen soll. Ich antworte: sobald man Herr einer Provinz ist, kann man alle Pferde, die sich auftreiben lassen, benutzen, und in Böhmen gibt es zehnmal mehr Pferde, als zum Transport des Mehlbedarfs einer Armee nötig sind. Was die Fourage betrifft, so findet man sie überall, entweder noch auf den Feldern oder schon in den Scheunen. Außerdem könnte bei einem Vorstoß gegen die Donau Bayern alles liefern, was der Armee noch fehlen sollte. Was die schlesische Seite betrifft, so meine ich, daß man nach der Einnahme von Brünn dort Magazine errichten und in diesem Feldzuge nicht weiter vorgehen müßte als bis an die Ufer der Thaya, nach Znaim, Nikolsburg und anderen Orten, die man dem Feind gegenüber als Stützpunkte der Winterquartiere gebrauchen könnte. Indem man die Umgegend von Olmütz auf vier Meilen in der Runde verwüstet und nur wenige Truppen dort läßt, die die Stadt locker einschließen, würde man sie im Winter aushungern und sie im folgenden Frühjahr zwingen, sich ohne großen Widerstand zu ergeben.
Um der Wahrheit die Ehre zu geben, muß ich hinzufügen, daß aller Wahrscheinlich-keit nach nicht jede der vorgeschlagenen Unternehmungen so völlig gelingen wird, wie ich es annehme. Trotzdem sieht fest, daß man mit großen Plänen weiter kommt, als wenn man sich mit eingeschränkten und engen Gesichtspunkten begnügt149-1.
Ich habe diesen Plan unter der Voraussetzung entworfen, daß wir nur die Russen und Sachsen zu Bundesgenossen haben; denn ich wollte nicht mehr annehmen, als in Wirklichkeit jetzt besieht. Aber rechnen wir für einen Augenblick die Türkei in die Operationen ein, die wir vorschlagen, dann sind mindestens 40 000 Österreicher gegen sie beschäftigt und können nicht gegen Preußen kämpfen. Lassen wir noch die Franzosen in Flandern hinzutreten, so sind mindestens 30 000 Österreicher im Verein mit den Holländern und Engländern nötig, um den Streitkräften der Franzosen entgegenzutreten. Fügen wir eine Diversion in die Lombardei von seiten der französischen und sardinischen Truppen hinzu, denen die Österreicher mindestens 30 000 Mann entgegenstellen müßten, so ergibt das alles zusammen: gegen die Türken 40 000 Mann, in Wandern 30 000, in der Lombardei 30 000, insgesamt 100 000 Mann. Zieht man diese Zahl von den 240 000 Mann ab, aus denen ihre Armee besteht, so bleiben ihnen nur 140000 Mann gegen Preußen, das ihnen mit seinen Verbündeten 180 000 Mann entgegenstellen kann.
Aus dieser Berechnung ergibt sich also, wenn man den Truppen des Kaisers auf allen Seiten gleiche Kräfte entgegenstellt, daß die Preußen eine Übermacht von 40 000 Mann haben, die sie nach Gutdünken verwenden können. Dann läßt sich sogar eine Armee aufstellen, die getrennt operieren könnte, ohne auf einen Gegner zu stoßen, der ihren Unternehmungen entgegentreten könnte. Das aber ist die größte<150> Überlegenheit, die man sich über einen Feind verschaffen kann. Dann muß ein groß angelegter Plan, wie der vorbeschriebene, gelingen, wenn die Heerführer nicht aus Trägheit oder strafwürdiger Fahrlässigkeit ihre Pflicht versäumen, wenn sie nicht, unbekümmert um ihren eigenen Ruhm, um Ehre und Wohl des Vaterlandes, eher als Verräter denn als Staatsbürger handeln.
Die Preußen müssen stets an den Krieg denken; denn sie haben einen unruhigen, rührigen Nachbar, der seinen ganzen Ehrgeiz entfalten wird, sobald er durch den Tod seiner Mutter, der Kaiserin, volle Freiheit erhält und seiner eigenen Neigung folgen kann. Auf dies Ereignis muß man sich im voraus rüsten, da es wahrscheinlich, ja gewiß ist. Wer nicht jetzt überlegt, was am besten zu tun sein wird, der wird keine Zeit haben, es reiflich zu bedenken, wenn der Augenblick zum Handeln gekommen ist. Überdies denkt man bei kaltem Blute folgerichtig, erwägt alle Schwierigkeiten, findet Mittel und Wege zur Beseitigung der Hindernisse, die sich voraussichtlich den Operationen entgegenstellen werden. Verschiebt man dagegen das Plänemachen auf den Augenblick, wo man handeln soll, so können die Dinge unmöglich reiflich durchdacht werden, und man läßt aus Mangel an Zeit wichtige Faktoren außer acht, die, da sie nicht vorgesehen sind, zum Mißlingen der Feldzugspläne führen und zum eigenen Verderben ausschlagen können. Einzig aus Vaterlandsliebe habe ich diese Gedanken zu Papier gebracht. Lassen sie sich durch die Kenntnis des Geländes, in dem man operieren muß, berichtigen und verbessern, so wird man gut tun, das zu ändern, was zum Besten der Sache nötig ist.
NB. Ich vergaß, von der Stellung bei Zuckmantel zu sprechen, die die Österreicher während der ersten Winterquartiere sicherlich einnehmen werden. Man muß wissen, daß sie sich über Altstadt umgehen läßt.
100-1 Karl Theodor, der Erbe des Kurfürstentums Bayern.
100-2 Herzog Karl.
100-3 Vertrag vom 3. Januar 1778.
100-4 Die Mutter des Kurfürsten Friedrich August, Maria Antonia, war die Schwester des verstorbenen Kurfürsten von Bayern.
101-1 Graf Eustachius Görtz.
101-2 Am 16. März 1778 legten die Vertreter Preußens und Zweibrückens am Regensburger Reichstag gegen das österreichische Vorgehen Verwahrung ein.
101-3 Am 26. März 1778 verbürgte der König dem Herzog Karl sein Erbrecht auf Bayern durch feierlichen Vertrag.
102-1 Marie Antoinette.
102-2 Vgl. S. 51 f. und 83 f.
102-3 Vertrag von Versailles vom 6. Februar 1778.
102-4 Vgl. S. 94.
103-1 Vgl. S. 87.
103-2 Abbul Hamid.
104-1 Freiherr Johann Hermann von Riedesel, der preußische Gesandte in Wien.
104-2 Durch Vertrag vom 2. April 1778 waren dem König 21 000 Sachsen zur Verfügung gestellt worden.
105-1 Die Schreiben Josephs II., vom 11., l3. und 19. April 1778 datiert, sind vom König am 14., 18. und 20. beantwortet.
105-2 Prinz Albert von Sachsen-Teschen.
105-3 Vgl. Anhang (Nr. l).
106-1 Generalleutnant Johann Jakob von Wunsch.
106-2 Generalleutnant Joachim Friedrich von AltStutterheim.
106-3 Generalleutnant Paul von Werner.
108-1 Christoph Karl von Bülow.
108-2 Generalleutnant Friedrich Gotthelf von Falkenhayn.
109-1 Generalmajor Heinrich Wilhelm von Anhalt. -
109-2 Generalleutnant Dubislav Friedrich von Platen.
110-1 Der Brief Maria Theresias ist vom 12. Juli 1778 datiert. -
110-2 Vgl. S. 18.
110-3 Von Reichenhall.
110-4 ¼ Meile nordwestlich von Regensburg an der Donau.
111-1 Großherzog Leopold.
112-1 Vgl. S. 109.
113-1 Der Thronfolger Friedrich Wilhelm.
113-2 Erbprinz Karl Wilhelm Ferdinand.
113-3 Generalmajor Kaspar Fabian Gottlieb von Luck.
115-1 Generalleutnant Prinz Franz Adolf von Anhalt-Bernburg.
115-2 Generalmajor Adolf Detlev von Usedom.
116-1 Generalmajor Freiherr Johann Georg Wilhelm von Keller.
117-1 Generalmajor Friedrich Leopold von Bosse.
118-1 Generalleutnant Wichard Joachim Heinrich von Möllendorff.
118-2 Graf Albert von Anhalt.
118-3 Generalleutnant Friedrich Ehrentrelch von Ramin.
118-4 Vgl. Bd. IV, S. 10.
119-1 Vgl. S. 103.
119-2 Gallizin und Asseburg.
119-3 Graf Joseph Kaunitz.
120-1 Die russische Erklärung ist vom 2. Oktober, der Erlaß des Fürsten Kaunitz vom 27. September 1778 datiert.
120-2 Der Vater des Kurfürsten Friedrich August und die Mutter Ludwigs XVI. waren Geschwister.
121-1 In der Nacht zum 18. Dezember 1778.
122-1 Nach der im Anhang (Nr. 2) mitgeteilten Denkschrift des Königs „Feldzugsplan für 1779“, die in den Nahmen der Verhandlungen über die Aufgabe des russischen Hilfskorps gehört, bekämpfte Friedrich vielmehr die Sendung der russischen Truppen nach Galizien und Lobomirien und befürwortete ihre Verwendung in Mahren.
123-1 Vgl. S. 110 f.
123-2 Vgl. Bd. II, S. 79 f.
125-1 Generalmajor Prinz Adolf von Hessen-Philippsthal.
125-2 14. Januar 1779. -
125-3 18. Januar 1779.
126-1 Das Blockhaus von 0ber-Schwebeldorf, eine Meile südwestlich von Glatz.
126-2 Michael Wilhelm Capeller.
126-3 Generalmajor Johann Slgismund von Lestwltz.
127-1 Überfall von Cämmerswalde, 7. Februar 1779 (vgl. Bd. VI, S. 287). Die hohe Zahl der erbeuteten Fahnen erklärt sich dadurch, daß damals jede der 5 Musketlerkompagnien des Infanteriebataillons eine Fahne hatte.
127-2 8. November 1778.
127-3 Feldmarschalleutnant Graf Ollvler Wallis.
128-1 Vgl. S. 104.
128-2 Der Vizekanzler Graf Philipp Cobenzl, der an die Stelle seines erkrankten Vetters, des früheren Gesandten in Berlin, Graf Ludwig Cobenzl, trat.
129-1 Nach Riedefels Bericht vom 16. März 1779 hatte vielmehr Kurfürst Karl Theodor auf Veranlassung Österreichs erklärt, nur eine Million Gulden Entschädigung an Sachsen zahlen zu wollen. Breteuil hatte am 15. März dem Fürsten Repnin dies mitgeteilt, und beide Botschafter hatten daraufhin in Wien entsprechende Gegenvorstellungen erhoben.
129-2 Jacques D'unne.
129-3 In der im März 1779 gezeichneten Konvention von Ainali Kawak verstand sich die Pforte zur Bewilligung aller Forderungen Rußlands.
130-1 Das abgetretene Gebiet umfaßte das Innenviertel, den zwischen Inn, Salza und Donau gelegenen Teil von Nlederbayern.
130-2 Vgl. S. 123.
134-1 Den obigen Feldzugsplan übersandte der König im April 1778 dem Prinzen Heinrich, der den Oberbefehl über die Armee in Sachsen erhielt. Der Plan gelangte indessen nicht zur Ausführung (vgl. S.105 f.).
136-1 Anläßlich der Verhandlungen mit Rußland über die Verwendung des russischen Hilfskorps (vgl. S. 122) ist der obige Feldzugsplan entstanden und am 25. Dezember 1778 dem Kabinettsminister Graf Finckenstein zur Mitteilung an Fürst Repnin übersandt worden.
138-1 Am 13. Dezember 1778 war der Erbprinz Karl Wilhelm Ferdinand zum Führer der Armee in Sachsen ernannt worden, nachdem Prinz Heinrich am 3. Dezember aus Gesundheitsrücksichten um Enthebung vom Kommando gebeten hatte.
138-2 Vgl. S. 136 f.
140-1 Der Krieg Englands mit den amerikanischen Kolonien und dem mit ihnen verbündeten Frankreich (vgl. S. 102) wurde erst 1783 durch den Frieden von Versailles beendet.
141-1 Der Antrag ging von dem Reis-Mendl Abdurrisak aus. König Friedrich, der ihn im September 1779 erhielt, befürwortete ihn eifrig in Petersburg, doch scheiterte die Allianz am Widerstände Katharinas II.
141-2 Vgl. S. 105.
149-1 Vgl. Bd. VI, S. 2O2. 219. 246 f.; VII, S. 215.
99-1 Kurfürst Maximilian Joseph starb am 30. Dezember 1777. -
99-2 Prinzessin Josepha Maria Antonia, 1765 mit Joseph II. vermählt, war bereits 1767 gestorben.