Darlegung der Gründe, die Seine Majestät den König von Preußen zu gerechten Vergeltungsmaßregeln gegen den Fürstbischof von Lüttich bewogen haben165-1
(11. September 1740)
Seine Majestät der König von Preußen ist durch die Äußerungen des Übelwollens seitens des Fürstbischofs von Lüttich zum Äußersten getrieben worden und hat sich zu seinem Bedauern gezwungen gesehen, die Gewalttaten und den Schimpf, die der Bischof ihm antun wollte, mit Waffengewalt zu vergelten.
Dieser Entschluß ist ihm sehr schwer gefallen, zumal er von Natur und aus Vorsatz allem abgeneigt ist, was irgendwie an Härte und Strenge streift. Da ihn aber der Fürstbischof von Lüttich zur Änderung seines Verhaltens genötigt hat, konnte Seine Majestät keinen anderen Entschluß fassen, als seine gerechten Ansprüche zu verfechten und Vergeltung für die schmachvolle Behandlung seines Bevollmächtigten von Kreytzen zu üben165-2, desgleichen für die Verachtung, die darin lag, daß der Fürstbischof von Lüttich nicht einmal den Brief des Königs zu beantworten geruhte.
Wie zuviel Härte der Grausamkeit nahe kommt, so gleicht zuviel Milde der Schwäche. Obwohl der König seine Interessen gern der öffentlichen Ruhe geopfert hätte, konnte er im Hinblick auf seine Ehre nicht ebenso verfahren. Dies ist der Hauptbeweggrund dafür, daß er einen seinen Anschauungen so entgegengesetzten Entschluß gefaßt hat.
Umsonst ist alles versucht worden, um zu einer gütlichen Einigung zu gelangen. Vielmehr hat die Mäßigung des Königs die Anmaßung des Fürstbischofs nur ge<166>steigert; seine Sanftmut machte ihn hochfahrend, und statt durch Güte etwas zu gewinnen, wurde Seine Majestät nach und nach zum Gegenstand der Schikane und Verachtung.
Da ihm also kein anderes Mittel bleibt, sein Recht zu erhalten, als die SelbstHilfe, und da der König mächtig genug ist, um es sich selbst zu schaffen, wird er den Fürstbischof von Lüttich fühlen lassen, wie unrecht er tat, seine Mäßigung so unwürdig zu mißbrauchen.
Trotz so vieler Äußerungen des Übelwollens seitens des Fürstbischofs wird der König keineswegs unerbittlich sein. Es genügt ihm, dem Fürstbischof gezeigt zu haben, daß er ihn strafen kann; ihn zu vernichten ist er zu hochherzig.
Tatbestand166-1
Die Untertanen der Herrschaft Herstall hatten sich im Jahre 1733 gegen den König aufgelehnt und sich unter den Schutz des Fürstbischofs von Lüttich gestellt, der ihnen ohne weiteres gewährt wurde. Der Fürstbischof hatte alle möglichen Hebel in Bewegung gesetzt und eine Unmenge geheimer Wege eingeschlagen, um die Herstaller gegen ihren Herrn und König aufzustacheln und sich dadurch eine Souveränität über die Herrschaft Hersiall anzumaßen, die die Bischöfe von Lüttich zur Zeit der manischen Fürsten zwar beansprucht hatten, die ihnen jedoch nie zugestanden ist. Vielmehr hatte man sie mit Grund und Recht bestritten.
Der verstorbene König ließ nichts unversucht, um die Hersialler Rebellen auf gütlichem Wege zum Gehorsam zurückzuführen, doch gelang ihm dies nie, und der Fürstbischof von Lüttich schürte durch seine Machenschaften immerfort den Ungehorsam und das Feuer des Aufruhrs in Hersiall.
Der verstorbene König ging in seiner Mäßigung so weit, daß er sich erbot, die Herrschaft Herstall für 100 000 Patagons166-2 an den Fürstbischof von Lüttich zu verkaufen, ein sehr geringer Preis für diese Herrschaft, die längs der Mosel und in einer reichen und fruchtbaren Gegend liegt. Da sie aber im Herzen des Bistums Lüttich liegt und von den Staaten des Königs abgetrennt ist, hielt Seine Majestät es für angezeigt, diesen Besitz seiner Ruhe zu opfern, um alles zu vermeiden, was Verwirrung anrichten oder im geringsten den Anschein von Ungerechtigkeit erwecken könnte.
Im Anfang der Unterhandlungen stellte sich der Fürstbischof von Lüttich, als wollte er auf das Angebot des Königs eingehen, dann aber entzog er sich ihm auf verschiedene Weise, ja, er verging sich aufs schwerste am Obersten Kreytzen, mit dessen Absendung der König ihn beehrt hatte. Trotz all dieser Äußerungen des<167> Üelwollens riß dem König noch nicht die Geduld: er wollte den Fürstbischof von Lüttich durch Güte beschämen.
Inzwischen gefiel es Gott, der alle Wechselfälle dieser Welt nach seiner unendlichen Weisheit leitet, den König abzuberufen und zu sich zu nehmen, um ihn für seine Mäßigung und Geduld zu belohnen.
Nach dem Tode Friedrich Wilhelms verweigerten die Untertanen von Herstall dem neuen König die Huldigung trotz wiederholter Befehle und Vorstellungen, die ihnen gemacht wurden. Der Fürstbischof von Lüttich unterließ nicht, ihren Widerstand seinerseits zu bestärken. Dadurch wurden alle Amnestieversprechen und alle Drohungen wirkungslos.
Seine Majestät sah sich zum Äußersten getrieben und beschloß, seinen Rat Rambonnet mit einem Handschreiben an den Fürstbischof von Lüttich zu schicken, um einen bündigen Bescheid zu verlangen, ob er sich die Souveränität über die Herrschaft Hersiall anmaße und gesonnen sei, die Rebellen zu unterstützen. Auf diesen Brief geruhte der Fürstbischof nicht einmal zu antworten.
Da das Maß nun voll war und der König in seiner Mäßigung nicht weitergehen konnte, ohne seiner Ehre etwas zu vergeben, so mußte er Waffengewalt anwenden, sowohl um den Fürstbischof von Lüttich für die Äußerungen seines Übelwollens zu strafen, die unter Nichtachtung der preußischen Herrschaftsrechte zur Auflehnung der Herstaller geführt haben, wie um seine Anmaßung, die ihren Gipfel erreicht hatte, zu dämpfen. Seine Majestät sah sich also gezwungen, die Grafschaft Hoorn und die Stadt Maaseyck zu besetzen. Sie sind weiter nichts als das Äquivalent für die Herrschaft Hersiall, die der Fürstbischof von Lüttich sich widerrechtlich angeeignet hat.
165-1 Für den Streit mit dem Fürstbischof von Lüttich, Georg Ludwig von Berghes, betreffend die Lehnshoheit über die Herrschaft Herstall, die zur oranischen Erbschaft gehörte und 1732 an Preußen gefallen war, vgl. Bd. II, S. 58. Der Führer des preußischen Kommandos, das am 11. September 1740 in das Gebiet des Fürstbischofs einrückte, als dieser nach Ablauf der ihm gestellten zweitägigen Bedenkfrist keinerlei Antwort auf das preußische Ultimatum erteilte, erhielt den Auftrag, das obige vom König eigenhändig entworfene Manifest nebst dem „Tatbestand“ auf seinem Marsche zu verbreiten.
165-2 Vgl. Bd. II, S. 58.
166-1 Nach dem ersten Entwurf. -
166-2 Frühere flandrische Silbermünze im Wert von 1 Taler 3 Groschen 3 Pfennig.