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Entwurf des Manifestes gegen den Dresdener Hof177-1
(August 1745)

Seit der König von Preußen dem verstorbenen Kaiser Karl VII. Hilfstruppen gestellt177-2 und der König von Polen und Kurfürst von Sachsen fast gleichzeitig der Königin von Ungarn solche geliefert hat (unter dem Vorwand, zur Verteidigung Böhmens beizutragen), haben denkende Menschen gleich befürchtet, beide Fürsten würden ihre persönlichen Streitigkeiten in den Streit ihrer Verbündeten hineinziehen.

Schon allein der Umstand, daß der Königin von Ungarn sächsische Hilfstruppen gegen die Armeen des Königs gestellt worden sind, hätte Seiner Majestät das Recht gegeben, dem Brauche des Wiener Hofes zu folgen und gegen die sächsischen Staaten feindlich vorzugehen.

Nach diesem Grundsatz haben die Truppen der Königin von Ungarn die OberPfalz verheert und den Herzogtümern Jülich und Berg hohe Kriegskontributionen auferlegt, obwohl das Verhalten des Kurfürsten von der Pfalz177-3 gegen die Königin von Ungarn kein anderes war, als das des Kurfürsten von Sachsen gegen den König. Unter demselben Vorwand hat die Königin von Ungarn zweimal vergebliche Einfälle in Schlesien gemacht, und aus demselben Grunde sind die hessischen Truppen177-4 in Schwaben entwaffnet worden, nachdem der Kurfürst von Bayern ein Abkommen unterzeichnet hatte177-5.

Diese Tatsachen bezeugen, daß man in Wien zwischen kriegführenden und Hilfeleistenden Mächten keinen Unterschied macht. Der Wiener Brauch kann also mit gleichem Rechte in Berlin geübt werden, und der König hätte in gerechter Vergeltung gegen die Sachsen als Verbündete der Königin von Ungarn dieselben Maßregeln ergreifen können, zu denen die Königin sich gegen die Pfälzer, Preußen und Hessen als Verbündete des verstorbenen Kaisers berechtigt glaubte.

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Allein dem König widerstrebte es aufs äußerste, solche gewaltsamen Maßregeln zu ergreifen. Er wollte sich nicht zum Mitschuldigen der Ungesetzlichkeiten des Wiener Hofes machen; denn er meinte, wenn die Gerechtigkeit auch aus der Welt verbannt sei, so müßte sie noch bei den großen Fürsten zu finden sein178-1. Anstatt Groll, Bitterkeit und Gehässigkeit zu zeigen, ließ der König unmittelbar nach dem Tode des letzten Kaisers dem König von Polen freundliche Vorschläge machen, um einen Modus zur Versöhnung zu finden. Diese Vorschläge bewiesen die völlige Selbstlosigkeit Preußens und boten beträchtliche Vorteile und Gebietserweiterungen für das Haus Sachsen.

Diese friedlichen Schritte waren fruchtlos. Der Stolz des Dresdener Hofes war geschwellt durch den kindlichen Gedanken, die sächsischen Truppen hätten viel zu dem Rückzug beigetragen, den die Preußen am Ende des verflossenen Jahres unternahmen, um sich an der schlesischen Grenze aufzustellen178-2. Die Wahnhoffnung, große Eroberungen zu machen, wobei der sächsische Hof seine ehrgeizigen Absichten auf die Rechtswidrigkeiten des Warschauer Vertrages gründete178-3, die Eifersucht auf einen Nachbarn, dessen Vergrößerung er mit Groll und Neid gesehen hatte, kurz, ein Aufschäumen der Leidenschaften und wohl auch persönliche Interessen der Minister machten den Hof blind gegen die wahren Interessen Sachsens und taub gegen die Stimme der Gerechtigkeit und Billigkeit.

Durch den Warschauer Vertrag hatte sich der König von Polen verpflichtet, der Königin von Ungarn 30 000 Mann Hilfstruppen zu stellen, um Schlesien zu erobern. Bekanntlich wurde ferner ausgemacht, daß die Königin von Ungarn dem König von Polen zum Dank für diese Hilfe ihre Rechte auf die Fürstentümer Glogau, Jauer, Wohlau und die Handelsstädte im Gebirge abtreten sollte. Der König von England versprach die Zahlung einer ziemlich beträchtlichen Summe an Sachsen, um den König von Polen in den Stand zu setzen, Truppen in Polen zu unterhalten und die polnische Krone in seinem Hause erblich zu machen.

Auf Grund dieses Vertrages drangen die Sachsen am 26. Mai mit den Österreichern in Schlesien ein und rücken bis Hohenfriedberg vor, während fast zu gleicher Zeit ein Artillerietrain nebst Pontons von Dresden abging, um nach Glogau zu marschieren, das die Sachsen belagern wollten. Allein die Vorsehung, die die Reiche machtvoll regiert und in ihrer Weisheit über die menschlichen Dinge wacht, sie, der es beliebt, den Plan der Stolzen zunichte zu machen und Die zu demütigen, die sich auf ihre eigene Kraft verlassen, hatte es anders beschlossen. Bekanntlich errangen die preußischen Truppen am 4. Juni unsterblichen Ruhm178-4, und die Folgen jenes Sieges zerstörten vollends die Pläne, die die Feinde gegen Ruhm und Macht des Königs geschmiedet hatten. Die ganze Welt weiß, welche unerhörten Grausamkeiten die Feinde in Schlesien begingen; auf ihrem Andenken liegt Fluch und Schande, und<179> man muß gestehen: für christliche und gesittete Völker ist eine Kriegführung schmachvoll, vor der selbst Barbaren erröten müßten.

Während so viele Greuel in Schlesien verübt wurden und es dem Himmel, dem gerechten Vergelter aller Verbrechen, gefiel, sie so auffällig, augenscheinlich und streng zu strafen, behauptete man in Dresden kaltblütig, Sachsen stände nicht im Kriege mit Preußen, und der Herzog von Weißenfels179-1 hätte mit seinen Truppen nicht die Erbländer des Königs angegriffen, sondern nur seine neuen Erwerbungen. Das Dresdener Ministerium gefiel sich in solchen Sophistereien, gleich als wären kleine scholastische Spitzfindigkeiten und kindische Wortklaubereien von Haarspaltern hinreichende Gründe zur Rechtfertigung seines illegitimen Vorgehens179-2.

Nichts ist leichter, als die Widerlegung so schwacher Argumente. Beide Staaten hatten in Frieden gelebt, bevor die Hilfstruppen des Kaisers in Böhmen einrücken. Wer ihren kurzen Marsch durch Sachsen haben die Minister des Königs von Polen laut, aber zu Unrecht, gezetert.

Verfolgen wir nun das Benehmen des Königs von Preußen bei diesem Durchmarsch179-3. Dem Einrücken der Armee war das Requisitionsschreiben des Kaisers vorangegangen. Die Truppen hielten sich unterwegs kaum auf und bezahlten bis auf die Fourage alles, was ihnen auf ihrem Marsche zur Verpflegung geliefert worden ist. Die Verpflichtungen des Königs, der Drang der Umstände und die geographische Lage des Landes ließen Seiner Majestät keine Wahl zwischen den Wegen, die man einschlagen konnte. Hätte der König Sachsen verderben wollen: wer hätte ihn dann hindern können, mit seinen 60 000 Mann die Handvoll Sachsen zu entwaffnen, die ihre Heimat beschützten, und sich zum Herrn des Landes zu machen? Aber haben die Dachsen ein Recht, den König so schwarzer Pläne zu zeihen? Hat dies undankbare Volk schon die Schlacht bei Chotusitz179-4 vergessen, wo der König allen Gefahren einer Schlacht trotzte, um die sächsische Grenze vor etwaigen Einfällen der Österreicher zu schützen, nachdem die Sachsen selbst den König in Mähren im Stich gelassen, sich in den Saazer Kreis zurückgezogen und ihre Grenzen am rechten Elbufer unverteidigt gelassen hatten?

Abgesehen von dem Durchmarsch der preußischen Truppen durch Sachsen bestand das gute Einvernehmen zwischen beiden Königen wenigstens äußerlich fort, und die beiderseitigen Gesandten blieben nach wie vor an den beiderseitigen Höfen.

Neid und Eifersucht allein und ungerechter, zügelloser Ehrgeiz konnten den König von Polen zu den Vereinbarungen des Warschauer Vertrages und zu den späteren Abmachungen bewegen. Schlesien war seit dem Breslauer Frieden von ganz Europa als preußisch angesehen worden; es war ein Erbe seiner Väter, das der König zurückgefordert und erobert hatte, nachdem das Haus Österreich im Mannessiamm<180> erloschen war. Daraus ergibt sich, daß Schlesien ebensogut zur preußischen Monarchie gehört, wie das Zeitzer und Merseburger Land zu Sachsen. Hier wie dort handelt es sich um Erbschaften, und man darf annehmen, daß in Dresden jedermann gegen einen Sophisten protestieren würde, der die wahnwitzige Behauptung aufstellte, das Zeitzer und Merseburger Land könne ungestraft angegriffen werden und man führe nicht Krieg gegen den König von Polen und Kurfürsten von Sachsen, indem man diese beiden Herzogtümer besetze.

Allein die Leidenschaft führt eine ganz andere Sprache als die Gerechtigkeit. Es liegt also auf der Hand, daß der König von Polen mit dem Augenblick, wo er den König von Preußen in einer seiner Besitzungen angreift, sei es in Schlesien, sei es wo anders, einen offenen Angriffskrieg gegen ihn führt. Wer wäre so blöde, sich nicht zur Notwehr berechtigt zu glauben, wenn er an einem seiner Glieder den Degenstich eines Bewaffneten erhält? Und wer wäre so stumpfsinnig, sich mit der albernen Ausflucht zu begnügen, sein Feind habe es nicht auf seinen Leib abgesehen, sondern nur auf seinen Arm?

Um den Sachsen jede Entschuldigung zu nehmen, wollen wir für einen Augenblick annehmen, daß ihr Einfall in Schlesien vom König nicht als Feindseligkeit aufgefaßt werden kann. Aber wie wollen sie die Einfälle ihrer neu ausgehobenen Truppen in die Neumark rechtfertigen? Soll man auch diese Provinz, ganz wie Schlesien, von denen ausnehmen, wo keine Feindseligkeiten erlaubt sind? Die reine Willkür der Sachsen soll also der Pflicht des Königs, seine Untertanen zu schützen, Schranken setzen, und Truppenmassen, die sich an einigen Stellen der Grenzen zusammenziehen und dort Einfälle machen, sollen als befreundete Heeresmacht angesehen werden, die die Pflichten guter Nachbarschaft sorgfältig pflegen? Um jedoch den Leser nicht zu lange mit diesem Thema aufzuhalten, verweise ich ihn auf den Anhang, wo das Protokoll dieses Einfalls180-1 wiedergegeben ist. Ich übergehe ferner ohne weiteres eine Unmenge anderer Kränkungen, die der König wiederholt von den Sachsen erlitten hat, wie Gebietsverletzungen durch den Durchmarsch von Truppen ohne Nequisitionsschreiben, Festnahme preußischer Soldaten und Rekruten, die auf dem Heimweg aus dem Reiche durch Sachsen marschierten, Intrigen, schwarze Machenschaften und unerlaubte Ränke, um den König mit seinen guten Nachbarn und Alliierten, den Polen, zu entzweien, deren Freiheit sozusagen an den Erfolg des Königs und die Erhaltung Schlesiens geknüpft ist.

Es scheint, daß die Geduld und Mäßigung des Königs nun ein Ende haben. Aber Seine Majestät hat Mitleid mit einem benachbarten unglücklichen Volke, das an den ihm zugefügten Kränkungen unschuldig ist; und da er das Elend und die unvermeidlichen Verheerungen des Krieges kennt, hat er die gerechte Vollstreckung seiner<181> Rache noch hinausgeschoben, um mit dem Dresdener Hofe neue Wege zum gütlichen Vergleich anzubahnen. Da er jedoch abermals eine völlige Zurückweisung erfahren hat, so ist zu vermuten, daß das Vertrauen des Königs von Polen durch die schänd-liche Treulosigkeit seiner Minister gemißbraucht worden ist. Die beweglichsten Vor-stellungen und die vorteilhaftesten Anerbietungen sind ganz umsonst verschwendet worden181-1.

Diese seltsame Verblendung zeigt also, daß das Maß voll ist, und es bleibt Seiner Majestät, nachdem alle Wege der Aussöhnung beschritten sind, kein anderer Entschluß, als der Gewalt mit Gewalt zu begegnen und seinen Untertanen, gegen die der König von Polen und Kurfürst von Sachsen so viele Gewalttaten und Unmenschlichleiten verübt hat, wirksamen Schutz zu gewähren, den verderblichen Absichten des starrsinnigen und unversöhnlichen Fürsten zuvorzukommen und die sächsischen Untertanen das gleiche Leid fühlen zu lassen, das er ungestraft den Staaten des Königs antun zu dürfen glaubt, gegen die er, wie es scheint, neue Eroberungspläne geschmiedet hat. Des Königs Absicht ist, einen ehrgeizigen und unversöhnlichen Fürsten zu maßvoller Gesinnung zu bringen.

Welcher Erfolg Seiner Majestät bei den nun bevorstehenden Operationen in Sachsen auch beschieden sein mag, er wird stets bereit sein, die Vorschläge, die ihm etwa gemacht werden, entgegenzunehmen, sofern sie billig und mit seinem Ruhme vereinbar sind. Indem der König von Preußen einerseits Proben von Festigkeit und Energie ablegt, ist er andrerseits nicht minder geneigt, bei jeder Gelegenheit seine Seelengröße und Mäßigung zu beweisen.


177-1 Das Manifest gegen Sachsen wurde am 25. August 1745 in Berlin veröffentlicht (vgl. Bd. II, S. 226).

177-2 Vgl. S. 175 f. Karl VII. war am 20.Januar 1745 gestorben.

177-3 Kurfürst Karl Theobor war Mitglied der Frankfurter Union (vgl. S. 176).

177-4 Auch Hessen-Kassel gehörte zur Frankfurter Union (vgl. S. 176). —-

177-5 Am 22. April 1745 war der Friede von Füssen zwischen Maria Theresia und Maximilian Joseph, dem Nachfolger Karls VII., unterzeichnet worden (vgl. Bd. II.
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178-1 Vgl. Bd. III, S. 64; VII, S. 72.

178-2 Vgl. Bd. II, S. 185 ff.

178-3 Für den Warschauer Vertrag vom 8. Januar 1745 vgl. Bd. II, S. 197.

178-4 Schlacht bei Hohenfriedberg (vgl. Bd. II, S. 218 ff.).

179-1 Der Führer der sächsischen Truppen.

179-2 Vgl. Bd. II, S. 246.

179-3 Im August 1744 (vgl. Bd. II, S. 172f.).

179-4 17. Mal 1742 (vgl. Bd. II, S. 114ff.).

180-1 Die in unserer Ausgabe nicht aufgenommene „Note über die von den irregulären Truppen des Königs von Polen und Kurfürsten von Sachsen in der Neumark begangenen Feindseligkeiten“ enthält die eingehende Schilderung dieser Ausschreitungen.

181-1 Vgl. Bd. II, S. 246.