Betrachtungen über die Taktik und einige Teile des Krieges
oder
Betrachtungen über einige Veränderungen in der Art der Kriegführung
(27. Dezember 1758)
Was hat man vom Leben, wenn man nur vegetiert? Wozu hat man Augen, wenn man nur Tatsachen in seinem Gedächtnis anhäuft? Mit einem Worte: was nützt die Erfahrung, wenn sie nicht mit Nachdenken verbunden wird?
Vegetius sagt: „Der Krieg soll uns ein Studium und der Friede eine Übung sein.“ Er hat recht!
Die Erfahrung will durchdacht werden. Erst nach wiederholter Prüfung erkennt der Künstler die Grundbedingungen seiner Kunst. In den Mußestunden, in den Zeiten der Ruhe werden neue Stoffe für die Erfahrung vorbereitet. Solche Untersuchungen sind das Erzeugnis eines strebsamen Geistes. Aber wie selten ist solches Streben, und wie häufig sieht man dagegen Menschen, die alle ihre Glieder abgenutzt, aber nie ihren Geist gebraucht haben! Nur das Denken, die Fähigkeit, Ideen zu verknüpfen, unterscheidet den Menschen vom Lasttier. Der Maulesel, der zehn Feldzüge lang den Packsattel des Prinzen Eugen trug, ist dadurch kein besserer Taktiker geworden. Zur Schande der Menschheit muß man gestehen, daß viele in einem