<123>ments unsrer Armee ganz nahe kommen, ja sie umzingeln, und es ist sehr ärgerlich, daß wir nicht ebenso viele leichte Truppen haben. Unsre aus Deserteuren zusammengerafften, schwachen Freibataillone1 wagen oft nicht, sich vor ihnen sehen zu lassen. Unsre Generale getrauen sich nicht, sie vorzuschicken, um sie nicht zu verlieren. Dadurch wird es dem Feinde möglich, sich unfern Lagern zu nähern, uns zu beunruhigen und uns Tag und Nacht zu alarmieren. Unfte Offiziere gewöhnen sich mit der Zeit zwar an diese fortwährenden Scharmützel, verachten sie schließlich und verfallen leider in jene unheilvolle Sicherheit, die uns bei Hochkirch so teuer zu stehen kam2. Damals hielten viele den Überfall der ganzen österreichischen Armee auf unfern rechten Flügel für ein bloßes Scharmützel der irregulären Truppen.
Ich glaube jedoch, um Euch nichts zu verhehlen, daß Daun seine ungarische Armee noch weit besser verwenden könnte. Sie tut uns lange nicht so viel Schaden, wie sie könnte. Warum unternahmen die Detachementsführer nie etwas gegen unste Fouragierungen? Warum versuchten sie nicht, die elenden Nester zu überrumpeln, wo wir unste Magazine hatten? Warum suchten sie nicht bei jeder Gelegenheit unste Zufuhr abzuschneiden? Warum beunruhigten sie unser Lager des Nachts nur mit kleinen Detachements, anstatt uns mit Macht anzugreifen und unsrem zweiten Treffen in den Rücken zu fallen? Das hätte zu viel bedeutenderen und für den Ausgang des Krieges entscheidenderen Resultaten geführt. Ohne Zweifel fehlt es ihnen, so gut wie uns, an unternehmenden Offizieren, die in allen Ländern so selten und so gesucht sind, die einzigen, die aus der großen Zahl derer, die sich ohne Beruf und Talente dem Waffenhandwerl widmen, die Beförderung zur Generalswürde verdienen.
Das sind in kurzen Worten die Grundsätze, nach denen die Österreicher gegenwärtig Krieg führen. Sie haben sich sehr vervollkommnet, aber deshalb kann man doch wieder die Oberhand über sie gewinnen. Die von ihnen so geschickt angewandte Verteidigungsart liefert uns die Mittel, sie anzugreifen.
Ich habe schon einige Gedanken darüber hingeworfen, wie man sich mit ihnen in einen Kampf einläßt. Ich muß noch zwei Dinge hinzufügen, die ich wohl vergessen habe. Erstens muß man sehr darauf achten, das zum Angriff bestimmte Korps gut anzulehnen, damit es beim Vorgehen nicht selbst in der Flanke gefaßt wird, statt die des Feindes zu gewinnen. Zweitens muß man den Bataillonskommandemen einschärfen, daß sie ihre Leute beim Angriff zusammenhalten, besonders wenn sie in der Hitze des Erfolges die feindlichen Truppen vor sich Hertreiben. Denn die Infanterie besitzt nur so lange Gefechtskraft, als sie geschlossen und in guter Ordnung bleibt. Ist sie aber gelockert und fast zerstreut, so kann sie durch eine Handvoll Kavallerie vernichtet werden, die im Augenblick der Unordnung über sie herfällt.
1 Vgl. S. 109f. 114.
2 Vgl. Bd. III, S. 142ff.