<353>

9. Vorrede zum Auszug aus Quincys „Kriegsgeschichte Ludwigs XIV.“
(5. Oktober 1771)1

In allen Ländern ergreifen viele Edelleute den Waffenberuf, aber die Beweggründe, aus denen sie sich einem so ruhmvollen Berufe widmen, sind sehr verschieden. Die einen sind arm an Glücksgütern und betrachten den Militärdienst als Notbehelf, der ihnen schlecht und recht einen anständigen Unterhalt gewährt. In ihrer Sorglosigkeit vertrauen sie auf die Zeit und meinen, wenn die Reihe an sie kommt, werden sie schon avancieren. Lange gedient haben und gut gedient haben halten sie für das gleiche, und kann man ihnen keine grobe Pfiichtwidrigkeit vorwerfen, so sind sie mit sich selbst durchaus zufrieden. Andre geben sich den seichten Genüssen hin, an denen unsre Zeit so reich ist, stürzen sich in Vergnügungen und Zerstreuungen und sind alles andre, nur nicht Soldaten, was doch ihr Beruf ist. Endlich gibt es unter ihnen einige wenige, die, von edlem Ehrgeiz beseelt, danach streben, sich durch ihren Mut, ihre Fähigkeit und Klugheit in der Welt vorwärtszubringen, die stets lernbegierig, nur die Gelegenheit herbeiwünschen, sich aufzuklären und den Kreis ihrer Kenntnisse zu erweitern. Für diese hat man einen Auszug aus einer Schrift über die am Ende des vorigen und am Anfang des jetzigen Jahrhunderts angegriffenen und verteidigten Städte angefertigt. Man hat Sorge getragen, eine Auswahl der berühmtesten Belagerungen zu treffen, um den Wißbegierigen die Hilfsmittel zu zeigen, die Kunst und Geist zum Angriff und zur Verteidigung fester Plätze finden.

Wer für einen tüchtigen Offizier gelten will, muß eine Fülle von Kenntnissen und Talenten in sich vereinigen. Er muß seine Truppen zu schulen verstehen, damit


1 Der Titel des Werkes lautet: „Auszug derer gegen das Ende des verwichenen und im Anfange des gegenwärtigen Seculi angegriffenen und vertheidigten Städte, nebst einigen Lehrsätzen und Unterricht in der Kriegskunst, durch 16 Tabellen erläutert und mit nöthigen Kupfern versehen. Aus der Kriegsgeschichte ludewigs XIV., die der Herr Marquis de Quincy 1726 beschrieben, auf Allerhöchsten Könige lichen Befehl ins Deutsche übersetzt durch G. A. v. Clair, Königl. Preuß. Ingenieur-Capitain“ (Berlin, 1771). Der erste Teil behandelt die lehre vom Angriff und der Verteidigung fester Plätze, der zweite bringt 9 Belagerungen aus den Jahren 1677 bis 1713 zur Darstellung. Der König ließ den „Auszug“ 1772 den Regimentern zum Studium durch die Offiziere zugehen. Vgl. S. 38 und 293 f.