<414>Zum Sturme geht es; eine dichte Masse
Dringt durch die Bresche hinterm Feinde drein.
Verzweiflung packt ihn — und die Stadt ist Dein!
So war's, als der Franzosen Siegesdrang,
Planvoll geleitet, Valenciennes bezwang 1.

Gelingt der Sturm, so halte Deine Krieger
In strenger Zucht: denn wilder als ein Tiger
Ist der Soldat, vom Siegesrausch verblendet.
Nach Beute lüstern, jeder Zucht enthoben,
Reißt seine Wut ihn fort zu blindem Toben,
Und durch Verbrechen wird Dein Sieg geschändet.
Es welkt der Lorbeer auf des Feldherrn Haupt,
Und hätt' er auch die halbe Welt bezähmt,
Wenn er sich selber nicht des Plünderns schämt
Und duldet, daß der Krieger brennt und raubt.
Der ganzen Menschheit Fluch gen Himmel gellt: Du bist verfemt; vergessen ist der Held.
Umsonst hat Tilly sich mit Ruhm bedeckt
In Kaisers Dienst — sein Name ward entweiht
Und aus dem Buche der Unsterblichkeit
Getilgt durch eine Tat, die ihn befleckt.
O Magdeburg, Du Denkmal seiner Schmach2,
Es weiß die Welt, was er an Dir verbrach!
Mög' Euch mein Lied dies grause Bild enthüllen,
Mit Abscheu Eure Seele zu erfüllen!

Durch Tillys heuchlerische Friedenskunde,
Die leicht geglaubt von Mund zu Munde stiegt,
Ist Magdeburg in sichre Ruh gewiegt.
Die Wache auf des starken Walles Runde
Sinkt müd ins Gras; die harte Lagerstätte
Der Mauer tauscht so mancher mit dem Bette.
Ein Trugbild mit der Friedenspalme winkt; Die ganze Stadt in tiefen Schlummer sinkt.
Rings Ruhe, Schlaf; — nur Tillys Tücke wacht.
Er ordnet seine Scharen in der Nacht
Und naht der Stadt, noch eh der Morgen graut.
Mühlos erklimmt er die verlaßnen Schanzen,


1 1677. -

2 Für die Eroberung Magdeburgs am 20. Mai 1631 vgl. Bd. I, S. 44f.