Gedanken und allgemeine Regeln für den Krieg (1755)
1. Versammlung der Armee
Man versammelt die Armee an dem Orte, der den Mittelpunkt der Operationen bilden soll: in der Defensive an der Stelle, die einerseits das Land und die Magazine am besten deckt und andrerseits die einem feindlichen Angriff am meisten ausgesetzten Festungen schützt. In der Offensive muß man seine Lagerstelle gleich so aussuchen, daß die Zufuhren durch die Armee gedeckt werden, und daß die Stellung beim Feinde verschiedene Besorgnisse erregt oder große Unternehmungen erleichtert. NB. Im Feldkriege muß der Versammlungsort der Armee stets eine Operationsbasis nach der Art einer ersten Parallele1 decken. Diese erste Parallele ist entweder ein Flußlauf oder eine Bergkette, deren wichtigste Pässe man besetzt hält, oder eine Reihe von Festungen. Beim Vordringen in Feindesland muß man, um kunstgerecht zu verfahren, gleich nach den ersten Siegen und Eroberungen von Städten eine zweite Parallele ziehen. Diese Parallelen dienen vor allem zur Rückendeckung der Armee, zum Schutz der Zufuhr usw., ferner, damit im Fall des Mißlingens die Rückzugslinie unter allen Umständen gesichert ist, schließlich auch, um zu verhindern, daß die leichten Truppen des Feindes Euch in Flanken und Rücken kommen.
2. Märsche
Man muß wissen, warum und wohin man marschiert und was man mit seiner Bewegung erreichen will. Man darf eine Armee nur aus guten Gründen in Bewegung setzen. Gewaltmärsche sind ein stummes Zeugnis dafür, daß der Heerführer sich von seinem Gegner hat hinhalten lassen. Sonst wäre er nicht gezwungen, sich zu eilen und durch Geschwindigkeit die Zeit einzuholen, die der Feind ihm abgewonnen hat. Bei allen Märschen ist eine gute Avantgarde nötig, die den Marsch aufklärt. Die Zahl der Kolonnen richtet sich nach der Anzahl der Straßen, die man vorher sorgfältig rekognoszieren läßt. Die Kavallerie darf nicht durch Wälder marschieren. Trifft sie unterwegs auf soche, so gibt man ihr einige Infanteriebataillone zur Be-
1 Im Festungskrieg.