22. Kapitel Verteidigung von Flüssen
Nichts ist so schwer, wo nicht unmöglich, als dem Feind einen Flußübergang zu verwehren, besonders, wenn die Angriffsfront zu breit ist. Ich würde nie einen solchen Auftrag übernehmen, wenn die Angriffsfront mehr als acht deutsche Meilen betrüge. Auch müßten eine oder zwei Festungen auf dieser Strecke am Flusse liegen und sich ferner nirgends eine Furt befinden. Aber auch, wenn das alles der Fall ist, bedarf es noch einer gewissen Zeit, um sich auf die Unternehmungen des Feindes vorzubereiten.
Folgende Anordnungen wären zu treffen. Man läßt alle Schiffe fortnehmen, die sich auf dem Flusse befinden, und schafft sie nach den beiden Festungen, damit der Feind sie nicht benutzen kann. Ferner läßt man beide Flußufer erkunden, um zu ermitteln, welche Stellen den Übergang des Feindes begünstigen könnten. Liegen an diesen Stellen auf dem diesseitigen Ufer einige Bauernhäuser oder ein Kirchhof, den der Feind beim Übergang benutzen könnte, so läßt man sie sofort zerstören. Man merkt sich alle günstigen Übergangsstellen und entwirft für jede von ihnen einen besonderen Angriffsplan, und zwar an Ort und Stelle selbst. Dann läßt man große, breite Wege für mehrere Kolonnen am Ufer entlang auf der ganzen Verteidigungslinie anlegen, um bequem und ohne Hindernisse gegen den Feind vorrücken zu können. Sind alle diese Anstalten getroffen, so lagert man mit seiner Armee im Zentrum der Verteidigungslinie, sodaß man also zu den beiden Endpunkten nicht mehr als vier Meilen zu marschieren hat. Ferner bildet man sechzehn kleine Detachements unter Führung der geschicktesten und wachsamsten Husaren- oder Dragoneroffiziere der Armee. Acht davon verteilt man unter dem Befehl eines Generals nach rechts und acht unter einem andern General nach links. Ihre Aufgabe ist, über die Bewegungen des Feindes und den Ort, wo er über den Fluß will, Meldung zu erstatten. Tagsüber stellen sie Wachen aus, um alles, was vorgeht, zu beobachten. Des Nachts aber patrouillieren sie alle Viertelstunden dicht am Flusse und ziehen sich nicht eher zurück, als bis sie deutlich gesehen haben, daß der Feind eine Brücke schlägt und seine Spitze sie passiert hat. Die beiden Generale, sowie die beiden Festungskommandanten erstatten dem tzöchsikommandierenden täglich viermal Bericht. Auf den Wegen müssen Relais angelegt werden, damit die Meldungen rasch eintreffen und man sofort Nachricht hat, wenn der Feind den Fluß überschreitet. Pflicht des Heerführers ist es, sofort dorthin zu marschieren. Zu dem Zweck muß er seine Bagage schon fortgeschafft haben und stets auf dem Sprunge stehen. Da alle seine Dispositionen schon fertig sind, so gibt er den Generalen sofort diejenige, die für den betreffenden Ort paßt. Er muß rasch marschieren und seine ganze Infanterie nach<54> vorn nehmen; denn er muß voraussetzen, daß der Feind sich verschanzt hat. Darauf muß er ihn lebhaft und ohne Zaudern angreifen: dann kann er sich den glänzendsten Erfolg versprechen.
Der Übergang über kleine Flüsse ist schwerer zu verwehren. Man muß die Furten durch hineingeworfene Baumstämme ungangbar machen. Liegt aber das Ufer auf der Seite des Feindes höher, so ist aller Widerstand umsonst.