31. Kapitel Winterfeldzüge
Winterfeldzüge richten das Heer zugrunde, sowohl durch die Krankheiten, die dabei ausbrechen, als auch, weil die Truppen in beständiger Bewegung bleiben und daher weder rekrutiert noch neu montiert, noch das Proviant- und Munitionsfuhrwert wiederhergestellt werden können. Sicherlich wird auch die beste Armee von der Welt einen solchen Feldzug nicht lange aushalten. Deshalb müssen Winterfeldzüge als die schädlichsten von allen vermieden werden.
Trotzdem kann der Heerführer unter Umständen zu diesem Mittel gezwungen werden. Ich habe, glaube ich, mehr Winterfeldzüge geführt als irgend ein Feldherr dieses Jahrhunderts. Es ist also nicht unangebracht, wenn ich bei dieser Gelegenheit die Gründe angebe, die mich dazu bewegen haben. Im Jahre 1740, als Kaiser Karl V>. starb, waren in ganz Schlesien nur zwei kaiserliche Regimenter. Ich hatte beschlossen, die Rechte meines Hauses auf Schlesien geltend zu machen, und mußte deshalb im Winter vorgehen, um alles zu benutzen, was mir vorteilhaft sein konnte, mithin mich der ganzen Provinz bemächtigen und den Kriegsschauplatz an die Neiße verlegen84-1. Hätte ich dagegen das Frühjahr abgewartet, so hätten wir den Krieg zwischen Krossen und Glogau gehabt und vielleicht erst nach-drei bis vier schweren Feldzügen das erlangt, was ich damals auf einen Schlag durch den bloßen Einmarsch gewann. Dieser Grund war meines Erachtens stichhaltig.
Im Jahre 1742 machte ich einen Winterfeldzug nach Mähren, um durch diese Diversion Bayern zu befreien. Daß es mir nicht gelang, lag an der Schlaffheit der Franzosen und am Verrat der Sachsen84-2.
Im Winter 1744/45 führte ich den dritten Winterfeldzug. Die Österreicher fielen in Schlesien ein, und ich war genötigt, sie daraus vertreiben zu lassen84-3.
<85>Im Winter 1745/46 wollten die Österreicher und Sachsen in meine Erblande eindringen, um dort mit Feuer und Schwert zu wüten. Ich handelte nach meinem Prinzip, kam ihnen zuvor und trug mitten im strengsten Winter den Krieg in ihr Land85-1.
Unter gleichen Umständen würde ich stets wieder so handeln und das Verhalten meiner Offiziere billigen, wenn sie es ebenso machten. Aber ich tadle alle, die aus bloßem Mutwillen Winterfeldzüge unternehmen.
Was nun die Einzelheiten der Winterkriege betrifft, so läßt man die Truppen in sehr enggelegten Kantonnements marschieren, sodaß öfters sogar zwei oder drei Regimenter Infanterie in.ein Dorf zu liegen kommen, wenn es groß genug ist. Man legt auch wohl die ganze Infanterie in eine Stadt. Derart marschierte der Fürst von Anhalt nach Sachsen. Er nahm Quartier in Ellenburg, Torgau, Meißen und noch zwei bis drei kleinen Städten, deren Namen mir entfallen sind. Dann bezog er ein Lager.
Sobald man sich dem Feinde nähert, gibt man den Truppen einen Sammelpunkt an und marschiert in Kolonnen, wie es sonst gebräuchlich ist. Wenn es dann zur Entscheidung kommt, nämlich wenn man in die feindlichen Quartiere einfallen oder gegen den Feind marschieren will, um ihm eine Schlacht zu liefern, muß man in der Ordre de bataille lagern und die Truppen unter freiem Himmel kampieren lassen. Jede Kompagnie macht sich ein großes Feuer und verbringt die Nacht dabei. Da aber solche Beschwerden zu groß sind, als daß der menschliche Körper sie lange aushalten könnte, so müssen dergleichen Unternehmungen so kräftig und kühn ausgeführt werden, daß sie nicht lange dauern können. Man darf also angesichts der Gefahr nicht schwanken, sondern muß einen herzhaften Entschluß fassen und ihn ausführen.
Ich bemerke noch, daß man niemals Winterfeldzüge in Ländern mit vielen befestigten Plätzen führen darf. Da die Jahreszeit sich zu Belagerungen nicht eignet und große Festungen sich nicht überrumpeln lassen, so kann man im voraus sicher sein, daß ein solches Vorhaben scheitern wird; denn alle Wahrscheinlichkeit spricht dagegen.
Solange man also die Wahl hat, muß man den Truppen während des Winters soviel Ruhe wie möglich geben und diese Zeit zur Wiederherstellung der Armee gründlich benutzen, um im nächsten Frühjahr dem Feinde mit der Eröffnung des Feldzuges zuvorzukommen.<86> Die Generalprinzipien des Krieges
Das sind ungefähr die Hauptpunkte der großen Kriegsoperationen. Ich habe ihre Grundsätze möglichst ausführlich entwickelt und mich vor allem bestrebt, klar und verständlich zu sein. Solltet Ihr aber über den einen oder andren Punkt Zweifel haben, so wird es mich freuen, wenn Ihr sie mir darlegt, damit ich meine Gründe ausführlicher angeben oder, wenn ich etwas Falsches gesagt haben sollte, mich zu Eurer Meinung bekehren kann. Schon meine geringe Kriegserfahrung hat mir gezeigt, daß diese Kunst nicht auszulernen ist und daß man bei ernstem Studium stets Neues entdeckt. Ich glaube, meine Zeit nicht verloren zu haben, wenn dies Werk meine Offiziere zum Nachdenken über ein Handwerk anregt, das ihnen die glänzende Laufbahn des Ruhmes eröffnet, ihre Namen dem Dunkel der Zeiten entreißt und ihnen für ihre Mühen Unsterblichkeit sichert. Dixi.
84-1 Vgl. Bd. II, S. 59 ff.
84-2 Vgl. Bd. II, S. 100 ff.
84-3 Vgl. Bd. II, E. 209 ff.
85-1 Vgl. Bd. II, S. 245 ff.