Vorwort

dem letzten Kriege127-1 habe ich meinen Generalen eine Instruktion127-2 gegeben, die mir damals hinreichend erschien. Da der Feind aber eingesehen hat, welchen Schaden wir ihm in den ersten Kriegen127-3 zugefügt haben, so hat er seitdem seine Lagerkunst Taktik und Artillerie vervollkommnet127-4. Durch diese Fortschritte ist das Kriegführen komplizierter, schwieriger und gefährlicher geworden; denn nun haben wir nicht bloß mit Menschen zu kämpfen, sondern auch mit festen Stellungen und starker Artillerie, und die Vorsicht zu üben, die uns die Taktik lehrt. Schon das allein soll uns zum Studium dieser Teile der Kriegskunst veranlassen, damit wir unsern alten Ruhm wahren und neuen hinzufügen.

Das Studium des Geländes, seiner Vorteile und Mängel und seine Benutzung ist für einen General von größter Bedeutung; denn alle seine Kriegsoperationen drehen sich um Stellungen, die er vorteilhaft besetzen oder mit möglichst geringen Verlusten angreifen muß, oder um Gegenden, in denen er als Führer der Vorhut oder Nachhut zu kämpfen hat. In jedem Falle muß er sich auf die Kunst verstehen, die Truppen dem Gelände entsprechend zu gebrauchen, und die Regeln beherrschen, die uns die Erfahrung gelehrt hat.

Wer sich einbildet, ein General brauche nur Mut zu haben, der irrt sich sehr. Mut ist zwar eine wesentliche Eigenschaft für ihn, aber es müssen auch noch viele Kenntnisse<128> hinzutreten. Auch ein General, der auf Ordnung und Disziplin bei seinen Truppen hält, verdient gewiß Lob, aber das alles reicht zum Kriege nicht hin, sondern bei allem, was er tut, ist Urteilskraft nötig. Wie aber soll er sie erlangen, wenn ihm die Kenntnisse fehlen? Was ist ein General, der die Vorteile und Mängel des Geländes nicht erkennt und nicht alles benutzt, was es ihm bieten kann? Hat er die Regeln der Taktik nicht im Kopfe, so werden seine Dispositionen für Avant- und Arrieregarden, Märsche, Angriffe und Verteidigungen fehlerhaft sein; denn bei seiner Unwissenheit wird er vielleicht die Wichtigsten Maßregeln unterlassen. Es gibt Grundsätze für alles. Ich führe hier nur die unerläßlichsten an. Aber man muß sich die Mühe geben, selbst nachzudenken, und sich üben, damit sie einem vertraut und geläufig werden.

Wir müssen Lagerkunsi, Taktik und Artilleriewesen studieren und ihren rechten Gebrauch lernen. Die Infanteriegenerale müssen den Kavalleriedienst und die Kavalleriegenerale den Infanteriedienst verstehen, weil sie als Detachementsführer beide Waffen unter sich haben.

Ich suche die Armee, soviel an mir ist, in den besten Stand zu setzen, aber man vergesse nie, daß sie nur ein Werkzeug ist, das die Generale benutzen sollen, und daß dies Werkzeug, so gut es sei, nur bei rechtem Gebrauch etwas taugt.

So sehr ein tüchtiger General zu entschuldigen ist, wenn er schlechte Truppen kommandiert, die seine Befehle nicht auszuführen vermögen, so sehr müssen unsre Generale — ich sage es dreist heraus — alle Achtung verlieren, wenn sie mit so gut ausgebildeten Truppen durch ihre Unwissenheit Fehler und Torheiten begehen.

Wir müssen uns also wohl einprägen, daß wir künftig nur einen Artilleriekrieg zu führen und feste Stellungen anzugreifen haben. Das erfordert gründliche Kenntnis des Geländes und kunstgerechtes Ausnutzen aller seiner Vorteile, sowohl beim Angriff wie bei der Verteidigung.

Vorteilhaft bei der Verteidigung sind für die Infanterie und Artillerie Anhöhen und vor allem sanfte Abhänge, die gleichsam ein natürliches Glacis bilden. Hier wirkt das Feuer verheerend. Solche sanften Abhänge finden sich auch oft in der Ebene. Sie dürfen niemals unbenutzt bleiben. Auch Wälder mit guten Verhauen sind sehr nützlich. Überhaupt besieht der Vorteil einer festen Stellung darin, daß sie den Feind beim Angriff zum Abbrechen seiner Front zwingt, mag man nun hinter einem Bachlauf oder einem Verhau stehen.

Beherrschende Höhen sind noch vorteilhafter. Sie bringen die Artillerie des Feindes um jede Wirkung, da man nicht bergauf schießen kann. Sie schalten sein Gewehrfeuer aus, da er es beim Angriff nicht verwerten kann. Sie legen seine Kavallerie lahm, da sie in dem bergigen Gelände nicht fechten kann, und zwingen den Feind überhaupt, beim Erstürmen der Höhe seine Front zu brechen. Das aber ist der Augenblick, wo Euer Feuer ihn vernichten und seine Verwirrung zur Flucht machen muß.

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Dagegen hat der Angreifer alle kleinen Bodenerhebungen zu benutzen, die seinen Truppen beim Anstürmen gegen die Stellung Schutz vor dem feindlichen Feuer zu bieten vermögen. Nie darf er eine Anhöhe unbesetzt lassen, auf der er ein paar Kanonen aufpflanzen kann. Stets muß er bestrebt sein, den Angriffspunkt der feindlichen Stellung unter Kreuzfeuer zu nehmen, soweit das Gelände und die Aufstellung des Gegners es irgend gestatten, um sich soviel wie möglich die Feuerüberlegenheit zu verschaffen. Er muß seine Angriffstruppen durch die Armee, die ihnen als Rückhalt dient, gut unterstützen und, wenn irgend ausführbar, einen seiner Angriffe in den Rücken des Feindes richten; denn das kann den Sieg entscheiden. Er darf also nichts unversucht lassen.

Da dieser Gegenstand ausführliches Eingehen auf Einzelheiten erfordert, wird es zweckmäßig sein, wenn ich die Darlegung meines Systems in Kapitel einteile, um methodischer, wenn auch so kurz wie möglich, zu verfahren. Ich hoffe, meine Generale werden bei Beherzigung dieser Grundsätze in künftigen Kriegen grobe Fehler vermeiden. Das wäre der schönste Lohn meiner Arbeit.


127-1 Dem Siebenjährigen Kriege.

127-2 Die „Generalprinzipien des Krieges“.

127-3 Den Schlesischen kriegen.

127-4 Vgl. S. 118 ff.