IV. Die Kriegskunst
Ein Lehrgedicht
Wofür noch keinem die Musen die Schläfe bekränztenLukrez, Buch I
<384><385>Erster Gesang
Ausbildung, Disziplin
Du, der einst mit dem Königszepter schalten,
Der Schwelt und Wage soll in Händen halten,
Du Heldensproß, auf den der Staat vertraut,
Fürstlicher Jüngling, laß Dich treu beraten
Von einem felderfahrenen Soldaten
Im Waffenbrauch, auf den der Ruhm sich baut.
Nicht Roß und Mann allein, Geschütz und Heere
Beschirmen eines Volkes Ruhm und Ehre.
Lern' erst den rechten Brauch, die Kunst verstehen,
Durch die der Kriegsmann hehre Tat vollbringt.
Ein neues Lied Dir meine Muse singt
Von Tugenden, die wir an Helden sehen,
Von Gaben, die ihr Fleiß erwirbt, von Mut
Und Umsicht, Wagclust und weiser Hut,
Und wie ein Krieger, den die Einsicht leitet,
Die Grenzen seiner Kunst noch überschreitet.
Doch glaube nicht, ich wollte schlimm Dich lehren,
Die unheilvolle Schlachttrompete blasen
Und wahnberauscht, lechzend nach Siegesehren,
<386>Entfachen Deinen Mut zu blindem Rasen.
Nicht Attila geb' ich zum Muster Dir,
Nein, echte Helden, Titus, Mark Aurel,
Trajan, voll Tapferkeit, doch ohne Fehl,
Der Menschheit Vorbild, ihres Ruhmes Zier.
Kein Lorbeer soll Viktorias Stirn bedecken,
Wenn Missetaten ihren Ruhm bestecken!
Wohltätiger Friede, hehre Geister droben,
Die Preußens Volk aus Himmelshöhen schirmen,
O scheucht von Flur und Stadt das blutige Toben,
Schützt unsre Grenzen vor des Krieges Stürmen!
Bewahrt uns vor der Menschheit grausen Plagen,
Und hört im Schicksalstempel Ihr mein Flehn,
So laßt dies Land bis zu den fernsten Tagen
Im heiß ersehnten Frieden fortbestehn!
Dann kann der Landmann seiner Fluren Segen
Zufrieden unterm trauten Dache hegen,
Kann Themis ungestört ihr Urteil sprechen,
Den Frevler strafen und die Unschuld rächen;
Die leichten Schiffe, die das Meer zerteilen,
Kein Feind als Sturm und Flut kann sie ereilen;
Minerva kann in unsrem Rate walten
Und Schild und Ölzweig in den Händen halten.
Doch reißt des Friedens hehres Band entzwei
Und lechzt der Feinde Übermut nach Krieg,
Dann, Könige, Völker, rüstet Euch! Dann leih,
O Himmel, der gerechten Sache Sieg!
Schrecklicher Schlachtengott, Du sollst mich führen;
Die Schranken öffne mir zu blutigen Kämpfen!
Euch holden Musen muß es wohl gebühren,
Des Kriegers rauhe Rede abzudämpfen.
O stimmt herab zu sanfter Melodie
Der Schlachttrompete schmetterndes Getön!
Verwegen setze meine Phantasie
Den grausen Mars auf des Parnasses Höhn.
Mit erznen Helmen wappn' ich Cure Stirn,
Nicht Liebes Lust und Leid will ich besingen,
Nicht Wonnetaumel, Kosen, List und Girrn,
<387>Noch Schwächen, die selbst Helden niederzwingen.
Des Pontus Sänger mag in süßem Wahn
Den Gott, der all sein Leid verschuldet, preisen387-1;
Die Grazien lauschen seinen holden Weisen,
Ich aber stimme grause Lieder an.
Tief in des Ätna Schoß, in Glut und Brand,
Lass' ich Vulkan mit Wucht die Blitze schmieden,
Die schrecklichen, die in der Helden Hand
Der Reiche Schicksal allezeit entschieden,
Die in der Schlachten Drang die Reihen mähn
Und stolzer Städte Wälle niederstrecken.
Auch jene grause Waffe sollt Ihr sehn,
Bajonnes Erfindung, jenen neuen Schrecken,
Der Spieß und Feuer eint und Tod um Tod
Den angsterfüllten Blicken droht.
Doch mitten im Gewühl des Mordens wird
Man Helden sehn, die rasch und unbeirrt
Die Reihen ordnen, tapfer vorwärts dringen,
Planvoll gebieten und das Schicksal zwingen.
Doch eh' zum Höchsten wir den Blick erheben,
Sei er den ersten Regeln zugekehrt,
Gleichwie der Adler seine Jungen lehrt,
Dem Wind zum Trotz im Ätherreich zu schweben,
Wenn sie, befiedert kaum, mit starken Schwingen
Empor die Mutter aus dem Horste trägt.
Kriegsfrohe Jugend, deren Mut sich regt,
Die es schon drängt, sich Ehre zu erringen —
O wähnet nicht, daß Euch der Ruhm schon krönt,
Wenn Ihr, im Krieg noch unerprobt und neu,
Ins Feld zieht, kaum der Mutterbrust entwöhnt!
Beginnet mit dem kleinsten ohne Scheu!
Drohend mit der Muskete Last bewehrt,
Durchlauft des harten Dienstes schwere Zeit.
Behend in jeglicher Bewegung seid,
Wie sie der Kriegsgott seinen Söhnen lehrt.
Fest sieht in Reihn, wie siumm, kein Glied gerührt!
Den Blick am Führer und gespitzt das Ohr.
Was er befiehlt, sei hurtig ausgeführt!
Geschwind zu laden lernt das Feuerrohr.
Gleichmäßig sei und pünktlich Griff und Tritt.
Rückt mannhaft vor, in festem, sichrem Schritt,
Kein Wanken und kein Schwanken, Mann an Mann!
In Zügen feuert, wahrt die Tempos gut,
Seid rasch in allem, doch mit kaltem Blut.
Harrt des Signals, dann stürmt verwegen an!
Steht Ihr auf Posten, habt des Feindes acht.
Wer nicht gehorchen kann, lernt nie befehlen.
So ließ sich Finck388-1 den Mut im Kriege stählen
Und hat der Helden Lehrzeit durchgemacht.
Wie furchtbar eines Heeres Größe sei,
Die Triebkraft sind die niederen Soldaten,
Die in des Dienstes strengem Einerlei
Zusammenwirken zu den großen Taten.
Gleichwie zum Spiel manch prächtiger Fontäne,
Die zu Versailles in weiten Gärten springt,
Mit Macht sich regt bei Marly an der Seine
Das große Triebwerk, das den Strom bezwingt:
Da pressen hundert Pumpen allesamt
Den unterjochten Fluß in die Kanäle;
Jedwedes Rad hat sein bestimmtes Amt.
Versagt ein Hebel, ist die kleinste Fehle,
Gleich stockt das Ganze, hört die Ordnung auf: —
So muß auch in der Heere Ruhmeslauf
Ein jeder unterordnen seinen Mut;
Kühnheit auf eigne Faust ist selten gut.
Ob vorschnell Euer Tun, ob's lässig war —
Der schon erraffte Lorbeer Euch entsinkt.
Liebt drum das Kleine, nicht des Ruhmes bar:
Es ist das erste, das den Sieg Euch bringt.
Doch sollt Ihr nicht im niedren Rang veralten:
Lernt als Soldat über Soldaten schalten;
Führt unverzagte Mannschaft mit Bedacht.
Klimmt Grad um Grad, stets Eurer Pflicht getreuer.
Bald sieht ein Bataillon in Eurer Macht.
Lenkt seinen Marsch und leitet es im Feuer.
Lehrt es in Ordnung laden, schießen, streiten,
Haltmachen und beherzt zum Angriff schreiten.
Drei Glieder hoch, so werden Preußens Krieger,
Straff, nervig, hoch an Wuchs, des Feindes Herr.
In dichtren Reihen räumt er doch dem Sieger
Das Feld nach kurzer, tapfrer Gegenwehr.
Im Gleichschritt soll das Bataillon anrücken
Und seinen Blitz und Donner nicht verschwenden;
Die Front soll ihre Bajonette zücken,
Daß sich entsetzt zur Flucht die Feinde wenden.
Mit Fleiß müßt Ihr die Heldenschar ergänzen,
Wenn nach der Schlacht so manche Lücke klafft,
Und strebt Ihr fürder nach des Sieges Kränzen,
Wählt große Männer aus voll Nerv und Kraft.
Mars bürdet ihnen auf die schwersten Lasten;
Nachzüglern grollt er, die am Wege rasten.
Schwächliche Körper, von Beschwer erschlafft,
Sind, eh der Feldzug endet, hingerafft.
Gleichwie im Wald die Eichen nur, die zähen,
Des Sturmes Toben trotzig widerstehen,
Doch neben ihnen in den Ungewittern
Der Fichten schlanke Schäfte splittern,
So müßt auch Ihr mit Männern, stark wie Leuen,
Die tapfren Bataillone stets erneuen.
Wenn Euch nach Feldherrnruhm der Wunsch durchdringt,
Der Ehrgeiz, daß Euch Dauerndes gelingt,
Beherrscht der Waffen mannigfachen Brauch,
Und habt Ihr Gaben, wohl, so übt sie auch!
Lernt, wie mit des Lapithen Kampfesart
Die Kriegskunst des Zentauren klug sich paart.
<390>Geht bei den Jüngern Pluvinels390-1 zur Lehre,
Wie man dem wilden Roß den Zaum anlegt,
Daß Euch sein Sprung kühn über Gräben trägt;
Gewöhnt die Lenden an des Panzers Schwere.
Kein Laut der Klage, wenn der Helm Euch schmückt,
Daß er Euch Furchen in die Stirne drückt!
Ein ungeschickter Mut, er scheitert bald.
Habt Euren Säbel gut in der Gewalt,
Den raschen Stahl, der Eure Feinde schreckt
Und ihre flüchtigen Reihen niederstreckt.
So will es Mars, daß Cure scharfen Klingen
Entscheidung in das Los der Schlachten bringen.
Das Schießen unterlaßt im Reiterkampf,
Denn wirkungslos verfliegt der Pulverdampf;
Zum Halten bringt die Pferde kurzerhand.
Lernt, wie man im Gefild die Truppe stellt,
Die Kürassiere fest zusammenhält,
Schwadron dicht an Schwadron, ein grades Band.
Bei Führern von Erfahrung und Geschick
Lernt tummeln Eure Schar. Im Augenblick
Abschwenken soll sie, flugs in Stellung stehn
Und rasch zu einer andern übergehn,
Sie plötzlich wechseln, hurtig aufmarschieren,
Gewandt in jeder Gegend manövrieren.
Gehorsam, des Befehls gewärtig, sprengt
Mit Windeseile in des Feindes Reihn.
In starkem Anprall werft sie, dicht gedrängt;
Sind sie zerstreut, setzt hitzig hinterdrein.
Hellas war einst des Lorbeers Heimatland,
Der Helden Schule Sparta, ihre Wiege;
Ordnung und Mannszucht herrschten da im Kriege,
Und Thebens Kunst der Phalanx Wucht erfand.
Der letzte Krieger zeigte sich als Held,
Wo Kimon, wo Miltiades befahl.
Gestählter Mut und Kunst vertrat die Zahl
Und schlug der Perser Dünkel aus dem Feld.
O Tag von Salamis und Marathon,
Der Griechen Ruhm an Euch auf ewig hängt!
Seht, wie der Held auf Mazedoniens Thron391-1
An seine Freunde Hab und Gut verschenkt,
Doch hoffnungsreich, auf seine Mannheit bauend,
Die Perser überfällt, Darms schlägt,
Asien bezwingt und seiner Phalanx trauend,
Den Sieg bis zu des Ganges Ufern trägt!
Mars brachte von den östlichen Gefilden
Sein Kriegspanier zum Römischen Senat;
Ein Volk von Männern wußt' er dort zu bilden,
Das kampfesfreudig schritt von Tat zu Tat.
Mit krieggewohnten Nachbarn lange ringend
Und selbst das Schicksal sich zu Willen zwingend,
Ward es Italiens Herr und wuchs an Macht
Durch jedes Volk, dem es sein Joch gebracht.
Der siegesstolze Aar der Legionen
Schwang sich zu immer höheren Regionen.
Der Feinde Kunst erlernte man in Rom,
Benutzte ihre List zum eignen Fall.
Zwingburgen wurden aus dem Lagerwall;
Vor ihrem Dräun erschrak der Donaustrom.
Iberer und Germanen unterlagen,
Die rauhen Völker an Britanniens Strand,
Karthagos List, die Kunst von Griechenland,
Des Pontus Macht391-2, der Gallier keckes Wagen;
Der ganze Erdkreis Rom zu Füßen sank.
Doch seine Mannszucht, die, an Siegen trächtig,
Es herrschend einst gemacht und übermächtig,
Sie fiel zuletzt: das war sein Untergang.
Da brachen Hunnen, Gothen und Gepiden —
Nicht Krieger, beutegierige Räuberhorden —
Ins weite Reich mit Sengen, Plündern, Morden.
Umsonst rief nun das Volk: Wer schafft uns Frieden?
Zu spät ward ihm der Fall der Mannszucht leid:
Das stolze Rom war dem Verfall geweiht!
Nach langem Schlaf ward neu die Kunst beseelt:
Der fünfte Karl erweckte sie zum Leben.
Sein Feldherrngenius ließ die Welt erbeben
Vor Spaniens Fußvolk, kühn und krieggestählt.
Karl gab ihm Ordnung, schrieb Gesetze vor —
Bis es bei Rocroy Schlacht und Ruhm verlor392-1.
Doch der Bataver seine Fesseln brach,
Das schnöde Joch der fremden Tyrannei.
Geschult von Moritz392-2, rächt' er seine Schmach,
Und durch Gehorsam ward er frei.
In seinen sieggewohnten Heeren
Gedieh Turennes bestaunte Feldherrnkunst392-3.
Der große Ludwig schenkt' ihm seine Gunst;
Die Franken folgten seinen Heldenlehren.
Des Krieges Regeln prägten sie uns klar;
Doch blind war Ludwig für den jungen Aar,
Des Mars und der Minerva Lieblingssohn:
Da ward Eugen zum Hort dem Kaiserthron392-4.
Der junge Dessau focht in Süd und Norden
In seiner Zucht und wurde kriegserfahren.
So sind die Götter, die mit Östreich waren,
Durch ihn zu Preußens Göttern nun geworden.
Sieh, wie die Kunst, die Dir mein Lied verkündet,
Die Throne stets gestützt, wohin ich schaue.
Und ist sie auf die Mannszucht fest gegründet,
Und waltet Kraft in ihrem großen Baue —
Ermiß, wie weit dann ihre Wirkung greift!
Doch durch Erfahrung wird sie nur gereift.
Dem Neuling wehe, den der Wahn umfinge,
Daß man die Stufen mühlos überspringe!
Als Phaeton den Vater einst beschwor,
Den Wagen ihm zu leihn — der junge Tor! —
Verstand er nicht der Rosse Mut zu zähmen;
Fremd war die Bahn, die sie am Himmel nehmen;
Doch dreist griff er zum Zügel, sie zu leiten.
So irrt' er auf verschlungnem Pfad einher;
Da flammt' ein Blitz und aus des Himmels Weiten
Zerschmettert stürzt er jählings in das Meer.
Verwegne, bangt, Euch gleichem Los zu weihn!
Durch Vorwitz stürzte Phaeton allein.
Lenkt Ihr zu früh des Mars ehernen Wagen,
So muß der ganze Staat das Wagnis tragen.
Zweiter Gesang
Ausbruch des Krieges, Lagerkunst, Schlachtordnungen, Stellungen, Märsche.
Wenn sich die Zwietracht, Unheil auszusäen,
Von ihren Ketten reißt am Höllenstrand,
Wenn aufgeschreckt sich ihre Schlangen blähen
Und sie die Fackel schwingt in ihrer Hand,
Daß Funken auf der Fürsten Dächer fallen,
Dann stammt ihr Hader fürchterlich empor.
Neid, Dünkel, Haß, sie finden fiugs ein Ohr,
Und Maß und Eintracht fiiehn aus ihren Hallen.
Vor ihren Augen lockend sieht die Rache;
Zum Kriege spitzt sich die geringste Sache.
Durch das Gelingen schwillt des Scheusals Mut:
Noch trunken, lechzt es schon nach frischem Blut.
Die Kriegesfurien lockt sein schriller Schrei;
Der Menschheit Plagen eilen fiugs herbei.
Mars öffnet rings im Land sein Arsenal;
Von Feuerschlünden starrt der Wall der Festen.
Auf schwerem Amboß ächzt der grause Stahl,
Und Pech und Schwefeldunst die Luft verpesten.
Der sanfte Bürger sieht die großen Städte,
Wo er des Friedens Künste froh genoß,
Erfüllt mit Kriegern, Waffen, Heerestroß,
Und durch die Lüfte schmettert die Trompete.
Man harrt nur, daß der Frühling wiederkehre.
Die Wonnezeit der friedlichen Cythere,
Die alle Welt mit Liebesdrang erfüllt,
Birgt nun für kühne Herzen nur Gefahr,
Die Ruhmesdurst noch ihrem Blick verhüllt.
Schon taut der Schnee und linder wird das Jahr.
Vom Bergeshang die Silberbäche fließen
Und schlängeln sich durch die geblümte Au.
Die jungen Gräser auf den Triften sprießen;
<395>Mit frischen Saaten schmückt sich rings der Gau.
Doch will auch Floras Huld uns Lust bescheren,
Gerüstet ziehen, Unheil abzuwehren,
Die Krieger in der Ehre Feld hinaus,
Vom Drang erfüllt, mit Ruhm sich zu bedecken,
Die Königsrache blutig zu vollstrecken;
Mit leichten Zelten tauschen sie das Haus.
Die Nachbarn zittern vor des Krieges Schrecken.
Der Landmann flieht; die Flur verödet sieht;
Von fremden Armen wird die Saat gemäht.
Zum Sammelplatze ziehn die Heeresmassen,
Zum Lager, das sie alle soll umfassen.
Ist nun der Platz gewählt und abgesteckt,
Siehst Du ihn bald wie eine Stadt bedeckt
Mit Häusern, Straßen und Palästen; hier
Wohnt nun des Staates Kraft und Zier.
Reg ist die Arbeit; bald die Dächer ragen,
Doch ohne Mörtel, Holz und Stein errichtet.
Jeder Soldat ist Maurer; aufgeschlagen
Ist rasch die Wanderstadt und flugs vernichtet.
Gar manches Wissen heischt die schwere Kunst,
Geländ' und Lagerplatz geschickt zu wählen;
Gar nützlich ist sie, sieht in hoher Gunst.
Soll es dem Heer an Sicherheit nicht fehlen,
So übt den Blick und lest in der Natur!
Lernt jegliches Gelände gut zu nützen:
Hier steile Höhn, die Eure Flanken schützen,
Dort Täler, Felder, wechselreiche Flur.
Je nach der Zeit und nach der Dinge Lauf
Schlagt hier und dort bedacht das Lager auf:
An seiner Wahl das Los des Kampfes hängt!
Ihr seid das Haupt, das für den Körper denkt,
Wacht, wenn er schläft, und handelt, wenn er ruht.
Auf Eure Weisheit jeder Krieger baut,
Und aller Schicksal liegt in Eurer Hut:
Lohnt's Eurem Heer, daß es auf Euch vertraut!
<396>Wollt Ihr das falsche Schlachtenglück erproben,
So schlagt das Lager auf im blachen Feld,
Wo sich kein Hemmnis Euch entgegenstellt,
Doch habt ein Korps zur Wache vorgeschoben.
Sorgt, daß ein Wald, ein Fluß Euch nahe liegt;
Deckt mit dem Lager Städte, die Euch nähren.
Zwei Treffen tief, so sieht in den Gewehren,
Klug dem Gelände angeschmiegt;
Das Fußvolk in der Mitte; an die Flügel
Stellt die Dragoner; sie sind rasch im Bügel.
Der Leib des Heeres ist die Infantrie;
Die Reiter sind die Arme: haltet sie
Zu beiden Seiten zwanglos ausgebreitet.
Der Art gemäß, wie jede Waffe streitet,
Stellt sie in günstigem Gelände auf.
Ein widriges Gefild die Kräfte bindet.
Blachfeld erheischt der Reiter schneller Lauf;
Die Erde unter ihren Hufen schwindet,
Und Wolken Staubes folgen ihrer Spur.
Doch ins Gebirge paßt ihr Stürmen schlecht.
Das Fußvolk nur wird jedem Ort gerecht,
Berg, Engweg, Hügel, Wald und Wiesenflur.
Mit kühnem Schritt durchmißt es ebnes Land,
Erklimmt den Bergeshang, der Schanzen Wall,
Stürmt und verteidigt, nutzbar überall,
Die festen Höhn, um die der Kampf entbrannt.
Wie wenn im Lenz die Wetterwolken grollen
Und plötzlich sich ihr dunkler Schoß entlädt,
Die Blitze zucken und die Donner rollen
Und Hagelschlag die Saaten niedermäht,
So schlägt der Wettersturm aus Euren Reihn
Verheerend in des Feindes Scharen ein.
Seid Ihr mit Schlacht und Stürmen wohl vertraut,
So lehnt Ihr klug des Heeres Flanken an.
Ein Wald, ein Fluß, ein Sumpf, ein Dorf, es kann
Dem Damme gleich, woran die Flut sich staut,
Dem Ansturm gegen Eure Stellung wehren;
Der Feind wird stutzen und die Schranke ehren.
<397>Der Stier, auf seiner Hörner Kraft vertrauend,
Streckt Rosse, Bären, Löwen in den Sand.
Trotzig und scharf auf ihre Sprünge schauend,
Stürmt in die Schranken er, hält plötzlich stand,
Deckt sich die Flanken, bietet stets die Stirn:
Prägt Euch dies Bild, Ihr Krieger, fest ins Hirn.
Achill, unsterblich in der Sänger Munde,
Trug an der Ferse seine Todeswunde.
Die Flanken sind bei Euch die schwächste Stelle;
Drum lehnt sie an, daß Euch der Feind nicht fälle!
Fortuna kann dem Gegner Hilfe senden
Und wider Euch den Lauf der Dinge wenden.
Tritt der verstärkte Feind Euch nun entgegen,
Dürft Ihr das Heer nicht in die Ebne legen.
Durch Kunst ersetzt die Minderzahl der Waffen;
Sucht Stellungen, zum Widerstand geschaffen.
Im Waldesdickicht, auf der Berge Kuppen
Und hinter Flüssen sammelt Eure Truppen.
Doch nicht genug! Sorgt auch, um Euch zu retten,
Daß Euch verborgne Rückzugsstraßen bleiben;
Dann seid Ihr sicher, das Geschick zu ketten,
Vermögt dem Feinde Regeln vorzuschreiben.
Doch nun erfahrt, wie nach des Mars Gesetzen
Ihr recht die Lagerstätte sollt besetzen.
Dem Feind müßt Ihr durch Feuer widerstehn;
Drum laßt verderbenspeiende Kanonen,
Die Tod und Schrecken in die Stürmer sän,
Auffahren zwischen Euren Bataillonen.
Doch hinter diesem Feuergürtel stellt
Der Kürassiere blanke Scharen auf.
Dringt dann der Gegner auch im Siegeslauf
Durch Cure Reihn und schlägt sie aus dem Feld,
So schickt die Reiter vor, den Schimpf zu rächen
Und seines Ansturms Wucht zu brechen.
So zwingt die Kunst das fügsame Gelände,
Euch in der Not gewissen Schutz zu leihn.
Geschicklichkeit ist alles Unglücks Wende,
<398>Doch selten ist sie und der Mut gemein.
Varro war nur Soldat, Fabius ein Held398-1.
Hoch ragt des Athos Gipfel ob der Welt,
Sieht drunten sich im Sturm die Wolken ballen,
Hört sich zu Füßen laut den Donner hallen.
Doch seine heitre Stirn die Winde bricht,
Und ihr ohnmächtig Wüten schreckt ihn nicht.
So von des Lagers Höhe schaut in Ruh
Der Held dem Ansturm seines Gegners zu,
Der seine Wut umsonst an ihm verschwendet.
Hat Mars Euch seine ganze Huld gespendet,
Flammt Euch der Blitz des Genius im Gemüte,
So findet Ihr der festen Burgen viel,
Die Menschenhand zu baun umsonst sich mühte,
Doch die Natur erschuf sie wie im Spiel.
Wohl sieht der Tor sie, doch mit trübem Blick;
Der Held benutzt sie flugs zum Meisterstück.
So trotzte einst mit seinem Häuflein lange
Leonidas beherzt dem wilden Drange
Der Perserscharen: ihre plumpe Kraft
Ward in der Thermopylen Enge hingerafft.
So setzten Xerres' raschem Siegeslauf
Durch ihre Kunst die Griechen einst ein Ziel.
So hielt Epirus einst das Schicksal auf,
Eh' um die Herrschaft Roms der Würfel fiel.
Dyrrhachiums Höhn, auf die des Volkes Held,
Der Abgott des Senates sich gestellt:
Ihr hieltet lange Cäsars Glück im Schach,
Und ohne Schwertschlag blieb Pompejus Sieger!
Doch unbesonnen, müd des Wartens stieg er
Von Euch herab, gab seiner Jugend nach.
Da ließ ihn Mars, der strenge Gott, im Stich;
Bezwungen ward er und sein Stern verblich!
O einzige Schlacht398-2, o schicksalsvoller Tag,
Da Rom besiegt zu Cäsars Füßen lag!
Du, Montecuccoli399-1, dem Römer gleich,
Der klug Du schirmtest Rhein und Kaiserreich,
Durch feste Lager hieltst Du mit Bedacht
Turenne in Schach trotz seiner Übermacht.
Versagt' ich Dir den Namen eines Helden,
Mars hieße selbst mich. Deinen Ruhm zu melden.
Staunt, junge Krieger, jenen Feldzug an,
Wo er durch Märsche, Lager Deutschland schützt,
Auf immer neue Stellung klug sich stützt
Und scheitern läßt dem Feinde Plan um Plan.
Wähnt nicht, daß er auf einem Fleck verweilt!
Wenn auch ein Lager einer Festung gleicht,
Mars will, daß Ihr von Ort zu Orte eilt,
Die Höhn und Pässe vor dem Feind erreicht,
Nach ihm Euch richtet, was Ihr auch beginnt,
Flugs Euren Vorteil wahrnehmt, schnell marschiert,
Vordringt zur Zeit, beim Rückzug nichts verliert
Und immer neue Pläne Euch ersinnt,
Durch die Ihr Euren Feind verwirrt.
Wenn nun das Lager abgebrochen wird,
So rückt ein jedes Korps für sich ins Feld;
Dann werden vier Kolonnen hergestellt,
Die Reiter seitwärts und das Fußvolk mitten.
Staubwolken wirbeln unter ihren Schritten.
Sieht waffenblinkend sie der Feind vom weiten
Sich in gewundnem Zug durchs Land verbreiten,
Wie Riesenschlangen fern am Tropenstrand In ihrer Schuppen blankem Panzerkleid,
So steht er starr und wie vor Schreck gebannt,
Und dem Verderben fühlt er sich geweiht.
Rückt Ihr in Ordnung vor, bereit zur Schlacht,
So muß, damit Bellonas Blick Euch lacht,
Dem Heer voraus ein starker Vortrab gehen.
Verlaßt ihn nie, wißt stets ihm beizustehen,
Sonst straft der Feind Euch! Gleich der Feuerwolke,
Die Herzog vor dem auserwählten Volke,
Schirmt Euch die Vorhut vor des Feindes Tücken.
's gibt manche Art, vom Lager abzurücken:
Die Treffen ziehn in parallelen Reihn,
Schlagt Ihr nach rechts, nach links die Richtung ein.
Das Schicksal kann dem Sieger sich versagen;
Turenne traf Unglück, Conde ward geschlagen.
Dann muß man seinem Mißgeschick sich fügen
Und kann im Rückzug doch den Gegner trügen.
Das ist des Feldherrn wahres Meisterstück,
Marschiert in guter Ordnung er zurück,
Voran der Troß, entrückt dem Untergang,
Das Heer durch starke Nachhut wohl geschützt.
Indes er sich auf Bergeshöhen stützt,
Zieht ungestört sein Heer das Tal entlang.
Also gewinnt mit gutem Ruf ein Held
Ein sichres Lager, wo er Ruhe hält.
Beim Zuge durch Germaniens Waldesnacht
War Varus schlecht auf seinen Schutz bedacht.
Den sichren Regeln handelt' er entgegen;
Die Lager waren falsch, sein Marsch verwegen.
In Schluchten mußten sich die Römer schlagen,
Wo sie den Scharen Hermanns bald erlagen400-1.
Schwer traf der Schlag den friedlichen August.
Er rief — und Tränen füllten seine Lider —
„O Varus, gib mir die Legionen wieder!“
Hätt' er der Römer falschen Stand gewußt,
„Tor“, rief' er, „was hieltst du die Höhen nicht,“
„Von wo der Feind auf Dich herniederbricht!“
Das sind der Kriegskunst bleibende Gesetze,
Wollt Ihr Euch lagern, zieht Ihr aus zur Schlacht.
Geschickte Märsche, gute Lagerplätze,
Planvoll besetzt, ein Rückzug, klug vollbracht:
Das ist's, woran der Staaten Schicksal hängt!
Ihr hohen Krieger, die Ihr Heere lenkt,
Lernt durch mein Lied die Regeln, wie man streitet,
Und von der Theorie zur Praxis schreitet.
Wollt Ihr durch des Triumphes Pforte gehn,
Und soll Euch einst der Heldenlorbeer zieren,
So müßt Ihr Fabius' Lagerkunst verstehn
Und Hannibal es gleichtun im Marschieren!
401
<402>Dritter Gesang
Heerführung im Großen
Des Krieges Rüstzeug ward Dir wohlbekannt.
Doch wer nur eines Tapfren Ruf erringt,
Gilt mehr als andre nicht im Kriegerstand:
Des Meisters Blick nach höhern Sphären dringt.
Folg in den Tempel mir; dort wirst Du schauen
Das Heiligste, dem Pöbel unbekannt.
Siehst Du die Pfade dort, die steilen, rauhen,
Von Heldenblut gefärbt, am Abgrundsrand,
Und auf dem Felsenhaupt im Wolkenflor
Die stolzen Dächer und das hohe Tor?
Bis zum Olymp ragt ihrer Hallen Pracht,
Wo die Unsterblichen zu Rate sitzen;
Ihr ehrner Fuß taucht in des Orkus Nacht.
Bedräun Dich auch mit ihrer Augen Blitzen
Alekto dort, die Zwietracht und der Tod,
Die grimmen Hüter an dem Schreckensorte —
Dich ruft der Ruhm; Dir gilt nur sein Gebot:
So folg ihm nach; er öffnet Dir die Pforte.
Der keuschen Schwestern Sitz im Vorhof ist:
Ihr nützlich Schaffen wird dort hoch geehrt.
Den Zirkel in der Hand, Urania lehrt,
Wie man der Erde Kugelfläche mißt.
Mit kundigem Griffel bildet sie die Welt
Im kleinen nach auf jeder Hemisphäre,
Umzieht der Länder Grenzen und der Meere,
Und jeder Punkt wird treulich festgestellt.
Vauban402-1 und Sanson402-2, würdig ihrer Gunst,
Belehren dort die Jugend in der Kunst
Und zeigen auf der Kriegestarten Plan
Die Länder, Städte, die Gebirge, Flüsse,
Der Heeresstraßen wohlvertraute Bahn,
Die Festen, die ein Sturm bezwingen müsse,
Und jene, die zu brechen eitler Wahn.
Kalliope umringt ein andrer Kreis.
Der Helden und der Könige Geschichte
Lauscht jedes Ohr, und ihrer Taten Preis
Entstammt der Hörer Sinn. Zum Weltgerichte
Erhebt ihr Urteil sich in Lob und Tadel.
Sieh dort das Recht mit königlichem Adel
Den Eigendünkel aus dem Vorhof jagen!
Mit strengem Munde predigt es der Jugend
Der Ehre Pflichten und der lautren Tugend,
Heißt sie der Selbstsucht und dem Grimm entsagen,
Erdrückt des Neides grausen Schlangenknäul,
Lehrt menschlich sein in all dem Mord und Gräul,
Nur für das Vaterland das Leben wagen.
Tritt näher! In der Hand ein blitzend Schwert,
Tut Dir Bellona auf die Eisenpforte,
Die sie den niedren Kriegern streng verwehrt.
Sie führt Dich zu dem scheu verehrten Orte,
Den sie Erwählten nur zu schaun gewährt.
In dieses Tempels Schoß, von Licht umwoben,
Auf güldnem Thron von hehrer Majestät,
Von Flügelgeistern in die Luft erhoben,
Der grause Gott in seinem Glanze steht.
Und neben ihm der unverzagte Mut,
Der feste Sinn, beherzt und ewig gleich,
Die emsige Arbeit, sie, die nimmer ruht,
Die List mit schlauem Blick, an Ränken reich,
Die immer neue Hilfe sich ersinnt,
In klug erborgter Form der Not entrinnt
Und Proteus gleich sich ewig neu gestaltet,
Erfindungsgabe, deren Auge sprüht,
Des Gottes voll, der ihr im Busen wallet:
Ihr rascher Geist von tausend Plänen glüht,
Die dann Minervas weiser Sinn erwägt; —
<404>Und sie, die scheu die Blicke niederschlägt:
Verschwiegenheit, den Finger auf dem Wund,
Des Mars Vertraute: ihr ist alles kund.
Des Lorbeers Immergrün umsprießt den Thron.
Ihn spendet selbst der Gott als Heldenlohn
Den Auserwählten, die den Sieg erzwangen —
Der Lorbeer, der mit zaubervoller Macht
Die Krieger reißt in das Gewühl der Schlacht,
Ertötend jedes irdische Verlangen.
In diesem Tempel, glänzend von Trophäen,
Darin der Weltgeschichte Würfel fallen,
Siehst Du in erzgeschmückten Säulenhallen
Ringsum der Göttersöhne Bilder stehen.
Dort jene beiden404-1, wohl an Ehren gleich,
Doch ungleich in der Bahn, die sie betraten:
Der schlug Pompejus, der bezwang das Perserreich;
Noch ist die Welt erfüllt von ihren Taten.
Miltiades und Kimon dort, sein Sohn404-2,
Dort Romas Heldenschar am Götterthron:
Ämilius404-3, Scipio, Fabius; dort sieh
Ludwig von Baden404-4, Montecuccoli.
Dort der Franzosen reiche Heldenschar,
Condé und Heinrich404-5, Turenne und Villars;
Der Große Kurfürst, Schwedens Siegesheld404-6,
Eugen und Anhalt; hier, jüngst aufgestellt,
Ein neues Denkmal in der Schönheit Glanz;
Die Stirn umschlingt ein frischer Lorbeerkranz:
Moritz von Sachsen, Frankreichs beste Kraft,
Von Mars auf weichen Kissen hingerafft404-7.
Hierher nun tretet, junge Krieger, seht!
Das Haupt umwallt von langem Silberhaare,
Gebeugt die Glieder von der Last der Jahre:
Erfahrung ist's, die Euch vor Augen steht,
Den Leib bedeckt mit Narben und mit Wunden,
Doch ungebrochen von der Flucht der Stunden,
Vor denen alles Menschenwerk vergeht.
Was je sich zutrug — ihr ist es bekannt.
Heimisch in jeder Zeit, in jedem Land,
Erzählt sie, was sie weiß. Vernehmt, wie klug
Scipio nach Afrika die Waffen trug
Und Rom bewahrte vor dem nahen Fall;
Fort lockt' er so den grausen Hannibal
Zum Strand Karthagos, zwang ihn dort zum Streit405-1
Ein kleinrer Geist, ein Feldherr, minder groß,
Wär' ihm begegnet in Italiens Schoß
Und hätte kaum sein eignes Land befreit.
Und ward auch der verheerte Staat gerettet,
Doch nie gerächt und nie der Feind gekettet.
Die Zwietracht, neidisch auf der Römer Glück,
Erschuf der Helden viel im weiten Reiche.
Sertorius seht, gewachsen jedem Streiche;
Bald dringt er vor, bald weicht er klug zurück,
Und in Iberiens Felfenburgen hält
Er trotzig stand der Herrscherin der Welt405-2.
So weiß ein Held, in seiner Kunst erfahren,
Sich vor des Zufalls Tücken zu bewahren!
Doch wär' er hitziger und unbedacht
Von seinem Bergeswall herabgestiegen,
Erlegen wär' er bald der Übermacht
Und dem Pompejus, der gewohnt zu siegen.
Seht, wie Conde, Bellonas Lieblingssohn,
Der kühnen Feinde wandellosem Glück
Die Wage hält durch manches Meisterstück
Und Rettung bringt der Franken schwachem Thron!
Doch an dem Tag, der Frankreichs Los entschieden,
Gewann er nur durch Wagemut die Schlacht405-3.
Ein andrer, minder kühn und mehr bedacht,
Er hätte den verwegnen Kampf gemieden,
Und Spanien hätte, keck durch Frankreichs Zagen,
Die Siegesbanner nach Paris getragen.
Tief aus des Nordens winterlichem Schoß
Naht eine Flotte sich den deutschen Küsten:
Sie trägt in Schwedens König Deutschlands Los.
Germaniens Zwietracht und das Herrschgelüsten
Des Kaiserhofes lockte sie herbei.
Trotz bieten will sie seiner Tyrannei,
Den unterdrückten Völkern Freiheit bringen.
Die Klugheit lenkt sie; Mars gibt ihr Gelingen;
Am Ostseestrand nistet sich Gustav ein:
Dort bietet ihm Stralsund den offnen Hafen.
Mag nun das Glück mit seinen Fahnen sein,
Mag Mißgeschick sein kühnes Wagnis strafen —
Stets kann die Heimat neue Kraft ihm leihn,
Sei's, um des Unglücks Schmach zu rächen, sei's,
Um festzuhalten seinen Siegespreis.
Erobernd dringt er vor, vom Ruhm verklärt.
Deutschland erlösend, macht er's sich zum Knechte,
Setzt hundert Fürsten ein in ihre Rechte;
Zum Zepter wandelt sich das Racheschwert.
Sein Ruhm wird seiner Ehrsucht Untertan:
Hätt' ihn die Parze aus der Siegesbahn Nicht fortgerafft und früh ins Grab gesenkt,
Zwei Herren hätten Deutschland dann gelenkt406-1.
Seht dort Eugen auf seinem kühnen Zuge
Die Franken jagen aus der Lombardei.
Die Alpen bahnen ihm den Weg; im Fluge
Eilt er hinüber, und Turin ist frei.
Marsin in seiner Schanzen weitem Feld
Ist rings zu schwach zu zähem Widerstand.
So bringt durch eine Schlacht406-2 der rasche Held
Italien wieder in des Kaisers Hand.
Folgt ihm nach Ungarns weitem Steppenlande:
Vor Belgrad rückt er längs dem Donaustrande.
Der Muselman, der seine Schwäche sieht,
Um Eugens Gräben seine Wälle zieht.
Doch er umschnürt die Stadt mit engren Ringen,
Verachtet des Wesirs Verwegenheit,
Läßt furchtlos sich vom Eisenband umschlingen,
Gibt ihm den Fluß zu überschreiten Zeit.
Dann plötzlich stürzt der Held sich ohne Zagen
Mit seinen Panzerreitern in die Schlacht407-1.
Der Türke sticht entsetzt in wildem Jagen,
Und Belgrad beugt sich Eugens Siegermacht.
Du hehrer Schatten, heißgeliebtes Bild,
Steig nieder aus Elysiums Gefild
Und zeige Dich Den Deinen als ein Vater!
Wie man den Sieg erficht, sei ihr Berater.
Dein Vorbild, kein geringres, soll sie mahnen:
Seid, Heldensöhne, würdig Eurer Ahnen!
Preis, edler Kurfürst, Deinem Ruhm, der tief
Sich eingegraben Deinem Vaterlande,
Als von des Rheines blutgetränktem Strande
Zur Elbe Deines Volkes Not Dich rief 407-2!
Gleich Tigern, Wölfen Hausten dort mit Morden
Und Sengen Schwedens zügellose Horden.
Auf leicht errungnem Lorbeer war die Kraft
Des sieggewissen Wrangel schon erschlafft —
Da weckt der Blitzstrahl ihn am Abgrundsrande:
Ein Rachegott erscheint dem Vaterlande.
Er kommt und sieht und siegt an einem Tag.
Die Schweden, taumelnd von dem Wetterschlag,
Der jäh in ihre Lager drang,
Trotzen umsonst dem Sturm, dem ungestümen:
Du, Fehrbellin, kannst Friedrich Wilhelm rühmen!
Dein Feld sah unsrer Feinde Untergang!
So war es, als Iehovas Rachebote,
Der Todesengel, einst herniederdrohte
Auf der Assyrer frevlen Übermut407-3.
Doch höher noch auf seinem Ruhmespfade
Steigt Friedrich Wilhelm, übt im Siege Gnade:
Homburg verzeiht er, dessen Jugendglut
Zum unerlaubten Kampfe sich erkühnt408-1,
Und läßt die Gräul der Räuber ungesühnt,
Die seinen Staat mit Mord und Brand verheerten.
Doch nicht nur Milde braucht er statt der Strenge:
Die Horden, die vom Mark des Landes zehrten,
Verscheucht er rastlos, treibt sie in die Enge
Und jagt in wilder Flucht sie vor sich her,
Von wo sie sich ergossen, bis ins Meer.
Zu neuen Taten wappnet sich der Held:
Nach Preußen eilt er, wo der Notschrei gellt.
Des Winters Strenge, die vereiste Flut
Schreckt ihn nicht ab, nein, dient dem Wagemut,
Und Thetis sieht, was nie sich zugetragen,
Feldlager auf des Eises Rinde schlagen.
Er kommt und siegt: sein bloßer Name schreckt;
Den frechen Räubern all ihr Mut entfällt;
Fast ohne Schwertstreich züchtigt sie der Held
Und ruht nicht, bis das Strafgericht vollstreckt408-2.
Ihm strebe nach, Du Heldensproß! Erringe
Durch hehre Taten Dir Unsterblichkeit!
Erwäge jeden Plan, daß er gelinge;
Die Phantasie ist allzu rasch bereit.
Mit jedem Lande mache Dich vertraut,
Wohin die Ehre ruft. Am Feinde miß,
Was immer Du entwirfst. Vorausgeschaut
Sei jedes Dir getürmte Hindernis.
Dein Plan muß scheitern, hast Du mit Bedacht
Des Heeres Unterhalt nicht aufgebracht.
Neun Jahre, reich an Siegeslorbeer, büßte
Der zwölfte Karl mit seinem Untergang
In der Ukraine schauerlicher Wüste,
Wo ihn der Hunger und der Zar bezwang408-3.
Dem Blitze gleich, der in der Wetterwolke
Verborgen ist dem ahnungslosen Volke,
Fahr nieder auf den Feind, eh er's gedacht.
Sei rasch bereit, doch nimmer unbesonnen.
Frohlocke nie zu früh: nichts ist gewonnen,
Bevor Du nicht das ganze Werk vollbracht.
Als unsre Welt durch Gottes Schöpfertat
Einst aus der Nacht des Chaos trat,
Sah er sie an, und siehe, sie war gut;
Von seinem Werke hat er da geruht.
409
<410>Vierter Gesang
Festungskrieg
Als in die Welt einst, in der ehrnen Zeit,
Das Laster trat und Recht der Stärke wich,
Umhüllten vor des Feindes Raubgier sich Die ersten Städte mit dem Mauerkleid,
Und bald erhoben sich mit starken Wällen Die Königsburgen wider die Rebellen.
Auf steiler Höh', wo Flüsse sich vereinen,
Ragte das Bollwerk, stand im Zinnenkranze
Die Feste, hochgetürmt aus Quadersteinen,
Und um die Grenzen zog sich Wall und Schanze.
Gleichwie der Leu dem Wüstensohn, dem scheuen,
Der Zähne grause Doppelreihe weist,
So trotzt die starke Grenzwehr nun dem Dräuen
Der Feindesschar, die wütend sie umkreist
Und sich umsonst sie zu bezwingen müht.
Die erste Kunst, die allerotten blüht,
Ist die des Krieges; mählich reift sie aus.
Hellas und Rom beschirmen Hab' und Haus
Mit starken Mauern und mit hohen Türmen;
Von ihren Zinnen trotzen sie den Stürmen.
Bogen und Schleuder senden Todesgruß,
Und wenn der Feind schon eng den Mauerfuß
Umstellt und gegen ihn der Widder rennt,
Ergießt sich von der Wand ein Feuerbach
Von Pech und Harz, der sein Gerät verbrennt.
Das Wurfgeschoß schlägt durch der Schilde Dach,
Und Steine hageln, die den Feind zermalmen.
Schon mancher Feldherr hat den Siegespalmen
Entsagt und kriegesmüd sich abgewendet...
Seht, wie Marcellus, listenreich und kühn,
An Syrakus410-1 umsonst die Kraft verschwendet:
Des Archimedes Kunst trotzt allen Mühn!
Sie richtet die gestürzten Mauern auf,
Verbrennt sein Kriegsgerät, raubt ihm den Sieg.
Massilias Wall, den nie ein Feind erstieg,
Hemmt Cäsars stets erneuten Sturmeslauf,
Bis er, des Mühens satt, doch wagemutig,
Vom offnen Hafen in die Feste dringt411-1.
Lang ist der Kampf um jede Stadt und blutig;
Der größte Feldherr mit dem Schicksal ringt.
Da raubte — längst lag Cäsar in der Gruft —
Die Kriegesfurie aus Iovis Hand
Den Blitz, und eine neue Kunst entstand.
In weitem Bogen schleudern durch die Luft
Die Feuerrohre nun den Elsenball,
Und seine Wucht verdoppelt sich im Fall.
Die Mauer sinkt, es wankt der Städte First,
Wenn seine todesschwangre Weiche birst.
Von hohen Wällen donnert das Geschütz;
Die Flamme loht, und jählings wie der Blitz,
Im Augenblick, wo sich der Schlund entlädt,
Sein Eisenhagel Tod und Schrecken sät.
Doch immer stärker an die Mauern pocht
Der Bombenwurf und reißt die Bresche weit, —
Und'dieses Wunder einer neuen Zeit
Hat doch ein schwarzes Pulver nur vermocht.
Seit dies Geheimnis sich uns offenbart,
Ersann der Mensch, um Mittel nie verlegen,
Zum Schutz der Städte eine neue Art.
Vielfache Schranken schoben sich entgegen
Der neuen Kraft; die hohen Türme sanken.
Du, großer Vauban411-2, Schirm und Hort der Franken,
Und Meister jener neuen Festungskunst,
Von Mars begnadet mit der höchsten Gunst,
Steig nieder, unsre Jugend zu belehren!
Du schirmtest, unerschöpflich an Gedanken,
Vor englischem Geschütz und deutschen Heeren
Die Städte Frankreichs mit gehäuften Schranken
Und wußtest ihre Schrecken stets zu mehren.
Von vorgerückten Werken unterstützt,
Entsteigt der hohe Wall des Grabens Breite
Und birgt die Werke, die sein Mantel schützt:
Kein Schuß kann sie versehren aus der Weite.
Bastion bestreicht Bastion; zur Kehle biegt
Der Flanke runde Schulter sich zurück,
Und Lauf an Lauf, ein rechtes Meisterstück,
Das Ravelin sich in den Graben schmiegt.
Ein zweiter Wall schließt sich um diese Werke,
Und rings umgürtet sie mit neuer Stärke
Die Enveloppe, die den Platz umspannt;
Davor die Wassergräben und am Rand
Der Gegenmauer die gedeckten Wege,
Von Palisaden starrend, und das schräge
Glacis, das blutgetränkte Todesfeld,
Wo Mann dem Mann sich kühn entgegenstellt.
Wie ist der Menschengeist an Mitteln reich!
Wer riefe nicht, hat er den Bau durchdacht:
Hier hat die Kunst ihr Meisterwerk vollbracht!
Du sahst nicht alles! Steig ins Höhlenreich,
Das schaurig unter dem Glacis sich dehnt!
Die Hölle hat sich mit dem Haß verbündet;
Die Mine harrt des Funkens, der sie zündet,
Und Opfer fallen, wenn ihr Rachen gähnt.
Blut, Leichen, abgerißne Glieder, Waffen
Bedecken rings den Hang und Schlünde klaffen.
Trotz aller Schrecken sind in unsrer Zeit
Die Festen vor dem Falle nicht gefeit.
Zweischneidig sind die Waffen, die sie schützen;
Auch der Belagrer kann sie trefflich nützen.
Der Angriff geht nach Regeln. Kluger Sinn
Bricht freie Bahn sich durch Gefahren hin.
Erst ziehe um die Feste weite Kreise;
Und fürchtest Du, es werde, sie zu retten,
Ein Heer sich nahen, so beschirme weise
Mit Wall und Graben Deine Lagerstätten.
Dann dringe wühlend mit dem Spaten vor,
Und wenn Dich Mars zu seinem Sohn erkor,
Zieh Deine Linien eng. Ein leerer Graben,
<413>Nicht Mann an Mann besetzt, ist wirkungslos.
Der Feind muß sehen: Deine Zahl ist groß,
Und auch Reserven mußt Du reichlich haben.
Damit der Feind Dir nicht das Werk verleide,
Schaff Vorrat an von Kost und von Getreide;
Dann spotte sein: Du bist der Sorgen quitt!
Erspäh des Platzes Mängel, seine Stärke;
Den Angriff richte auf die schwächsten Werke;
Bau Dein Depot; dann weiter Schritt für Schritt.
Den Zirkel und die Richtschnur in der Hand,
Nah Dich im Zickzackweg den hohen Wällen
Und zieh um ihren Fuß die Parallelen;
Bau kugelsicher der Geschütze Stand.
Nun schleudern ihre Blitze die Kanonen;
Bollwerk auf Bollwerk sinkt; auf ihren Kronen
Verstummt die Antwort auf den Eisengruß.
Der Feind von dem gedeckten Weg entweicht,
Wie Dein Geschoß in seine Flanke streicht;
Du fassest auf dem Gegenwalle Fuß.
Doch unter Dir schläft tückisch ein Vulkan.
Hier mußt Du klug der Sonde Dich bedienen:
Such und zerstöre die versteckten Minen;
Mit tollem Wagemut ist nichts getan.
Eile mit Weile! Schone Deine Streiter;
Laß den Mineur sich wühlen in den Schacht.
Ist drunten erst dem Krieg ein End' gemacht,
Dringst Du gesichert mit der Sappe weiter
Bis zum Glacis auf wohlgebahntem Pfade.
Doch stürme dicht erst vor der Palisade
Mit den Kolonnen aus der Deckung vor.
Gar mancher Ruf und Ehre schon verlor
Auf diesem falschen, blutgedüngten Grund.
Nun bist Du seiner Herr! In dichtem Rund
Sind hurtig die Geschütze aufgestellt,
Die Schuß um Schuß das Mauerwerk zerstören,
Und unterwühlt von emsigen Mineuren
Der hohe Wall in sich zusammenfällt.
Quer durch den Graben bahnen sie die Gasse:
<414>Zum Sturme geht es; eine dichte Masse
Dringt durch die Bresche hinterm Feinde drein.
Verzweiflung packt ihn — und die Stadt ist Dein!
So war's, als der Franzosen Siegesdrang,
Planvoll geleitet, Valenciennes bezwang 414-1.
Gelingt der Sturm, so halte Deine Krieger
In strenger Zucht: denn wilder als ein Tiger
Ist der Soldat, vom Siegesrausch verblendet.
Nach Beute lüstern, jeder Zucht enthoben,
Reißt seine Wut ihn fort zu blindem Toben,
Und durch Verbrechen wird Dein Sieg geschändet.
Es welkt der Lorbeer auf des Feldherrn Haupt,
Und hätt' er auch die halbe Welt bezähmt,
Wenn er sich selber nicht des Plünderns schämt
Und duldet, daß der Krieger brennt und raubt.
Der ganzen Menschheit Fluch gen Himmel gellt: Du bist verfemt; vergessen ist der Held.
Umsonst hat Tilly sich mit Ruhm bedeckt
In Kaisers Dienst — sein Name ward entweiht
Und aus dem Buche der Unsterblichkeit
Getilgt durch eine Tat, die ihn befleckt.
O Magdeburg, Du Denkmal seiner Schmach414-2,
Es weiß die Welt, was er an Dir verbrach!
Mög' Euch mein Lied dies grause Bild enthüllen,
Mit Abscheu Eure Seele zu erfüllen!
Durch Tillys heuchlerische Friedenskunde,
Die leicht geglaubt von Mund zu Munde stiegt,
Ist Magdeburg in sichre Ruh gewiegt.
Die Wache auf des starken Walles Runde
Sinkt müd ins Gras; die harte Lagerstätte
Der Mauer tauscht so mancher mit dem Bette.
Ein Trugbild mit der Friedenspalme winkt; Die ganze Stadt in tiefen Schlummer sinkt.
Rings Ruhe, Schlaf; — nur Tillys Tücke wacht.
Er ordnet seine Scharen in der Nacht
Und naht der Stadt, noch eh der Morgen graut.
Mühlos erklimmt er die verlaßnen Schanzen,
Um Östreichs Banner auf den Wall zu pflanzen.
Unselig Volk, das einem Trugbild traut!
Dir droht Verrat! Der Friede flieht; es naht
Der Tod, der grause Tod im nächtigen Dunkel.
Siehst Du in Mörderhand das Schwertgesunkel
Und Gier und Wut, bereit zur Freveltat?
Die Erde bebt; des Himmels Zorn erfüllt
Die Luft mit Blitzen, und der Donner brüllt.
Umsonst! Nichts schreckt den grimmen Würger,
Schon wälzen sich die zügellosen Horden
Rings durch die Stadt mit Plündern, Rauben, Morden;
Die Mauern rauchen von dem Blut der Bürger.
Befriedigt von dem Werk, mit kalter Ruh
Sieht Tilly diesen Freveltaten zu,
Spornt selber an, und auch den sanftren Sinn
Reißt solches Vorbild zum Verbrechen hin.
Nicht Häuser schonen sie, nicht heilige Stätten.
Wer widersteht, wer flieht, nichts kann ihn retten
Vor ihrem Grimm: sie kennen kein Erbarmen!
Es stirbt der Säugling in der Mutter Armen
Und sie mit ihm. Den Knaben trifft das Schwert
Mitsamt dem Vater, der den Mördern wehrt.
Nur Gräul und Frevel sieht man allerwärts;
Klein Flehn erweicht der Ungeheuer Herz.
Sie schlachten eine todesbleiche Schar
Hilfloser Greise ruchlos am Altar.
Man sagt, um sichrer Schande zu entgehn,
Daß Jungfraun vor den Lüsten der Verruchten
Den Tod im bluterfüllten Elbstrom suchten.
Doch welchen neuen Schrecken muß ich sehn?
Wo eilt Ihr hin, von welchem Wahn berückt,
Der Euch die Fackel in die Hände drückt?
Dämonen seid Ihr, Helden nimmermehr!
Rot von den Dächern schon die Flamme loht.
Unselige Stadt, der Trojas Schicksal droht!
Rasch wächst der Brand; schon wogt ein Feuermeer,
Und aus dem Flammenschoß dringt das Gewimmer
Der Opfer, hingerafft von Schwert und Glut.
<416>Verbrechen, unnatürlich, sinnt die Wut.
Dem finstren Abgrund ohne Hoffnungsschimmer,
Dem Ort der Flammen und der ewgen Pein,
Gleicht Magdeburg in dieser Schreckensstunde,
Ja grauser noch als dort im Höllenschlunde
Rings Henker, Glut und der Gequälten Schrein.
Entweihte Tempel und zerstörte Mauern,
Erleuchtet von dem Schein der Feuersbrünsie,
Und leere Gassen rings — zum Ort der Trauer,
Zur Wüste ward die Stadt, wo jüngst die Künste
Des Friedens blühten. Des Gemetzels satt,
Ruht, sich des Frevels brüstend, der Soldat.
Die Elbe flieht entsetzt den Ort der Schrecken,
Wo blutige Leichen ihren Strand bedecken.
Ward Tilly Glück durch diesen Sieg beschert?
Was er gewann, die Flamme hat's verzehrt,
Und Magdeburg war nur ein großes Grab,
Das Zeugnis für des Siegers Frevel gab.
Den Trümmern sah er Furien entsteigen
Und ihm die himmlische Vergeltung zeigen.
Fünfter Gesang
Winterquartiere
Minerva, die auf mannigfachem Pfad
Zum Ruhm Euch leitete mit weisem Rat
Und die für jeden Zeitlauf Helden zieht,
Gibt Euch nun Kunde durch mein Lied,
Wie Ihr nach überstandenen Gefahren
Des Sieges Früchte klüglich sollt bewahren.
Schon naht der Winter sich im Silberhaar,
Und Äolus entläßt der Winde Schar.
Den Zephyr scheuchend, schnaubt aus rauhem Nord
Boreas' Wut, und Halm und Frucht verdorrt.
Der Reif umspinnt der Wälder welkes Laub;
Den Winden fällt Pomonas Reich zum Raub.
Vom Frost gebannt, des Stromes Wellen stehn;
Die Herden die verwelkte Trift verlassen,
Und durch des Lagers hochgebaute Gassen
Die rauhen Winterstürme wehn.
Abbrechen muß der Krieger nun sein Zelt
Und Einhalt seinem Siegeslaufe tun.
Wie hoch auch Tatendrang die Herzen schwellt,
Der Winter zwingt die Feldherrn auszuruhn.
Bei Freund und Feind die Heere sich zerteilen,
Um in der Städte sichrem Schutz zu weilen.
Der Winter soll dem mühereichen Leben
Des Kriegers die ersehnte Ruhe geben
Und die erschöpfte Kraft erneun.
Doch will das Ganze sich der Rast erfreun,
So muß ein Teil, zum Kampfe stets bereit,
Geschäftig sein für seine Sicherheit
Und es wie ein lebendiger Wall umfassen.
Erprobten, klugen Führern unterstellt,
Die Postenkette rings die Grenzwacht hält.
<418>Die Wälder sind besetzt, die großen Straßen
Und Pässe; hurtige Dragoner und Husaren
Erspähn den Feind und warnen vor Gefahren
Und stören ihn und geben keine Rast.
Sein kleinster Schritt wird von den raschen Reitern
Dir hinterbracht, und seine Pläne scheitern
An ihrer Hut, kaum daß er sie gefaßt.
Hast Du der Vorsicht Rat Dich nun gefügt
Und bis ins kleinste Deiner Pflicht genügt,
Gleich siehst Du eine neue Dir erstehn.
Schenkt auch Orions kalter Stern dem Heer
Ein Weilchen Frieden, Du darfst nimmermehr
In dieser kurzen Spanne müßig gehn!
Wenig vollbringt, wer einzig vor Gefahren
Sein Heer beschirmt und Zucht und Ordnung schafft.
Ergänzen mußt Du Deine Heldenscharen,
Die Dir der Schlachtentod dahingerafft.
Der Sieg war teuer; der Gefallnen Ruhm
Heischt Erben, ihnen gleich an Heldentum.
In neuen Truppen suche drum Dein Heil:
Dem Fische gleich, der nach dem Köder drängt
Und bald am schnöden Angelhaken hängt,
Ist um gelingen Sold der Arme feil.
Den Landmann lockt von seinem kargen Feld
Das klingende Metall; er ficht für Geld,
Weiß nicht, ob Deine Sache gut, ob schlecht;
Doch an die Fahne fesselt ihn mit Macht
Die sirenge Zucht; sein Mannesmut erwacht
Und zum Soldaten wird ein blöder Knecht.
Des Heeres Zahl entscheidet oft die Schlacht;
Vor Deiner Stärke packt den Feind ein Zagen.
Auf Rosse, stark und feurig, sei bedacht,
Die willig ihre schwere Bürde tragen:
An Jahren jung soll Roß und Reiter sein.
Sorgfältig sammle Ceres' Gaben ein:
Der Sieg ist fruchtlos, wenn Dir Mangel droht418-1.
Dein Heer, ein treues Volk, verlangt nach Brot:
Du gibst es täglich einer Krankheit preis,
Die keines Arztes Kunst zu heilen weiß;
Durch Überfluß nur wird's von ihr befreit.
Versäumst Du diese Pflicht, so schleicht ins Lager
Aus ihrer Höhle öder Einsamkeit
Ein Ungeheuer, bleich und hager:
Der Hunger mit dem schrecklichen Geleit
Von Seuchen, Schwäche, Furcht und bittrer Not,
Verzweiflung, Aufruhr und gewissem Tod.
In diesem Lager, das von Leichen starrt,
Hältst Du allein dem Feinde Widerpart?
Drum beug dem Unheil vor! Versorg Dein Heer
Mit Nahrung vor des Lenzes Wiederkehr,
So wirst Du jetzt schon, in des Winters Schoß,
Besiegeln Deiner künftigen Schlachten Los.
Indes der Feldherr, sorgend für das Ganze,
Zum neuen Feldzug rüstet im Quartier,
Lohnt stilles Glück den tapfren Offizier
Und eint die Myrte mit dem Lorbeerkranze.
Die treue Gattin, deren liebend Herz
Sich oft nach ihm gesehnt in bangen Stunden,
Vergißt in seinem Arm der Trennung Schmerz.
O holde Zeit, da Sorg' und Not entschwunden!
O Wiedersehn, entrückt dem Waffenklang!
Er stillt die Tränen, lindert ihren Harm;
Sie windet ihm die Waffen aus dem Arm
Und hört mit Stolz, wie er den Feind bezwang.
O süßes Glück, wenn sie das Herze rührt,
Das unverzagt im Schlachtengraus geblieben,
Wenn sie den Mund küßt, der den Mut geschürt,
Der Tod entfesselt und zum Sieg getrieben!
Indes das Haupt des Helden frohgemut
Am Busen der geliebten Gattin ruht,
Umspielen ihn, die ihrem Bund entsprungen.
Begeistert küßt des Vaters Hand der Sohn,
Voll Ungeduld, den gleichen Heldenlohn
Zu ernten, den der Tapfre sich errungen.
<420>Die Kleinen lehnen an des Vaters Knie,
Umkosen ihn mit froher Zärtlichkeit,
Und in den zarten Händen halten sie
Das Schwert, das er geführt im blutigen Streit,
Den Panzer und den Helm von blankem Erz:
Bald strebt dem Vater nach ihr junges Herz.
Doch solche Freuden, solche holde Lust Gießt Amor nur in eine keusche Brust.
Geteilte Liebe schlingt ein festes Band,
Und Liebe geht mit Achtung Hand in Hand —
Ein Glück, das fremd den wilden Herzen bleibt,
Die nur der Sinne Brand zur Wollust treibt.
Sein liebend Herz ist zärtlich, doch nicht schwach.
Vom Gift der Wollust, das am Leben zehrt,
Blieb sein gesunder Körper unversehrt,
Und ruft die Pflicht — ihr folgt er einzig nach.
Ja, diese keusche Lust, der Pflicht gesellt,
Beschert ihm ftische Kraft und stählt den Mut.
Bald siehst Du ihn voll neuer Kampfesglut
Dem Ruf der Ehre folgen in das Feld.
Noch ehe vor dem Lenz der Winter flieht,
Eilen die Führer zu den Postenketten,
Ersinnen Pläne, wählen Lagerstätten;
Das Land vermessen Schüler des Euklid
Und weisen zu dem Sammelplatz die Wege.
Der Feldherr über ihre Arbeit wacht,
Entwirft den Plan, berechnet seine Schläge.
Doch nicht allein auf Künftiges bedacht,
Ist auch sein Sinn dem Heute zugewandt.
Das weise Mißtraun, des Erfolges Pfand,
Mehrt seine Wachsamkeit und spornt ihn an,
Reißt ihn vom Lager aus des Schlafes Bann,
Belebt den müden Geist in dunkler Nacht
Und raunt ihm zu: Hab Deines Feindes acht!
Erwäge, was er tut und was er kann.
Im Lager, überall, laß ihn umringen
Von Spähern, die in sein Geheimnis dringen.
Für sichre Nachricht geize nicht mit Sold:
<421>Feil ist der Menschen Sinn für blankes Gold.
Mit fremden Augen prüfe Deinen Plan
Und wieg Dich nie in selbstgewissem Wahn!
Du glaubst in voller Sicherheit zu sein?
Die Berge flößen Dir Vertrauen ein?
Wie, wenn der Feind die Truppen überfällt,
Die Du am Fluß als Grenzwacht aufgestellt?
Und ist auch Deine Stellung noch so gut,
Vertrau nicht ihr allein! Sei auf der Hut!
Der Alpen wolkenhoher Felsenwall,
Der Romas Reich gleich einem Bollwerk deckte
Und unersteiglich schier die Feinde schreckte,
Hemmt nicht den unverzagten Hannibal.
Er übersteigt ihn mit verwegnem Mut421-1;
Denn Heldenkühnheit große Wunder tut.
Er kommt, er naht auf unbetretnen Wegen,
Und bald ist ihm das Römerheer erlegen.
Vendôme sich auf die Felsenkette stützt,
Die der Lombarden reiche Flur beschützt.
Keck wagt Eugen die Etsch zu überschreiten421-2;
Wie er besonnen, aber plötzlich naht,
Wird frei der Po durch eine tapfre Tat
Vom Joch, das die Franzosen ihm bereiten.
Bedenke, daß der Ströme Flut zu Eis gerann
Und daß der Frost dem Feinde Brücken schlug,
Darüberhin er in beherztem Zug
In die verstreuten Lager brechen kann:
Verwirrung, Schrecken reißt zu wilder Flucht
Die Deinen hin. Mühvoller Jahre Frucht
Zerstört ein Tag. Der Feind raubt Deinem Heere
Den Siegeslohn und Dir die Waffenehre.
Weh Dir, bricht er in die Quartiere ein!
Verderben bringt nicht der Verlust allein:
Dein Kriegsvolk wird rebellisch und versagt
Die Achtung Dir, verliert die Zuversicht,
Die frische Kampflust, die den Sieg erficht,
Und Führer wie Soldat verzagt.
Ein Unheil wird vom andern rasch geboren:
Verfolgt der Feind Dich hart, bist Du verloren.
Geschlagen, doch durch Nachschub kühn gemacht,
Geht Bournonville über den breiten Rhein.
Turenne, sein Feind, vermeidet klug die Schlacht
Und weicht in Lothringens Gebirg hinein.
Da teilt der Deutsche, unbedacht und dreist,
Sein Heer, eh noch der Frost das Land vereist:
Im Elsaß lagernd, sorglos und verstreut,
Beschwört er selbst den Sturm, der ihn bedräut.
Indes er so in Sicherheit sich wiegt,
Der Kaiseraar in tiefem Schlummer liegt,
Vereint Turenne im Bergesschutz sein Heer,
Dringt vor, stürmt durch die Ebne unentwegt,
Fällt über Bournonvilles Quartiere her,
Macht Scharen von Gefangenen und schlägt
Den Deutschen, der in regelloser Flucht
Am andern Ufer seine Rettung sucht422-1.
Der Winter kann Euch rasches Glück bescheren,
Die Ruhezeit Euch reichen Lohn gewähren.
Wenn auf den weitverstreuten Feind mit Macht
Ihr fallt und es gelingt, ihn zu verjagen,
Dann siegt Ihr, ohne eine Schlacht zu wagen:
Dem Kühnen hat das Glück noch stets gelacht!
So naht den Sachsen jener kühne Held,
Der Stanislaus beschirmt, mit raschem Mut,
Als August in der Liebe heißer Glut
Ein junges Weib in seinen Armen hält
Und froh ums Haupt den Rebenkranz sich flicht,
Sein Heer vergessend, Polen, seine Pflicht.
Karl eilt herbei in ungestümem Laufe
Und stört das Bacchanal, das Liebesfest422-2.
Zur feigen Flucht kehrt sich der Söldnerhaufe.
Und der geschlagne Sachse überläßt
Dem neuen Abdolonymos423-1 den Thron.
So sieht aus Höhen, wo die Blitze drohn,
Der Aar das WUd sich tummeln durch den Forst,
Nicht ahnend, daß Gefahr ihm nahe sei.
Pfeilschnell schießt er herab mit frohem Schrei
Und trägt die blutige Beute in den Horst.
Sechster Gesang
Die Schlacht
Der Gott des Sieges tat durch meinen Mund
Die strengen Regeln seiner Kunst Euch kund.
Den schlichten Anfang hab' ich Euch erzählt
Und wie der Feldherr seine Lager wählt,
Wie er sein Heer in Zucht erhält und Pflicht,
Wie er der Städte stolze Wälle bricht
Und Winters sich vor Überfällen wahrt.
Doch Größtes sei zuletzt Euch offenbart.
Mein Lied malt Euch der Schlachten grauses Bild;
Hier wogt ein Meer, gefahrenreich und wild,
Voll Klippen, die allein die Kunst vermeidet:
Auf denn zur Schlacht! Lernt, was den Sieg entscheidet!
Schon tut die Bahn sich auf, in deren Schranken So viele Helden zeitig niedersanken,
<425>Wo Wilhelm425-1 strauchelte und Marsin fiel425-2
Und andre hilflos, atemlos, erschlafft,
Niemals erreichten ihres Laufes Ziel.
Dort ward Pompejus, Pyrrhus hingerafft,
Dort Mithridates, Crassus, Hannibal.
Die Länder weisen ihre blutigen Spuren,
Und Trümmerhaufen künden ihren Fall.
Doch Sieger bleiben auf den gleichen Fluren
Geschicktre Läufer, die ihr Ziel erreichen.
Kann Cäsars, Alexanders Ruhm verwehn?
Sieg krönt Conde, Turenne, den listenreichen,
Und Gustav425-3, Luxemburg, Villars, Eugen.
Ihr jungen Krieger, die der Ruhm begeistert,
Sorgt, daß Euch nicht das Ungestüm bemeistert!
So viele Krieger um den Sieg sich mühn,
Fortuna hat nur wenige erkoren.
Wie manchem ging, nach Taten, groß und kühn,
An einem Tag sein ganzes Werk verloren!
Gedenkt an Trojas Fall! Es widersteht
Der Griechen Scharen, hält sich unversehrt.
Der Feind erlahmt; besiegt ist Diomed;
Ajax entflieht in Wut; der Brand verzehrt
Der Schiffe viel; umsonst sich opfernd stellt
Patroklos sich dem Gegner. Hektor fällt
Den Freund Achills und raubt ihm dessen Waffen.
Dem Rächer muß Hephästos neue schaffen;
Da flieht das Glück Den, der so oft gesiegt:
Achilles kämpft und Trojas Held erliegt.
Werft auf den zwölften Karl nun Euren Blick:
Neun Jahre Sieg, neun Jahre Mißgeschick!
Blieb solchen Helden nicht der Sturz erspart,
Hat alle Kunst sie nicht vor Schmach bewahrt,
Was träumt dann Ihr, Bellonas Schüler, kaum
Im Lager heimisch, schon den Siegestraum?
Und doch: trotz meinem Rat reißt zu Beginn
Des Laufes kecker Jugendmut Euch hin;
Gleich wilden Rossen stürmt Ihr in die Bahn.
Fürchtet den Ehrgeiz, der Euch leicht verblendet;
Mißtraut des Eigendünkels holdem Wahn;
Die Gaben prüft, die Euch Natur gespendet!
Nehmt nie der Ruhmsucht eitle Träumerein
Für Eures Geistes allerhöchste Kraft.
Mögt Ihr so stark auch wie der Ringer sein
In London, den das dumme Volk begafft, —
Der Pöbel jauchzt und die Trompete klingt,
Wenn er den Gegner kraftvoll niederzwingt —
Ja, wärt an Kraft Ihr den Titanen gleich,
Die sich empörten wider Jovis Reich,
Die frevlen Muts die Göttersitze stürmten
Und die den Pelion auf den Ossa türmten, —
Besäßt Ihr selbst des Schlachtengottes Mut,
Wähnt dennoch nicht, ich hieße so Euch gut!
Kraft, Tapferkeit und Größe reicht nicht hin:
Von Helden heischt Minerva größern Sinn.
Dem Feldherrn gebe Weisheit das Geleit.
Klug sei er, doch nicht schwach, gedankenvoll,
Doch nie phantastisch; stets zur rechten Zeit
Geschehe, was sich ziemt; gehorchen soll
Sein Heer ihm blindlings, auch im Schlachtendrange.
Entsteht Verwirrung, weiß er ihr zu steuern,
Die Weichenden, Erschlafften anzufeuern.
Wes auch das Heer bedarf, er sieht es lange
Voraus und zeitig wird's herbeigeschafft.
Ist er an Mitteln reich und an Geduld,
So trifft kein Schicksal ihn durch eigne Schuld.
Drum bildet Euren Geist, die Urteilskraft.
Baut nur auf Euch; vom Glück erwartet nichts.
Langsam und kühl besonnen seid im Rat,
Doch kühn entschlossen zeigt Euch bei der Tat.
Und ohne Gründe reichlichen Gewichts
Führt nie das Heer zur mörderischen Schlacht.
<427>Des Staates Kräfte sind in Eurer Macht:
Furchtlos und willig folgt die Heldenschar
Beim ersten Zeichen Euch in die Gefahr
Und stürzt sich auf den Feind, dem Tiger gleich,
Der auf den Löwen springt in grimmer Wut:
Er wirft ihn um, reißt ihm mit einem Streich
Die Flanken auf und schlürft des Opfers Blut.
Am Tag darauf, o Gott! welch grauses Bild!
Von leichenhügeln strotzt das Schlachtgefild.
Dein bester Freund liegt blutend mit dem Feind,
Den er bezwang, in einem Grab vereint.
Schaut, wie der Tod der Tapfren Aug' umnachtet,
Die Euer Ehrgeiz grausam hingeschlachtet!
Seht Ihr der Eltern Harm, die Tränenfiut
Der Witwen? Fluch gellt Euch im Siegesglanze.
Nein! eh Ihr ruchlos fließen laßt das Blut
Und als ein Mörder kommt zum Lorbeerkranze,
Laßt lieber all die Ehrenmale schwinden,
Die Euren Ruf an Freveltaten binden!
Um solchen Preis begehrt den Nachruhm nicht.
Übt stets an Eurem Heer die Vaterpfiicht.
Seht Euren Sohn auch in dem letzten Fechter:
Den Hirten liebt die Herde, nicht den Schlächter.
Dem Staat gehören sie; in Euren Händen ruht
Ihr Glück, drum schonet ihr, nicht Euer Blut,
Ja geizt mit ihm, solang es Mars gefällt.
Doch wenn das Wohl des Vaterlands gebeut,
Daß zwischen Freund und Feind der Würfel fällt.
Dann zaudert nicht und opfert ungescheut
Ihr Leben hin! Dann mag ihr Mut sich zeigen,
Und über Leichen sollt zum Sieg Ihr steigen!
Ein Feldherr, der Bellonas Geist verspürt,
Kämpft, wann er will, nicht, wenn's dem Feind behagt.
Des Heeres sicher, das er weise führt,
Pariert er jeden Schlag, den jener wagt.
Er denkt als Weiser, handelt als ein Held,
<428>Der statt zu warten, selbst den Gegner stellt:
Dem Angriff war das Glück noch stets geneigt.
Des Widders Wucht die stärksten Mauern bricht
Und schafft Euch freie Bahn; sein Schwergewicht
Zerstört die Türme, die der Feind besteigt
Zum letzten Widerstand. Greift immer an:
Bellonas Huld lächelt dem kühnen Mann!
Doch wenn das falsche Glück Euch nun verrät
Und zu des Feindes Fahnen übergeht,
So zeigt dem Unheil eine heitre Stirn!
Durch kluges Walten macht den Schaden gut,
Befeuert des besiegten Heeres Mut
Und findet Mittel in dem eignen Hirn.
Die Nacht erhöht der Steine lichten Schein:
So sollt Ihr groß und stark im Unglück sein;
Dann wird ein Fehlschlag Eures Ruhmes Glanz
So gut vermehren wie der Siegeskranz.
Verzweifelt nie, vertraut auf Eure Kunst:
Klugheit erzwang noch stets Fortunas Gunst!
Villars, bei Malplaquet428-1 aufs Haupt geschlagen,
Hat bei Denain428-2 den Sieg davongetragen.
Ein Tag bringt Euch das Glück, das lang Euch floh:
So wurde Villars auch des Sieges froh.
Des Kampfes Art ist mannigfach: Ihr kennt
Die großen Schläge, die man Schlachten nennt;
Da ficht bei Freund und Feind das ganze Heer.
Verschanzte Posten, Höhen, Flüsse sind
Der Schauplatz, wenn ein Treffen sich entspinnt;
Der Stellung Stärke macht sie lang und schwer.
Seht Ihr die beiden Heere dort im Feld?
In guter Ordnung ziehen sie zum Streite;
Die Front entfaltet sich zu voller Breite.
Das eine, rasch entwickelt, überfällt
Den Feind. Auf seine Flügel stürzt mit Wucht
Die Reiterei; sie wenden sich zur Flucht.
Durch Staub und Pulverdampf blitzen die Klingen;
Bald sind sie rot von Blut. Nach kurzem Ringen
Sind weit und breit die Fliehenden zerstreut.
Die Schlachtfront, der des Fußvolks Angriff dräut,
Hat keine Flügel mehr, die sie beschützen.
Schon sprüht der Tod aus hundert Feldgeschützen.
Im Sturmschritt kommt der Sieger angerückt,
Die Fahnen hoch, das Bajonett gezückt.
Der Feind verzagt und seine Reihen wanken;
Da fällt ein starkes Korps in seine Flanken!
Er weicht, er flieht; die Erde trinkt sein Blut.
Das Feuerrohr, entflammt von Blitzesglut,
Schickt Tod um Tod in die entsetzten Reihn;
In kleinen Haufen fliehn sie querfeldein;
Haupt, Ordnung, Fahnen, alles ist dahin!
Vollenden will der Sieger den Gewinn,
Den er so leichten Kaufs davongetragen,
Nicht goldne Brücken seinem Feinde schlagen;
Drum wird das Werk an einem Tag vollbracht.
So griff Eugen mit seiner ganzen Macht
Bei Höchstädt429-1 an, wo Marsin und Tallard
In schlechtgewählter Stellung standen. Er
Durchbrach ihr Zentrum und zerschnitt ihr Heer.
Die Waffen strecken mußte Schar um Schar,
Und bis zum Rheine ging die wilde Flucht:
Reich war, 0 Höchstädt, Deines Sieges Frucht!
Als bei Almansa mit dem Leun der Britten
Die Lilien kämpften und den Sieg erstritten — Dank Berwick ward der glückliche Bourbon
Herr von Castilien und Aragon429-2.
Schaut andre Treffen! Auf dem Höhenkranze,
Der herrisch aus der Ebne sich erhebt,
Steht fest ein Heer, geschützt durch Wall und Schanze.
Doch sieh den Staub, der in die Lüfte strebt!
Der Feind rückt an und rüstet sich zur Schlacht;
In einem Treffen ordnet er die Streiter.
Die Höhen sind für Rosse nicht gemacht:
Ins Hintertreffen stellt er drum die Reiter.
Der Führer sprengt, um selber zu erkunden,
Weit vor die Front. An seinem Feldherrnblick,
An Wahl von Ort und Zeit hängt das Geschick;
Schon ist des Gegners schwacher Punkt gefunden
Und sein der Sieg! Rechts dringt ein starkes Korps
Im Eisenhagel der Geschütze vor
Und stürmt bergan. Im eignen Bau gefaßt,
Entflieht der Feind verstört, in wirrer Hast.
Der Sieger nimmt geschwind den Vorteil wahr,
Und zur Verfolgung sprengt die Reiterschar.
So zwang Conde bei Freiburg430-1 das Geschick;
So siegte unter seines Königs Blick
Moritz bei Laveld, wo er heldenhaft
Die Britten, Deutschen und Bataver schlug
Und auf die Höhen seine Fahnen trug:
Viel Opfer wurden da hinweggerafft430-2.
Dies ist die Art, wie Ihr den Sieg erringt
Und Eures Feindes feste Lager zwingt.
Oft sind sie nur von regellosen Gräben,
Von schlechtgebauten Schanzen schwach umgeben.
Falsch aufgestellt, an einen Punkt gebannt,
Bleibt oft ein Teil des Heeres unverwandt,
Indes, Ihr selbst, den keine Stellung bindet,
Euch frei bewegt und Euren Vorteil findet.
Nichts hemmt den Feldherrn, dem Bellona lacht,
Wenn sich der Feind, vom Unglück scheu gemacht,
Aus Furcht, das er ihm Leid zum Leide füge,
In eines festen Lagers Schutz vergräbt.
Dann zwingt der Held ihn durch geschickte Züge,
Die Schlacht zu liefern, der er widerstrebt.
Die großen Städte nimmt er sich zum Ziel
Und schafft dem Gegner immer neue Not,
Erscheint bald hier, bald dort, führt irr, bedroht
Zugleich drei Plätze durch sein wechselnd Spiel.
Indes er Schrecken in die Herzen sät,
Der Feind in immer größre Not gerät.
Von keinem Orte kommt ihm Zufuhr mehr
Und kämpfen muß das eingeschloßne Heer.
Sieg oder Tod — dies Schicksal bleibt ihm nur.
Das junge Reh folgt stets der Mutter Spur:
So wagt der Feldherr lieber auch sein Leben,
Als seine Vorratskammern preiszugeben.
Sucht Euch der Feind die Tatkraft einzudämmen
Und Euch durch eines Stromes Lauf zu hemmen,
Mögt Ihr bei Hannibal zur Lehre gehn.
Die Römer an dem Rhoneufer siehn;
Der Konsul wähnt, nun sei der Feind gebannt;
Der aber täuscht ihn, geht an andrer Stelle
Über den Fluß431-1, eint so die List mit Schnelle,
Verspottend seines Gegners Widerstand.
Du würdiger Ritter Deiner Königin,
Mein Gegner Karl: mit unbefangnem Sinn,
Den Rache nicht und schnöder Haß verblenden,
Will ich das wohlverdiente Lob Dir spenden.
Dich hemmte nicht der Rhein, der meeresgleich
Frankreich auf ewig trennt vom Deutschen Reich.
Der Feinde Scharen an dem Strom entlang
Verwehrten Dir umsonst den Übergang.
Ein kluger Feldherr wird mit allem fertig!
Rhein, Feind, Gefahren, nichts hemmt seinen Lauf:
Karl blicht geteilt in vier Kolonnen auf
Und schlägt, wo Coigny keines Feinds gewärtig,
Kühn seine Brücke, überrascht den Feind
Und dringt ins Elsaß, eh' man es vermeint431-2.
Auch jenen Ruhmestag vergess' ich nicht,
O Ludwig, da in Deinem Angesicht
Dein Heer bei Tolhuys in den Rheinstrom sprang
Und kämpfend ihn durchschwamm, den Feind bezwang
Und aus verschanzter Stellung ihn vertrieb432-1.
Habt Ihr den Ruhm aus tiefster Seele lieb,
So strebt nach Sieg, doch seid im Sieg nicht hart!
Cäsar hat seiner Feinde Blut gespart,
Als bei Pharsalos ihm die Welt erlag.
Seht Ludwig voller Edelmut im Siege
Bei Fontenoy432-2: er lindert selbst den Schlag.
Wie wenn ein Gott vom Himmel niederstiege,
Küßt ihm der Feind die Hand, die ihn bemeistert;
Sein Mut bezwang ihn, seine Huld begeistert.
Die Güte blüht in all der Grausamkeit:
Es siegt ein Held; ein Gott allein verzeiht.
Dahin, Ihr jungen Krieger, sollt Ihr streben!
Dann werden Eure Namen auf den Schwingen
Des Ruhmes in die fernsten Zonen dringen,
Und ewig werden Eure Taten leben.
Dann steigt die Tugend aus des Himmels Höhn
Herab, beglückt, wie zu Asträas432-3 Zeit,
Helden zu finden voller Menschlichkeit,
Um zur Unsterblichkeit Euch zu erhöhn.
In ihrem Tempel, wo die Unschuld wohnt,
Wird alle Menschentugend reich belohnt.
Dort findet Ihr die Dichter und die Denker,
Die Volksbeglücker, weise Staatenlenker
Und gute Herrscher, wenig Weltbesieger,
Doch alle guten und gerechten Krieger.
Wenn Euer Geist sich einst gen Himmel schwingt
Und Ihr in jene lichten Höhen dringt,
Gedenkt des Kriegers, der zur Heldenbahn
Die Schranke durch sein Lied Euch aufgetan,
Der Euch den Weg zum Ruhmestempel wies,
Indem er Euch den Reiz der Tugend pries.
387-1 Ovid wurde im Jahre 9 n. Chr. vom Kaiser Augustus wegen seiner Dichtung „Die Liebeskunst“ und wegen einer Liebesaffäre am Kaiserhof, in die er, wie es scheint, verstrickt war, nach Tom: am Schwarzen Meere verbannt, wo er seine „Epistolae ex Ponto“ und seine „Tristia“ schrieb.
388-1 Fußnote des Königs: „Feldmarschall Finck, gestorben 1735.“ Gemeint ist Graf Albrecht Konrad Finck von Finckenstein, der frühere Oberhofmeister und Erzieher des Königs. Vgl. Bd. I, S. 114 und 183.
390-1 Berühmter französischer Reitlehrer († 1620), Verfasser der Schrift „Le Menège Royal“ (Paris 1623).
391-1 Alexander der Große.
391-2 Gemeint ist Mithridates, König von Pontus.
392-1 Am 19. Mai 1643 siegten die Franzosen unter Condé bei Rocroy über die Spanier.
392-2 Prinz Moritz von Oranien (1567—1625), der zweite Sohn Wilhelms des Schweigers, Statthalter und Generalkapitän von Holland.
392-3 Vgl. S. 352.
392-4 Vgl. Bd. II, S. 19.
398-1 Cajus Terentius Varro wurde bei Cannä (216 v. Chr.) von Hannibal geschlagen, Quintus Fabius Maximus hielt diesen durch Vermeidung jeder Schlacht und durch Wahl fester lager auf Bergeshöhen in Schach.
398-2 Die Schlacht bei Pharsalos, 48 v. Chr.
399-1 Graf Raimund Montecuccoli, 1672/73 Heerführer der Kaiserlichen am Rhein. Vgl.Bd.I, S.70
400-1 Schlacht lm Teutoburger Wald, 9 n. Chr.
402-1 Sebastien le Prestre de Vauban (1633—1707), der Schöpfer der neueren Befestigungskunst. Vgl. S. 411.
402-2 Nicolas Sanson (1600—1667), berühmter französischer Geograph.
404-1 Cäsar und Alexander der Große.
404-2 Miltiades schlug die Perser bei Marathon (490 v. Chr.), sein Sohn Kimon sie am Eurymedon (465 v. Chr.).
404-3 Lucius Ämilius Paullus, der durch den Sieg bei Pydna (168 v. Chr.) die mazedonische Monarchie vernichtete.
404-4 Vgl. S. 64.
404-5 König Heinrich IV. von Frankreich.
404-6 König Gustav Adolf.
404-7 Moritz von Sachsen, geb. 1696, starb am 30. November 1750. Vgl. Bd. I, S. 147; II, S. 207 f.; III, S. 16.
405-1 Schlacht bei Zama (202 v. Chr.).
405-2 Vgl. S. 254.
405-3 Die Schlacht bei Rocroy (vgl. S. 380 und 392).
406-1 Vgl. Bd. I, S. 41 ff.
406-2 Die Schlacht bei Turin, 7. September 1706 (vgl. S. 209 und Bd. I, S. 109).
407-1 Am 16, August 1717 (vgl. S. 210 und Bd. I, S. 132).
407-2 Vgl. Bd.1, S. 74 ff.
407-3 2. Buch der Könige, Kap. 19, Vers 35 f.
408-1 Vgl. Bd. I, S. 75 f.
408-2 Vgl. Bd. I, S. 81ff.
408-3 Vgl. S. 210 f. und 367 ff.
410-1 Eyrakus fiel 212 v.Chr. nach langer Belagerung durch die Römer unter Marcus Claudius Marcellus.
411-1 Massilia, das heutige Marseille, fiel 49 v. Chr.
411-2 Vgl. S. 402.
414-1 1677. -
414-2 Für die Eroberung Magdeburgs am 20. Mai 1631 vgl. Bd. I, S. 44f.
418-1 Vgl. S. 15. 202. 373.
421-1 218 v. Chr.
421-2 Im Frühling 1701 (vgl. S. 52). Der französische Heerführer, der dem Prinzen Eugen gegenüberstand, war Marschall Catinat und nicht der Herzog von Vendöme, der erst 1702 das Kommando übernahm.
422-1 Im Winter 1674/75 (vgl> S. 83.192 f. 213 und Bd. I, S. 72 f.).
422-2 Gemeint ist der Sieg Karls XII, bei Klissow (1722) über August II. (vgl. S. 371).
423-1 Wie Alexander der Große nach der Eroberung Sidons Abdolonymos, so erhob Karl XII. 1704 Stanislaus Leszczynski auf den Thron (vgl. Bd. l, S. 107 und Bd. VII, S. 33).
425-1 Wilhelm III., Statthalter der Niederlande und König von England, kämpfte seit 1691 in den Niederlanden unglücklich gegen die Franzosen,
425-2 Bei Turin (1706),
425-3 König Gustav Adolf von Schweden (vgl. S. 406).
428-1 1709.
428-2 1712.
429-1 1704.
429-2 Der Sieg der Spanier und Franzosen unter Marschall Berwick über die Engländer bei Almansa am 25. April 1707 entschied den Erbfolgekrieg in Spanien zugunsten des französischen Prätendenten, Herzog Philipps von Anjou, der als Philipp V, den spanischen Thron bestieg (vgl. Bd.I, S. 102 f. und 115).
430-1 1644. -
430-2 Für den Sieg des Grafen Moritz von Sachsen bei Laveld am 2. Juli 1747 vgl. S. 191 und Bd. III, S. 16.
431-1 Hannibal täuschte 218 v. Chr. den Konsul Publius Cornelius Scipio und ging über die Rhone,
431-2 Der Rheinübergang des Prinzen Karl von Lothringen erfolgte bei Germersheim zu Anfang Juli 1744 (vgl. S. 52 und Bd. II, S. 169 f.).
432-1 Durch den Übergang über den Niederrhein bei Tolhuys am 12. Juni 1672 eröffneten die Franzosen den Krieg gegen Holland (vgl. Bd. I, S. 91; Bd. VII, S. 90).
432-2 11. Mai 1745 (vgl. Bd. II, S. 206 f.),
432-3 Göttin der Gerechtigkeit, die nach dem Goldenen Zeitalter die Erde verließ und als Sternbild an den Himmel versetzt wurde.