Erster Gesang
Ausbildung, Disziplin
Du, der einst mit dem Königszepter schalten,
Der Schwelt und Wage soll in Händen halten,
Du Heldensproß, auf den der Staat vertraut,
Fürstlicher Jüngling, laß Dich treu beraten
Von einem felderfahrenen Soldaten
Im Waffenbrauch, auf den der Ruhm sich baut.
Nicht Roß und Mann allein, Geschütz und Heere
Beschirmen eines Volkes Ruhm und Ehre.
Lern' erst den rechten Brauch, die Kunst verstehen,
Durch die der Kriegsmann hehre Tat vollbringt.
Ein neues Lied Dir meine Muse singt
Von Tugenden, die wir an Helden sehen,
Von Gaben, die ihr Fleiß erwirbt, von Mut
Und Umsicht, Wagclust und weiser Hut,
Und wie ein Krieger, den die Einsicht leitet,
Die Grenzen seiner Kunst noch überschreitet.
Doch glaube nicht, ich wollte schlimm Dich lehren,
Die unheilvolle Schlachttrompete blasen
Und wahnberauscht, lechzend nach Siegesehren,
<386>Entfachen Deinen Mut zu blindem Rasen.
Nicht Attila geb' ich zum Muster Dir,
Nein, echte Helden, Titus, Mark Aurel,
Trajan, voll Tapferkeit, doch ohne Fehl,
Der Menschheit Vorbild, ihres Ruhmes Zier.
Kein Lorbeer soll Viktorias Stirn bedecken,
Wenn Missetaten ihren Ruhm bestecken!
Wohltätiger Friede, hehre Geister droben,
Die Preußens Volk aus Himmelshöhen schirmen,
O scheucht von Flur und Stadt das blutige Toben,
Schützt unsre Grenzen vor des Krieges Stürmen!
Bewahrt uns vor der Menschheit grausen Plagen,
Und hört im Schicksalstempel Ihr mein Flehn,
So laßt dies Land bis zu den fernsten Tagen
Im heiß ersehnten Frieden fortbestehn!
Dann kann der Landmann seiner Fluren Segen
Zufrieden unterm trauten Dache hegen,
Kann Themis ungestört ihr Urteil sprechen,
Den Frevler strafen und die Unschuld rächen;
Die leichten Schiffe, die das Meer zerteilen,
Kein Feind als Sturm und Flut kann sie ereilen;
Minerva kann in unsrem Rate walten
Und Schild und Ölzweig in den Händen halten.
Doch reißt des Friedens hehres Band entzwei
Und lechzt der Feinde Übermut nach Krieg,
Dann, Könige, Völker, rüstet Euch! Dann leih,
O Himmel, der gerechten Sache Sieg!
Schrecklicher Schlachtengott, Du sollst mich führen;
Die Schranken öffne mir zu blutigen Kämpfen!
Euch holden Musen muß es wohl gebühren,
Des Kriegers rauhe Rede abzudämpfen.
O stimmt herab zu sanfter Melodie
Der Schlachttrompete schmetterndes Getön!
Verwegen setze meine Phantasie
Den grausen Mars auf des Parnasses Höhn.
Mit erznen Helmen wappn' ich Cure Stirn,
Nicht Liebes Lust und Leid will ich besingen,
Nicht Wonnetaumel, Kosen, List und Girrn,
<387>Noch Schwächen, die selbst Helden niederzwingen.
Des Pontus Sänger mag in süßem Wahn
Den Gott, der all sein Leid verschuldet, preisen387-1;
Die Grazien lauschen seinen holden Weisen,
Ich aber stimme grause Lieder an.
Tief in des Ätna Schoß, in Glut und Brand,
Lass' ich Vulkan mit Wucht die Blitze schmieden,
Die schrecklichen, die in der Helden Hand
Der Reiche Schicksal allezeit entschieden,
Die in der Schlachten Drang die Reihen mähn
Und stolzer Städte Wälle niederstrecken.
Auch jene grause Waffe sollt Ihr sehn,
Bajonnes Erfindung, jenen neuen Schrecken,
Der Spieß und Feuer eint und Tod um Tod
Den angsterfüllten Blicken droht.
Doch mitten im Gewühl des Mordens wird
Man Helden sehn, die rasch und unbeirrt
Die Reihen ordnen, tapfer vorwärts dringen,
Planvoll gebieten und das Schicksal zwingen.
Doch eh' zum Höchsten wir den Blick erheben,
Sei er den ersten Regeln zugekehrt,
Gleichwie der Adler seine Jungen lehrt,
Dem Wind zum Trotz im Ätherreich zu schweben,
Wenn sie, befiedert kaum, mit starken Schwingen
Empor die Mutter aus dem Horste trägt.
Kriegsfrohe Jugend, deren Mut sich regt,
Die es schon drängt, sich Ehre zu erringen —
O wähnet nicht, daß Euch der Ruhm schon krönt,
Wenn Ihr, im Krieg noch unerprobt und neu,
Ins Feld zieht, kaum der Mutterbrust entwöhnt!
Beginnet mit dem kleinsten ohne Scheu!
Drohend mit der Muskete Last bewehrt,
Durchlauft des harten Dienstes schwere Zeit.
Behend in jeglicher Bewegung seid,
Wie sie der Kriegsgott seinen Söhnen lehrt.
Fest sieht in Reihn, wie siumm, kein Glied gerührt!
Den Blick am Führer und gespitzt das Ohr.
Was er befiehlt, sei hurtig ausgeführt!
Geschwind zu laden lernt das Feuerrohr.
Gleichmäßig sei und pünktlich Griff und Tritt.
Rückt mannhaft vor, in festem, sichrem Schritt,
Kein Wanken und kein Schwanken, Mann an Mann!
In Zügen feuert, wahrt die Tempos gut,
Seid rasch in allem, doch mit kaltem Blut.
Harrt des Signals, dann stürmt verwegen an!
Steht Ihr auf Posten, habt des Feindes acht.
Wer nicht gehorchen kann, lernt nie befehlen.
So ließ sich Finck388-1 den Mut im Kriege stählen
Und hat der Helden Lehrzeit durchgemacht.
Wie furchtbar eines Heeres Größe sei,
Die Triebkraft sind die niederen Soldaten,
Die in des Dienstes strengem Einerlei
Zusammenwirken zu den großen Taten.
Gleichwie zum Spiel manch prächtiger Fontäne,
Die zu Versailles in weiten Gärten springt,
Mit Macht sich regt bei Marly an der Seine
Das große Triebwerk, das den Strom bezwingt:
Da pressen hundert Pumpen allesamt
Den unterjochten Fluß in die Kanäle;
Jedwedes Rad hat sein bestimmtes Amt.
Versagt ein Hebel, ist die kleinste Fehle,
Gleich stockt das Ganze, hört die Ordnung auf: —
So muß auch in der Heere Ruhmeslauf
Ein jeder unterordnen seinen Mut;
Kühnheit auf eigne Faust ist selten gut.
Ob vorschnell Euer Tun, ob's lässig war —
Der schon erraffte Lorbeer Euch entsinkt.
Liebt drum das Kleine, nicht des Ruhmes bar:
Es ist das erste, das den Sieg Euch bringt.
Doch sollt Ihr nicht im niedren Rang veralten:
Lernt als Soldat über Soldaten schalten;
Führt unverzagte Mannschaft mit Bedacht.
Klimmt Grad um Grad, stets Eurer Pflicht getreuer.
Bald sieht ein Bataillon in Eurer Macht.
Lenkt seinen Marsch und leitet es im Feuer.
Lehrt es in Ordnung laden, schießen, streiten,
Haltmachen und beherzt zum Angriff schreiten.
Drei Glieder hoch, so werden Preußens Krieger,
Straff, nervig, hoch an Wuchs, des Feindes Herr.
In dichtren Reihen räumt er doch dem Sieger
Das Feld nach kurzer, tapfrer Gegenwehr.
Im Gleichschritt soll das Bataillon anrücken
Und seinen Blitz und Donner nicht verschwenden;
Die Front soll ihre Bajonette zücken,
Daß sich entsetzt zur Flucht die Feinde wenden.
Mit Fleiß müßt Ihr die Heldenschar ergänzen,
Wenn nach der Schlacht so manche Lücke klafft,
Und strebt Ihr fürder nach des Sieges Kränzen,
Wählt große Männer aus voll Nerv und Kraft.
Mars bürdet ihnen auf die schwersten Lasten;
Nachzüglern grollt er, die am Wege rasten.
Schwächliche Körper, von Beschwer erschlafft,
Sind, eh der Feldzug endet, hingerafft.
Gleichwie im Wald die Eichen nur, die zähen,
Des Sturmes Toben trotzig widerstehen,
Doch neben ihnen in den Ungewittern
Der Fichten schlanke Schäfte splittern,
So müßt auch Ihr mit Männern, stark wie Leuen,
Die tapfren Bataillone stets erneuen.
Wenn Euch nach Feldherrnruhm der Wunsch durchdringt,
Der Ehrgeiz, daß Euch Dauerndes gelingt,
Beherrscht der Waffen mannigfachen Brauch,
Und habt Ihr Gaben, wohl, so übt sie auch!
Lernt, wie mit des Lapithen Kampfesart
Die Kriegskunst des Zentauren klug sich paart.
<390>Geht bei den Jüngern Pluvinels390-1 zur Lehre,
Wie man dem wilden Roß den Zaum anlegt,
Daß Euch sein Sprung kühn über Gräben trägt;
Gewöhnt die Lenden an des Panzers Schwere.
Kein Laut der Klage, wenn der Helm Euch schmückt,
Daß er Euch Furchen in die Stirne drückt!
Ein ungeschickter Mut, er scheitert bald.
Habt Euren Säbel gut in der Gewalt,
Den raschen Stahl, der Eure Feinde schreckt
Und ihre flüchtigen Reihen niederstreckt.
So will es Mars, daß Cure scharfen Klingen
Entscheidung in das Los der Schlachten bringen.
Das Schießen unterlaßt im Reiterkampf,
Denn wirkungslos verfliegt der Pulverdampf;
Zum Halten bringt die Pferde kurzerhand.
Lernt, wie man im Gefild die Truppe stellt,
Die Kürassiere fest zusammenhält,
Schwadron dicht an Schwadron, ein grades Band.
Bei Führern von Erfahrung und Geschick
Lernt tummeln Eure Schar. Im Augenblick
Abschwenken soll sie, flugs in Stellung stehn
Und rasch zu einer andern übergehn,
Sie plötzlich wechseln, hurtig aufmarschieren,
Gewandt in jeder Gegend manövrieren.
Gehorsam, des Befehls gewärtig, sprengt
Mit Windeseile in des Feindes Reihn.
In starkem Anprall werft sie, dicht gedrängt;
Sind sie zerstreut, setzt hitzig hinterdrein.
Hellas war einst des Lorbeers Heimatland,
Der Helden Schule Sparta, ihre Wiege;
Ordnung und Mannszucht herrschten da im Kriege,
Und Thebens Kunst der Phalanx Wucht erfand.
Der letzte Krieger zeigte sich als Held,
Wo Kimon, wo Miltiades befahl.
Gestählter Mut und Kunst vertrat die Zahl
Und schlug der Perser Dünkel aus dem Feld.
O Tag von Salamis und Marathon,
Der Griechen Ruhm an Euch auf ewig hängt!
Seht, wie der Held auf Mazedoniens Thron391-1
An seine Freunde Hab und Gut verschenkt,
Doch hoffnungsreich, auf seine Mannheit bauend,
Die Perser überfällt, Darms schlägt,
Asien bezwingt und seiner Phalanx trauend,
Den Sieg bis zu des Ganges Ufern trägt!
Mars brachte von den östlichen Gefilden
Sein Kriegspanier zum Römischen Senat;
Ein Volk von Männern wußt' er dort zu bilden,
Das kampfesfreudig schritt von Tat zu Tat.
Mit krieggewohnten Nachbarn lange ringend
Und selbst das Schicksal sich zu Willen zwingend,
Ward es Italiens Herr und wuchs an Macht
Durch jedes Volk, dem es sein Joch gebracht.
Der siegesstolze Aar der Legionen
Schwang sich zu immer höheren Regionen.
Der Feinde Kunst erlernte man in Rom,
Benutzte ihre List zum eignen Fall.
Zwingburgen wurden aus dem Lagerwall;
Vor ihrem Dräun erschrak der Donaustrom.
Iberer und Germanen unterlagen,
Die rauhen Völker an Britanniens Strand,
Karthagos List, die Kunst von Griechenland,
Des Pontus Macht391-2, der Gallier keckes Wagen;
Der ganze Erdkreis Rom zu Füßen sank.
Doch seine Mannszucht, die, an Siegen trächtig,
Es herrschend einst gemacht und übermächtig,
Sie fiel zuletzt: das war sein Untergang.
Da brachen Hunnen, Gothen und Gepiden —
Nicht Krieger, beutegierige Räuberhorden —
Ins weite Reich mit Sengen, Plündern, Morden.
Umsonst rief nun das Volk: Wer schafft uns Frieden?
Zu spät ward ihm der Fall der Mannszucht leid:
Das stolze Rom war dem Verfall geweiht!
Nach langem Schlaf ward neu die Kunst beseelt:
Der fünfte Karl erweckte sie zum Leben.
Sein Feldherrngenius ließ die Welt erbeben
Vor Spaniens Fußvolk, kühn und krieggestählt.
Karl gab ihm Ordnung, schrieb Gesetze vor —
Bis es bei Rocroy Schlacht und Ruhm verlor392-1.
Doch der Bataver seine Fesseln brach,
Das schnöde Joch der fremden Tyrannei.
Geschult von Moritz392-2, rächt' er seine Schmach,
Und durch Gehorsam ward er frei.
In seinen sieggewohnten Heeren
Gedieh Turennes bestaunte Feldherrnkunst392-3.
Der große Ludwig schenkt' ihm seine Gunst;
Die Franken folgten seinen Heldenlehren.
Des Krieges Regeln prägten sie uns klar;
Doch blind war Ludwig für den jungen Aar,
Des Mars und der Minerva Lieblingssohn:
Da ward Eugen zum Hort dem Kaiserthron392-4.
Der junge Dessau focht in Süd und Norden
In seiner Zucht und wurde kriegserfahren.
So sind die Götter, die mit Östreich waren,
Durch ihn zu Preußens Göttern nun geworden.
Sieh, wie die Kunst, die Dir mein Lied verkündet,
Die Throne stets gestützt, wohin ich schaue.
Und ist sie auf die Mannszucht fest gegründet,
Und waltet Kraft in ihrem großen Baue —
Ermiß, wie weit dann ihre Wirkung greift!
Doch durch Erfahrung wird sie nur gereift.
Dem Neuling wehe, den der Wahn umfinge,
Daß man die Stufen mühlos überspringe!
Als Phaeton den Vater einst beschwor,
Den Wagen ihm zu leihn — der junge Tor! —
Verstand er nicht der Rosse Mut zu zähmen;
Fremd war die Bahn, die sie am Himmel nehmen;
Doch dreist griff er zum Zügel, sie zu leiten.
So irrt' er auf verschlungnem Pfad einher;
Da flammt' ein Blitz und aus des Himmels Weiten
Zerschmettert stürzt er jählings in das Meer.
Verwegne, bangt, Euch gleichem Los zu weihn!
Durch Vorwitz stürzte Phaeton allein.
Lenkt Ihr zu früh des Mars ehernen Wagen,
So muß der ganze Staat das Wagnis tragen.
387-1 Ovid wurde im Jahre 9 n. Chr. vom Kaiser Augustus wegen seiner Dichtung „Die Liebeskunst“ und wegen einer Liebesaffäre am Kaiserhof, in die er, wie es scheint, verstrickt war, nach Tom: am Schwarzen Meere verbannt, wo er seine „Epistolae ex Ponto“ und seine „Tristia“ schrieb.
388-1 Fußnote des Königs: „Feldmarschall Finck, gestorben 1735.“ Gemeint ist Graf Albrecht Konrad Finck von Finckenstein, der frühere Oberhofmeister und Erzieher des Königs. Vgl. Bd. I, S. 114 und 183.
390-1 Berühmter französischer Reitlehrer († 1620), Verfasser der Schrift „Le Menège Royal“ (Paris 1623).
391-1 Alexander der Große.
391-2 Gemeint ist Mithridates, König von Pontus.
392-1 Am 19. Mai 1643 siegten die Franzosen unter Condé bei Rocroy über die Spanier.
392-2 Prinz Moritz von Oranien (1567—1625), der zweite Sohn Wilhelms des Schweigers, Statthalter und Generalkapitän von Holland.
392-3 Vgl. S. 352.
392-4 Vgl. Bd. II, S. 19.