Über große politische Entwürfe
... Die Politik besieht mehr darin, aus günstigen Konjunkturen Nutzen zu ziehen, als sie von langer Hand herbeizuführen. Aus diesem Grunde rate ich Euch, leine Verträge zu schließen, die sich auf unsichere künftige Ereignisse beziehen, sondern Euch freie Hand zu bewahren, damit Ihr Euern Entschluß nach Zeit, Ort und Lage Eurer Angelegenheiten fassen könnt: mit einem Wort, wie es Euer Interesse dann von Euch erheischen wird. Ich bin gut dabei gefahren, als ich im Jahre 1740 so handelte, und ich mache es jetzt ebenso hinsichtlich der Dinge in Polen. Ich unterrichte Frankreich von den Absichten des Hauses Österreich1 dränge es, die Türken wachzurufen, hüte mich aber wohl, mich durch Verträge zu binden, und warte das Ereignis ab, um dann meinen Entschluß zu fassen.
Politische Träumereien
Soviel über das Tatsächliche und über die Grundlinien der Haltung, die in Preußen zu beobachten sind. Gehen wir jetzt zum Chimärischen über. Auch die Politik hat ihre Metaphysik. Wie es keinen Philosophen gibt, der nicht sein Vergnügen daran gehabt hätte, sein System aufzustellen und sich die abstrakte Welt seinem Denken gemäß zu erklären, so darf auch der Politiker in dem unendlichen Gefilde chimärischer Entwürfe lustwandeln. Können sie doch bisweUen zur Wirklichkeit werden, wenn man sie nicht aus den Augen verliert, und wenn einige Generationen nacheinander, auf dasselbe Ziel losschreitend, Geschicklichkeit genug besitzen, ihre Absichten vor den neugierigen und scharfen Augen der europäischen Mächte gründlich zu verbergen.
Machiavell sagt2, eine selbstlose Macht, die zwischen ehrgeizigen Mächten sieht, müßte schließlich zugrunde gehen. Ich muß leider zugeben, daß Machiavell recht hat. Die Fürsten müssen notwendigerweise Ehrgeiz besitzen, der aber muß weise, maßvoll und von der Vernunft erleuchtet sein. Wenn der Wunsch nach Vergrößerung dem fürstlichen Staatsmann auch keine Erwerbungen verschafft, so erhält er doch wenigstens seine Macht; denn dieselben Mittel, die er zum offensiven Handeln bestimmt, sind stets zur Verteidigung des Staates bereit, falls sie notwendig ist und er dazu gezwungen wird.
Es gibt zweierlei Arten der Vergrößerung: durch reiche Erbschaften oder durch Eroberungen.
Erbschaften, die dem königlichen Hause zufallen können.
[Ansbach-Bayreuth und Mecklenburg stehen in Frage.]
1 Der Thronkandidatur des Prinzen Karl von Lothringen in Polen.
2 principe, cap. 15 und 18.