Das Heerwesen1
Um während des Krieges brauchbar zu sein, verlangt das Heerwesen schon in Friedenszeiten die sorgfältigste Pflege. Im Frieden, sagt Vegetius, muß diese Kunst studiert und im Kriege angewandt werden.
Die Kriegskunst zerfällt in zwei Teile. Der erste bezieht sich auf den kleinen Dienst: die Zucht, Ausbildung und Ordnung der Truppen, Auswahl von Mannschaften und Pferden, die Wirtschaft des Soldaten, des Offiziers usw. Der zweite Teil umfaßt die Kenntnisse des Feldherrn: Feldzugspläne, Taktik, Belagerungen usw. Ich beschränke mich in diesem Kapitel auf Erörterung des ersten Teiles und behalte mir den zweiten für das folgende Kapitel vor2.
Der König-Connetable muß wissen, welche Wichtigkeit die Erhaltung straffer Mannszucht besitzt. Die Disziplin ist die Seele der Heere. Solange sie in Blüte sieht, erhält sich der Staat. Man braucht nur nachzulesen, was Vegetius3 von der römischen Miliz erzählt. Will man Beispiele aus jüngerer Vergangenheit, so finde ich zwei, die beide in meine Zeit fallen. Das erste ist der Untergang der Disziplin bei den Schweden, der den Mißerfolg des Krieges in Finnland4 herbeiführte. Die Offiziere hatten die Regeln der Kriegskunst vergessen. Die Soldaten, von Beruf Bauern, wußten nichts von Gehorsam gegen ihre Führer und verstanden nicht gegen den Feind zu manövrieren. Die Folge davon war der Verlust Finnlands. Das andere Beispiel, das ich erlebt habe, betrifft die Holländer. Unter allen oranischen Prinzen bildeten ihre Truppen das Muster für die europäischen Heere. Auch die Preußen haben von ihnen die Ordnung und Kriegskunst gelernt. Nach dem Tode König Wilhelms5 regierten die Amsterdamer Kaufleute unter dem Titel von Greffiers, Pensionären und Gene, ralstaaten. Sie machten ihre Ladendiener zu Offizieren und verachteten die Verteidiger der Republik. Alter und Tod rafften ihre guten Offiziere weg. (Die Obersten
1 Vgl. dazu das militärische Testament von 1768 in Bd. V.
2 Die 1748 verfaßten „GeneralPrinzipien vom Kriege“ (vgl. Bd. V), die dem Testament hinzugefügt sind.
3 Flavius VegetiusEpitoma rei militaris, Buch I, Kap. I.
4 1741—1743. Vgl. Bd. II, S. 128.
5 Erbstatthalter Wilhelm III., König von England († 1702).