<24> Thron Cromwells, der seinen König mordete, ließe sich wohl der umgestürzte des stolzen Guisen setzen, der in Blois ermordet ward1. So würde das Gegengift, unmittelbar auf das Gift verabreicht, dessen gefährlichen Wirkungen zuvorkommen, wie Achills Lanze, die verwundet, aber auch heilt.
Übrigens scheint mir's recht unüberlegt von Machiavell, Moses mit Romulus, Cyrus und Theseus zusammenzustellen. Entweder handelte Moses unter höherer Eingebung oder nicht. Im letzteren Fall kann man Moses nur als einen Erzschurken, Gauner und Betrüger ansehen, der sich Gottes bediente wie ein Dichter des Deus ex machina, der den Knoten lösen muß, wenn der Verfasser keinen Ausweg weiß. Moses war im übrigen so ungeschickt, daß er das jüdische Volk 40 Jahre lang einen Weg führte, den es bequem in sechs Wochen hätte zurücklegen können; von der geistigen Höhe der Ägypter hat er sich sehr wenig angeeignet und sieht somit in dieser Hinsicht tief unter Romulus und Theseus und den andern Heroen. Handelte aber Moses unter der Eingebung Gottes, so kann man eben nur das blinde Werkzeug der göttlichen Allmacht in ihm sehen, und dann blieb der Führer der Juden weit hinter dem Gründer des Römerreiches, hinter dem Perserkönig und dem griechischen Helden zurück, die durch ihren Eigenwert und eigene Kraft Bedeutenderes leisteten als jener unter dem unmittelbaren Beistande Gottes.
Geisteskraft, Mut, Gewandtheit und Haltung — all dessen bedarf es in hohem Maße, um es den Genannten gleichzutun, das gebe ich im allgemeinen vorurteilslos zu. Doch kommt ihnen darum ein höherer Menschenwert zu? Tapferkeit und Gewandtheit finden sich gleichermaßen bei dem Räuber auf der Landstraße wie bei Helden; der Unterschied ist nur, daß der Eroberer ein erlauchter Räuber ist, der durch die Erheblichkeit seiner Taten Eindruck macht und durch seine Machtmittel sich Achtung erzwingt, während der Durchschnittsspitzbube ein namenloser Wicht ist, um so verachteter, je verworfener er ist. Der eine erntet Lorbeeren als Preis seiner Gewalttaten, der andere endet am Galgen. So beurteilen wir die Dinge niemals nach ihrem wirklichen Werte, well undurchdringliche Wolken unser Auge umlagern; hier bewundern wir, was wir dort tadeln, ein Missetäter braucht nur erlauchter Herkunft zu sein, und er kann auf den Beifall der meisten Menschen zählen.
Es ist zwar richtig, daß jeder Neuerung, die einer in die Welt einführen will, sich immer wieder tausend Hindernisse in den Weg stellen werden, und daß darum ein Prophet an der Spitze eines Heeres mehr Jünger gewinnen wird, als wenn er nur mit rein geistigen Waffen kämpfte2. Beweis: das Christentum — solange es sich nur
1 Heinrich I. von Lothringen, Herzog von Guise, der Stifter der heiligen Liga gegen König Heinrich III. von Frankreich und auf Befehl des Königs 1588 umgebracht.
2 Machiavell hatte die Behauptung aufgestellt, daß nichts größere Schwierigkeiten in der Ausführung biete und von zweifelhafterem Erfolge sei, als sich zum Haupt einer neuen Staatsordnung zu machen, daß die Anwendung von Gewalt indessen fast stets zum Erfolge führe. „Daher haben alle bewaffneten Propheten den Sieg davongetragen, die unbewaffneten aber sind zugrunde gegangen.“