<244> zum Niedergang der Menschheit beitragen. Den Herrscher wird er anfeuern, die unermeßliche Macht, die das Priestertum sträflich gegen sein Volt und gegen ihn selbst anwendet, einzuschränken, dem Klerus jeden Einfluß auf die Regierung zu nehmen und ihn denselben Gerichten zu unterwerfen, die über die Laien urteilen. Durch dieses Mittel würde die Religion ein für Sitten und Regierung gleichgültiger Gegenstand theoretischer Betrachtung werden, der Aberglaube würde nachlassen, und die Toleranz würde von Tag zu Tag an Herrschaft über die Welt gewinnen.
Kommen wir nun zu dem Abschnitt, worin der Verfasser die Politik behandelt. Welche Umwege er auch einschlagen mag, um den Schein zu erwecken, als betrachte er die Dinge nur unter allgemeinen Gesichtspunkten, man merkt doch, daß er immer Frankreich vor Augen hat und über die Grenzen seines Vaterlandes nicht hinausschreitet. Seine Darlegungen, seine Kritik, alles bezieht sich auf Frankreich, alles hängt damit zusammen. Nur in Frankreich werden die richterlichen Ämter verkauft; lein Staat hat so viel Schulden wie dieser; nirgends schreit man so laut gegen die Steuern. Man lese nur die Vorstellungen der Parlamente gegen gewisse Steueredikte und zahlreiche Broschüren über denselben Gegenstand. Das Wesentliche der Klagen gegen die Regierung ist auf kein anderes Land Europas anwendbar als auf Frankreich. Nur dort werden die Staatseinkünfte durch Steuerpächter erhoben. Die englischen Philosophen beklagen sich nicht über ihren Klerus. Von spanischen, portugiesischen, österreichischen Philosophen habe ich bisher nicht reden hören. Nur in Frankreich können also die Philosophen über die Priester klagen. Kurz, alles weist auf des Verfassers Vaterland hin, und es würde ihm schwer, wo nicht unmöglich werden, zu leugnen, daß seine Hiebe sich unmittelbar gegen Frankreich richten.
Indessen, er hat Augenblicke, wo sein Zorn sich legt und sein beruhigter Geist ihm erlaubt, seine Schlüsse mit besserer Einsicht zu ziehen. Wenn er behauptet, es sei die Pflicht des Fürsten, seine Untertanen glücklich zu machen, so ist das eine alte Wahrheit, die jedermann mit ihm anerkennen wird. Wenn er betont, Unwissenheit und Trägheit der Herrscher seien verhängnisvoll für ihre Völker, so wird man ihm versichern, daß das die Überzeugung aller ist. Wenn er hinzufügt, das Interesse der Monarchen sei untrennbar verknüpft mit dem der Untertanen und ihr Ruhm bestehe darin, über eine glückliche Nation zu herrschen, so wird ihm niemand die augenscheinliche Richtigkeit dieser Meinung bestreiten. Verleumdet er aber mit heftiger Erbitterung und Ausfällen ätzendster Satire seinen König und die Regierung seines Landes, so sieht man ihn für einen Verrückten an, der, seinen Fesseln entronnen, sich den wildesten Ausbrüchen seiner Wut hingibt.
Wie, Herr Philosoph, Sie Schützer der Sitten und der Tugend, wissen Sie nicht, daß ein guter Bürger die Regierungsform, unter der er lebt, achten soll? Wissen Sie nicht, daß es einem Bürger nicht zukommt, die Machthaber zu beschimpfen, daß man weder seine Mitbürger noch seinen Herrscher noch sonst jemand verleumden darf und