<25> auf seine Lehre stützte, war es schwach und unterdrückt; erst als es viel Blut hatte stießen machen, breitete es sich in Europa aus. Ebenso richtig aber ist die andere Beobachtung, daß Lehren und Neuerungen manchmal fast mühelos ihren Weg finden. Wieviel Religionen, wieviel Sekten fanden mit unglaublicher Leichtigkeit ihre Aufnahme! Nichts schafft neuen Gedanken so leicht Nachdruck als der Fanatismus, und mir scheint, als hätte Machiavell über diesen Gegenstand allzu vorschnell abgeurteilt.
Schließlich noch einige Betrachtungen zu dem Beispiel des Hieron von Syrakus, das Machiavell für die anzieht, die mit Hilfe ihrer Freunde und ihrer Truppen emporkommen. Hieron traute seinen Freunden und seinen Kriegern, die ihm mit zu seinem Ziele verholfen hatten, nicht mehr und schloß lieber neue Freundschaften und hob neue Truppen aus. Machiavell und allen Undankbaren zum Trotz behaupte ich, daß das eine elende Politik war, und daß Hieron klüger daran getan hätte, sich auf Truppen von bewährter Tapferkeit, auf Freunde von bewährter Treue zu verlassen, als auf Unbekannte, deren man niemals sicher ist. Ich überlasse es dem Leser, diesen Gedankengang weiterzuführen; jeder, der Undankbarkeit verabscheut und das Glück der Freundschaft kennt, wird hierbei nicht um Stoff verlegen sein.
Indessen möchte ich den Leser auf die Doppeldeutigkeit der Ausdrucksweise Machiavells aufmerksam machen. Man lasse sich nichts vormachen, wenn er sagt: „Was hilft aller persönliche Wert, wenn's an der Gelegenheit fehlt?“ Das bedeutet im Munde dieses Buben: ohne die Gunst der Umstände können auch Schurken und Abenteurer mit ihren Talenten nichts anfangen. Die Dunkelheiten dieses verächtlichen Schreibers versieht nur, wer den geheimen Sinn seiner Verbrechersprache deutet.
Ich meine, ganz allgemein gesprochen — um mit diesem Kapitel zu Ende zu kommen —: für einen Bürger ist die einzige Gelegenheit, ohne Verbrechen nach dem Höchsten zu streben, wenn er in einem Wahlkönigreiche geboren ist oder wenn ein unterdrücktes Volt ihn zu seinem Befreier ausruft. Ein Ruhm ohnegleichen wäre es, ein Volk erretten und ihm dann die Freiheit wiedergeben! Doch wir wollen keine Menschenbildnisse entwerfen nach dem Vorbilde Corneillescher Helden. Bescheiden wir uns mit Racineschen, schon das ist viel.