11. Kapitel
Von den geistlichen Herrschaften.
Stets fand ich es höchst sonderbar, daß die Leute, die sich die Nachfolger der Apostel nennen, das heißt die Nachfolger von Bettlern und Predigern der Demut und Buße, große Glücksgüter besaßen, sich nicht genug tun konnten in üppigem Lebensbehagen und dabei Ämter bekleideten, die mehr der weltlichen Eitelkeit und der Prunksucht der Großen angestanden hätten, als daß sie die Gedanken von Männern hätten ausfüllen dürfen, deren Aufgabe es ist, die Nichtigkeit des Menschenlebens zu erwägen und über ihr Seelenheil zu sinnen. Und doch ist's Tatsache, daß die Geistlichkeit der römischen Kirche ungeheuer begütert ist, daß da Bischöfe den Rang souveräner Fürsten einnehmen und daß die weltliche und geistliche Macht des ersten Bischofs der Christenheit ihn in gewisser Weise zum Schiedsrichter über Könige erhebt und als Vierten der heUigen Dreieinigkeit beigesellt.
Die Kirchenlehrer oder Theologen wissen peinlicher als jeder andere zu scheiden, was der Seele ist und was des Leibes, aber wo ihr Machtstreben in Frage kommt, da müßte man sie mit ihren eigenen Waffen bekämpfen. Euer priesterlich Amt, zu dem ihr berufen seid, könnte man ihnen vorhalten, bindet euch ganz an das Geistige — wie konntet ihr dies so gröblich mit dem Weltlichen vermengen? Eure Lehre unterscheidet doch sonst so scharfsinnig, wenn es sich um den Geist handelt, den ihr nicht kennt, und das Irdische, das ihr sehr wenig kennt — wie kommt es denn, daß ihr diese Unterscheidungen verwerft, sobald euer Eigennutz in Frage sieht? Daher kommt's, well diese Herren sich wenig Sorgen machen um ihr unverständliches ftommes Kauderwelsch, um so mehr aber um die Größe ihrer Einkünfte: daher kommt es, well die Führung ihres Denkens zwar sich in den Bahnen der Strenggläubigkeit bewegen muß, die Führung ihres Lebens aber in den Bahnen ihrer Leidenschaften wandelt, und well nun einmal die greifbaren Dinge der Natur das Übergewicht haben über das Gedankliche, in demselben Maße, wie das wirkliche Glück dieser Welt über das Jenseitsglück.
Diese erstaunliche Macht der Geistlichkeit ist der Gegenstand des vorliegenden Kapitels, ebenso alle Fragen ihrer weltlichen Herrschaft.