Was bleibt Machiavell nach so vielen Gegenbeispielen? Sein geistvolles Gleichnis von den Waffen Sauls, die David, da er wider Goliath auszog, ihrer Schwere wegen zurückwies1, ist Schaumschlägerei, nichts weiter. Gewiß kommt's vor, daß die Hilfsvölker einem Fürsten lästig fallen; aber nimmt man dergleichen nicht gern in Kauf, wenn man Städte und Provinzen dabei gewinnt?
Bei dieser Gelegenheit verspritzt Machiavell sein ganzes Gift gegen die Schweizertruppen in französischen Diensten. Ich muß für diese wackern Truppen ein Wörtchen einlegen, denn ohne Zweifel haben die Franzosen mit ihrer Hilfe mehr denn eine Schlacht gewonnen und danken ihnen hervorragende Dienste; wollte Frankreich die Schweizer und die Deutschen, die bei seinen Fußtruppen stehen, verabschieden, so wären seine Heere gleich viel weniger gefürchtet.
Soviel von Irrtümern des Verstandes, nun zu denen des sittlichen Gefühls. Die schlechten Beispiele, die Machiavell den Fürsten vorhält, gehören zu jenen Nichtswürdigkeiten, die man ihm nicht hingehen lassen darf. So führt er hier den Hieron von Syrakus2 an, der, schwankend zwischen der gleich gefährlichen Wahl, ob er seine Truppen beibehalten oder entlassen sollte, sie abschlachten ließ. Dergleichen empört uns, wenn wir in der Geschichte darauf stoßen, aber entrüstet sind wir, müssen wir's in einem Buche zur Belehrung der Fürsten lesen. Grausamkeit und Barbarei strafen sich bei Bürgern gewöhnlich selbst und sind daher für die meisten ein Abscheu. Fürsten, die an ihrem Platze von der Vorsehung den Schicksalen gewöhnlicher Menschen entrückt sind, haben von sich aus nicht so lebhafte Abneigung dagegen, weil sie die Folgen weniger zu befürchten haben; also sollte man gerade allen denen, die zu Herren über andere Menschen bestimmt sind, mit allem Nachdruck einen Widerwillen einprägen gegen jeden Mißbrauch, den sie mit ihrer unbeschränkten Macht begehen könnten.
Derselbe Machiavell, der es in diesem Kapitel ausspricht: „Nichts ist so hinfällig als Ansehen und Name, wenn sie nicht auf den eigenen sittlichen Wert gegründet sind“, muß es heut an sich selbst erfahren, daß sein guter Ruf, der auf schwachen Füßen stand, jetzt ganz dahin ist; mochte bei seinen Lebzeiten sein Geist Verehrer finden, so ist Verachtung nach seinem Tode sein Lohn um seiner Schlechtigkeit willen. Die Welt läßt sich eben nur für eine Weile etwas vormachen; sie weiß die Ehre der Menschen gar trefflich abzuwägen. Läßt sie auch manchmal eine Zeitlang Gnade für Recht ergehen, so gilt das nicht für immer, und sie sitzt dann über den Menschen nach seinem Tode, welchen Rang er auch im Leben bekleidet habe, mit derselben Strenge zu Gericht, die in der Vorzeit über die alten Könige von Ägypten nach ihrem Tode erging. Willst du dir also einen guten Ruf in der Welt sichern, so gibt es nur ein zuverlässiges und untrügliches Mittel: sei in Wahrheit so, wie du in den Augen der Welt scheinen willst.
1 Machiavell zog aus dem Gleichnis von Davids Weigerung, die Waffen Sauls anzulegen, den Schluß: „Fremde Waffen fallen ab oder sie sind zu schwer oder sie erdrosseln dich.“
2 Vgl. S. 23.