Allgemein muß ich bei dieser Gelegenheit bemerken, daß Verschwörungen und Mordanschläge in der Welt gar nicht mehr vorkommen: vor dergleichen sind die Fürsten heutzutage sicher, diese Verbrechen haben sich überlebt, sind nicht mehr Mode, und was Machiavell an Gründen dafür anführt1, trifft durchaus zu. Allenfalls vermöchte noch irgendein fanatischer Mönch in frommem Eifer eine derartige Untat zu begehen2. Unter den richtigen Bemerkungen Machiavells beim Kapitel Verschwörungen ist eine ganz vortrefflich, nur klingt sie in seinem Munde übel; er sagt: „Einen Verschwörer beunruhigt dauernd die Furcht vor den Strafen, die ihm drohen, hinter dem König aber sieht schirmend die Majestät des Reiches und die Hoheit der Gesetze.“ Mich dünkt, es steht unserem Verfasser übel zu Gesicht, von der Hoheit des Gesetzes zu sprechen, ihm, dem Verführer zu Selbstsucht, Grausamkeit, Thronraub und herrischer Willkür. Er hält's wie die Protestanten, die mit den Gründen der Ungläubigen die katholische Verwandlungslehre bekämpfen, um sich dann der gleichen Gründe, mit denen der Katholik das Wunder der Wandlung stützt, im Streite wider den Unglauben zu bedienen. Das nennt man geistige Geschmeidigkeit!
Machiavells Rat also ist, der Fürst solle sich um Liebe bemühen, solle aus diesem Grunde vorsichtig zu Werke gehn und gleichermaßen sich des Wohlwollens der Großen wie des Volkes versichern. Was ihm etwa den Haß der einen oder des anderen zuziehen könnte, das soll er, rät er verständig weiter, auf andere abwälzen und zu diesem Behufe Behörden einsetzen, die da als Richter zwischen dem Volke und den Großen stünden. Als Muster führt er die Regierung von Frankreich an. Man denke: der begeisterte Anwalt der Zwingherrschaft und des Staatsstreiches erwärmt sich für die ehemalige Macht des Parlamentes in Frankreich. Ich meinesteils kenne heutzutage nur ein Land, das mit vorbildlicher Weisheit verwaltet wird, es ist England: dort sieht das Parlament über Volt und König, und der König hat jede Vollmacht zum Guten, doch keine, einen Schaden zu stiften.
Alsdann begegnet Machiavell den vorauszusehenden Einwendungen auf sein Seelengemälde vom Fürsten und verliert sich in eine breite Erörterung der Lebensschicksale der römischen Kaiser von Mark Aurel bis zu den beiden Gordiani3. Wir wollen seine Darstellung nachprüfen. Für den häufigen Thronwechsel macht er den Schacher verantwortlich, der mit der höchsten Reichswürde getrieben wurde; und eine ausgemachte Sache ist es, daß seit der Zeit, da diese von den Prätorianern käuflich ausgeboten wurde, kein Herrscher seines Lebens mehr sicher war. Das Kriegervolk verfügte über die Kaiserwürde, und jeder, dem sie zugefallen, mußte es mit dem Leben
1 Machiavell führte aus, daß in den wohlgeordneten und gut regierten Staaten seiner Zeit zahllose gute Einrichtungen beständen, die die Sicherheit und Freiheit der Fürsten schirmten, indem sie einerseits den Ehrgeiz und Übermut der Großen in Zaum hielten und andrerseits das Volk zufriedenstellten.
2 Vgl. S. 16.
3 Die im folgenden aufgeführten römischen Kaiser sind Mark Aurel (161—180), Commodus (180—192), Pertinax (193), Septimius Severus (193—211), Caracalla (211—217), Macrinus (217), Heliogabalus (218—222), Alexander Severus (222—235), Maximinus (235—238), Gordianus I. und Gordianus II. (237).