<82> sagen hat, wenn sie Vergangenheit und Zukunft zugleich im Auge behält und sich immer dabei innerhalb der Grenzen hält, die ihr Vernunft und Gerechtigkeit ziehen.
Erste Frage: Soll ein Fürst die Völker, die er seiner Herrschaft unterwarf, entwaffnen oder nicht?
Ich antworte darauf, daß seit Machiavell sich in der Kriegführung vieles verändert hat. Heut sind es der Fürsten eigene Armeen, mehr oder minder stark, die ihnen ihr Land verteidigen; einen Trupp bewaffneten Landvolks würde man nicht ernst neh-men, und eine Bürgerwehr gibt's allenfalls noch bei Belagerungen, wo jedoch gemeiniglich die Belagerer nicht dulden, daß die Bürger Soldatendienst tun, und ihnen mit der Androhung rücksichtsloser Beschießung das Handwerk zu legen suchen. Auch sonst ist's wohl ein Gebot der Klugheit, die Bürger einer eroberten Stadt, wenigstens für die erste Zeit, zu entwaffnen, zumal wenn man ihrer Haltung nicht ganz sicher ist. Als die Römer Britannien erobert hatten und das Land, wegen des aufrührerischen und kriegerischen Sinnes jener Stämme, nicht zu Ruhe und Frieden zu bringen vermochten, da gedachten sie ihren männlichen Sinn in Weichlichkeit zu ersticken, ihre kriegerische Wildheit zu dämpfen; es gelang auch so, wie man's zu Rom sich wünschte. Die Korsen sind eine Handvoll Menschen, tapfer und beherzt wie die Engländer, nie würde man sie mit gewaltsamen, höchstens mit gütigen Mitteln bändigen. Um auf dieser Insel die Herrschaft zu behaupten, halte ich's für unerläßlich, daß man den Einwohnern die Waffen nehme und ihre Wehrkraft breche. Da wir gerade von den Korsen reden, sei nebenbei ausgesprochen, welchen Mut, welche Mannhaftigkeit doch Freiheitsliebe den Menschen gibt; daß es darum ein Wagnis ist, sie zu unterdrücken, wie es eine Versündigung ist.
Die zweite Frage unseres Staatslehrers: Wem soll ein Fürst, wenn er eben eines neuen Gebietes Herr geworden, unter seinen neuen Untertanen mehr Vertrauen schenken, denen, die ihm zu seiner Besitzergreifung eine hilfreiche Hand geboten, oder denen, die zu ihrem angestammten Herrn in Treue gestanden und jenem den heftigsten Widerstand entgegengesetzt haben?
Wer durch verräterisches Einverständnis mit etlichen Bürgern eine Stadt in seine Gewalt gebracht hat, würde äußerst unklug handeln, wollte er dem Verräter trauen. Den ehrlosen Streich, den ein solcher zu euren Gunsten verübt, wird er jederzeit für einen andern zu wiederholen bereit sein, es kommt nur auf die Gelegenheit an. Auf der anderen Seite legten die, so sich in Treue für ihren rechtmäßigen Herrn bewährt hatten, damit eine Probe der Zuverlässigkeit ab, mit der sich rechnen läßt, die zu der Annahme berechtigt, sie dürften auch für ihren neuen Gebieter leisten, was sie für den alten geleistet haben, den sie, nur der Not gehorchend, verließen. Doch auch hier wird besonnene Klugheit nicht gleich allzu leichtherzig vertrauen, jedenfalls nicht, ohne Vorsichtsmaßregeln getroffen zu haben.
Doch setzen wir einmal den Fall, geknechtete Völker, die sich gezwungen sähen, das Joch ihres Zwingherrn abzuschütteln, beriefen einen auswärtigen Fürsten zu ihrem