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13. Kapitel

Von Hilfstruppen, Volksheeren und Truppen gemischter Art.

Unter allen Philosophen des Altertums waren unbestritten die tiefsten, die besonnensten und maßvollsten die der neueren Akademie; vorsichtig in ihren Entscheidungen, überstürzten sie sich niemals mit Ja oder Nein, gaben ihr Urteil nicht dem Irrtum einer Voreingenommenheit gefangen, noch der Aufwallung ihres Blutes. Es wäre zu wünschen gewesen, daß Machiavell von der maßvollen Art dieser Philosophenschule etwas angenommen hätte, statt sich den unberechenbaren Anwandlungen seiner Einbildungskraft zu überlassen, die ihn nur zu oft vom Wege des vernünftigen Denkens abirren ließen.

Den Gipfel der Übertreibung erreicht seine Behauptung, ein kluger Prinz würde lieber mit seinen eigenen Truppen untergehn, als mit fremden HUfsvölkern siegen. Weiter läßt sich die Überspanntheit nicht treiben, und ich behaupte, seit die Welt sieht, ist kein größerer Unsinn ausgesprochen worden als der Satz, der „Fürst“ von Machiavell sei ein gutes Buch. Wenn der Verfasser sich zu solchen Gewagtheiten versteigt, kann er wenig Ehre damit einlegen; dieser Satz widerspricht ebenso aller StaatsVernunft wie aller einfachen Erfahrung. Wo ist der Herrscher, der nicht die Erhaltung seines Staates dessen Untergange vorzöge, ohne viel nach den Mitteln oder nach den Personen zu fragen, denen er sich dabei verpflichten könnte? Ein Ertrinkender, denk' ich, wird wohl kaum ein Ohr haben für lange Reden, es sei doch seiner unwürdig, seine Lebenserhaltung andern als sich selber zu schulden, und es sei seine Pflicht, lieber unterzugehn als den von fremder Hand ihm hingehaltenen rettenden Strick oder Stock zu fassen. Die Erfahrung lehrt uns, daß des Menschen erste Sorge seiner Erhaltung, die zweite seinem Wohlbefinden gilt. Damit ist der großartig klingende Fehlschluß des Verfassers schon hinfällig.

Geht man diesem Satze Machiavells aber auf den Grund, so stößt man nur auf verkappte Eifersucht, die der unwürdige Verführer gar zu gern den Fürsten einflößen möchte; und dabei war gerade diese Eifersucht zu jeder Zeit ihr Verderb: Eifersucht auf ihre Generale oder auf Bundesgenossen, die ihnen zu Hilfe eUten, deren Eintreffen sie nicht abwarten wollten, aus Furcht, mit anderen ihren Ruhm teilen zu müssen. Auf diese Weise sind zahllose Schlachten verloren gegangen, und kleinliche Eifersüchteleien haben oftmals den Fürsten empfindlichere Nackenschläge eingetragen als die überlegene Zahl und sonstige Vorteile des Gegners.

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Der Neid ist eins der schädlichsten Laster für die Gesellschaft, bei Fürsten aber hat er noch ganz andere Folgen als bei Bürgersleuten. Ein Staat mit einem Fürsten an der Spitze, der auf seine Untertanen neidisch ist, wird nur zaghafte Bürger hervorbringen, niemals tüchtige Leute, die großer Leistungen fähig wären. Neidische Fürsten ersticken im Keime jene großen Begabungen, die der Himmel für glänzende Leistungen geschaffen zu haben scheint; von daher schreibt sich der Verfall der Reiche und schließlich ihr völliger Sturz. Das oströmische Reich verdankte seinen Untergang ebenso der Eifersucht der Kaiser auf die glücklichen Erfolge ihrer Heerführer, wie der religiösen Engherzigkeit der letzten Fürsten auf jenem Throne; statt die geschickten Feldherren für ihre Verdienste zu belohnen, wurden sie bestraft für ihre Erfolge, und die wenig erfahrenen Truppenführer beschleunigten dann den Niedergang des Staates. Der Fall dieses Reiches war unausbleiblich.

Vaterlandsliebe vor allem soll den Fürsten beseelen, und sein ganzes Sinnen und Trachten soll einzig und allein daraufausgehen, Nützliches und Großes für das Wohl des Staates zu wirken. Diesem Ziel soll er seine Eigenliebe und all seine Leidenschaften zum Opfer bringen, jeden Beistand in Rat und Tat annehmen, alle bedeutenden Persönlichkeiten, die er nur findet, heranziehen, mit einem Wort, alles sich zunutze machen, was irgend sein schönes Werk, die Arbeit am Wohlergehen seiner Untertanen, zu fördern verspricht.

Die Mächte, die gemischter Truppen oder der HUfsvölker entraten können, tun wohl daran, sie aus ihren Heeren auszuschließen; da aber nur wenige der europäischen Fürsten in dieser günstigen Lage sind, so meine ich, dürfen sie's wohl unbedenklich mit Hilfstruppen wagen, solange die einheimischen an Zahl ihnen überlegen sind.

Machiavell schrieb nur für Neine Fürsien. Sein Wert ist nur eine Sammlung von Stegreifeinfällen über den Staat; fast kein Satz, wo der Verfasser nicht die Erfahrung gegen sich hätte. Ich könnte eine Unmenge von Beispielen nennen für glück, liche Erfolge von Heeren, die aus Hilfstruppen bestanden, und für treffliche Dienste, die sie Fürsten geleistet haben. Mit solchen Hilfstruppen wurden die Kriege in Bra-bant, am Rhein und in Italien geführt, schlug der Kaiser im Bunde mit dem Reiche, mit England und Holland die Franzosen, verjagte sie aus Deutschland und Italien und setzte sie in Flandern matt52-1. Ebenso waren es gemischte Truppen, Truppen dreier Kriegsherren, zusammengebracht durch ein Bündnis, denen der Feldzug der drei nordischen Könige52-2 wider Karl XII. anvertraut war, und es gelang ihnen doch, jenem einen Teil seiner deutschen Gebiete zu entreißen. Im Kriege vom Jahre 1734, den Frankreich unter dem Verwande der Verteidigung der Rechte jenes immer wieder gewählten und immer wieder entthronten Königs von Polen52-3 begann, gelang einer gemischten Streitmacht von Franzosen und Savoyarden die Einnahme von Mailand sowie des größten Teils der Lombardei.

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Was bleibt Machiavell nach so vielen Gegenbeispielen? Sein geistvolles Gleichnis von den Waffen Sauls, die David, da er wider Goliath auszog, ihrer Schwere wegen zurückwies53-1, ist Schaumschlägerei, nichts weiter. Gewiß kommt's vor, daß die Hilfsvölker einem Fürsten lästig fallen; aber nimmt man dergleichen nicht gern in Kauf, wenn man Städte und Provinzen dabei gewinnt?

Bei dieser Gelegenheit verspritzt Machiavell sein ganzes Gift gegen die Schweizertruppen in französischen Diensten. Ich muß für diese wackern Truppen ein Wörtchen einlegen, denn ohne Zweifel haben die Franzosen mit ihrer Hilfe mehr denn eine Schlacht gewonnen und danken ihnen hervorragende Dienste; wollte Frankreich die Schweizer und die Deutschen, die bei seinen Fußtruppen stehen, verabschieden, so wären seine Heere gleich viel weniger gefürchtet.

Soviel von Irrtümern des Verstandes, nun zu denen des sittlichen Gefühls. Die schlechten Beispiele, die Machiavell den Fürsten vorhält, gehören zu jenen Nichtswürdigkeiten, die man ihm nicht hingehen lassen darf. So führt er hier den Hieron von Syrakus53-2 an, der, schwankend zwischen der gleich gefährlichen Wahl, ob er seine Truppen beibehalten oder entlassen sollte, sie abschlachten ließ. Dergleichen empört uns, wenn wir in der Geschichte darauf stoßen, aber entrüstet sind wir, müssen wir's in einem Buche zur Belehrung der Fürsten lesen. Grausamkeit und Barbarei strafen sich bei Bürgern gewöhnlich selbst und sind daher für die meisten ein Abscheu. Fürsten, die an ihrem Platze von der Vorsehung den Schicksalen gewöhnlicher Menschen entrückt sind, haben von sich aus nicht so lebhafte Abneigung dagegen, weil sie die Folgen weniger zu befürchten haben; also sollte man gerade allen denen, die zu Herren über andere Menschen bestimmt sind, mit allem Nachdruck einen Widerwillen einprägen gegen jeden Mißbrauch, den sie mit ihrer unbeschränkten Macht begehen könnten.

Derselbe Machiavell, der es in diesem Kapitel ausspricht: „Nichts ist so hinfällig als Ansehen und Name, wenn sie nicht auf den eigenen sittlichen Wert gegründet sind“, muß es heut an sich selbst erfahren, daß sein guter Ruf, der auf schwachen Füßen stand, jetzt ganz dahin ist; mochte bei seinen Lebzeiten sein Geist Verehrer finden, so ist Verachtung nach seinem Tode sein Lohn um seiner Schlechtigkeit willen. Die Welt läßt sich eben nur für eine Weile etwas vormachen; sie weiß die Ehre der Menschen gar trefflich abzuwägen. Läßt sie auch manchmal eine Zeitlang Gnade für Recht ergehen, so gilt das nicht für immer, und sie sitzt dann über den Menschen nach seinem Tode, welchen Rang er auch im Leben bekleidet habe, mit derselben Strenge zu Gericht, die in der Vorzeit über die alten Könige von Ägypten nach ihrem Tode erging. Willst du dir also einen guten Ruf in der Welt sichern, so gibt es nur ein zuverlässiges und untrügliches Mittel: sei in Wahrheit so, wie du in den Augen der Welt scheinen willst.


52-1 Im Spanischen Erbfolgelrieg.

52-2 Die Könige von Dänemark, Preußen und Zar Peter der Große.

52-3 Stanislaus Leszczynski (vgl. S. 14).

53-1 Machiavell zog aus dem Gleichnis von Davids Weigerung, die Waffen Sauls anzulegen, den Schluß: „Fremde Waffen fallen ab oder sie sind zu schwer oder sie erdrosseln dich.“

53-2 Vgl. S. 23.