Begonnene Maßnahmen
Ich habe es für meine Pflicht gehalten, auf jede Weise für das Wohl des Staates zu sorgen. Der Dreißigjährige Krieg, dieses entsetzliche Unglück, hatte die ganze Mark, Pommern und Magdeburg verheert. Die drei Provinzen waren so völlig zugrunde gerichtet, daß drei Regierungen, von denen zwei ganz im Frieden verliefen, sie nicht wieder auf die alte Höhe zu bringen vermochten. Infolge so vieler Not waren die Provinzen im Jahre 1740 noch weit von dem Zustande eines wohlgeordneten und blühenden Landes entfernt. Nach dem Frieden nahm ich mir vor, alle verschiedenen Zweige der Verwaltung durchzugehen, um herauszufinden, durch welche Maßnahmen man den Provinzen aufhelfen und sie so glücklich machen könnte, als ihre Lage und das Los der Menschen es erlaubt. Zu diesem Zweck habe ich für jeden einzelnen Zweig das Folgende kurz entworfen.
Urbarmachung
Längs der Oder und der Netze, einem kleinen Fluß in der Neumark, zog sich ein Streifen unangebauten, wilden und unzugänglichen Sumpflandes. Ich begann damit, die Sümpfe von Damm bei Stettin zu entwässern. Durch einen Deich wurde die Oder eingedämmt und das neue Land an die Erbauer der dort angelegten Dörfer verteilt. Dieses Werk wird im nächsten Jahre vollendet und das Land mit ungefähr 4 000 Seelen besiedelt sein. Zwischen Freienwalde und Küsirin überschwemmte die<132> Oder die schönsten Wiesen und setzte unaufhörlich ein herrliches Gebiet unter Wasser, das dadurch unbrauchbar wurde. Zunächst erhielt die Oder ein neues Bett durch einen Kanal, der die Windungen abschneidet und die Schiffahrt um vier Meilen verkürzt. Der Kanal wird im kommenden Jahre fertig. Durch die Eindämmung des Flusses wird ein Gebiet gewonnen, wo 6 000 Seelen ihre Nahrung, Ackerland und Viehweiden finden. Wenn ich am Leben bleibe, wird die ganze Besiedelung im Jahre 1756 beendet sein. Die Netzesümpfe sind ebenfalls ausgetrocknet und mit Polen bevölkert, die sich auf eigene Kosten angesiedelt haben. Ferner habe ich alles Brachland der Kurmark urbar machen lassen und dort zwölf neue Dörfer errichtet. Ebenso zeigte es sich, daß die Städte in Pommern viel mehr Land besaßen, als sie anbauen konnten. Überall sind Dörfer angelegt worden, die in der Mehrzahl bereits fertig sind. In der Priegnitz besaßen die Edelleute ausgedehnte Ländereien, die sie nicht bewirtschaften konnten. Die Notwendigkeit ihrer Besiedelung wurde ihnen nachgewiesen, und in diesem Jahre erbauen sie dort acht neue Dörfer und im kommenden Jahre zwölf weitere. Im Halberstädtischen sind fünf Dörfer angelegt worden. Wenn ich alles seit dem Jahre 1746 zusammenzähle, bin ich jetzt beim 122. Dorfe angelangt.
Fertige Kanäle
Zur Abkürzung der Schiffahrt und zur Verbindung der großen Flüsse, der Oder, Havel und Spree, sind drei Kanäle gebaut, nämlich der Mietzelkanal, der den Holztransport aus der Neumark erleichtert, der Finowkanal, der die Oder mit der Havel verbindet, und der Plauensche Kanal, der das Dreieck bei Havelberg abschneidet. Der Plauensche Kanal beginnt bei Plauen und verbindet Havel und Elbe. Er erleichtert den Handel von Magdeburg nach Berlin und spart wenigstens acht Tage Schiffahrt für das Salz. Es geht jetzt auf dem Plauenschen Kanal nach Ostpreußen, Pommern und Schlesien, wahrend es früher über den Friedrich-Wilhelms-Kanal nach Frankfurt geschafft wurde. Das für Pommern und Preußen bestimmte Salz geht durch den Finowkanal in die Oder und von da an seinen Bestimmungsort. Umgekehrt wandert das Holz aus der Neumark, das in den Wäldern verfaulte, von der Mietzel durch die Oder, den Finowkanal, die Havel und Planen nach der Elbe, schwimmt von da die Saale hinauf und findet in Halle in den Salzsiedereien Verwendung. Seit der Anlage dieser Kanäle hat Stettin seinen Handel mit Leder aus Rußland beträchtlich vermehrt. Das Leder geht nach Magdeburg und verbreitet sich von da aus über das ganze Reich.
Seidenbau
Der Große Kurfürst hat auf fast allen Kirchhöfen der Mark eine große Anzahl von Maulbeerbäumen pflanzen lassen. Sie haben die Winter von 1709 und von 1740 überstanden, und einige Privatleute haben Seide hergestellt. Daraus ergab sich leicht,<133> daß der Frost die Maulbeerbäume keineswegs vernichtet, und daß, was einzelne Privatpersonen im kleinen ausführten, im großen gelingen kann. Daraufhin sind Maulbeerbäume angepflanzt worden. Alle Gemeinden wurden dazu angehalten, und die Amtmänner wurden bei Erneuerung ihres Pachtkontraktes verpflichtet, eine bestimmte Anzahl zu pflanzen. Jetzt gibt es im Lande über 400 000 große und kleine Maulbeerbäume, außer denen, die noch gepflanzt werden. Anstatt 200 Pfund Seide, die früher gewonnen wurden, stellen wir jetzt 2 000 Pfund her, und das muß noch beträchtlich zunehmen. Aus den Akziselisten ergibt sich, daß alle Provinzen jährlich für mehr als 400 000 Taler Seide verbrauchen. Wenn wir also 40- oder 50 000 Pfund Seide gewinnen, wird der Staat jährlich um 250 000 Taler reicher, und ohne neue Erwerbungen, allein durch eine bisher nicht gebräuchliche Industrie, erhöhen die Privatleute ihren Wohlstand. Zur Ermunterung dieser schwachen Anfänge lasse ich die bei uns erzeugte Seide ebenso teuer bezahlen wie die italienische, gebe den Landpfarrern, die am meisten Seide hergestellt haben, Prämien und denen, die Maulbeerbäume anpflanzen, Vergünstigungen.
<134>Seidenmanufakturen
Damit alles planvoll zum Ausschwung des Landes beiträgt, habe ich zugleich mit der Einführung des Seidenbaues Stoff- und Sammetmanufakturen eingerichtet. Die Ansiedlung der Arbeiter hat mir große Ausgaben verursacht. Um sie mit der Zeit zu vermindern und die fremde Kunstfertigkeit einzubürgern, halte ich den Arbeitern vierzig Lehrlinge auf meine Kosten und ersetze sie durch andere, sobald sie Meister werden. Wir haben gegenwärtig 500 Seidenwebstühle in Berlin und in Potsdam. Das ist aber erst ein schwacher Anfang.
Wollmanufakturen
Die Wollmanufakturen sind für Preußen die natürlichsten, well der Rohstoff zu den Hauptprodukten des Landes zählt. Mein Vater hatte das Lagerhaus eingerichtet, das großen Aufschwung nahm, seitdem dort Tuche wie die Aachener hergestellt wurden. Durch die Anfertigung solcher feinen Stoffe ist die nützliche Manufaktur um 300 Webstühle vergrößert worden. Ein Kaufmann Wegeli hatte schon zur Zeit meines Vaters eine bedeutende Manufaktur für Etamin, Serge und kleine Zeuge begründet. Seither hat er sie ums Doppelte vergrößert, und viele andere Kaufleute haben ähnliche Manufakturen errichtet. Seit kurzer Zeit wird viel Baumwollenzeug in Berlin angefertigt, und alle Jahre sehen wir neue Fortschritte in dieser Industrie. Zur Erleichterung für die Tuchmacher in den kleinen Städten, die alle arm sind und keine Auslagen machen können, habe ich einige Wollmagazine auf dem stachen Lande geschaffen, aus denen ihnen der Rohstoff auf Kredit geliefert wird. Sie bezahlen ihn erst, wenn die von ihnen hergestellten Tuche verkauft sind. Die Methode der Wollmagazine für die kleinen Arbeiter und der Seidenmagazine für die Seidenweber ist sehr gut und fast die einzige, mit der man solche Manufakturen in die Höhe bringen kann. Aus den Akziselisten habe ich ersehen, daß uns Wattearbeiter fehlen. Gegenwärtig bin ich damit beschäftigt, eine Wattemanufaktur in Brandenburg einzurichten. Dabei ist zu beobachten: will man irgendeine Manufaktur anlegen, die Bestand haben soll, so muß vor allem ein Kaufmann ausfindig gemacht werden, der sie übernimmt; denn der Fabrikant kann nicht arbeiten und zugleich seine Ware verkaufen. Ferner richtet der kaufmännische Unternehmer das Augenmerk darauf, daß der fertige Stoff den Vorschriften entspricht, was den Absatz erleichtert. Nichts schädigt den Handel so sehr wie der Mangel an Reellität, falsches Ellenmaß und dergleichen Schwindeleien. Um möglichst zu verhüten, daß die Arbeiter das Publikum und das Ausland betrügen, gibt es im ganzen Lande Fabrikinspektoren, die die Waren prüfen und alles Minderwertige unerbittlich zurückweisen. Diese Aufsicht ist von großer Bedeutung, zumal für den Absatz nach dem Ausland.
<135>Wollspinnerei
Bei Prüfung der Lage der Wollmanufakturen habe ich in Erfahrung gebracht, daß die Unternehmer allgemein über Mangel an Spinnern klagten. Um dem abzuhelfen, lassen sie in Sachsen für sich arbeiten, sodaß alle Jahre eine große Masse Spinnwolle aus Sachsen ins Land kommt. Um gründlich zu verfahren, stellte ich Ermittelungen über diese Verhältnisse und über die Zahl der Wollspinner an, die bei uns leben könnten. Alles in allem ergab sich eine Zahl von 60 000 Seelen. Ich war über diese Entdeckung erfreut. Hier bot sich ein Mittel zur Bevölkerung des Landes. Sofort traf ich Maßnahmen, um Wollspinner zu bekommen und anzusiedeln. Sollen sie ihr Auskommen haben, so müssen sie ein Haus, ein Gärtchen und genug Weideland besitzen, um zwei Kühe zu halten. Ich habe Kolonisten aus Sachsen, aus Polen und selbst aus Mecklenburg herangezogen, habe sie angesiedelt bei Potsdam und Köpenick, in der Neumark, in Pommern, bei Oranienburg und mit Hilfe der Amtleute in vielen Dörfern. Alles, was ich tun kann, ist, jährlich 1 000 Familien anzusiedeln. Die Familie zu fünf Köpfen gerechnet, sind zwölf Jahre erforderlich, um die Zahl von 60 000 zu erreichen. Sobald solche Arbeiter angesiedelt sind, kommt es zuerst darauf an, sie mit einem Kaufmann in Verbindung zu bringen, der ihnen ständige Arbeit verschafft.
Ebenso habe ich gefunden, daß es an Maurergesellen und Zimmerleuten fehlte. Zu dem Zweck habe ich 40 Familien hier in Potsdam und 20 bei Berlin angesiedelt. Im Magdeburgischen mußten die Edelleute und Amtmänner sich aus Mangel an Einwohnern mit Thüringern behelfen. Sie kamen alle Jahre, besorgten die Ernten und kehrten mit unserem Gelde in ihre Heimat zurück. Um diesem Mißstand abzuhelfen, habe ich in den magdeburgischen Dörfern 600 Familien angesiedelt, die jetzt für die Ernte genügen.
Die Emdener Kompagnie
Nach dem Frieden von 1746 baten mich viele Kaufleute um Bewilligung eines Privilegs für eine Orientkompagnie, die sie in Emden zu gründen beabsichtigten. Schließlich gewährte ich es ihnen:
1. Weil das den Privatleuten die Möglichkeit verschafft, ihre Kapitalien mit 20, ja selbst mit 50 Prozent Gewinn anzulegen.
2. Weil infolge dieses Handels die Pfandbriefe der Kompagnie, sobald sie in Umlauf kommen, die Zahlungsmittel verdoppeln.
3. Weil es ein Zweig des holländischen Handels ist, den wir damit an uns reißen.
4. Well wir durch die Kompagnie alle indischen Waren, die wir jetzt aus zweiter Hand kaufen, billiger bekommen können.
5. Weil die Unternehmungen unserer Kaufleute bei Verbindung des Emdener und Stettiner Handels viel bedeutender werden und Stettin einen Teil des Hamburger Handels in Polen, Böhmen und Mähren in seine Hand bekommen kann.
<136>Zur Erleichterung des Stettiner Handels habe ich mit den Arbeiten für einen Hafen bei Swinemünde begonnen. Das war unumgänglich nötig; denn bisher haben die Kaufleute große Verluste erlitten, da ihre Schiffe nicht sicher überwintern konnten.
Das sind ungefähr die Dinge, an die ich auf verschiedenen Gebieten die erste Hand gelegt habe. Aber man glaube nicht, damit sei alles vollendet. Ich habe einen beschwerlichen Krieg hinter mir. Ich habe die Staatseinkünfte für die dringendsten Bedürfnisse verwenden müssen. Die Armee mußte auf den alten Stand gebracht, Festungen gebaut, der Staatsschatz gefüllt, die Artillerie vermehrt und mit allem versehen werden (was viele Einzelheiten erfordert). Außerdem waren die englischen Schulden zu bezahlen136-1. Für diese verschiedenen Ausgaben konnte ich nur meine kleinen Ersparnisse verwenden. Da das Leben kurz und meine Gesundheit schlecht ist, so nehme ich nicht an, daß ich irgendeinen meiner Pläne zur Verwirklichung bringen kann. Aber ich muß der Nachwelt Rechenschaft davon ablegen, well ich alle diese verschiedenen Gegenstände habe prüfen lassen und weU ich jetzt genug darüber weiß, um die Mittel und Wege anzugeben, wie sich Preußen zu einem der volkreichsten und blühendsten Staaten Europas machen läßt.
136-1 Englische Schuldforderung, die auf Schlesien ruhte, und die der König mit der Abtretung der Provinz durch Österreich übernommen hatte (vgl. Bd. II, S. 120)