<11> Mühe sein. Ich werde mich für reichlich belohnt halten, wenn meine Arbeit Ihnen nicht mißfällt.
Gestern war das schönste Wetter von der Welt. Die Sonne strahlte Heller denn je. Der Himmel war so heiter, daß man weithin kein Wölkchen erblickte. Ich hatte den ganzen Morgen lang studiert, und zur Erholung machte ich einen Spaziergang mit Philant. Ziemlich lange unterhielten wir uns über das Glück, das die Menschen genießen, und über die Fühllosigkeit der meisten gegen die sanften Freuden heitren Sonnenscheins und reiner, stiller Luft. Wir kamen von einer Betrachtung in die andre und merkten schließlich, daß das Gespräch unsern Spaziergang sehr in die Länge gezogen hatte. Es war Zeit, heimzukehren, wenn wir noch vor Einbruch der Dunkelheit nach Hause kommen wollten. Philant merkte es zuerst und neckte mich damit. Ich verteidigte mich mit den Worten, seine Unterhaltung erschiene mir so angenehm, daß ich in seiner Gesellschaft die Minuten nicht zählte und geglaubt hätte, es wäre früh genug, an unsere Rückkehr zu denken, wenn wir die Sonne sinken sähen.
„Wie? Die Sonne sinken sehen?“ wiederholte er. „Sie sind Kopernikaner und richten sich doch nach dem Volksmund und nach den Irrtümern Tycho de Brahes?“
„Nur ruhig Blut“, antwortete ich. „Sie sind zu hitzig. Erstens kam es hier beim vertraulichen Gespräch nicht auf Philosophie an, und wenn ich gegen Kopernikus gesündigt habe, so ist mein Fehler mir ebenso leicht zu verzeihen wie Iosua, da er die Sonne stillstehen hieß. Er mußte doch über die Geheimnisse der Natur Bescheid wissen, da er ja von Gott erleuchtet war. In jenem Augenblick sprach Iosua wie das Volk. Ich aber rede mit einem aufgeklärten Manne, der mich versteht, mag ich nun so oder so mich ausdrücken. Weil Sie aber hier Tycho de Brahe angreifen, so gestatten Sie mir einen Augenblick, daß ich Sie angreife. Ihr Eifer für Kopernikus scheint sehr lebhaft. Sie schleudern gleich Bannsirahlen gegen alle, die nicht seiner Meinung sind. Ich will glauben, daß er recht hat. Ist das aber ganz sicher? Wer bürgt Ihnen dafür? Hat die Natur, hat ihr Schöpfer Ihnen etwas von der Unfehlbarkeit des Kopernikus offenbart? Ich für mein Teil sehe nur ein System, d. h. eine zusammenhängende Darstellung der Ansichten des Kopernikus, die sich auf Naturerscheinungen stützen.“
„Und ich“, erwiderte Philant sich ereifernd, „ich sehe die Wahrheit.“
„Die Wahrheit? Was nennen Sie denn Wahrheit?“
„Wirkliche Evidenz dessen, was ist und geschieht.“
„Und Erkenntnis der Wahrheit?“ fragte ich weiter.
Er antwortete: „Die Herstellung genauer Beziehungen zwischen dem, was wirklich existiert oder existiert hat, und unsern Ideen, zwischen den vergangenen oder gegenwärtigen Tatsachen und den Begriffen, die wir davon haben.“
„Demzufolge, lieber Philant,“ sagte ich, „dürfen wir uns kaum schmeicheln, Wahrheiten zu erkennen. Sie sind fast alle zweifelhaft, und nach der Definition, die Sie“