<125> erwiderte ihm, der Vorzug der modernen Römer vor den alten schiene mir zwar sehr schön; wenn aber alles, was er mir von jenem Eroberervolk erzählte, wahr wäre, könnte ich nicht umhin, zu gestehen, daß sie sehr heruntergekommen seien, und daß ich die Lorbeeren der alten Römer ihren modernen Tonsuren vorzöge. „Ha, Gott, loser!“ schrie er, „ich sehe wohl, Sie haben keinen Sinn für die himmlischen Dinge. Sie werden stets nur ein Chinese bleiben, ein Blinder, der bloß in Fleisch und Blut wandelt.“ — „Ein Chinese zu sein,“ entgegnete ich, „das rechne ich mir zur Ehre an. Aber blind — das ist was andres. Ich wette, Sie wären sehr erbost, wenn Ihr Volk so scharfe Äuglein hätte wie ich.“ — „Nur kein Zorn, lieber Phihihu“, er, widerte er. „Sie haben Augen, um die sinnlichen Dinge wahrzunehmen. Aber Ihre Seele, die sich nicht zu erheben vermag, hat keine Augen, um die geistigen Dinge zu sehen.“ — „Ach,“ entgegnete ich, „Sie Bonze, stolz auf den falschen Schein, den Sie in Ihren Schulen gelernt haben, lernen Sie den göttlichen Konfutse verstehen und Sie werden einsehen, daß seine Anhänger alle geistigen Dinge zu erfassen vermögen, die der Einsicht der schwachen Sterblichen erschlossen sind.“ — „Wie!“ rief er, „legen Ihre Brahmanen denn das Keuschheitsgelübde ab, wie wir?“ — „Wenn sie es auch nicht ablegen,“ erwiderte ich, „so leben sie doch ungefähr danach. In dieser prächtigen Stadt aber trifft man an jeder Ecke Bastarde von Kardinalen oder Bischöfen. Wozu nützen solche Keuschheitsgelübde? Aber selbst wenn Sie sie getreulich erfüllen — will der Tien denn Eunuchen zu Dienern haben und hat er uns mit unnützen Gliedern erschaffen?“ Daraufhin pries er mir die Werke eines gewissen Origenes, der die Vollkommenheit, wie er sagte, so weit getrieben hätte, daß er sich freiwillig des Gliedes beraubte, das ihn zur geringsten Unkeuschheit hätte ver, leiten können. „Wie gut täte man, Sie ebenso zu behandeln“, entgegnete ich. „Denn nichts ist frecher, als sich mit Vorzügen zu brüsten, die man so ganz und gar nicht besitzt.“ Das mißfiel ihm sehr. „Nein,“ sagte er, „wir haben Kastraten nur, um das Lob des Tien in unsren Kirchen zu singen, aber wir hüten uns wohl, uns selbst zu verstümmeln; denn ohne Versuchung gibt es kein Verdienst und ohne Kampf keinen Sieg.“ Ich konnte nicht umhin, ihm zu erwidern, daß hunderttausend Bastarde ihn und seinesgleichen nicht so hassenswert machten, wie so viele andre Verbrechen, die der Bonzenhaufe vollbrächte und die sein Lama so frech guthieße. Ob er mich nun weniger bestimmbar fand, als er gemeint hatte, jedenfalls merkte ich, daß seine Miene sich verfinsterte. Indes machte er noch einen letzten Versuch, indem er mich auf das hohe Alter seiner Kirche verwies. Ich entgegnete ihm mit den Worten meines portugiesischen Juden, die jüdische Religion wäre älter als die, deren Alter er rühmte, und ich könnte ihm zudem versichern, daß die Religion unsrer Gelehrten noch weit über die jüdische hinausreichte.
Die Unterhaltung wurde schleppend, und ich zog mich schließlich ganz sacht zurück. Mein Portugiese suchte mich auf und entdeckte mir, man hätte große Lust gehabt, mich zu taufen. Der Prälat, bei dem ich gewesen war, hätte gehofft, sich durch meine