<188>migkeit zu wohlbekannt, um auch nur in Verdacht der Hehlerei zu kommen. Die Justiz erkannte wohl, daß böse Menschen seine Redlichkeit mißbraucht hatten, und eröffnete kein Verfahren gegen ihn. Aber der tugendhafte Handwerksmann erbot sich, die ganze gestohlene Summe, von der die Missetäter ihm nur einen Teil gebracht hatten, aus eignen Mitteln zu ersetzen. Seit diesem schlimmen Zufall ward er vorsichtiger und verschwendete seine Diensie nicht mehr an Unbekannte.
Er war von Bürgertugend erfüllt und sah die Vaterstadt als seine Mutter an. Für sie erzog er seine Kinder; zu ihrem Gedeihen trug er bei, soweit sein Stand es erlaubte. Unterstand sich irgend ein törichter, anmaßlicher Fremdling, von gewissen Sitten und Bräuchen des Landes verächtlich zu reden, so wäre Reinhart, wie sanft und menschlich er sonst war, imstande gewesen, sich mit dem vorlauten Schwätzer zu schlagen. Bei allen Feuersbrünsien eilte dieser gute Bürger herbei. Obwohl ihn nichts dazu zwang, war er einer der ersten am Platze, ergriff beherzt eine Leiter und stieg da hinauf, wo das Feuer am grimmigsten wütete. Dort sah man ihn mitten in den sturmgepeitschten Glutwogen unermüdlich bestrebt, das Feuer zu löschen, alles Brennbare, was er erreichen konnte, herunterzureißen, das brennende Gebäude zu retten, oder doch, wenn die Feuersbrunst schon zu weit um sich gegriffen hatte, die anstoßenden Gebäude zu schützen und jedermann hilfreich zu sein, — alles aus Tugend und dem edlen Eifer, seiner Vaterstadt zu nützen.
Alle diese Tugenden erhielten ihre Weihe durch unverstellte Frömmigkeit. Er hatte Gott sein Herz geweiht, und aus dieser Quelle flossen die achtungswerten Handlungen, von denen ich Euch berichtet habe. Nie war ein Glaube inbrünstiger als der seine. Von allen unsren heiligen Büchern las er am fleißigsten und liebsten die Propheten des Alten Testaments und die Offenbarung St. Iohannis, weil er, wie er sagte, nichts davon verstand. Er wünschte, daß die ganze Religion nur ein Mysterium sei, um seinen Glauben desto besser üben zu können. Er wußte seine Vernunft so im Zaume zu halten, daß er nie über das Gelesene nachdachte und daß ihm nichts unglaublich schien. Mit Eifer sahen wir ihn an dieser heiligen Stätte jedem Gottesdienst beiwohnen. Er zeigte die Demut eines Christen, die Aufmerksamkeit eines Schülers, die Zerknirschung eines Wiedergeborenen. Er brachte in unsre Kirche einen gelehrigen Geist und eine demütige Seele mit, bereit, die Lehren des Evangeliums aufzunehmen. Nie duldete er, daß man während der Predigt mit ihm sprach, ja er versagte sich sogar den Genuß des Schnupftabaks, um nicht, wenn er sich schnauben müßte, den Faden unsrer Unterweisungen zu verlieren. Ach! Wie schalt er die Weltkinder, die nur in die Kirche zu gehen scheinen, um auf den Tribünen mit der Pracht ihrer Kleider zu prunken, um zu sehen und gesehen zu werden, die stets zerstreut und mit ihren Gedanken wo anders sind, als an der heiligen Stätte, die sie nur aus einem Rest von Wohlanstand besuchen! Ihn sah man sich niemals rühren. Unbeweglich heftete er die Blicke auf den Prediger und schien schon im voraus mit Entzücken alle Seligkeiten des himmlischen Zion zu schmecken und die