<201>

Gedächtnisrede auf Prinz Heinrich den Jüngeren1
Gelesen in der Akademie am 30. Dezember 1767



Meine Herren!

Ein verständiger Mensch darf sich gewiß dem Kummer hingeben, wenn er mit seinem Vaterlande und einem zahlreichen Volke den Schmerz um einen unersetzlichen Verlust teilt. Es ist nicht die Aufgabe der Philosophie, das natürliche Gefühl in uns zu ersticken; sie beschränkt sich darauf, die Ausbrüche der Leidenschaften in die rechte Bahn zu lenken und zu mäßigen. Sie wappnet das Herz des Weisen mit so viel Festigkeit, daß er sein Unglück mit Seelengröße trägt, würde ihn aber tadeln, wenn er Verlust und Unglück seiner Mitbürger mit dumpfer Gleichgültigkeit und kaltem Blick ansähe. Sollte ich also allein gefühllos bleiben dürfen bei dem traurigen Ereignis, das den Frohsinn Ihrer Tage trübt, bei dem düstern Schauspiel, das sich jüngst vor Ihren Augen abgespielt hat, bei dem Triumph des Todes, der sich aus dem, was er uns geraubt hat, Siegeszeichen errichtet und sich selber Beifall zollt, die Besten unter uns dahingerafft zu haben? Nein, meine Herren, mein Stillschweigen wäre strafbar; es muß mir vergönnt sein, meine Stimme mit der so vieler tugendhafter Bürger zur Klage um einen jungen Prinzen zu vereinen, den die Götter der Welt nur gezeigt und wieder genommen haben. Wohin ich meinen Blick auch wende, überall sehe ich nur gesenkte Stirnen, düstre Gesichter mit dem Stempel des Schmerzes, Tränenströme, die aus den Augen brechen; ich höre nur Seufzer und Klagen, durch Schluchzen erstickt. All das gemahnt mich an die Trauer der königlichen Familie, die, ach vergebens, den liebenswürdigen Prinzen zurückersehnt, den sie für immer verloren hat.

Die hohe Geburt, die Prinz Heinrich dem Thron so nahe stellte, war nicht die Ursache so allgemeiner Trauer: Hoheit, Glanz und Macht flößen nur Furcht ein, erzwungene Ergebenheit und Respekt, der ebenso leer ist wie das Idol, dem man ihn erweist. Stürzt das Idol, so ist es mit der Achtung vorbei, und die Bosheit schlägt


1 Prinz Heinrich, der zweite Sohn des Prinzen August Wilhelm und jüngere Bruder des Thronfolgers Friedrich Wilhelm, geb. am 30. Dezember 1747, † am 26. Mai 1767 im Dorfe Protzen bei Ruppin, während des Marsches seines Kürassierregiments, dessen Chef er war, zur Revue nach Berlin.