<207> Aus ihr entstehen alle Taten, durch die sich die Menschen unsterblich machen. Prinz Heinrich wollte seinen Ruf nicht der niedrigen Gefälligkeit des Pöbels verdanken, des verächtlichen Anbeters des Glücks, der seine Abgötter knechtisch beweihräuchert, auch wenn sie verdienstlos sind. Er strebte nach einem Ruhme, der von seiner Person unzertrennlich war und den kein Neid anzweifeln tonnte. Er wollte keinen erborgten Namen, sondern echten, von einem unveränderlichen Charakter getragenen Ruhm.
Was erhofften wir nicht alles von so vielen bewundernswerten Eigenschaften, die mit so großer Bescheidenheit gepaart waren! Mit welchem Vergnügen zeichneten wir nicht schon im voraus die Taten auf, die dieser große Prinz uns versprach! Wir sahen ihn in die Welt treten, die Bahn des Ruhmes tat sich vor ihm auf. Wir glaubten einen Wettläufer zu sehen, der seinen Lauf glorreich vollenden würde. Seine blühende Jugend schwellte unser Hoffen. Schon im voraus genossen wir alle seine Verdienste. Ach! Wir wußten nicht, daß ein düsteres Verhängnis ihn uns so bald rauben würde!
Weh mir! Soll ich Ihren Schmerz erneuern und den Quell Ihrer Tränen abermals stießen lassen? Soll meine Hand aufs neue den Dolch in Ihr noch blutendes Herz stoßen? Umsonst, meine Herren, wäre mein Bemühen, Ihnen unsren gemeinsamen Verlust zu verhehlen. Er ist leider nur zu wahr! Ohnmächtige Redner, was vermögt ihr, um einen so heftigen Schmerz zu lindern? Weint lieber mit allen Weinenden ringsum!
Wie Sie wissen, wurde Prinz Heinrich plötzlich von einer ebenso heftigen wie furchtbaren Krankheit ergriffen. Der Prinz, der keine Furcht kannte, scheute sich auch nicht vor den Blattern, obwohl sie im letzten Winter so große Verheerungen angerichtet hatten und fast jedermann mit Schrecken erfüllten. Bewundern Sie seine Menschlichkeit! Als die Ärzte ihm seine Krankheit nannten, verboter allen seinen Dienern den Zutritt, die bisher von den Blattern verschont geblieben waren. Einer seiner Kammerdiener, auf den dies zutraf, durfte ihn daher nicht bedienen. Der Prinz sagte, wenn man ihm seine Ruhe nicht rauben wolle, müsse man ihn allein die Gefahr bestehen lassen und ihn nicht dem aussetzen, andre anzustecken. Ein Flügeladjutant des Königs, der keine Blattern gehabt hatte, erbot sich, bei ihm zu wachen, aber der Prinz ließ es nicht zu. Er fürchtete, das Leben seiner Umgebung in Gefahr zu bringen, und trotzte selbst der Gefahr. Diese Herzensgüte und edle Gesinnung, diese hochherzige Denkweise, diese Menschlichkeit, die Krone aller Tugenden, kennzeichneten ihn bis zum letzten Augenblick. Geduldig ertrug er sein Leiden, blickte dem Tod furchtlos entgegen und starb wie ein Held.
Für die königliche Familie war diese ebenso unverhoffte wie unheilvolle Nachricht ein Donnerschlag. Ach! Wir alle schmeichelten uns mit Hoffnungen, suchten uns zu tauschen und verbannten aus unsrem Geiste die finstern Bilder, deren schmerzlicher Eindruck unser Gemüt verwundete. Die Ärzte, die durch ihre beschränkte Kunst zu bloßen Augenzeugen der Krankheit herabsinken, wiegten uns noch in trügerische