<220> diese Stellung etwa in Frage kamen. Er verfaßte ein Pamphlet gegen sie und mißbrauchte zu dem Zwecke La Mettries gefällige Freundschaft. Er bestimmte ihn dazu, ihm mit dem mühelosen Schaffen seiner Feder und der Fruchtbarkeit seiner Phantasie zu Hilfe zu kommen. Das genügte zum völligen Sturz eines wenig bekannten Mannes, der den Augenschein gegen sich und keinen Schutz als sein eignes Verdienst hatte.
Zum lohne für seine zu große Aufrichtigkeit als Philosoph und seine zu weitgehende Gefälligkeit als Freund mußte La Mettrie sein Vaterland verlassen. Der Herzog von Duras und Vicomte du Chayla rieten ihm, sich dem Haß der Priester und der Rachsucht der Ärzte zu entziehen. Er verließ also 1746 das Armeelazarett, wo Herr von Sechelles1 ihn angestellt hatte, und ging nach Leiden, wo er ruhig als Philosoph lebte. Dort schrieb er seine „Penelope“2 eine Polemik gegen die Ärzte, worin er nach Demokrits Vorbild die Eitelkeit seines Berufes ins Lächerliche zog. Das merkwürdigste dabei war, daß die Ärzte, deren Quacksalberei hier wahrheitsgetreu geschildert wird, beim lesen des Buches selbst lachen mußten; ein Beweis, daß es mehr Frohsinn als Bosheit enthielt.
Nachdem La Mettrie seine Hospitäler und Kranken aus dem Auge verloren, widmete er sich ganz der spekulativen Philosophie. Er schrieb seinen „Mensch als Ma, schine“3, oder vielmehr: er brachte einige starke Gedanken über den Materialismus zu Papier, jedenfalls, um sie später durchzuarbeiten. Das Werk mußte denen mißfallen, die von Amts wegen erklärte Feinde des Fortschritts der menschlichen Vernunft sind. Es brachte alle Pfaffen von leiden gegen den Verfasser auf. Calvinisten, Katholiken und lutheraner vergaßen plötzlich ihre Streitereien über die Transsubstantiation, die Willensfreiheit, die Totenmesse und die Unfehlbarkeit des Papstes und taten sich alle zur Verfolgung eines Philosophen zusammen, der zum Unglück auch noch ein Franzose war, — zu einer Zeit, da die französische Monarchie einen glücklichen Krieg gegen die Generalstaaten führte.
Als Philosoph und als Verfolgter fand la Mettrie seine Zuflucht in Preußen und erhielt eine Pension vom König. Im Februar 1748 kam er nach Berlin, wo er Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften wurde. Die Medizin machte ihn der Metaphysik streitig, und er schrieb eine Abhandlung über die Ruhr, sowie eine andre über das Asthma4, die besten Arbeiten, die es über diese grausamen Krankheiten gibt. Auch entwarf er mehrere Werke über abstrakte philosophische Gegenstände, die er einer näheren Prüfung unterziehen wollte. Aber durch eine Reihe von Schicksalsschlägen, die er erlitt, wurden ihm diese Schriften gestohlen, und als sie erschienen5, verlangte er ihre Unterdrückung.
1 Der französische Armee-Intendant.
2 Ouvrage de Pénélope, ou le Machiavel en médecine, 1748.
3 L'Homme-machine, 1748.
4 Mémoire sur la dyssenterie, 1750; Traité de l'asthme et et de la dyssenterie, 1750.
5 Œvrez philosophiques, 1751.