<223> nimmt, indem es die tote Leinwand lebendig macht. Er vernachlässigte kein Genre von der Historienmalerei bis zur Blumenmalerei, vom Hl bis zum Pastell. Die Malerei führte ihn zur Architektur. Hatte er die Bauwerke anfangs nur als Staffage für seine Gemälde benutzt, so stellte sich doch bald heraus, daß das, was er nur für eine Nebensache gehalten hatte, sein eigentliches Talent ausmachte.
Trotz seines zurückgezogenen Lebens blieb er dem König, dem damaligen Kronprinzen, nicht verborgen. Der berief ihn in seinen Dienst. Knobelsdorffs erster Versuch war die Ausschmückung des Schlosses von Rheinsberg, das er nebst den Gartenanlagen in seinen jetzigen Zustand brachte. Er verschönerte die Architektur
durch seinen malerischen Geschmack, der den gewöhnlichen Ornamenten eigene Anmut verlieh. Er liebte die edle Schlichtheit der Griechen, und sein Feingefühl verwarf alle unangebrachten Verzierungen.
Begierig, sich Kenntnisse zu erwerben, wünschte Knobelsdorff Italien kennen zu lernen, um dort, selbst in den Ruinen, die Regeln seiner Kunst zu studieren. Im Jahre 1736 trat er seine Reise an. Er bewunderte das Kolorit der Venezianer, die Zeichnung der römischen Schule und sah alle Gemälde der großen Meister. Von allen zeitgenössischen Malern erschien ihm allein Solimena1 denen ebenbürtig, die unter Leo X. ihr Vaterland ausgezeichnet hatten. In der Architektur der Alten fand er mehr Majestät als in der der Neueren. Er bewunderte die prunkvolle Peterslirche in Rom, ohne gegen ihre Fehler blind zu sein. Er erkannte wohl, daß die ver-
1 Francesco Solimena(1657—1747), später, aber glänzender Vertreter der neapolitanischen Malerschule. Sein Hauptwerk, die Freslen der Geschichte des Heliodor in S. Gesù nuovo in Neapel, ist starl durch Raffaels Stanzen beeinflußt.