<225> Innendekoration, die Anlage und Wohnlichkeit der Räume. Nach Verlassen Frank, reichs bereiste er Flandern, wo ihm, wie man sich denken kann, die Werke van Dycks, Rubens' und Wouwermans nicht entgingen.
Nach seiner Heimkehr übertrug ihm der König den Bau des Opernhauses, eines der schönsten und stilgerechtesten Gebäude, die die Hauptstadt zieren. Die Fassade ist der des Pantheon frei nachgebildet. Das Innere ist durch das glückliche Verhältnis der Maße bei aller Größe von guter Akustik. Danach übernahm Knobelsdorff den Bau des neuen Flügels des Charlottenburger Schlosses, in dem die Kunstfreunde die Schönheit des Vestibüls und des Treppenhauses, die Eleganz des großen Saales und der Galerie bewundern. Ebenso kamen seine Talente bei der Anlage der neuen Kolonnade des Potsdamer Stadtschlosses, der Marmortreppe und des Saales zur Geltung, der die Apotheose des Großen Kurfürsten1 enthält. Auch der Kuppelsaal in Sanssouci, eine freie Nachbildung vom Innern des Pantheon, entstand nach seinen Entwürfen, ebenso die Grotte und die Marmorkolonnade im Park dieses Schlosses2. Außer den genannten Bauwerken wurde noch eine Unzahl von Privathäusern in Berlin und Potsdam, sowie das Schloß in Dessau nach seinen Zeichnungen ausgeführt.
Die Königliche Akademie der Wissenschaften ließ sich ein so vielseitiges Talent bei ihrer Erneuerung nicht entgehen und ernannte Knobelsdorff zu ihrem Ehrenmitgliede. Man wundre sich nicht, einen Maler und großen Architekten unter Astronomen, Mathematikern, Physikern und Dichtern sitzen zu sehen. Künste und Wissenschaften sind Zwillingsgeschwister. Ihre gemeinsame Mutter ist das Genie. Natürliche und unzerreißbare Bande verknüpfen sie miteinander. Die Malerei erfordert genaue Kenntnis der Mythologie und Geschichte; sie führt zum Studium der Anatomie, denn sie bedarf der Kenntnis aller Triebfedern der menschlichen Bewegungen, damit die Muskulatur bei der Stellung der Figuren der Wirklichkeit entspricht und die Glieder nur richtige Schwellungen und Vertiefungen aufweisen. Die Landschaftsmalerei erfordert Kenntnis der Optik und Perspektive, und bei der Darstellung der Architektur auch das Studium der Geometrie, der bewegenden Kräfte und der Mechanik. Vor allem hängt die Malerei mit der Dichtkunst zusammen. Das gleiche Feuer der Einbildungskraft, das den Dichter beseelt, muß auch den Maler durchglühen. Das alles gehört zum Schassen eines guten Malers. Vielleicht liegt einer der großen Vorzüge unsres aufgeklärten Jahrhunderts darin, daß es die Wissenschaften unentbehrlich gemacht und sie dadurch verbreitet hat.
Alle diese Kenntnisse machten Knobelsdorff zum würdigen Mitgliede der Akademie. Sie würden ihm noch mehr zur Ehre gereicht haben, wäre er uns nicht in einem Alter entrissen worden, wo seine Talente in voller Reife standen. Er litt unter Gichtan-
1 Gemalt von Karl Amadeas Philipp van Loo (1718 bis nach 1790), dem Neffen des oben genannten Charles van Loo (1705—1765).
2 Gemeint sind die Neptunsgrotte und die prächtige Marmorkolonnade, die später abgebrochen und beim Bau des Marmorpalais verwandt wurde.