<23> und ernannte Obrigkeiten, die über ihre Befolgung zu wachen hatten. So groß ist die Verderbtheit des Menschenherzens, daß man uns durch die Macht der Gesetze zwingen muß, in Glück und Frieden zu leben!

Die ersten Gesetze wehrten nur den gröbsten Unzuträglichkeiten. Die bürgerlichen Gesetze regelten den Dienst der Götter, die Teilung des Ackerlandes, die Ehevertrage und die Erbfolge. Die Strafgesetze verfuhren nur gegen die Verbrechen streng, deren Wirkungen man am meisten fürchtete. Entstanden dann in der Folge neue Unzuträglichkeiten und Unordnungen, so wurden neue Gesetze geschaffen.

Aus dem Bund der Städte entstanden Republiken, deren Regierungsform sich bei der Wandelbarkeit aller menschlichen Dinge oft veränderte. Das Volk wurde der Demokratie überdrüssig und ging zur Aristokratie über, an deren Stelle dann sogar die monarchische Regierungsform trat: entweder so, daß das Volk zur hervorragenden Tugend eines Mitbürgers Vertrauen hatte, oder daß irgend ein Ehrgeiziger durch Ränke die Herrschermacht an sich riß. Nur wenige Staaten haben diese verschiedenen Regierungsformen nicht durchgemacht, aber alle hatten verschiedene Gesetze.

Osiris1 ist der erste Gesetzgeber, den die Weltgeschichte erwähnt. Er war König von Ägypten und führte dort seine Gesetze ein, denen nicht nur die Untertanen, sondern auch die Herrscher selbst unterworfen waren. Die Könige erwarben sich nur so weit die Liebe des Volkes, als sie nach diesen Gesetzen regierten. Osiris (einige Schriftsieller nennen daneben auch Isis) setzte dreißig Richter ein. Ihr Oberhaupt trug an einer goldenen Halskette das Bild der Wahrheit. Wen er damit berührte, der hatte seine Sache gewonnen. (Herodot, Diodor.) Osiris regelte den Götterdiensi, die Teilung des Ackerlandes und den Unterschied der Stände. Er verbot die Schuldhaft und verbannte alle Verführungstünsie der Rhetorik aus den Gerichten. Die Ägypter verpfändeten ihren Gläubigern die Leichen ihrer Eltern, und der Schuldner, der sie vor seinem Tode nicht wiedereinlösie, galt für ehrlos. Der Gesetzgeber glaubte, es sei nicht genug, die Menschen bei Lebzeiten zu bestrafen. Er richtete auch Totengerichte ein, damit die Schande, die sich an ihre Verurteilung heftete, den Lebenden ein Ansporn zur Tugend würde.

Nächst den Gesetzen der Ägypter sind die der Kreter die ältesten. Ihr Gesetzgeber, Minos, gab sich für einen Sohn Jupiters aus und behauptete, seine Gesetze von seinem Vater empfangen zu haben, um ihnen mehr Ansehen zu verschassen.

Lykurg, König von Sparta, benutzte die Gesetze des Minos und fügte einige des Osiris hinzu, die er auf einer Reise nach Ägypten gesammelt hatte. (Plutarch.) Er verbannte Gold und Silber und alle Münzen, sowie alle nutzlosen Künste aus seinem Lande und verteilte die Äcker gleichmäßig unter die Bürger. (Plutarch.) Lykurg wollte Krieger heranbilden, deren Mut durch keine Art von Leidenschaft entnervt werden sollte. Daher gestattete er den Bürgern die Weibergemeinschaft. Auf diese Weise


1 Der ägyptische Totengott Osiris, Bruder und Gatte der Isis, wurde von einer ägyptischen Volkssage, die Plutarch berichtet, zum Herrscher und Gesetzgeber der Ägypter gemacht.