<263> die Eltern auch nach Abschluß der Studien ein Auge auf ihre Söhne haben, damit sie nicht durch den Umgang mit schlechter Gesellschaft verdorben werden. Denn die ersten guten oder schlechten Beispiele machen auf die Jugend einen so starken Eindruck, daß sie oft ihren Charakter unveränderlich bestimmen. Das ist eine der großen Klippen, vor denen man sie bewahren muß. Hieraus entspringen die Neigung zum Nichtstun, die Ausschweifung, Spielwut und alle Lasier.
Die Pflichten der Väter erstrecken sich aber noch weiter. Ich glaube, sie müßten mehr Kritik anwenden, um die Anlagen ihrer Söhne recht zu erkennen und sie zu dem Berufe zu bestimmen, der ihren Talenten entspricht. Wieviel Kenntnisse sie sich auch erworben haben, sie können nie zu viele besitzen, welchen Beruf sie auch ergreifen. Das Waffenhandwerk erfordert sehr ausgedehntes Wissen. Es ist eine lächerliche und freche Behauptung im Munde vieler Leute: „Mein Sohn will nicht studieren. Zum Soldaten weiß er genug.“ Jawohl, zum gemeinen Infanteristen, aber nicht zum Offizier, der nach den höchsten Stellen strebt, und danach muß sein Ehrgeiz allein trachten. Aber die Ungeduld und der Eifer der Väter gibt auch noch zu einer andren Unzuträglichst Anlaß. Sie wünschen, daß ihre Söhne rasch ihr Glück machen. Sie sollen mit einem Schritt von den unteren Graden zu den höchsten gelangen, noch ehe das Alter sie dazu befähigt und ihr Verstand gereift ist.
Der Dienst in der Justiz, Finanzwirtschaft, Diplomatie und Armee ist für den Edelmann gewiß ehrenvoll. Aber alles wäre verloren in einem Staate, wenn die Geburt über das Verdienst siegte. Dieser Grundsatz ist so irrig, so aberwitzig, daß eine Regierung, die ihn annähme, seine verhängnisvollen Folgen bald spüren müßte. Damit ist nicht gesagt, daß die Regel keine Ausnahme erlaubte, daß es keine frühreifen Menschen gäbe, deren Verdienste und Talente ihre Fürsprecher sind. Es wäre nur zu wünschen, daß dergleichen Beispiele häufiger wären.
Schließlich bin ich überzeugt, daß man aus den Menschen machen kann, was man will. Es sieht fest, daß die Griechen und Römer eine Fülle großer Männer aller Art hervorgebracht haben und daß sie das der männlichen Erziehung dankten, die durch ihre Gesetze geregelt war. Aber wenn diese Beispiele zu veraltet scheinen, so betrachten wir doch die Taten des Zaren Peter I., dem es gelang, ein ganz barbarisches Volk zu zivilisieren. Warum also sollte man bei einem gebildeten Volke nicht einige Erziehungsfehler verbessern können? Man glaubt fälschlich, daß Künste und Wissenschaften die Sitten verweichlichen. Aber alles, was den Geist aufklärt, alles, was den Kreis der Kenntnisse erweitert, erhebt die Seele, anstatt sie zu erniedrigen. Doch das ist hierzulande nicht der Fall. Wollte Gott, die Wissenschaften würden hier mehr geliebt! Die Erziehungsmethode ist mangelhaft. Man verbessere sie, und man wird Sittlichkeit, Tugenden und Talente wiederaufblühen sehen. Die Verweichlichung der Jugend hat mich oft auf den Gedanken gebracht, was wohl Arminius, der stolze Verteidiger Germaniens, dazu sagen würde, wenn er das Geschlecht der Sueven und Semnonen so entartet, herabgekommen und erniedrigt