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Antwort: Die Stellung könnte meine Begier erregen. Trotzdem möchte ich niemals zum Mörder werden, um sie zu erlangen.

Frage: Was nennst Du, zum Mörder werden?

Antwort: Einen Menschen töten, ist für den Getöteten nicht so schlimm als ihn zu entehren. Gilt es doch gleich, ob man ihn mit der Zunge oder mit dem Dolche meuchelt1.

Frage: Du würdest also niemanden verleumden. Dennoch kann es geschehen, daß Du jemanden tötest, ohne ihn zu ermorden. Nicht als ob ich Dir einen kaltblütigen Totschlag zutraute! Aber wenn einer Deiner Standesgenossen Dir seine Feindschaft erklärt und Dich verfolgt, wenn ein Flegel Dich beschimpft und entehrt, kann der Zorn Dich hinreißen und das süße Gefühl der Rache Dich zu einer gewaltsamen Tat treiben.

Antwort: Das sollte nicht geschehen! Aber ich bin ein Mensch, mit lebhaften Leidenschaften begabt. Ich würde sicherlich einen schweren Kampf zu bestehen haben, um die erste Zorneswallung zu unterdrücken; gleichwohl müßte ich sie bezwingen. Privatbeleidigungen zu rächen, ist Sache des Gesetzes; kein einzelner hat ein Recht zur Bestrafung derer, die ihn beschimpfen. Wollte es aber das Unglück, daß die erste Aufwallung die Oberhand über meine Vernunft gewänne, so würde ich es zeitlebens bereuen.

Frage: Wie würdest Du dies Benehmen als Soldat mit dem vereinigen, was die Ehre einem Mann von Stand gebietet? Wie Du weißt, stehen die Ehrengesetze leider in allen Ländern mit den bürgerlichen Gesetzen in schroffem Widerspruch.

Antwort: Ich würde mir ein verständiges, maßvolles Benehmen zur Regel machen, um keinen Anlaß zu Händeln zu geben. Wenn man mich aber ohne meine Schuld reizte, so wäre ich gezwungen, dem Brauche zu folgen, und ich würde mir wegen der Folgen die Hände in Unschuld waschen2.

Frage: Da wir gerade vom Ehrgefühl sprechen, so erkläre mir doch, worin cs nach Deiner Meinung besieht.

Antwort: Das Ehrgefühl besieht in der Vermeidung alles dessen, was den Menschen verächtlich machen kann, und in der Pflicht, alle ehrlichen Mittel zu gebrauchen, um seinen guten Ruf zu erhöhen.

Frage: Wodurch wird ein Mensch verächtlich?

Antwort: Durch Genußsucht, Müßiggang, Albernheit, Unwissenheit, schlechte Aufführung, Feigheit und alle Lasier.

Frage: Was verschafft einen guten Ruf?


1 Vgl. Band III, S. 120.

2 Vgl. dazu S. 37 f.