Im fünften Jahrhundert, als das römische Weltreich zerfiel, überschwemmten die nordischen Völker einen Teil Europas. Die Gallier wurden von den Westgoten, Burgundern und Franken unterjocht. Diese Barbarenvölker führten bei den Unterworfenen ihre Gesetze und Bräuche ein.
Chlodwig glaubte seinen neuen Untertanen eine Gnade zu erweisen, indem er ihnen die Wahl zwischen den Gesetzen der Sieger und der Besiegten ließ. Er erließ das Salische Gesetz (487, nach Daniel, Histoire de France). Von seinen Nachfolgern wurden oft neue Gesetze gegeben. Gundobald, König von Burgund, erließ eine Verordnung, worin er denen, die sich nicht mit dem Eide begnügten, den Zweikampf gestattete. (Hénault, „Abrégé chronologique“.)
Ursprünglich hatten die Grundherren die höchste Gerichtsbarkeit. Gegen ihren Spruch gab es keine Berufung. Unter der Regierung Ludwigs des Dicken ward in Frankreich die oberste Gerichtsbarkeit der Könige eingeführt. Später sehen wir Karl IX. bestrebt, die Justiz zu reformieren und das Verfahren abzukürzen, wie aus der Verordnung von Moulins hervorgeht. (De Thou, Histoire universelle depuis 1543 jusqu'en 1607.) Bemerkenswert ist, daß so weise Gesetze in so unruhiger Zeit erlassen wurden. Aber wie der Präsident Henault sagt, wachte der Kanzler L'hôpital über das Wohl des Vaterlandes. Endlich ließ Ludwig XIV. alle Gesetze von Chlodwig bis auf seine Zeit sammeln. Diese Sammlung wurde der Codex Ludovicianus genannt.
Die Briten, die wie die Gallier von den Römern unterworfen wurden, erhielten gleichfalls die Gesetze ihrer Überwinder. Vor ihrer Unterjochung waren diese Völker von Druiden regiert worden, deren Lehren Gesetzeskraft hatten. (Rapin-Thoyras, Histoire d'Angleterre. Einleitung.) Die Familienhäupter hatten Recht über Leben und Tod ihrer Frauen und Kinder. Aller Verkehr mit dem Ausland war verboten. Die Kriegsgefangenen wurden ermordet und den Göttern geopfert.
Die Römer behaupteten ihre Macht und ihre Gesetze in Britannien bis zur Zeit des Honorius, der den Briten im Jahre 410 durch feierlichen Akt ihre Freiheit wiedergab. Nun griffen die Pikten, ein aus Mecklenburg stammendes Volt, sie im Verein mit den Schotten an. Die Briten, von den Römern nur schwach unterstützt und von ihren Feinden stets besiegt, wandten sich um Hilfe an die Sachsen. Diese unterjochten die ganze Insel nach hundertfünfzigjährigen Kriegen und wurden aus den Bundesgenossen der Briten zu ihren Herren.
Die Angelsachsen führten in Britannien die Gesetze ein, die ehedem in Deutschland bestanden. Sie teilten England in sieben Königreiche, deren jedes besonders regiert wurde. Sie hatten sämtlich allgemeine Versammlungen, die aus den Großen, dem Volk und den Bauern bestanden. (Sie hießen Vitena gernôt oder Rat der Weisen.) Dies Gemisch von monarchischer, aristokratischer und demokratischer Regierung hat sich bis auf die Gegenwart erhalten. Noch heute ist die höchste Gewalt zwischen dem König und den beiden Parlamentshäusern geteilt.